Management von Leistungsausgaben. Der Risikostrukturausgleich und die Steuerung der Risikostruktur


Trabajo, 2006

57 Páginas, Calificación: 2,3


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Wettbewerb contra Solidarität
2.1 Geschichtliche Entwicklung
2.2 Probleme der gegensätzlichen Ziele
2.3 Risikobegriffe
2.3.1 Risiko
2.3.2 Versicherungsrisiko der gesetzlichen KV
2.3.3 Risikostruktur
2.4 Wichtige Reformgesetze 10 2.4.1 Gesundheitsreformgesetz 1988
2.4.2 Gesundheitsstrukturgesetz 1992

3 Risikostrukturausgleich 1994
3.1 Bedeutung des Risikostrukturausgleichs
3.2 Die Ausgestaltung des Risikostrukturausgleichs
3.2.1 Die Inhalte
3.2.2 Die Technik des Risikostrukturausgleichs
3.3 Die Auswirkungen des Risikostrukturausgleichs
3.4 Unzulänglichkeiten des Risikostrukturausgleichs
bis zu seiner Reform

4 Reform des Risikostrukturausgleiches 2001
4.1 Die Reform
4.2 Disease – Management – Programme 2002
4.3 Einrichtung eines Risikopools 2002
4.4 Morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich 2007
4.5 Bewertung

5 Zusammenfassung und Ausblick

6 Abkürzungsverzeichnis

7 Literaturverzeichnis
7.1 Literaturquellen
7.2 Internetquellen

1 Einleitung

Der „solidarische Wettbewerb“ zwischen den Krankenkassen hat sich nur zu einem Wettbewerb um die gesunden und jungen Versicherten entwickelt. So gab es über zehn Jahre lang verschiedene Reformbemühungen zur Verbesserung des Gesundheitswesens. Dazu gehörte vor allem der Risikostrukturausgleich. Er sollte dafür sorgen „die versicherungsstrukturbedingten Kosten, gegen die sich eine Kasse kaum wehren kann, auszugleichen“.[1]

Der RSA wird einerseits stark kritisiert und zum anderen befürwortet.

Ziel ist es, die unterschiedlich hohen Leistungsausgaben für unterschiedlich kranke Patienten zwischen den gesetzlichen Krankenkassen, außer den landwirtschaftlichen Kassen, durch Ausgleichszahlungen zu beheben.

Dabei wird für alle Versicherten einer gesetzlichen Krankenversicherung

ein bestimmter Bedarf an finanziellen Mitteln mit den Einnahmen der

jeweiligen Kasse gegenübergestellt.

Da nun aber durch den RSA die Selektion der guten und schlechten Risiken

nicht behoben werden konnte, kam es zur Reform,

welche noch bis heute andauert.

So wurden strukturierte Behandlungsprogramme für bestimmte chronische Erkrankungen geschaffen.

Es kam zur Einrichtung eines Fonds, aus dem anteilig die Kosten hoher Leistungsausgaben erstattet werden.

Als Abschluss der Reform soll noch die Orientierung an bisherigen Diagnosen und verordneten Medikamenten erfolgen.

Diese Arbeit hat das Ziel den Risikostrukturausgleich von seiner Entstehung bis zur Reform in seiner Funktion und Bedeutung darzustellen.

Dabei sollen für ihn die Ergebnisse und Erwartungen der einzelnen Entwicklungsstufen veranschaulicht werden.

Abschließend soll geklärt werden, ob es für die GKV noch sinnvoll ist, bestimmte Mitglieder zu werben.

2 Wettbewerb contra Solidarität

2.1 Geschichtliche Entwicklung ab 1945

Die gesetzliche Krankenversicherung wurde mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland neu geordnet.

Eines der wichtigsten Merkmale war hierbei die Wiederherstellung der Selbstverwaltung nach dem Selbstverwaltungsgesetz von 1951.

Durch die Trennung der Verwaltungsbehörden von der Sozialgerichtsbarkeit entsprach nun auch der Rechtschutz im Bereich der Krankenkassen einem Standard, wie vom Grundgesetz vorgesehen.

Eine Neuregelung der Beziehungen zwischen Ärzten / Zahnärzten und den Krankenkassen wurde 1955 durch das Gesetz über das Kassenarztrecht hervorgerufen.

Es beinhaltete die Aufrechterhaltung der freien Arztwahl, die Beibehaltung des Naturalleistungsprinzips und die Wiedergeburt der Kassenärztlichen Vereinigung.

Dieses Gesetz stellt im Wesentlichen die Grundlage unseres heutigen Systems dar.

Bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wurden 1969 Arbeiter und Angestellte gleichgestellt.

Außerdem gewann die präventive Medizin mehr und mehr an Bedeutung.

Eine wesentliche Verbesserung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenkassen erfolgte Mitte der 70er Jahre.

So wurden 1971 die Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten zu den Pflichtaufgaben der gesetzlichen Krankenkassen hinzugefügt.

Bis 1981 wurden immer mehr Personengruppen in den Kreis der Versicherungspflichtigen aufgenommen: 1972 selbstständige Landwirte, 1975 Studenten, Behinderte in geschützten Einrichtungen, 1981 Publizisten und selbstständige Künstler.

Mit der Erweiterung des Kreises der Versicherungspflichtigen stiegen aber auch die Leistungsausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung an.[2]

Ab 1977 wurde deshalb eine Reihe von Kostendämpfungsgesetzen verabschiedet,

um den ansteigenden Kosten entgegenzuwirken.

Zwei der wichtigsten Gesetze sind hierbei das Gesundheitsreformgesetz von 1989 und das Gesundheitsstrukturgesetz von 1993. (werden später näher erläutert)

Durch diese beiden Gesetze wurde das zunehmende Problem der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung jedoch nicht gelöst.

Immer höhere Beitragssätze waren die Folge, da sich zum Einen das Lebensalter der Bevölkerung stetig erhöhte und zum Anderen die Geburtenrate sank.[3]

Dadurch wurden die Versicherten immer mehr durch die steigenden Lohnnebenkosten belastet. Diese Probleme sollten wiederum durch weitere Reformen und Gesetze gelöst werden.

Am 1.1.1997 trat das Beitragsentlastungsgesetz in Kraft, welches das Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenkassen einschränken und ihnen in einigen Bereichen mehr Freiheit zur Selbstgestaltung zugestehen sollte. So wurde die Zuzahlungspflicht der Versicherten bei einigen Leistungen erweitert.[4]

Nur ein halbes Jahr später, ab dem 1.7.1997 traten das 1. und 2.

GKV-Neuordnungsgesetz in Kraft, die den Wettbewerb unter den Krankenkassen und deren Selbstverwaltung fördern sollten. Die Selbstverwaltung sollte den Kassen bessere Reaktionsmöglichkeiten auf Beitragssatzunterschiede bieten.

Neuerungen waren beispielsweise das Kündigungsrecht der Versicherten bei Erhöhung der Beitragssätze ihrer Krankenkasse und die Ausweitung des Wahlrechts auf Kostenerstattung für alle Versicherten.

Doch der Regierungswechsel 1998 verhinderte die wirkliche Durchsetzung dieser Neuerungen. Stattdessen plante die neue Regierung den Anstieg der Krankenversicherungsbeiträge zu stoppen und die Beiträge dauerhaft zu stabilisieren.

Ein neues Gesetz war die Folge.

Am 1.1.1999 trat das GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz in Kraft, das die Möglichkeiten zur Selbstverwaltung der Krankenkassen wieder etwas einschränkte.

Wiederum ein Jahr später folgte das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000, welches die Gesundheitsversorgung wirtschaftlicher gestalten sollte.

2.2 Probleme der gegensätzlichen Ziele

Solidarität und Wettbewerb sind zwei entscheidende Themen, welche die Entwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung beeinflussen.

Wichtig ist jedoch die Frage, ob eine Koexistenz dieser beiden Richtungen

möglich ist. Zum Einen gilt in Deutschland für die gesetzlichen Krankenversicherung das Solidaritätsprinzip.

Dies bedeutet, dass alle Versicherten unabhängig von ihren Beiträgen die gleichen Leistungen erhalten. Sie bilden eine Solidargemeinschaft, bei der jeder nach seinen zur Verfügung stehenden Mitteln seinen Beitrag leistet.

Diese Prinzip soll auch in Zukunft gesichert werden, da Gesundheit und Zugang zu hochwertiger medizinischer Behandlung keine Frage des Geldbeutels sein sollen.[5]

Das Problem stellt bei der demographischen Entwicklung in Deutschland jedoch die Finanzierung dieses Prinzips dar.

Denn bei sinkender Geburtenrate und zunehmender Zahl alter Menschen wird es schwierig den finanziellen Bedarf zu decken ohne die medizinische Versorgung einzuschränken.

Deshalb ist es wichtig die Wirtschaftlichkeit unseres Gesundheitssystems stetig zu verbessern um Kosten einzusparen und die medizinischen Möglichkeiten effizienter nutzen zu können.[6]

Mehr Qualität und Wirtschaftlichkeit lassen sich am besten durch Elemente des Wettbewerbs erreichen. Allerdings ist das Gesundheitswesen kein Wirtschaftbereich wie andere, deshalb muss dieser Wettbewerb sozial verantwortlich gestaltet werden.

Beim Wettbewerb lassen sich grundsätzlich zwei Bereiche unterscheiden.

Zum Einen der Wettbewerb der Leistungsanbieter und zum Anderen der Wettbewerb der Krankenkassen um Mitglieder.

Der Wettbewerb auf der Anbieterseite wurde mit der Gesundheitsreform 2000 durch die integrierte Versorgung deutlich vorangetrieben.

Ziel war es die Koordination zwischen verschiedenen Bereichen wie zum Beispiel ambulanter und stationärer Versorgung zu verbessern um einerseits die Versorgungsqualität für die Patienten zu erhöhen und andererseits den Krankenkassen die Chance zur gezielten Profilierung zu geben.[7]

Wichtig ist es also nur, den Wettbewerb in die richtige Richtung zu lenken, ohne das Solidaritätsprinzip in seiner jetzigen Form zu verdrängen.

Dabei ist es von Bedeutung sich der dynamischen Entwicklung unseres Gesundheitssystems möglichst schnell anzupassen.

Durch die häufigen und andauernden Reformen ändert sich auch immer wieder die Art des Wettbewerbes. Den Versicherten wird dabei viel Vertrauen in unser Gesundheitssystem und in das Solidaritätsprinzip abverlangt.

Im Großen und Ganzen geht es gleichzeitig um drei Dinge.

Den Erhalt der Solidarität, die Steigerung der Qualität und um gute und faire Wettbewerbsbedingungen um den Versicherten höchstmögliche Sicherheit in Verbindung mit gleichzeitiger Kostenersparnis zu bieten.[8]

Dabei spielt die durch den Wettbewerb steigende Angebotsvielfalt natürlich eine große Rolle, bei der die Transparenz der Angebote und Leistungen natürlich nicht zu vernachlässigen ist.

Die Koexistenz von Solidarität und Wettbewerb im Gesundheitswesen ist also nicht unmöglich, solange darauf geachtet wird, dass sie sich nicht gegenseitig verdrängen.

Die Vereinbarung dieser gegensätzlichen Ziele wird also auch die Zukunft die gesetzliche Krankenversicherung bestimmen.

2.3 Risikobegriffe

Die Begriffe Risiko, Versicherungsrisiko und Risikostruktur werden in dieser Arbeit verwendet. Dafür sollte zunächst die Bedeutung dieser Ausdrücke geklärt werden.

2.3.1 Risiko

Das Risiko steht für eine Gefahr bzw. ein Wagnis mit dem möglicherweise ein Verlust oder eine Schwierigkeit verbunden ist.[9] Das Gegenteil zum Risiko ist die Sicherheit, welche man durch den Umgang mit Risiken zu erreichen versucht.

2.3.2 Versicherungsrisiko der gesetzlichen KV

Die Krankenkassen versichern das Krankheitsrisiko ihrer Mitglieder. Aber der „Risikostrukturausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung bezieht sich nicht auf diese begriffliche Ebene des individuellen Krankheits – und Gesundheitsrisikos, sondern auf das Versicherungsrisiko aus der Perspektive der Krankenkasse.“

Hier spricht man von der Gefahr, dass für einen bestimmten Zeitraum die Summe

der Versicherungsschäden höher als die Einnahmen aus den Versicherungsprämien sind. Und somit beeinflussen Veränderungen auf der Einnahmenseite oder der Ausgabenseite auch das Versicherungsrisiko.[10]

Sei es durch eine wechselnde Struktur der Mitglieder oder extrem kostspielige Leistungsfälle.

2.3.3 Risikostruktur

Das Alter, das Geschlecht und weitere Kriterien sind Faktoren nach denen die Struktur der GKV geordnet wird. Sie sind statistisch bestimmbar und lassen sich von den KK erfassen. Mit der Risikostruktur wird die Gliederung nach diesen verschiedenen Faktoren bezeichnet, welche durch Vergleich der Versicherungsrisiken verschiedener KK ermittelt werden. Durch den Vergleich von Risikostrukturen ergeben sich somit Informationen über Belastungs - und Beitragssatzunterschiede der Beitragszahler.[11]

2.4 Wichtige Reformgesetze

2.4.1 Gesundheitsreformgesetz 1989

Mit dem am 1.1.1989 in Kraft getretenen Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen sollten Einsparungen in Höhe von 14,5 Milliarden DM im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung realisiert werden.

Das Gesundheitsreformgesetz wurde als 5. Buch in das Sozialgesetzbuch eingegliedert.

Die Schwerpunkte des Gesetzes sahen wie folgt aus.

Die Zuzahlungen bei nicht festbetragsgebundenen Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln wurden erhöht bzw. eingeführt. Zusätzlich wurden für Zahnersatz, Krankenhausaufenthalte und Fahrkosten sogenannte Härtefallregelungen geschaffen.

Dadurch sollten Versicherte der GKV finanziell nicht überbelastet werden.[12]

Sie leisteten daher nur Zuzahlungen bis zur Belastungsgrenze.

Diese Belastungsgrenze ist in §62 SGB V geregelt.

Des weiteren wurde das Festbetragssystem für Arznei- und Hilfsmittel eingeführt

und die sogenannten Bagatellarzneimittel wurden aus dem Leistungskatalog

der GKV gestrichen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Erweiterung der Wirtschaftlichkeitsprüfungen bei der vertragsärztlichen Versorgung. Diese ist Aufgabe der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigungen.

Zusätzlich wurden Maßnahmen der Prävention, Gesundheitsförderung und Früherkennung eingeführt.

Im Wesentlichen zielte das Gesetz auf die Änderung der Finanzierungsstruktur im

Gesundheitswesen durch folgende Punkte:

1. Neubestimmung der Solidarität.
2. Stärkung der Eigenverantwortung der Versicherten.
3. Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitspotenzialen.
4. Modernisierung der Strukturen der Krankenversicherung.

Die geplanten Einsparungen sollten hälftig den Leistungserbringern und beitragssatzsenkend den Versicherten und Arbeitgebern zugute kommen.

So kam es 1990 zu einem Ausgabenrückgang von 2,9% und zu Beitragssenkungen in Höhe von durchschnittlich 0,5%.

Die angestrebte Beitragsstabilität konnte durch dieses Gesetz jedoch nicht dauerhaft aufrecht erhalten werden.

Durch eine Ausgabenerhöhung 1991 um 8,6% wurde ersichtlich, dass das Gesundheitsreformgesetz nicht seinen Anforderungen genügte.

Diese negative finanzielle Entwicklung der GKV veranlasste den Gesetzgeber weitere Reformen in die Wege zu leiten.

Das Gesundheitsstrukturgesetz war die Folge.

2.4.2 Gesundheitsstrukturgesetz 1992

Schon drei Jahre nach dem Gesundheitsreformgesetz erreichte man ein Defizit von zehn Milliarden DM.

Deshalb beschloss der Bundestag im Frühjahr 1992 ein Gesetz, welches im Gegensatz zu den bisherigen Reformmaßnahmen strukturelle Veränderungen schaffen sollte.[13]

Eine Verbesserung des finanziellen Systems war dringend notwendig.

Ziel war es wie bei den vorangegangenen Reformen die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen zu verringern oder zumindest ein weiteres Ansteigen zu verhindern.

Dies sollte durch eine Kombination aus kurzfristigen Einsparungen mit langfristigen Strukturveränderungen erreicht werden.

Die Schwerpunkte des Gesundheitsstrukturgesetzes sahen wie folgt aus.

Die Zuzahlungen für Versicherte bei Zahnersatz, Heil- und Arzneimittel wurden erhöht. Außerdem wurde eine Verzahnung der ambulanten und stationären Versorgung durch ambulante Operationen angestrebt.

Auch die Anzahl der Kassenärzte sollte durch eine verschärfte Bedarfsplanung und durch Zulassungsbeschränkungen gesteuert werden.

Weitere Punkte waren die Aufhebung des Selbstkostendeckungsprinzip im Krankenhaus, welches durch leistungsorientierte Vergütungen ersetzt wurde,

sowie die geplante Einführung einer Positivliste für Arzneimittel.

Sie wurde nach der Gesetzeseinführung jedoch wieder aufgegeben.

Wichtigste Neuerung des Gesundheitsstrukturgesetzes war aber die Einführung der in vielen Bereichen freien Krankenkassenwahl für die Bevölkerung. Die Umsetzung der freien Wahl wurde allerdings erst 1997 realisiert.[14]

Der Kassenwechsel kann mit dreimonatiger Kündigungsfrist zum Jahreswechsel vollzogen werden

Dies führte zu mehr Wettbewerb innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung, auch wenn sich die Zahl der Wechsler in Grenzen gehalten hat.[15]

Um im Wettbewerb um Versicherte jedoch gleiche Chancen für die gesetzlichen Krankenkassen zu schaffen wurde für den 1.1.1994 die Einführung des Risikostrukturausgleichs beschlossen.

3 Risikostrukturausgleich 1994

3.1 Bedeutung des Risikostrukturausgleichs

Der RSA wurde im Rahmen des Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der GKV (Gesundheitsstrukturgesetz, GSG) vom 21. Dezember 1992 eingeführt. Aufgabe des GSG war es, die finanzielle Grundlage der GVK zu sichern und Beitragssatzstabilität zu erreichen.[16] Der RSA diente dem Erhalt der Solidarität bei der Einführung der Kassenwahlfreiheit der GKV.[17] Die Kassenwahlfreiheit für die Versicherten war ein entscheidender Schritt für mehr Wettbewerb im System der GKV und mehr Chancengleichheit der Versicherten. Vor Einführung des GSG existierte ein System von Zuweisungsklassen, zu denen alle Krankenkassen außer den Ersatzkassen gehörten. Viele Versicherte hatten nicht das Recht, von der für sie zuständigen Pflichtkasse in eine beitragsgünstigere Kasse zu wechseln.

Bei den Zuweisungskassen waren die Ortskrankenkassen für die Versicherungspflichtigen verantwortlich, für die keine andere Kasse zuständig war. Die Betriebs- und Innungskrankenkassen, die landwirtschaftlichen Krankenkassen, die Bundesknappschaft und die See-Krankenkasse waren für gesetzlich genau umschriebene Versichertenkreise zuständig, wobei insbesondere Versicherte der See-Krankenkassen, der Bundesknappschaft und der landwirtschaftlichen Krankenkassen kein Kassenwahlrecht hatten. Die Zuständigkeit der Ersatzkassen ergab sich aus ihren Satzungen und umfasste z. T. Arbeiter und z. T. Angestellte.[18]

Dem Gesetzgeber ging es unter anderem darum, die unverändert bestehenden Wirtschaftlichkeits- und Finanzierungsprobleme der GKV zu beheben und zwar nicht, wie in vorherigen Gesetzen, durch Kurieren der Symptome, sondern durch Bekämpfung der Ursachen.

Diese wurden vor allem im fehlenden Wettbewerb gesehen.[19] Mit der Schaffung einer neustrukturierten Wettbewerbsordnung sollten für alle Beteiligten, speziell für die Krankenkassen, Anreiz geschaffen werden, sich effizienter zu verhalten.

Durch das Instrument der Kassenwahlfreiheit wurden die Versicherten in ihren Entscheidungsmöglichkeiten deutlich besser gestellt.

Um jedoch die Beitragsdifferenz angesichts der historisch gewachsenen Strukturunterschiede zwischen den Krankenkassen in Grenzen zu halten, wurde die Einführung der Kassenwahlfreiheit durch den RSA ergänzt.[20]

Aufgrund des Nebeneinanders von gesetzlichen Zuweisungs- und nur für bestimmte Personenkreise wählbaren Ersatzkassen in der Vergangenheit hätten die historisch gewachsenen Risikostrukturen innerhalb der einzelnen Krankenkassen keine gleichen Startchancen garantiert.

Die Ziele, die der Gesetzgeber mit der Einführung des RSA verfolgte, waren eine gerechtere Beitragsbelastung der Versicherten und der Arbeitgeber im Sinne einer Umverteilung von Einnahmen auf Krankenkassen mit höheren Versicherungsrisiken und der Abbau von historisch bedingten Wettbewerbverzerrung zwischen den Krankenkassen.[21] Um im Wettbewerb als Folge der Kassenwahlfreiheit die Höhe des Beitragssatzes einer Krankenkasse auch als Ausdruck für ihre Effizienz bewerten zu können, sollte der RSA die durch das Leistungsfähigkeitsprinzip, die Familienmitversicherung und das Bedarfsprinzip in der GVK bestehende Situation der nicht individuellen Risikoäquivalenz in eine annährend risikoäquivalente Situation transferieren.[22]

Ein weiteres Ziel, das durch den RSA verfolgt werden sollte, war die Sicherung der Qualität der Versorgung.[23]

Grundsätzlich können von Anbietern im Wettbewerb zwei Strategien verfolgt werden. Der Anbieter profiliert sich entweder als Service- und Leistungsmaximierer, was in der Regel mit steigenden Kosten und Beiträgen verbunden ist. Oder der Anbieter konzentriert sich auf Kostendämpfung und Beitragssenkung mit der möglicherweise sinkenden Qualität des Versicherungsschutzes.

Freier Marktwettbewerb wird in der Regel zu Mischstrategien führen, was jedoch voraussetzt, dass den Anbietern und Nachfragern bei der Vertragsgestaltung ein größerer Handlungsspielraum zugebilligt wird.[24]

Genau dies war aber durch die unzureichende Wettbewerbsorientierung der GKV und die Schwierigkeiten bei der Umsetzung von Reformen nicht der Fall.

Deswegen war auch kaum zu erwarten, dass der RSA und die Einführung des Kassenwettbewerbs bei der Qualität der Versorgung bzw. Kostenbegrenzung besonders erfolgreich sein würden.

Weiter sollte der RSA dafür sorgen, dass im Rahmen der sich neu eröffneten Wettbewerbsfelder bei den Krankenkassen die Risikoselektion verhindert wird.

„Zunächst konnte nur ein zeitlich unbefristeter RSA den Kassen auf Dauer den Anreiz nehmen, eine Risikoselektion zu betreiben. Denn bei der Durchführung eines befristeten Risikostrukturausgleichs hätte die Versicherungsstruktur nach Ablauf der Frist den Beitragssatz der Kassen wieder beeinflusst.“[25] Eine politisch unerwünschte Form der Risikoselektion wäre die zu erwartende Folge. Dabei wird die tatsächlich betriebene Risikoselektion möglicherweise überschätzt und als negative Erscheinung des Wettbewerbs gesehen. Folgende Argumentation liegt dem zugrunde: Krankenkassen versuchen „gute Risiken“ zu selektieren. Bei einem reinen Grundlohnsummenausgleich seien gute Risiken überwiegend die Personen, die nicht an chronischen Krankheiten leiden und bei denen keine höheren Krankheitskosten im folgenden Jahr zu erwarten seien (z.B. junge Menschen). Risikoselektion werde dadurch erleichtert, dass Personen mit hohen Krankheitskosten (angeblich) eine geringere Wechselbereitschaft haben als Personen mit geringen Krankheitskosten. Krankenkassen, die nicht erfolgreich Risikoselektion betrieben, müssten ihre Beitragssätze erhöhen und schließlich, da sie unattraktiv wären und von immer mehr Versicherten verlassen würden, ausscheiden. Letztendlich bliebe nur noch eine einzige (Einheits-) Krankenkasse übrig, was dem Wettbewerbkonzept grundlegend widerspräche.

[...]


[1] Stabsbereich Politik des AOK – Bundesverbandes; 2004; Zehn Jahre Risikostrukturausgleich –
Wider dem Wildwuchs im Wettbewerb; Gesundheit und Gesellschaft; Bonn, Seite 6.

[2] Vgl. Wüstrich, Thomas; 1994; Wettbewerb und soziale Krankenversicherung; P.C.O. Verlag;
Bayreuth; Seite 21.

[3] Vgl. Knappe, Eckhard (Hrsg.); 1999; Wettbewerb in der Gesetzlichen Krankenversicherung
Nomos Verlagsgesellschaft; Baden Baden; Seite 7.

[4] Vgl. Wille, Eberhard (Hrsg.); 1999; Zur Rolle des Wettbewerbs in der gesetzlichen
Krankenversicherung; Nomos Verlagsgesellschaft; Baden Baden; Seite 12.

[5] Vgl. Wüstrich, Thomas; 1994; Wettbewerb und soziale Krankenversicherung
Verlag P.C.O.; Bayreuth; Seite 8.

[6] Vgl. http://www.bmg.bund.de/nn_892608/DE/Presse/Reden/Archiv/
Rede-04-05-2001-2774,param=.html; abgerufen am 15.05.2006.

[7] Vgl. http://www.die-gesundheitsreform.de; abgerufen am 15.05.2006.

[8] Vgl. http://www.financescout24.de/de/versicherungen/kranken-gesetzlich/

Artikel-GKV-Solidarprinzip_1.html; abgerufen am 15.05.2006.

[9] Herrmann, Ursula; 1990; Störig – Das große Wörterbuch der deutschen Sprache;
Beck Verlag; Ulm; Seite 810.

[10] Schneider, Werner; 1994; Der Risikostrukturausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung;
Erich Schmidt Verlag; Regensburg, Münster; Seite 31.

[11] Schneider, Werner; 1994; Der Risikostrukturausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung;
Erich Schmidt Verlag; Regensburg, Münster; Seite 33.

[12] Vgl. Wille, Eberhard (Hrsg.); 1999; Zur Rolle des Wettbewerbs in der gesetzlichen
Krankenversicherung; Nomos Verlagsgesellschaft; Baden Baden; Seite 22.

[13] Vgl. Wassener, Dietmar; 1995; Das Gesundheitsstrukturgesetz 1993 und die Organisationsreform
der gesetzlichen Krankenversicherung; Peter Lang GmbH; Frankfurt am Main; Seite 47.

[14] Vgl. Wassener, Dietmar; 1995; Das Gesundheitsstrukturgesetz 1993 und die Organisationsreform

der gesetzlichen Krankenversicherung; Peter Lang GmbH; Frankfurt am Main; Seite 60.

[15] Vgl. Wassener, Dietmar; 1995; Das Gesundheitsstrukturgesetz 1993 und die Organisationsreform
der gesetzlichen Krankenversicherung; Peter Lang GmbH; Frankfurt am Main; Seite 209.

[16] Vgl. Moeck, M.;1995; Der Einfluss des Gesundheitsstrukturgesetzes auf die
Krankenversicherung; Pro - Universitate - Verlag; Sinzheim; Seite 55.

[17] Vgl. Cassel / Janssen; 1999; GKV - Wettbewerb ohne Risikostrukturausgleich?
Zur wettbewerbssichernden Funktion des RSA in der Gesetzlichen Krankenversicherung;
in: Knappe, E. (Hrsg.), Wettbewerb in der Gesetzlichen Krankenversicherung;
Nomos Verlag; Baden-Baden; Seite 150.

[18] Vgl. Weber, S.; 1995; Die Organisation der gesetzlichen Krankenversicherung;
Schmidt Verlag; Berlin; Seite 47.

[19] Vgl. Galas / Schöffski; 1996; Der Wettbewerb innerhalb der Gesetzlichen Krankenversicherung
unter besonderer Berücksichtigung des Risikostrukturausgleichs;
in: Vierteljahresschrift für Sozialrecht, Nr. 4; Carl Heymanns Verlag; Köln; Seite 289.

[20] Vgl. Bohm, S.; 1997; Risikostrukturausgleich: Abschaffung bzw. Rückführung
sachlich geboten?; in: Sozialer Fortschritt, Nr. 12; Seite 293.

[21] Vgl. Dt Btag, Drs. 12/3608; 05.11.1992, S. 117 f und Dt. Btag, Drs. 12/3937; 08.12.1992, S. 9.

[22] Vgl. Cassel / Janssen; 1999; GKV - Wettbewerb ohne Risikostrukturausgleich? Zur
wettbewerbssichernden Funktion des RSA in der Gesetzlichen Krankenversicherung;
in: Knappe, E. (Hrsg.), Wettbewerb in der GKV; Nomos Verlag; Baden-Baden; Seite 15 ff.

[23] Vgl. Jacobs, K.; 1998; Gesundheit und Wettbewerb: Forcierung der wettbewerblichen Orientierung
als Bestandteil einer offensiven Modernisierungsstrategie für die GKV;
in: Sozialer Fortschritt, Nr. 3; Seite 37.

[24] Vgl. Zweifel, P.; 1992; Bonus Options in Health Insurance, Kluwer Verlag; Dordrecht.

[25] Vgl. Andreas, H; 1994; Problemgeschichte der Gesundheitsökonomik in der Bundesrepublik
Deutschland: die ökonomische Steuerung von Angebot und Nachfrage im Gesundheitswesen von
der Kostenexplosion bis zum Gesundheitsstrukturgesetz;
Botermann und Botermann; Köln; Seite 103.

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Detalles

Título
Management von Leistungsausgaben. Der Risikostrukturausgleich und die Steuerung der Risikostruktur
Universidad
University of Technology, Business and Design Wismar  (University of Technology, Business and Design)
Curso
Krankenversicherungsmanagement
Calificación
2,3
Autores
Año
2006
Páginas
57
No. de catálogo
V56293
ISBN (Ebook)
9783638510172
ISBN (Libro)
9783638693585
Tamaño de fichero
664 KB
Idioma
Alemán
Notas
Arbeit über die Rolle des Risikostrukturausgleichs und seine Weiterentwicklung bis zum Jahr 2007.
Palabras clave
Management, Leistungsausgaben, Risikostrukturausgleich, Steuerung, Risikostruktur, Krankenversicherungsmanagement
Citar trabajo
Andreas Niejahr (Autor)A. Kopsch (Autor)A. Noculak (Autor), 2006, Management von Leistungsausgaben. Der Risikostrukturausgleich und die Steuerung der Risikostruktur, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56293

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