Das Rollenkonzept der Zivilmacht


Term Paper (Advanced seminar), 2006

17 Pages, Grade: 2,0


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Inhaltsverzeichnis:

I. Einleitung

II. Das Rollenkonzept der Zivilmacht
1) Die Rollentheorie
2) Vor- und Nachteile der Rollentheorie
3) Der Idealtypus der Zivilmacht
4) Analysekategorien für Zivilmächte
5) Deutschland als Zivilmacht?

III. Die Modelle des Machtstaates und des Handelsstaates
1) Das realistische Modell des Machtstaates
2) Das liberale Modell des Handelsstaates

IV. Kritik am Zivilmachtsmodell

V. Fazit

VI. Literaturverzeichnis

I. Einleitung:

„In den 1990er Jahren ist die Produktion wissenschaftlicher Abhandlungen zur deutschen Außenpolitik explodiert.“[1] Bereits dieses Zitat macht deutlich, dass die Quantität neuer Beiträge zur Außenpolitikforschung enorm zunahm. Auch die Klassifizierung deutscher Außenpolitik differierte von Wissenschaftler zu Wissenschaftler. Sie reicht von „Mittelmacht (Wilfried von Bredow), Regionalmacht (Arnulf Baring), Zentralmacht in Europa (Hans-Peter Schwarz), Führungsmacht (Helga Haftendorn), Weltwirtschaftsmacht Norbert Kloten), Euro – Hegemon (Reinhard Rode), Handelsstaat (Volker Rittberger), Großmacht (Peter Schlotter), Hegemonialmacht (Caroline Thomas / Klaus-Peter Weiner) [...] [bis zu] Weltmacht (Christian Hacke)“[2].

Ziel dieser Hausarbeit soll nicht darin bestehen, zu untersuchen, welches dieser Konzepte am besten zur Erklärung der deutschen Außenpolitik geeignet scheint, sondern es soll die Theorie eines völlig anderen Modells vorgestellt werden: „Das Rollenkonzept der Zivilmacht“.

Es soll dabei der Frage nachgegangen werden, ob das „Zivilmachtskonzept“ als Erklärungsmuster für solche Staaten in Betracht kommt, deren außen- und sicherheitspolitische Orientierungen, trotz ähnlicher Vorraussetzungen in der Struktur des internationalen Systems, stark von anderen Staaten abweicht.[3] „Ferner wird danach gefragt, welche Stärken und Schwächen der rollentheoretische Zugang des Zivilmachtsansatzes (gegenüber anderen Ansätzen) bei der Erklärung der deutschen Außenpolitik aufweist.“[4]

Hierbei wird zuerst auf die Entwicklung des „Idealtypus Zivilmacht“ und seine theoretischen Annahmen eingegangen. Dabei wird auch ein Analysekatalog aufgestellt werden, anhand dessen man untersuchen kann, ob bzw. inwieweit sich ein Staat „Zivilmacht“ nennen darf. Anhand dieses Kataloges wird im Folgenden kurz die bundesdeutsche Außenpolitik untersucht, und der Frage nachgegangen, ob man die BRD eine „Zivilmacht“ nennen kann, oder ob andere außenpolitische Konzepte ebenfalls Beachtung finden sollten. Zwei dieser Modelle, das realistische Konzept des Machtstaates und das liberale Modell des Handelsstaates, werden im zweiten Teil näher beleuchtet.

Den Abschluss des Hauptteils dieser Arbeit bildet eine Kritik des „Zivilmachtkonzeptes“, sowohl von den Verfechtern (hierbei vor allem Sebastian Harnisch), als auch von Kritikern (Henning Tewes). Im Fazit werden die gewonnenen Erkenntnisse kurz zusammengefasst werden, sowie ein Ausblick zur Anwendbarkeit gegeben.

Grundlage dieser Arbeit bilden vor allem die zahlreichen Aufsätze und Beiträge der Mitarbeiter des Lehrstuhles für Außenpolitik und Internationale Beziehungen an der Universität Trier.[5] Zu aller erst zu nennen ist hierbei sicherlich Professor Dr. Hanns W. Maull, der maßgeblich zur Entwicklung des „Zivilmachtmodells“ im Rahmen des DFG Projektes „Zivilmächte“ beigetragen hat. Die Konzepte des Machtstaates und des Handelsstaates werden vor allem auf Grundlage der Aufsätze von Volker Rittberger und Christina Schrade dargestellt, während ich mich bei der Kritik hauptsächlich an den Beitrag von Henning Tewes halte.

II. Das „Rollenkonzept der Zivilmacht“

1) Die Rollentheorie

Der Begriff der Rollentheorie stammt ursprünglich aus dem Gebiet der Soziologie und wurde dort konzipiert um individuelles menschliches Verhalten im Rahmen sozialer Beziehungen zu erklären. Die Rolle wurde dabei definiert „als das Verhalten, das vom Inhaber einer bestimmten gesellschaftlichen Stellung, z.B. einem Vater, Lehrer oder Vorgesetzten, im Umgang mit anderen allgemein erwartet wird“[6]. Das erwartete Verhalten wird dabei von zwei Variablen bestimmt. Zum Einen sind dies die Erwartungen Anderer (der sogenannte alter-part) und zum Anderen ist die Eigendefinition des Rolleninhabers entscheidend (sogenannter ego-part)[7]. Maull und Kollegen haben sich überlegt, ob man diese individualbezogene Theorie auch auf Staaten übertragen und anwenden kann. Sie kommen zum Ergebnis, dass dies möglich sein müsste, da eine handlungsfähige Außenpolitik eben auch auf eine breite Zustimmung bei den politisch relevanten Bevölkerungsschichten, also bei den einzelnen Individuen, finden muss. Man kann den Staat hiernach also als ein Kollektiv relevanter außenpolitischer Eliten auffassen. Dabei gehen Maull und Kollegen von einem Staat aus, der als sozial, regelgeleiteter Akteur handelt, dabei in ein Netz von Normen und Werten eingebunden ist und seine Handlung sowohl an diesen Normen und Werten, als auch an Erwartungshandlungen von außen (alter-part) orientieren muss. Deshalb verordnen sie ihre Rollentheorie als konstruktivistisch, reflexiv – interpretativen Ansatz der Außenpolitik-analyse.[8]

Der Begriff der Rollen auf Staatsebene ist folglich definiert als „geplante – d.h. kollektiv normierte und individuell konzipierte – und von Repräsentanten realisierte Einstellungs- und Verhaltensmuster von Staaten [...] in internationalen Systemen“[9].

Normiert ist das außenpolitische Handeln eines Staates dabei, ebenso wie auf der Individualebene, durch Erwartungen anderer Akteure (alter-part), sowie dem kollektiven Selbstverständnis (also dem ego-part).

Das spezifische Verhaltensmuster, auch Rollenverhalten genannt, bestimmt hierbei, wie der Rollenträger in bestimmten Situationen reagiert.

Die Vertreter der Rollentheorie gehen davon aus, dass jeder Staat ein Rollenkonzept besitzt, das seinem geographischen, machtpolitischen und historischen Standpunkt entspricht. Aus diesem Rollenkonzept ergibt sich das außenpolitische Verhalten des jeweiligen Staates.

2) Vor- und Nachteile der Rollentheorie

Die Verfechter der Rollentheorie sehen mehrere Vorteile ihres Modells. So lässt sich mit der Rollentheorie die Individualität eines jeden Staates in Hinblick auf seine Außenpolitik analysieren und damit von Anderen abgrenzen. Auch fungiert die Rollentheorie als eine Art Bindeglied zwischen den Akteurs- und Systemebenen, da sowohl das Individuum (ego-part), als auch Einflüsse der Umwelt (alter-part) in das jeweilige Rollenverhalten einfließen. Zuletzt, erkennt nur die Rollentheorie den Einfluss von Normen, Werten und Prinzipien auf das Akteursverhalten als gegeben an.[10]

Die Vertreter der Rollentheorie erkennen aber auch einige Nachteile ihres Modells an. So ist empirisch belegt, dass keine Vorhersagen staatlichen Handelns durch Rollenkonzepte möglich sind, da diese zu komplex und zu oft im Wandel begriffen sind. Außerdem lässt sich der Einfluss des alter- und des ego- partes auf das jeweilige Rollenkonzept schlecht messen.

3) Der Idealtypus der Zivilmacht

Trotz dieser Nachteile lassen sich Vorhersagen über das wahrscheinliche Verhalten eines Staates als Rollenträger treffen, weshalb Maull und Kollegen den Idealtypus der „Zivilmacht“ entwickelt haben, mit dem Ziel, die Außenpolitik solcher Staaten zu erklären, die mit utilitaristischen – rationalistischen Theorien[11] nicht erklärbar sind.[12] Hierbei ging es Maull vor allem um eine Analyse der Außenpolitiken der Bundesrepublik Deutschland und Japans.[13]

Bei der Entwicklung des Zivilmachtstypus, griff man zurück auf die Idee der gesellschaftlichen, also der zwischenmenschlichen, Zivilisierung. Man erkannte die immer engere gesellschaftliche Verflechtung, die eine Kontrolle der eigenen Taten und eine Kooperation mit Anderen notwendig machte.[14] Diese Entwicklung könne sich auch auf die internationale Ebene übertragen lassen, da es auch hier eine engere Beziehung zwischen Staaten und Gesellschaften, über die Grenze des Nationalstaates hinweg, gibt.[15]

[...]


[1] Zit. in: Hellmann, Gunther, 2002: Sag beim Abschied leise servus. Die Zivilmacht Deutschland beginnt, ein neues "Selbst" zu behaupten, in: Politische Vierteljahresschrift, Nr. 3 / 2002, S. 498.

[2] Zit. in: Frenkler, Ulf / Harnisch, Sebastian / Kirste, Knut / Maull, Hanns W. / Wallraf, Wolfram, 1997:

DFG-Projekt "Zivilmächte“: Schlußbericht und Ergebnisse. Deutsche, amerikanische und japanische Außenpolitikstrategien 1985-1995: Eine vergleichende Untersuchung zu Zivilisierungsprozessen in der Triade, Trier, siehe: http://www.politik.uni-trier.de/forschung/workshop/dfgfinal.pdf, S. 16.

[3] Vgl.: Kirste, Knut / Maull, Hanns W., 1996: Zivilmacht und Rollentheorie, in: Zeitschrift für internationale Beziehungen, Nr. 2 / 1996, S. 283.

[4] Harnisch, Sebastian, 2000: Deutsche Außenpolitik nach der Wende: Zivilmacht am Ende?, S. 6.

[5] Link zum Lehrstuhl: http://www.politik.uni-trier.de/liba/index.php

[6] Zit. in: Kirste / Maul, 1996, S. 286.

[7] Vgl.: Harnisch, Sebastian, 1997a: Der Zivilmachtsansatz ist keine Schönwettertheorie. Überlegungen zur methodischen und theoretischen Verortung, Trier, S. 21; Frenkler / Harnisch / Kirste / Maull / Wallraf, 1997, S. 109.

[8] Vgl: Kirste / Maul, 1996, S. 285.

Zum Verhältnis von Normen und Werten: Boekle, Henning / Volker Rittberger / Wolfgang Wagner, 1999: Normen und Außenpolitik. Konstruktivistische Außenpolitiktheorie, Tübingen.

[9] Zit. in: Kirste / Maul, 1996, S. 289.

[10] Harnisch, 2000, S.22ff.

[11] zu diesen Theorien: Kapitel III.

[12] Frenkler / Harnisch / Kirste / Maull / Wallraf, 1997, S. 20.

[13] Vgl.: Maull, Hanns W., 1990: Germany an Japan: The new cicilian powers, in: Foreign Affairs, Nr. 5 / 1990, S. 91 – 106; sowie: Maull, Hanns W., 1994: Japan und Deutschland: Die neuen Großmächte?, in: Europa Archiv, Nr. 21 / 1994, S. 603 – 610.

[14] Frenkler, Ulf, 1997: Deutsche Politik in der Europäischen Union, Trier, S. 5.

[15] Maull, Hanns W., 1992a: Zivilmacht Deutschland. Vierzehn Thesen für eine neue deutsche Außenpolitik, in: Europa Archiv (Zeitschrift für Internationale Politik), Nr. 10 / 1992, S. 270f.

Excerpt out of 17 pages

Details

Title
Das Rollenkonzept der Zivilmacht
College
Dresden Technical University  (Institut für Politikwissenschaft)
Course
Außenpolitikanalyse
Grade
2,0
Author
Year
2006
Pages
17
Catalog Number
V56590
ISBN (eBook)
9783638512367
ISBN (Book)
9783656268987
File size
503 KB
Language
German
Notes
In der vorliegenden Arbeit wird das von Prof. Hanns W. Maull erarbeitete Rollenkonzept der Zivilmacht erläutert und untersucht, ob die Bundesrepublik Deutschland als Zivilmacht gelten kann.
Keywords
Rollenkonzept, Zivilmacht, Außenpolitikanalyse
Quote paper
Mathias Dittrich (Author), 2006, Das Rollenkonzept der Zivilmacht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56590

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