Augustus und Herodes. Ein Tandem für ein ambitioniertes Projekt unter schweren Vorzeichen


Akademische Arbeit, 2016

27 Seiten, Note: 2.3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Herodes im augusteischen „Klientelkonstrukt“
2.1 Herodes als „einer unter Gleichen“ im strategischen Konzept
2.2 Das Klientelsystem im Gefüge des römische Reiches
2.3 Die Rechte und Pflichten Herodes`

3. Durch den Kaiser allein keine Stabilität
3.1 Die Struktur des Staates Herodes´
3.2 Das Militär

4. Die Integration Judäas in die Pax Romana
4.1 Der Kaiserkult
4.2 Herodes als Euerget im Rahmen des Kaiserkults

5. Herodes Augustus und die Juden
5.1 Die Pharisäer
5.2 Die Gründe für das Scheitern der Integration

6. Fazit

Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Nach seinem entscheidenden Sieg bei Actium (2. September 31 v. Chr.) beließ Octavian (63 v. Chr. bis 14 n. Chr.) Herodes im Amt des Herrschers über Palästina,1 obwohl jener ein ergebener und aktiver Unterstützer seines Kontrahenten Antonius gewesen war und nicht über die entsprechende dynastische Abstammung verfügte.2 Octavian übernahm im östlichen Mittelmeerraum das maßgeblich von Antonius geschaffene und weiterentwickelte Klientelsystem, dem auch das herodianische Reich angehörte. Er fügte es als integrales Teil in das neue „staatliche Konstrukt“ des Imperiums Romanum ein. Aufgabe des Herodes in diesem System war es, für Ruhe im Inneren seines Herrschaftsbereiches zu sorgen, auf Anweisung militärische Hilfe bei der Verteidigung der Außengrenzen des Römischen Reichs zu leisten und den Kaiserkult zu pflegen. Herodes ging allen diesen Pflichten erfolgreich nach. Dennoch galt er bei seinen vor allem jüdischen Untertanen u.a. auch aufgrund seiner fehlenden dynastischen Legitimität als Usurpator. Ungeachtet dessen, gelang es ihm aufgrund unterschiedlicher Maßnahmen ein gut funktionierendes Regierungssystem aufzubauen, was zur Stabilität in der gesamten östlichen Mittelmeerregion beitrug. Neben der Pflege des Kaiserkults und der offensichtlichen Hinwendung zur hellenistisch-römischen Kultur ließ Herodes heilige Stätten der Juden erbauen bzw. erneuern. In den letzten Jahren seiner Regierungszeit geriet Herodes immer mehr in Schwierigkeiten. Infolgedessen brachen kurz nach seinem Tod Aufstände in den jüdischen Teilen seines Reiches aus, was dazu führte, dass das Modell des Klientelkönigtums nicht mehr funktionierte.

In der vorliegenden Arbeit wird eine Reihe von Fragen beantwortet. Die wichtigste davon ist, wie das herodianische Klientelkönigtum im Gefüge des augusteischen Römischen Reiches funktionierte und welche Politik Augustus dabei verfolgte. Weiterhin soll untersucht werden, welche Legitimationsstrategien Herodes wählte, um seine Pflichten gegenüber Augustus zu erfüllen ohne in Konflikt mit seinen überwiegend jüdischen Untertanen zu geraten. Auch wird geklärt werden, welche Gründe in diesem Zusammenhang dazu beitrugen, dass das Modell des herodianischen Klientelkönigtums nach Herodes´ Tod nicht mehr im Gesamtkonstrukt des Römischen Reiches funktionierte.

Dazu sollen zunächst die Politik Augustus´ bezüglich der Klientelstaaten des östlichen Mittelmeerraumes, ihre Funktion im Rahmen seines strategischen Konzepts, sowie die Rechte und Pflichten, die sich speziell für Herodes daraus ergaben, analysiert werden. Um darzustellen, wie Herodes selbst seine Rechte und Pflichten als Klientelfürst interpretierte, werden Aufbau und Struktur des Staates Herodes´ bezüglich dessen Legitimationsstrategie gegenüber dem Kaiser und den Juden behandelt. Dieser Sachverhalt wird unter dem Blickwinkel der Beziehungen zwischen Augustus und Herodes und des sich daraus ergebenen ambivalenten politischen Ansatzes Herodes´ betrachtet. Im Anschluss an die Betrachtung des Kaiserkults wird das Verhältnis Herodes´ zum Judentum und dessen wichtigsten religiösen Parteiungen beschrieben. Damit soll das Bild des ambitionierten Projekts Imperium Herodicum im Konstrukt des augusteischen Reiches vervollständigt und sollen möglichen Ursachen für dessen Scheitern herausgefunden werden.

2. Herodes im augusteischen „Klientelkonstrukt“

2.1 Herodes als „einer unter Gleichen“ im strategischen Konzept

Als Herodes nach dem entscheidenden Sieg Octavians über Antonius in der Schlacht bei Actium nach Rhodos aufbrach, um den jungen Caesar von seiner unbedingten Treue zu Rom zu überzeugen, war er sich seiner Zukunft als jüdischer König nicht sicher.3 Es war zu befürchten, Octavian könnte zum alten republikanischen Grundsatz zurückkehren, wonach nur den Angehörigen bereits regierender Dynastien die Königswürde überlassen werden konnte.4 Eine Folge dieser Befürchtung war die Hinrichtung des Hyrkanos, des einzigen noch lebenden, männlichen Mitglieds der Hasmonäerfamilie.5

Auf Rhodos erklärte Herodes vor dem neuen Machthaber Roms, er sei immer treu im Dienste zu Antonius´ gestanden und habe ihm stets geholfen den Besitz seiner höchsten Gewalt zu sichern.6 Zudem bekannte er offen, dass er Augustus im Kampf unterstützt hätte, wäre er nicht durch den Kampf gegen die Araber daran gehindert worden; außerdem habe er Antonius mit Bundesgenossen und Getreidelieferungen unter die Arme gegriffen.7 Ihm habe er aber auch den Rat gegeben, der einzige Ausweg aus der aussichtslosen Situation sei, Kleopatra zu töten, um mit Octavian Frieden zu schließen.8 Mit diesen Aussagen wollte Herodes offensichtlich seine grundsätzliche Zuverlässigkeit und Treue gegenüber Rom unterstreichen. Er meinte zudem, dass das, was er an Zuverlässigkeit Antonius gegenüber gezeigt hatte, er nun auch gegenüber Octavian zeigen wolle.9 Die Behauptung, er habe Antonius geraten, Kleopatra zu beseitigen, sollte hervorheben, dass er stets die Interessen Roms im Auge behalten hatte, was genau in das Konzept des Octavian passte. Die beiden führenden Kriegsmächte seien nicht die Triumvirn, so Herodes, viel mehr handele es sich um einen Krieg zwischen dem römischen Volk und der ägyptischen Königin, die angeblich von Antonius zur Erbin von Provinzen des römischen Volkes bestimmt worden war.10

Wie bekannt ist, bestätigte Octavian den Idumäer als Herrscher über Palästina.11 Allerdings beließ er nicht nur Herodes, sondern auch andere von Antonius benannte Klientelherrscher, wie Amyntas von Galatien, Archelaos Sissenes von Kappadokien oder auch Polemos in Pontos, in ihrer jeweiligen Stellung.12 Daraus lässt sich schließen, dass das Auftreten Herodes´ gegenüber Octavian nicht als der ausschlaggebende Grund für die Entscheidung Octavians, Herodes als König von Judäa zu bestätigen, zu werten ist. Die Strategie, die Herodes für seine Argumentation wählte, mag aber eine gewisse Rolle bei Octavians Entscheidung gespielt haben, denn Herodes begründete seine Handlungen mit Behauptungen, die mit der offiziellen Propaganda Octavians übereinstimmten.13 Die Tatsache, dass Octavian in Herodes den rechten Mann für die schwere Aufgabe des Regierens über Judäa sah, dürfte zum größten Teil an dessen Fähigkeit gelegen haben, die Grenzen gegen etwaige Gegner zu verteidigen, was Herodes mit seinem Sieg über die Nabatäer unter Beweis gestellt hatte.14 Das zum einen. Zum anderen, hatte es wohl auch mit der generellen Tendenz zur Beibehaltung der von Antonius eingesetzten Klientelfürsten zu tun.15 Für die relativ ungewisse Situation, in der sich Octavian kurz nach dem Sieg bei Actium befand, stellte das von Antonius geschaffene System der Klientelbeziehungen das geeignete Mittel dar, um die politisch-strategischen Machtverhältnisse im Osten des Reiches aufrechtzuerhalten.16

2.2 Das Klientelsystem im Gefüge des römische Reiches

Das von Antonius geschaffene Klientelsystem fußte maßgeblich auf der unmittelbaren Bindung der auswärtigen Klientelbeziehungen an die eigene Person, wobei an dieser Stelle zu betonen ist, dass der Prozess der Schaffung persönlicher Bindung schon bereits Pompeius und Caesar, eingesetzt hatte.17 Die in der republikanischen Zeit zwischen dem römischen Volk und den anderen Völkern festgelegten Beziehungen wurden damit auf eine individuelle Ebene, die Ebene zwischen Klientelherrscher18 und deren römische Herren übertragen. Diese persönlichen Bindungen festigten sich unter anderem auch dadurch, dass die weniger willfährigen Klientelherrscher von Antonius durch andere ausgetauscht wurden. Diese verfügten aber oft nicht über eine entsprechende königliche bzw. dynastische Abstammung, was sie bei den Untertanen weniger beliebt machte. Das wiederum hatte zur Folge, dass sie sich noch stärker an ihren römischen Patron binden mussten.19 Demzufolge lässt sich die Übernahme des Klientelsystems Antonius´ durch Oktavian mit all diesen ergebenen Königen und Dynasten, die der Gnade des Siegers von Actium die Fortdauer ihrer Herrschaft zu verdanken hatten, mit der relativ ungewissen politischen Situation des römischen Reiches erklären.20 Die Klientelherrscher waren eher dazu bereit, sich dem Willen eines Patronus als dem des römischen Senats zu beugen, ein Umstand, der Oktavian in seiner kurz nach dem entscheidenden Sieg über Antonius unsicheren Lage zusätzliche Argumente für seine Position in Rom einbrachte.21

Dennoch wurde die Klientelpolitik unter Octavian/Augustus eine andere. Das „Monopol“ auf die auswärtigen Klientelbeziehungen bekam nach dem Ende der Bürgerkriege eine neue Qualität, was Auswirkungen auf die Gestalt und den inneren Zusammenhalt des römischen Herrschaftsbereichs hatte. Nun war der gezielte Rückgriff auf die Klientelherrscher, um Mitstreiter im Bürgerkrieg zu haben, nicht mehr notwendig. Im Zusammenhang damit, dass der Princeps zur zentralen Figur im römischen Reich aufstieg, wurde die auswärtige Klientelpolitik in einer gewissen Art und Weise zu einer „Staatspolitik“. Die Klientelkönigreiche, die von den Römern bis zur Schlacht bei Actium nicht als Teile des römischen Reiches im engeren Sinne angesehen worden waren, gehörten für Oktavian/Augustus jetzt zusammen mit den Provinzen zum unmittelbaren Bestandteil des Reiches.22 Das hatte zur Folge, dass der römische Staatsapparat um die Institution des Klientelkönigtums erweitert wurde. Die Klientelreiche wurden damit zum integralen Bestandteil des Imperium Romanum.23

Da es sich aber bei einer Klientelbeziehung um das Verhältnis eines untergebenen Klientelkönigs zu einem römischen Herrscher handelte, wurde die Institution des Klientelkönigtums im Gefüge des römischen Imperiums allein auf den Princeps zugeschnitten, der die Klientelherrscher mittels bestimmter Maßnahmen an Rom band. Diese waren, einerseits, die Einführung des Kaiserkultes24 in den jeweiligen Königreichen und, zum anderen, die von Augustus gezielt gesteuerte Heiratspolitik unter den Klientelkönigen, die die Stärkung der verwandtschaftlichen Bindungen der Könige zum Ziel hatte, was gleichzeitig der Stabilität in der jeweiligen Region dienen sollte.25 Ferner wurde es zur Norm, den königlichen Nachwuchs in Rom zu erziehen, was einerseits das Verständnis der römischen Gesellschaft und Kultur bei den künftigen Klientelherrschern förderte und zur Integration der Königreiche in das römische Imperium beitrug. Andererseits war nicht zu übersehen, dass die Söhne der Klientelkönige, die sich in Rom aufhielten, Geiseln des Princeps waren, der im Zweifelsfall das Wohlwollen ihrer Väter erzwingen konnte.26 Mit all diesen Maßnahmen machte Augustus die Klientelherrscher zu seiner persönlichen Gefolgschaft, was im Großen und Ganzen zum Machterhalt Augustus´ und zur Stabilisierung seiner neuen Staatsform beitrug.27 Diese Tatsache war für die Untertanen der jeweiligen Herrscher von entscheidender Bedeutung, auch die Juden im Reich Herodes´ bildeten hierbei keine Ausnahme.

2.3 Die Rechte und Pflichten Herodes`

Bevor die Machtbefugnisse Herodes´ konkret definiert werden können, ist zunächst zu klären, auf welchen rechtlichen Grundlagen sein Königtum fußte und welchen Status Herodes im Römischen Reich innehatte.

Die offizielle Stellung Herodes war die eines „verbündeten Königs und Freundes des römischen Volkes“.28 Rechtsgrundlagen für sein Königtum waren die Ernennung durch den Senat, auf den Vorschlag Antonius` (40 v. Chr.)29 hin und die Bestätigung durch Oktavian/Augustus nach der Schlacht bei Actium (31 v. Chr.)30. Das Königtum, welches er nur auf Lebenszeit verliehen bekam, war mit bestimmten Rechten und Pflichten verbunden, die aus einem staatsrechtlichen, auch für andere Klientelherrscher geltenden Verhältnis rührten. Der Titel eines „verbündeten Königs“ war eine große Ehrung, die nicht jedem Klienten zustand, bedeutete aber keinen Vorzug gegenüber anderen Titeln, wie Priester, Stammesfürst oder Dynast.31 Wie bereits erwähnt, war der Königstitel nur ad personam an Herodes verliehen worden, was bedeutete, dass es ihm auch aus einem beliebigen Grund zu jedem beliebigen Moment vom Kaiser wieder entzogen werden konnte. In dieser Hinsicht war sein Status noch niedriger als der des Hyrkanos´ II. der sein Ethnarchenamt theoretisch auf seine Söhne vererben konnte. Zwar bekam Herodes ab 23 v. Chr. von Augustus die Erlaubnis den Nachfolger für sich selbst zu bestimmen32, doch sollte sich später erweisen, dass diese Bestimmung einen bloßen Designationscharakter hatte.33 Ebenso blieb ihm eine eigene Außenpolitik versagt, denn Verträge mit auswärtigen Herrschern durfte er nicht abschließen und auch Kriege durfte er nicht ohne die Zustimmung und das Wissen des Kaisers führen. Auch war er Rom gegenüber tributpflichtig.34 Das beschränkte Münzrecht – er durfte nur Kupfermünzen prägen – stellte ihn in dieser Frage auf eine gleiche Stufe mit den anderen Klientelfürsten, die ähnliche Münzrechte hatten.35

Im Inneren seines Staates konnte Herodes allerdings nach eigenem Gutdünken schalten und walten. Die Übertragung des Königtums an Herodes wurde – anderes als bei den Hasmonäern – von keinem offiziellen Bündnisvertrag begleitet.36 Mit anderen Worten bedeutete es, dass sich damit die Rechtsstellung des jüdischen Volkes entscheidend änderte.37 Für die Römer stellte das jüdische Volk nun keine politische Instanz mehr dar und war somit Herodes, dem Bevollmächtigen der römischen Staatsmacht, voll und ganz ausgeliefert. Dieses neue Herrschaftsverhältnis hatte Auswirkungen auf alle Bereiche des öffentlichen Lebens: Herodes, der die Römische Staatsmacht in Judäa verkörperte, sollte eine vermittelnde Rolle zwischen Rom und den Juden spielen, zudem hatte er für die Ruhe im Inneren seines Herrschaftsbereiches zu sorgen und nötigenfalls die Grenzen des Römischen Reiches zu verteidigen, um Rom militärisch zu entlasten. Das waren schwer umzusetzende Aufgaben, da Herodes nach Ansicht seiner Untertanen die dazu nötige Legitimität fehlte und er seine Machtstellung allein Rom zu verdanken hatte.

3. Durch den Kaiser allein keine Stabilität

3.1 Die Struktur des Staates Herodes´

Herodes baute einen weitverzweigten Kontrollapparat zur Sicherung der Staatsordnung auf, zu dem eine Geheimpolizei und das Spitzelwesen gehörten. Auch griff er grausam gegen wirkliche und vermeintliche Gegner durch, indem er die letzten Reste der hasmonäischen Familie ausrottete, und alle sadduzäischen Mitglieder des Synhedriums hinrichten ließ.38 Einer der Stützpfeiler seiner Staatsordnung war das Militär. Im Heer dienten Juden und ausländische Söldner. Die nichtjüdischen Söldner wurden von Herodes gezielt in geschlossenen städtischen Zentren angesiedelt, vermutlich, um ein Gegengewicht gegenüber der jüdischen Bevölkerung, die ihm nicht gesonnen war, herzustellen.39

3.1.1 Die Öffentliche Verwaltung

Die Struktur der öffentlichen Verwaltung wurde von Herodes von dessen hasmonäischen Vorgängern übernommen: Einen integralen Bestandteil der Verwaltung im jüdischen Teil des Reiches bildete somit die Toparchieneinteilung.40 Die nichtjüdischen Gebiete der Küstenstädte waren in Stadtgebiete und die Territorien mit gemischter Bevölkerung im Nordosten des Reiches in Bezirke unterteilt.41 Der Beamtenstab war auf diese administrative Einteilung des Reiches zugeschnitten.42 Jeder Toparchie stand jeweils ein Toparch vor, dem die Oberhäupter der Dörfer, die Komarchen, unterstellt waren. Die Komarchen verfügten jeweils über einen Verwaltungsstab, dem in der Regel ein Orts- und Dorfschreiber angehörte. Diese hatten die wichtige Funktion der der Erstellung von Steuerlisten inne. Für die Überwachung der Zivil- und Militärverwaltung war ein den Toparchen übergeordneter hoher Beamter, der „Stratege des Königs“, verantwortlich. Jeweils an der Spitze eines Bezirks im Nordosten des Reiches, also in Trachonitis, Batanäa und Auranitis, stand ein solcher „Stratege im Namen des Königs“. Dem Kollegium dieser Bezirksstrategen war ein allgemeiner „Stratege im Namen des Königs“ übergeordnet, der die Herrschaft über das ganze Gebiet in der Hand hatte. Im nichtjüdischen Teil des Staates standen an der Spitze der Stadtkreise die Meridarchen, die ihrerseits der Aufsicht der Gouverneure unterstellt waren. Die Gouverneure waren allein dem König gegenüber verantwortlich. Dies alles hinterlässt den Eindruck, dass die gesamte Verwaltungsstruktur einzig auf die Person des Königs zugeschnitten war. Herodes kontrollierte diesen Verwaltungsapparat und konzentrierte alle wichtigen Entscheidungs-Befugnisse in eigener Hand.

3.1.2 Die Gerichtsbarkeit

Die Gerichtsbarkeit im herodianischen Reich ist ebenfalls ein Paradebeispiel für eine an der Person des Königs orientierte Ausübung der Macht.43 Die „Gesetze der Väter“, das heißt, die Gesetze der Tora, bildeten unter Herodes keine rechtliche Basis mehr. Sie wurden von ihm durch das römische Rechtssystem ersetzt, was implizierte, dass die Rechtsaufsicht von dem Synhedrion/Sanhedrin voll und ganz auf Herodes überging. Zwar löste er diese Körperschaft nicht auf, doch wurde der Einfluss dieser Institution durch die Hinrichtung aller sadduzäischen Mitglieder gebrochen. Überall, wo er es für nötig hielt, griff er in die Rechtspflege des Synhedrions ein, egal, ob es nun aus politischen und wirtschaftlichen oder aus strafrechtlichen Gründen geschah. Zum einen tat er es, um sich seiner politischen Gegner zu entledigen, zum anderen aber auch, um die römischen und hellenistischen Rechtsnormen durchzusetzen. Beides ergänzte sich gegenseitig im Rahmen seines politischen Konzepts und diente seinen Interessen.44

[...]


1 Ios. ant. Iud. 15. 6. 7. (195).

2 Vgl. zum Folgenden U. Baumann, Rom und die Juden. Die römisch-jüdischen Beziehungen von Pompeius bis zum Tode des Herodes (63-4. v. Chr.) (StPhH 4), Frankfurt 1983, S. 192, 228-237. F. Weber, Herodes – König von Roms Gnaden? Herodes als Modell eines römischen Klientelkönigs in spätrepublikanischer und augusteischer Zeit, Berlin 2003, S. 78, 84, 142-45. P. Schäfer, Geschichte der Juden in der Antike. Die Juden Palästinas von Alexander dem Großen bis zur arabischen Eroberung, Tübingen 2010², S. 105f, 118-121. D. Kienast, Augustus. Prinzeps und Monarch, Darmstadt³ 1999, S. 252.

3 Ios. ant. Iud. 15. 6. 5. (183).

4 Ios. ant. Iud. 15. 6. 1. (164). – Vgl. dazu U. Baumann, Rom und die Juden, S. 192f.

5 Ios. ant. Iud. 15. 6. 3. (174-182). – Vgl. A. Schalit, König Herodes. Der Mann und sein Werk, Berlin 2001², S. 698.

6 Ios. ant. Iud. 15. 6. 6. (189)

7 Bell. Iud. 1. 20. 1. Ios. ant. Iud. 15. 6. 6. (190).

8 Ios. ant. Iud. 15. 6. 6. (191-192). Bell. Iud. 1. 20. 1.

9 U. Baumann, Rom und die Juden, S. 194.

10 Vgl. A. Schalit, König Herodes, S. 128 – siehe auch Anm. 112. Ch. Riedo-Emmenegger, Prophetisch- messianische Provokateure der Pax Romana. Jesus von Nzaret und andere Störenfriede im Konflikt mit dem Römischen Reich, NTOA Band 56, Freiburg Schweiz 2005, S. 21.

11 Ios. ant. Iud. 15. 6. 6-7. (187ff.)

12 Vgl. U. Baumann, Rom und die Juden, S. 195. Vgl. auch Ch. Riedo-Emmenegger, Prophetisch-messianische Provokateure der Pax Romana, S. 21.

13 Florian Weber, Herodes – König von Roms Gnaden? S. 78.

14 A. Schalit, König Herodes, S. 129. U. Baumann, Rom und die Juden, S. 195

15 F. Weber, Herodes – König von Roms Gnaden? S. 42.

16 F. Weber, Herodes – König von Roms Gnaden? S. 42.

17 D. Kienast, Augustus. Prinzeps und Monarch, Darmstadt³ 1999, S. 501.

18 Die Verwendung des privatrechtlichen Ausdrucks im Zusammenhang mit auswärtigen Beziehungen des römischen Reiches stellt ein von der Forschung eingeführtes Modell dar, das niemals in dieser Form von Rom verwendet wurde. Vielmehr ist dieser Ausdruck eine Metapher für das Phänomen der Übertragung einer zwischenstaatlichen Beziehung auf die individuelle Ebene zwischen einem von Rom abhängigen Machthaber und seinem römischen Herren. – Vgl. dazu und zur Forschungsdiskussion darüber F. Weber, Herodes – König von Roms Gnaden? S. 14-17. D. Kienast, Augustus, S. 501, Anm. 193.

19 Ch. Riedo-Emmenegger, Prophetisch-messianische Provokateure der Pax Romana, S. 17. Vgl. auch D. Kienast, Augustus, S. 501.

20 Vgl. F. Weber, Herodes – König von Roms Gnaden? S. 44.

21 Ebd. S. 42

22 Suet. Aug. 48. – “… nec aliter universos quam membra partisque imperii curae habuit, ….”.

23 Dieser Absatz stützt sich im Wesentlichen auf F. Weber, Herodes – König von Roms Gnaden? S. 42-45.Vgl. auch D. Kienast, Augustus, S. 500-502.

24Reges amici atque socii et singuli in suo quisque regno Caesareas urbes condiderunt et cuncti simul aedem Iovis Olympii Athenis antiquitus incohatam perficere communi sumptu destinaverunt Genioque eius dedicare…”. – Suet. Aug. 60.

25 „…Reges socios etiam inter semet ipsos necessitudinibus mutuis iunxit, promptissimus affinitatis cuiusque atque amicitiae conciliator et fautor….” – Suet. Aug. 48. Vgl. D. Kienast, Augustus, S. 501.

26 D. Kienast, Aufustus, S. 501f.

27 F. Weber, Herodes – König von Roms Gnaden? S. 52.

28 Vgl. A. Schalit, König Herodes, S. 146-148. Vgl. auch. P. Schäfer, Geschichte der Juden in der Antike, S. 105f. Ch. Riedo-Emmenegger, Prophetisch-messianische Provokateure der Pax Romana, S. 16f.

29 Ios. ant. Iud. 14.4. (384-385), Bell. Iud. 1. 14. 4. (284).

30 Ios. ant. Iud. 15. 6. (246).

31 A. Schalit, König Herodes, S. 156.

32 Ios. ant. Iud. 15. 10. 1. (343). Bell. Iud. 1.23.3. (454).

33 Vgl. dazu P. Schäfer, Geschichte der Juden in der Antike, S. 105f. Vgl. auch U. Baumann, Rom und die Juden, S. 212f.

34 A. Schalit, König Herodes, S. 225.

35 Vgl. dazu P. Schäfer, Geschichte der Juden in der Antike S.106.

36 P. Schäfer, Geschichte der Juden in der Antike, S. 106.

37 A. Schalit, S. 225f. – Nach Meinung A. Schalits brachte der staatrechtliche Rang eines „ rex socius et amicus populi Romani“ eindeutige Konsequenzen mit sich, wonach Herodes keine eigenständige Rechtspersönlichkeit mehr darstellte, und daher auch in Verhandlungen mit Augustus nicht als Sprecher des jüdischen Volkes auftreten konnte. Diese Tatsache implizierte, dass den Juden das Recht auf ein Leben gemäß den Gesetzen der Tora entzogen wurde.

38 Ios. Ant. Iud. 14.9.4. (175), Vgl. dazu M. Hengel, Die Zeloten. Untersuchungen zur jüdischen Freiheitsbewegung in der Zeit von Herodes I. bis 70 n. Chr., (WUNT) Tübingen 2011³, S. 317. A. Schalit, König Herodes, S. 229. P. Schäfer, Geschichte der Juden in der Antike, S. 106.

39 Ios. ant. Iud. 15. 10. 1. (368-371). Vgl. dazu auch P. Schäfer, Geschichte der Juden in der Antike, S. 106. A. Schalit, König Herodes, S. 173f.

40 Josephus überliefert 11 Toparchien für Judäa: Jerusalem, Gophna, Akrabeta, Thamna, Lydda, Emmaus, Pelle, West -, Ostidumäa, Herodeion und Jericho. – Bell. Iud. 3.3.8. (54-56). Galiläa bestand vermutlich aus fünf und das jüdische Ostjordanland aus drei Toparchien – insgesamt gab es also 19 davon. – Vgl. P. Schäfer, Geschichte der Juden in der Antike, S.107. Vgl. dazu auch ein Überblick über die Toparchien nach ihrer geographischen Lage und ihrer Gründungszeit bei A. Schalit, König Herodes, S. 205, 213, 222f. Vgl. auch E. Baltrusch, Herodes, S. 233-234.

41 Diese Stadtbezirke im nichtjüdischen Gebiet des herodianischen Reiches bestanden aus den hellenistischen Polis. Dazu zählten: Gaza, Anthedon, Joppe, Caesarea, Sebaste, Gadara, Hippos (?). Der Name der Verwaltungseinheit in diesem Gebiet war allem Anschein nach Meris – ein Begriff, der eine Polis mit dem umliegenden Territorium bezeichnete. – Vgl. A. Schalit, S. 213ff.

42 Vgl. zum Folgenden P. Schäfer, Geschichte der Juden in der Antike, S. 107, A. Schalit, König Herodes, 222-223.

43 Vgl. zum Folgenden E. Baltrusch, Herodes, S. 194f. A. Schalit, König Herodes, S. 223ff. P. Schäfer, Geschichte der Juden in der Antike, S. 108-109.

44 P. Schäfer, Geschichte der Antike, S. 108. Josephus überliefert am Beispiel der Verurteilung eines jüdischen Schuldners, eines Einbrechers, der auf Verfügung Herodes` als Sklave ins Ausland verkauft wird, was nach dem Biblischen Recht nicht zulässig war, die üblichen Normen der Rechtspraxis unter Herodes. – Ios. Ant. Iud. 16.1.1. (1-5). Vgl. dazu E. Baltrusch, Herodes, S. 194f.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Augustus und Herodes. Ein Tandem für ein ambitioniertes Projekt unter schweren Vorzeichen
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Alte Geschichte)
Note
2.3
Autor
Jahr
2016
Seiten
27
Katalognummer
V541111
ISBN (eBook)
9783346204257
ISBN (Buch)
9783346204264
Sprache
Deutsch
Schlagworte
augustus, herodes, projekt, tandem, vorzeichen
Arbeit zitieren
Anton Khananayev (Autor:in), 2016, Augustus und Herodes. Ein Tandem für ein ambitioniertes Projekt unter schweren Vorzeichen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/541111

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