Analyse des Untergangs der Internet-Allmenderessource www.kazaa.com

Der Elinor Ostroms Faktorenkatalog zur nachhaltigen Bewirtschaftung von AR-Institutionen


Term Paper, 2005

26 Pages, Grade: 1,3


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Olsons „Theorie des kollektiven Handelns“ und ihre Modifikationen

3. Spezifikation von Ostroms Allmende-Begriff

4. Die Lösung für das Allmende-Dilemma: Nachhaltigkeit

5. Faktorenkatalog
5.1 Restriktion des Zugangs
5.2 Umweltangepasstheit
5.3 Partizipation
5.4 Monitoring
5.5 Sanktionierbarkeit
5.6 Konfliktregulierung
5.7 Autonomie
5.8 Eingebettete Unternehmen

6. Die Empirie: Niedergang der Internet-Allmende „Kazaa“

7. Kritische Würdigung von Olsons Logik und Fazit

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Fahren Sie, werter Leser, ein Dieselfahrzeug? Dann wissen Sie über die neue, ab 2005 gültige EU-Schadstoffrichtlinie sicherlich schon Bescheid: demnach darf der Tagesgrenzwert von 50 Mikrogramm Feinstaub – dessen Hauptbestandteil die in Dieselabgasen enthaltenen Rußpartikel sind – an nicht mehr als 35 Tagen im Jahr überschritten werden. Bei weiteren Überschreitungen sind die betroffenen Kommunen dazu verpflichtet, Fahrverbote auszusprechen. Bei einer Nichtbefolgung dieser Auflage müssen die „Defektierer“ (die also trotz Grenzwertüberschreiung kein Fahrverbot aussprechen) mit einer Klageflut rechnen da mit Inkrafttreten dieses neuen Gesetzes das Recht auf saubere Luft durch jedermann einklagbar geworden ist. Lassen Sie sich diesen Satz nochmals durch den Kopf gehen: saubere Luft - ein Gut, das jedem zugänglich ist, für jeden selbstverständlich ist, an dem jeder interessiert ist – ist einklagbar geworden! Wie kann das sein, dass etwas, was jeder will, scheinbar erzwungen werden muss? Die Erklärung ist ebenso simpel wie logisch: „Luft“ ist ein Kollektivgut, d. h. niemand kann von ihrem Konsum ausgeschlossen werden (noch ist es so, dass der Mensch ein Lungenatmer ist!), unabhängig davon, ob er diese als korporativer oder individueller Akteur durch Abgase (Auto, Industrie, etc. ...) verpestet oder durch weitestgehende Reduzierung „seiner“ Emissionen zum Gut „saubere Luft“ beiträgt. In den allermeisten Fällen ist eine Reduktion des Schadstoffausstoßes mit höheren Kosten verbunden, so dass jeder daran interessiert ist, dass möglichst viele andere in die Produktion des öffentlichen Guts investieren und man selbst somit als Trittbrettfahrer partizipieren kann – sei es, indem man „einfach“ die saubere Luft atmet oder indem man diversen Sanktionen und Auflagen aufgrund von Grenzwertüberschreitungen durch die Arbeit der anderen entgeht. Das Paradoxon an dieser Situation ist, dass das, was jeder will – die saubere Luft – nicht produziert wird, das, das niemand wünscht – verpestete Luft – jedoch sehr wohl. Diese Situation ist unter dem Schlagwort der „Tragedy of the Commons“ populär geworden und lieferte vielen Theoretikern jedwelcher Disziplin Diskussionsstoff. Besonders von Brisanz ist vor Allem, wie Konsumenten zu einem nachhaltigem Umgang mit Allmenderessourcen bewegt werden können. Kann dies wirklich nur und ausschließlich durch Sanktionen bewerkstelligt werden? Welche weiteren Faktoren könnten noch eine Rolle spielen? Genau dieser Frage möchte ich auf den Grund gehen. Dazu werde ich zum besseren und tieferen Verständnis zuerst eine Theorie von Mancur Olson darlegen, der in seiner „Theorie des kollektiven Handelns“ auf die aus der Diskrepanz zwischen individueller und kollektiver Rationalität resultierenden Probleme bei verschiedenen Gruppengrößen eingeht. Als nächstes möchte ich den Begriff der von Elinor Ostrom benutzten Allmenderessource (die sich in einigen Punkten vom Kollektivgut unterschiedet) und ihrer Probleme noch konkreter erläutern um nachfolgend auf die Lösung dieses Gegenstandes einzugehen, der nachhaltigen Bewirtschaftung. Wie diese möglicherweise praktizierbar ist, hat die amerikanische Sozialwissenschaftlerin Ostrom an einem durch diverse Feldstudien entstandenen Faktorenkatalog aufgezeigt. Anhand dieses Katalogs werde ich dann den Niedergang der Internet-Allmenderessource beleuchten und anschließend ein Fazit ziehen.

Um übrigens noch mal auf die neue EU-Schadstoffrichtlinie einzugehen: für mich als im Münchner Raum wohnhaft war es besonders interessant zu erfahren, dass der Grenzwert in München Anfang März bereits an 20 der erlaubten 35 Tage überschritten wurde...

2. Olsons „Theorie des kollektiven Handelns“ und ihre Modifikationen

Mancur Olsons Logik basiert auf dem Fundament grundsätzlich eigennützig orientierter Akteure, welche Organisationen mit einheitlichen, homogenen Interessenstrukturen gründen um kollektive Güter für ihre Mitglieder zu erwerben bzw. zu produzieren. Im Rahmen der Rational Choice wird dem Subjekt prinzipiell „individuelles, rationales und nutzenmaximierendes Verhalten“ (Braun, 1999: S. 53/54) unterstellt, in dessen Verhaltensspielraum Neid, Gerechtigkeitsgefühle, Loyalität, Moral und Idealismus keinen Platz finden. Organisationen – Interessenverbände von Akteuren mit (sozial-)politischen Zielen – sind demnach also „Zweckgründungen, die einzig und allein die Interessen ihrer Mitglieder zu verfolgen haben“ (Olson, 1956: S. 7). Zwischen dem individuellen Interesse eines Mitglieds und dem Kollektivinteresse einer Organisation können dabei aber durchaus Diskrepanzen bestehen; dass sich Akteure zusammenschließen um ein gemeinsames Ziel zu erreichen, impliziert in keiner Weise, dass diese zur Erreichung des kollektiven Gutes auch Beiträge leisten. Die betreffende Person kalkuliert nach dem Kosten-Nutzen-Schema: zwar hat sie ein Interesse an der Erreichung und am Konsum des Kollektivgutes, ist aber gleichermaßen auch daran interessiert, die Kosten ihres Beitrages so gering wie möglich zu halten – genau aus diesem Argument ergibt sich das Trittbrettfahrer-Problem: jedes Mitglied eines Verbandes erhält zumindest den abgesprochenen Teil des Kollektivgutes, ist davon also nicht auszuschließen, unabhängig davon, ob es Kosten zu seiner Erstellung erbracht hat oder nicht. Aufgrund dieses Merkmals des kollektiven Gutes, der „non-excludability“ (Braun, 1999: S. 106) – dass Individuen wegen fehlender property rights nicht oder nur unter prohibitiv hohen Kosten vom Konsum ausgeschlossen werden können – ist der Anreiz zum Trittbrettfahren gegeben, also „zu nutzen ohne zu zahlen bzw. so wenig wie möglich zu zahlen“. Dieses Risiko verhält sich proportional zur Größe eines Interessenzusammen-schlusses: je mehr Gesellschafter sich in einer Organisation befinden, desto eher kann der Einzelne darauf vertrauen, dass Andere das Kollektivgut erstellen und sich ergo der eigene „Netto-Nutzen“ durch „Nicht-Beitrag“ um so mehr erhöht. Gegen diese Problematik, welche im Extremfall zum Ergebnis haben kann, dass überhaupt keine Kollektivgüter mehr erstellt werden, wird im Allgemeinen mit selektiven positiven oder negativen Anreizen (meist extrinsischer Art) interveniert, da aus rationalen Überlegungen heraus kein Individuum die Kosten für ein kollektives Gut zu tragen bereit wäre. „Ein selektiver Anreiz ist einer, der selektiv für Individuen gilt, je nachdem ob sie zur Bereitstellung des kollektiven Gutes beitragen oder nicht“ (Olson, 1985: S. 25). Folglich ist ein negativer selektiver Anreiz eine Sanktion bei Nicht-Beitrag zum Gut, stellt also eine Wohlfahrtseinbuße dar; Vergünstigungen u. Ä. im „Beitragsfall“ stellen demnach positive selektive Anreize dar. Diese Anreize stellen in den allermeisten Fällen die Voraussetzung für die Bereitstellung von Kollektivgütern in Gruppen dar: nach der „by-product-theory of pressure groups“ (Braun, 1999: S. 109) kann es Interessenorganisationen nur geben, „weil sie entweder andere Anreize als das kollektive Gut anbieten oder Leute über Zwang verpflichten, teilzunehmen“ (Braun, 1999: S. 109).

Einen intrinsischen selektiven Anreiz würde bspw. das Gewissen darstellen, welches den potentiellen free rider daran hindern würde, ohne Kostenbeitrag vom Kollektivgut zu konsumieren – Anreize dieser Art sind jedoch nur bei modifizierten Formen der Theorie zu finden, Olson kalkuliert rein ökonomisch.

Den oben bereits erwähnten Zusammenhang zwischen der Größe eines Interessenverbandes und dem trittbrettfahren hat Olson spezifiziert, indem er seine Ausführung der Logik in drei „Größenklassen“ von Organisationen gesplittet hat: die zahlenmäßig kleinste der drei Gruppen, die „privileged group“ (Braun, 1999: S. 106) bietet potentiellen free ridern die geringsten Chancen da die einzelnen Beiträge zum Gut deutlich auszumachen sind und Trittbrettfahrern bald die soziale Distinktion droht. In einer Fraktion dieser Größe ist die Wahrscheinlichkeit der Bereitstellung des Kollektivgutes durch einen Einzelnen am höchsten, da die Gesamtkosten (technischer Aufwand, etc. ...) der Allgemeinguterstellung tendenziell gering sind. Das andere Extrem des sehr großen Verbandes, die „latente Gruppe“ (Braun, 1999: S. 106), hat zwar das Potential um entsprechend aufwändige kollektive Güter zu erstellen, kann dies aber nur unter Einsatz von selektiven Anreizen erreichen, da an diesen Kapitalien auch viele als Nichtzahler partizipieren können. Wird nun im Falle einer latenten Gruppe die Beteiligung an den Kosten des Kollektivgutes mit der Nutzung eines Privatgutes (positiver selektiver Anreiz!) verknüpft, so wird die Erstellung des allgemein zugänglichen Gutes möglich. Der Grund ist darin zu sehen, dass sich das Individualkalkül mit diesem Angebot dahingehend verändert, dass die Kosten des Kollektivgutes mit dem Nutzen aus dem Privatgut, für das im Gegensatz zum Kollektivgut das Ausschlussprinzip gilt, verglichen werden können.

Prognosen für „intermediate groups“ (Braun, 1999: S. 107) sind mit Olsons „Reinform“ der Theorie nur schwer möglich, da für sie die Charakteristika der kleinen und der latenten Gruppe gleichermaßen zutreffen. Die Vorhersagbarkeit verbessert sich entscheidend, wenn die Logik um ungleiche Bedürfnisintensitäten und strategische Reaktionsverbundenheit erweitert wird, wobei auch das Wissen der Gruppenmitglieder um die unterschiedlichen Bedürfnisintensitäten von großer Bedeutung sind – derjenige, der ein Bedürfnis als nicht so dringend empfindet wie ein Anderer, handelt nach dem Motto „Hanemann, geh du voran!“ (Kirsch, 1997: S. 149) und überlässt dem Anderen die Initiative. „Der eine muss [also] in seinem Verhalten die Reaktionen der anderen zur Kenntnis nehmen, weil diese in ihrem Verhalten sine Aktionen mitberücksichtigen“ (Kirsch, 1997: S. 154). Es versteht sich von selbst, dass, je unsicherer sich das Subjekt über die Reaktionsweisen und Bedürfnis-intensitäten seiner Verbandsmitglieder ist, desto instabiler das Kollektiv ist. Der Handlungsweise eines einzelnen Subjekts kommt also in einer intermediate group eine entscheidende Bedeutung als Katalysator für Verfall oder Konstituierung eines Kollektivgutes zu. Überdies kann seiner Verfahrensweise zusätzlich noch ein Signal– und Aufforderungs-charakter inhärent sein. Guy Kirsch legt zur Verdeutlichung dieses Umstandes den Gewissenskonflikt eines (potentiellen?) Feuerwehrmannes offen: „Lohnt es sich, den Dienst bei der Freiwilligen Feuerwehr zu verweigern und so mehr oder weniger viele Dorfbewohner durch das eigene schlechte Beispiel mit einiger Wahrscheinlichkeit dazu zu verleiten, auch auszutreten und dies, mit der Folge, dass dann mit einiger Wahrscheinlichkeit der Feuerschutz mehr oder weniger fehlen wird?“ (Kirsch, 1997: S. 155).

Abschließend möchte ich noch die Machtverhältnisse der Gruppen untereinander beleuchten, welche nicht, wie in pluralistischen Theorien statuiert wird, symmetrisch verteilt sind. Da kleinere Gruppen niedrigere Transaktionskosten-Ausgaben zu verzeichnen haben, können diese sich besser und schneller organisieren, dementsprechend politisch aktiver und stringenter auftreten und sich selbst Vorteile auf Kosten größerer Gruppen verschaffen – die privileged group, die selbst keine großen Chancen für Trittbrettfahrer bietet, fährt in einer gewissen Art und Weise also selbst auf dem Trittbrett der Unfähigkeit und institutionellen Starrheit größerer Verbände mit. Ferner tritt auch hier die Bedeutsamkeit unterschiedlicher Bedürfnisintensitäten und das Wissen darum hervor, da kleine Gruppen auf das Trittbrett der stärkeren Bedürfnisintensität der latenten Gruppe aufspringen können und somit eine „systematic tendency for ´exploitation` of the great by the small“ (Mueller, 1997: S. 474) beobachtbar ist. „Indeed, one of the earliest empirical applications has been to burden sharing within NATO. The small member states are able to exploit the large ones because they can free ride on the public good defense provided. It has been shown that the large countries, especially the US, pay a more than proportional share of the defense effort” (Mueller, 1997: S. 110). Allerdings ist in diesem Zusammenhang zu bezweifeln, ob mit “groß” der Mengenbegriff oder der Nutzenbegriff gemeint ist: Kirsch bspw. statuiert, dass jene Nutzenmenge für die ´Größe` eines Individuums entscheidend [ist], die es bei gegebenem Versorgungsniveau aus dem Kollektivgut zieht“ (Kirsch, 1997: S. 152).

Im folgenden Absatz werde ich den Allmende-Begriff von Elinor Ostrom spezifizieren, der als Ausgangspunkt für eine mögliche „Lösung“ aus dem Kollektivgut-Dilemma dient. Zu beachten ist allerdings, dass sich Charakteristika des Kollektivgutes und der Allmenderessource zwar nicht ausschließen, jedoch keinesfalls identisch sind – ihre Lösungs-vorschläge dürfen also nicht vorschnell und unbedacht auf alles angewendet werden, was nach „Allmende-Dilemma“ riecht. „Insbesondere gibt es eine sehr wichtige Klasse von Problemen des kollektiven Handelns, die bei der Nutzung frei verfügbarer Ressourcen entstehen - Ressourcen unterscheiden sich von öffentlichen Gütern unter Anderem dadurch, dass an deren Nutzung niemand gehindert wird. Diese Ressourcen brauchen keine öffentlichen Güter [Anm. der Autorin: Kollektivgüter] zu sein“ (Ostrom, 1999: S. 41).

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Details

Title
Analyse des Untergangs der Internet-Allmenderessource www.kazaa.com
Subtitle
Der Elinor Ostroms Faktorenkatalog zur nachhaltigen Bewirtschaftung von AR-Institutionen
College
LMU Munich
Grade
1,3
Author
Year
2005
Pages
26
Catalog Number
V54266
ISBN (eBook)
9783638495141
ISBN (Book)
9783656712985
File size
528 KB
Language
German
Notes
Hausarbeit zur Theorie 3-Übung "Theorien rationalen Handelns"
Keywords
Analyse, Untergangs, Internet-Allmenderessource, Elinor, Ostroms, Faktorenkatalog, Bewirtschaftung, AR-Institutionen
Quote paper
Daniela Schießer (Author), 2005, Analyse des Untergangs der Internet-Allmenderessource www.kazaa.com, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54266

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