Diese Arbeit legt eine Analyse von Penke (1998) bezüglich der repräsentationalen Beeinträchtigung im Bereich syntaktischer Spuren im Agrammatismus dar. Dabei werden die in Abschnitt zwei erläuterten Hypothesen von Grodzinsky, Hickok et al. und Mauner et al. überprüft und beurteilt. Die Motivation dieser Studie liegt darin, die Ursache der Problematik der Kasusmarkierung agrammatischer Personen zu finden. Dies führt Penke letztlich Diskussion der kanonischen und nicht-kanonischen Wortstellung.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretische Hintergründe
2.1 Hypothesen der Spurentilgung
- Grodzinsky (1990)
- Hickok et al. (1993) und Mauner et al. (1993)
3. Experiment
3.1 Methode, Probanden, Material, Ergebnisse
3.2 Kasusmarkierung an Objekten
4. Interpretation
5. Diskussion
Literaturverzeichnis
Trace Deletion Hypothese – Kritische Einwände
- basierend auf Penke (1998) „Die Grammatik des Agrammatismus“, Kap.III/ 4 -
1. Einleitung
Diese Arbeit legt eine Analyse von Penke (1998) bezüglich der repräsentationalen Beeinträchtigung im Bereich syntaktischer Spuren im Agrammatismus dar. Dabei werden die in Abschnitt zwei erläuterten Hypothesen von Grodzinsky, Hickok et al. und Mauner et al. überprüft und beurteilt. Die Motivation dieser Studie liegt darin, die Ursache der Problematik der Kasusmarkierung agrammatischer Personen zu finden. Dies führt Penke letztlich Diskussion der kanonischen und nicht-kanonischen Wortstellung.
Key words: Spurentilgung, Default-Strategie, Kasusmarkierung, Referentialität, Kanonische Wortstellung
2. Theoretische Hintergründe
2.1 Hypothesen
Im Folgenden werden die drei Hypothesen näher betrachtet, auf die sich die Analyse der Ergebnisse bezieht.
Grodzinsky (1990)
Die Spurentilgungshypothese von Grodzinsky (1990) bildet dabei die Grundlage. Sie besagt, dass die repräsentationale Beeinträchtigung syntaktischer Spuren im Agrammatismus das Sprachverständnis und die Sprachproduktion betreffen.[1] Grodzinsky geht davon aus, dass Spuren in der S-strukturellen Repräsentation bei den Agrammatikern getilgt sind. Wird also ein Argument ins Vorfeld bewegt, so wird seine Spur im Mittelfed getilgt und eine strukturelle Kasuszuweisung wäre nicht mehr möglich. Denn die Kasusvergabe erfolgt auf der Ebene der D-Struktur und müsste bei absolvierter Bewegung über die Kette der Spuren verlaufen. Doch um den Kasusfilter[2] nicht zu verletzen, benötigt das bewegte Argument einen Kasus. Gleichermaßen zu Grodzinskys Default-Strategie[3] kann hier ein Default-Kasus an die NPs vergeben werden. Dieser ist sprachspezifisch und für das Deutsche aufgrund der kanonischen SVO-Stellung der Nominativ. Wird ein Subjekt ins Vorfeld bewegt, so ändert eine Default-Zuweisung nichts auf der Oberfläche, da der in der IP-Spec zugewiesene und der Default-Kasus gleich sind. Der einzige Unterschied ist, dass letzterer auf einem nicht-grammatischen Weg zugewiesen wird, was jedoch nicht sichtbar geschieht. Wenn allerdings ein Objekt ins Vorfeld verschoben wird, sollten die Folgen der Spurtilgung sichtbar werden. Die Spur des bewegten Objekt im Mittelfeld wird im Agrammatismus getilgt und kann somit keinen strukturellen Kasus mehr erhalten. Dem Objekt im Vorfeld wird dann der Default-Kasus zugewiesen und es stünde im Nominativ. Da das unbewegte Subjekt aber im Mittelfeld erhalten bleibt, erhält dieses ebenso-aber auf gramamtischem Weg-den Nominativ in der IP-Spec. Somit hätten Subjekt und Objekt des Satzes den gleichen Kasus. Denn die Argumente, die nicht bewegt werden, erhalten ihren grammatischen Kasus ohne Beeinträchtigung, da eine Zuweisung nicht über Spuren erfolgt.
Hickok et al. (1993) und Mauner et al. (1993)
Die Theorien von Hickok et al.(1993) und Mauner et al.(1993) bauen auf der von Grodzinsky auf. Jedoch ist zu erwähnen, dass sie offen lassen, ob es sie wie Grodzinsky ein Kompetenzdefizit oder lediglich eine Störung des Sprachverständnisses annhemen. Aber auch ihre Theorie bezieht sich auf die Kasuszuweisung bewegter Argumente in der Sprachproduktion.
Hickok et al. gehen analog zu seiner „fill-in“-Strategie[4] von einer Kasusvergabe aus, bei der eine aufgrund der getilgten Spur kasuslosen NP denjenigen Kasus erhält, der noch nicht vergeben werden konnte. Wird also ein Subjekt in die Spec-CP bewegt, so erhält es nach der „fill-in“-Kasusstrategie den Nominativ, da das Objekt bereits auf grammatischem Weg den Objektkasus erhalten hat. Wenn das Objekt in das Vorfeld verschoben wird, erhält es nach dem gleichen Prinzip den Objektkasus, da der Nominativ durch die Spezifizierer-Kopf-Kongruenz in IP-Spec schon an das im Mittelfeld unbewegte Subjekt vergeben wurde. Nach dieser Theorie wäre also eine Beeinträchtigung oberflächlich gar nicht sichtbar, da das bewegte Argument den richtigen Kasus erhalten würde, wenn auch auf nicht-grammatischem Weg.
Mauner et al. vertreten ebenfalls die Ansicht, dass die Kasusvergabe an der Oberfläche unbeeinträchtigt ist und stützen sich dabei auf ihre Double-Dependency-Hypothese. Sie besagt, dass eine Störung der Koindizierung zwischen Antezedens[5] und seiner Spur auftritt. Wird ein Subjekt ins Vorfeld bewegt, also aus der VP-Spec in die IP-Spec und von da aus in die CP-Spec, hinterlässt es nur eine Kette mit zwei Spuren. Daher kommt es zu keinem sichtbaren Problem und der Nominativ kann über die Kette zugewiesen werden. Beim ins Vorfeld bewegten Objekt ist das allerdings nicht so einfach. Denn dann exisitieren zwei Ketten. Eine von der Bewegung des Objekts aus der VP in die CP und eine Kette von dem Subjekt, welches aufgrund der Kasuszuweisung aus der VP-Spec in die IP-Spec bewegt wird, um dort den Nominativ zu erhalten. Theoretisch hätte das verschobene Objekt nun zwei Möglichkeiten der Koindizierung. Allerdings schließt sich nach Mauner et al. diese aus, in der das Objekt in CP-Spec mit der Spur das Subjekts in der VP-Spec koindiziert wäre, da beides keine Kasuspositionen sind. Weil das Objekt aber Kasus braucht ist es mit der in Kasusposition stehenden Objektspur koindiziert, was zu einer sichtbar richtigen Oberflächenrepräsentation führt.
3. Experiment
3.1 Methode, Probanden, Material, Ergebnisse
Um eine Überprüfung der genannten Hypothesen durchzuführen, wurden verschiedene Methoden angewendet. Penke bezieht sich bei ihrer vorgenommenen Analyse auf elf durch den Aachener Aphasietest diagnostizierten und von ihr untersuchten Broca-Aphasiker mit agrammatischer Sprachproduktion, welche bestimmte Kriterien erfüllen mussten. Zunächst sind alle Muttersprachler des Deutschen und hatten vor der Läsion keine sprachlichen oder schriftsprachlichen Defizite. Des Weiteren befanden sich alle Probanden im Zeitraum der Untersuchung in regelmäßiger sprachtherapeutischer Behandlung. Noch zu erwähnen ist, dass die Versuchspersonen Rechtshänder waren.
Bei der Untersuchung wurden jeweils zwei Versuchsformen durchgeführt. Von fünf der elf Aphasiker wurden Spontansprachdaten erhoben und bei den übrigen sechs agrammatischen Versuchspersonen wurden experimentelle Untersuchungen durchgeführt, wobei für die letztere Gruppe eine ebenfalls sechs Personen-große Kontrollgruppe existierte. Die Kontrollgruppe orientierte sich bezüglich des Berufs, Geschlechts, sozialen Status etc. an den Versuchspersonen, um einen genauen und realistischen Vergleich zu gewährleisten. Die experimentellen Techniken bestanden aus Eliziationsaufgaben. Den Probanden wurden Kärtchen, auf denen eine Handlung beschrieben wurde, gezeigt und sie mussten daraufhin einen passenden Fragesatz konstruieren. Damit die zu erzielende Objektfrage gebildet wurde, war das auf den Kärtchen beschriebene Objekt jeweils unbestimmt. Insgesamt wurden jeder Versuchsperson neun solcher Kärtchen gezeigt, um eine Elizitation von solchen Dativ- und Akkusativobjektfragen zu erwirken, die eindeutig auswertbar sind und keine identische Oberflächenform mit anderen Kasus zeigen, wie es zum Beispiel bei einigen Nominativ- und Akkusativformen im Deutschen der Fall ist. Für die Auswertung der Untersuchungen wurde der prozentuale Anteil der korrekten Reaktionen ermittelt und übersichtlich in Form von Tabellen dargestellt.
10
Außerdem zu erwähnen ist, dass Penke in ihren elizitierten Daten außer der Kontrollgruppe noch eine mit einer Person durchgeführte Pilotstudie[6] einbezieht.
Des Weiteren wird in dieser Arbeit auf eine zusätzliche, nicht von Penke durchgeführte Studie eingegangen. Diese wird in Punkt 4 näher erläutert.
Ergebnis
Bei der Auswertung der Spontansprachdaten konnte 112 Fälle für eine eindeutig auswertbare Kasusmarkierung des ins Vorfeld bewegten Subjekt berücksichtigt werden. Die Nominativmarkierung der nun in CP-Spec stehenden Subjekt-Argumente gelang den Probanden in allen 112 Sätzen ohne Fehler. Nach Grodzinskys Theorie sollte nun auch bei den ins Vorfeld bewegten Objekten durch Zuweisung des Default-Kasus eine Nominativmarkierung sichtbar werden. Allerdings konnten in den Spontansprachdaten nur drei Fälle für die Objektbewegung betrachtet werden, da sonst keine distinktive Kasusmarkierung erkennbar war.[7] Dies reicht für eine genaue Untersuchung natürlich nicht aus und somit wurden wie beschrieben elizitierte Daten bezüglich der Kasusmarkierung an Objektspuren von den Probanden erhoben. Als Ergebnis erhielt Penke eine erfolgreiche Elizitation von Objekt-wh-Fragen bei fünf der sieben Agrammatiker. Im Folgenden wird die Frage geklärt, ob eine von dem bewegten Objekt zurückgelassene Spur bei den agrammatischen Versuchspersonen vorhanden ist und über sie eine Kasusmarkierung erfolgen kann.
[...]
[1] Die Beeinträchtigung der Kasusvergabe in der Sprachproduktion beruht auf Sprachverständnistests Grodzinskys, in denen er von seiner Spurentilgungstheorie ausgeht und eine Beeinträchtigung der Theta-Rollen-Vergabe annimmt. Penke überträgt die Ausführungen Grodzinskys zum Sprachverständnisdefizit analog auf die Sprachproduktion.
[2] Kasusfilter: Jede NP benötigt einen Kasus mit phonetischem Gehalt.
[3] Wird die Spur eines Antezedens getilgt, so kann über sie keine Theta-Rolle mehr zugewiesen werden. Sie erhält aber auf nicht-grammatischem Weg eine Default-Theta-Rolle, um das Theta-Kriterium nicht zu verletzen. 10
[4] „fill-in“: Theta-Rollen-Vergabe an eine NP, die durch die getilgte Spur keine Theta-Rolle mehr auf grammatischem
Weg zugewiesen bekommt
[5] Antezedens ist die bewegte Konstituente im Phrasenstrukturbaum 10
[6] Die Pilotstudie wurde mit Herrn L. (siehe dazu Penke (1998)) durchgeführt und ist mit dieser Untersuchung vergleichbar. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass Herrn L. nur sechs Kärtchen gezeigt wurden, diese aber zweimal an zwei verschiedenen Tagen.
[7] Alle genauen Daten der Untersuchung sind in Penke (1998) nachzulesen.
- Quote paper
- Beate Bergmann (Author), 2006, Kritische Einwände zur Spurentilgungshypothese (Trace Deletion Hypothese), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56622
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