Monetäre Markenbewertung im Mittelstand


Tesis, 2006

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Extracto


Inhaltsverzeichnis

EINLEITUNG

1 GRUNDLAGEN
1.1 Definitionen Marke - Markenwert
1.1.1 Markendefinition
1.1.2 Wertdefinition
1.1.3 Markenwert- und Markenstärkedefinition
1.1.4 Fazit
1.2 Forschungsstand Markenbewertung
1.2.1 Klassifizierung von Markenbewertungsmethoden
1.2.2 Auswahl eines Modells als Ausgangspunkt
1.2.3 Interbrand im Detail
1.2.4 Problembereiche der Markenbewertung
1.2.5 Fazit
1.3 Definition Mittelstand
1.3.1 Definition der EU
1.3.2 Definition des IfM Bonn
1.3.3 Fazit
1.4 Besonderheiten im Mittelstand
1.4.1 Unternehmensführung
1.4.2 Unternehmensfinanzierung und Rating
1.4.3 Branchenschwerpunkte
1.4.4 Marken mittelständischer Unternehmen
1.4.5 Fazit
1.5 Anforderungen an die Markenbewertung
1.5.1 Generelle Anforderungen
1.5.2 Aus bisherigen Erkenntnissen abzuleitende Anforderungen
1.5.3 Besondere Anforderungen im Kontext des Mittelstandes
1.5.4 Fazit

2 MODELLENTWICKLUNG
2.1 Grundsätzliche Einordnung
2.1.1 Verhaltenswissenschaftliche Markenstärke
2.1.2 Berücksichtung des Handels
2.1.3 Simplifizierung und Begrifflichkeiten
2.2 Finanzmodul
2.2.1 Economic Value Added oder Residualgewinn
2.2.2 Reingewinn über durchschnittliche Umsatzrendite
2.3 Kundenmodul
2.3.1 Verwendung der Markenstärke
2.3.2 Operationalisierung der Markenstärke
2.3.3 Isolierung der Markenerträge
2.4 Prognosemodul
2.4.1 Informationsquellen
2.4.2 Problembereiche
2.5 Marktmodul
2.5.1 Erhebung des Branchenrisikos
2.5.2 Übertragung in einen Renditefaktor
2.5.3 Markenunterschiede und der Diskontfaktor
2.6 Potentialmodul
2.6.1 Erweiterungsmöglichkeiten
2.6.2 Analyse von Umsatzpotential und Erfolgschance
2.7 Gesamtdarstellung

3 ANWENDUNG
3.1 Marke und Unternehmen
3.1.1 Unternehmen
3.1.2 Branche
3.1.3 Kunden
3.1.4 Marke
3.2 Vorgehen
3.2.1 Recherchen und Sekundärforschung
3.2.2 Primärforschung
3.2.3 Berechnungen
3.3 Erkenntnisse
3.3.1 Finanzmodul
3.3.2 Prognosemodul
3.3.3 Kundenmodul
3.3.4 Marktmodul
3.3.5 Fazit

4 FAZIT

ANHANG

Kundenbefragung

Händlerinterviews

Bankerinterviews

QUELLENVERZEICHNIS

Literatur/Periodika/Internet

Abbildungen

Vielen Dank an :

Dr. Alexander Schimansky Dr. Carsten Busch

Hans Ruckh, Waltraut Mielke-Ruckh und Lena Ruckh

Simon Blake, Martin Bornholdt, Jennifer Imig

Hanna Reuter, Lena Arendmeyer, Lydia Harder, Jana Würfel.

Ingo Deinert, Jens Beck, Frank Wagener, Dóra Szemadám, Jan Wilmking.

Peter Hautz - UdK Berlin

Prof. Ulrich Scheiper - FH Würzburg-Schweinfurt Prof. Thomas Roeb -FH Bonn Rhein Sieg Hans Pfeifer - Zeitung "Berliner Wirtschaft" der IHK Jan Hofmann - Deutsche Bank Research Andreas Humpfle -Sparkasse Düsseldorf Jana Valdix - Deutsche Bank Berlin

Foerster & Thelen Marktforschung Feldservice GmbH, www.ftmafo.de Gesellschaft Innovative Marktforschung mbH, www.g-i-m.com

Einleitung

Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Fragestellung, wie ein Geldwert von Marken mittelständischer Unternehmen ermittelt werden kann.

Ganz plastisch könnte es um die Beantwortung der Frage gehen: Wie viel Geld müsste man be- zahlen, um die Rechte an der Marke ‚Ohropax’ zu erwerben? Man spricht also von monetärer - d.h. finanzieller - Markenbewertung oder genauer der „Feststellung eines monetären Wertäquiva- lents“ (Bekmeier-Feuerhahn 2001, S. 323) für das Phänomen Marke. Markenbewertung bzw. Markenwert soll im Rahmen dieser Arbeit als monetäre Markenbewertung verstanden werden, soweit nicht anders spezifiziert. Ihre Anwendung reicht natürlich über den im Beispiel genannten Fall der Akquisition von Marken hinaus.

Die Markenbewertung ist Teil der Diskussion um die Bewertung von ‚Intangible Assets’, also immateriellen Vermögensgegenständen im Allgemeinen. Die grundsätzliche Problemstellung ist, wie Immaterielles, wie beispielsweise Marken, das Wissen von Mitarbeitern oder patentierte Ent- wicklungen in finanziellen Werteinheiten gemessen werden kann. Dass dies eine große Heraus- forderung ist, beweist eine Umfrage von Howrey (2001) unter Investoren. Danach ist eine Mehr- heit der Meinung, immaterielle Vermögenswerte könnten überhaupt nicht gemessen werden. Klar ist, dass die Feststellung von Finanzwerten von Intangibles einen anderen Messcharakter hat wie beispielsweise Messungen in den Naturwissenschaften. Man könnte also auch von einer Schät- zung des Wertes immateriellen Vermögens sprechen. (vgl. Klein-Bölting 2003,S. 155) Die Begriffe messen und schätzen (bzw. Messung und Schätzung) werden in dieser Arbeit aufgrund besserer Lesbarkeit dennoch synonym verwendet. Der Leser sei sich dem schätzenden Charakter der Mes- sungen bewusst. In der Wirtschaftswelt erfährt inzwischen aber selbst eine Wert-Schätzung hohe Wertschätzung. In Howreys Studie geben 90% der befragten Investoren an, Immaterielles in ihre Unternehmensbewertungen und die Abwägung von Investitionsalternativen mit einzubeziehen.

Warum ist die Bewertung von Immateriellem, insbesondere Marken, ein so wichtiges Thema? Auf allgemeiner Ebene kann dies mit der wachsenden Bedeutung von Wissen in Gesellschaft und Wirtschaft erklärt werden. „Wissen wird - neben dem Kapital, den Bodenschätzen, der körperli- chen Tätigkeit - zu einer eigenständigen Produktivkraft. Es spielt eine immer größere wirtschaftli- che Rolle“ (Belwe 2001). Die in diesem Bereich hoch anerkannten amerikanischen Wissenschafter Hand und Lev sprechen vom „rise of the Intangible Economy“ (2003, S. V) als einem der grundle- gendsten ökonomischen Wandlungsprozesse unserer Zeit („one of the most profound economic shifts of the era“ (ebd.)) und proklamieren: „The Intangible Economy is here to stay“ (ebd.). Auch wenn Begriffe wie Immaterielle Wirtschaft, Wissens- oder Informationsgesellschaft umstritten sind, dass die Bedeutung von Wissen grundsätzlich wächst, ist gemeinhin anerkannt. Für die Wirtschaft bedeutet dies, dass sich auch das Verhältnis zwischen Wissen und materiellem Ver- mögen ändert. Die Deutsche Bank (vgl. Schneider 2005) rechnet vor, dass inzwischen das Investi- tionsvolumen in immaterielle Vermögenswerte in den USA fast das in materielle Vermögenswerte erreicht hat (vgl. Abbildung 1).

Für die wachsende Bedeutung der Markenbewertung im Besonderen gibt es weitere Ursachen und Belege. Sattler beschreibt die Bedeutung mit zwei Argumenten (vgl. Sattler 2005, S. 1): Marken sind in den meisten Unter- nehmen inzwischen die wichtigsten Vermögensgegenstände, und eine wertorientierte Unternehmensführung ist für das Überleben und die Profitabilität immens wichtig (vgl. Sattler 2001). Dass ein so genanntes Value-based Management nur funktioniert, wenn der Wert der Vermögensgegenstände erfasst werden kann, versteht sich von selbst.

Auch Kapferer hält bereits 1992 fest: „immaterielle Anlagewerte wie Know-How, Patente und Marken haben einen wesentlichen Anteil am Wert eines Unternehmens“ (S.292). Und er geht noch weiter, indem er den Markenwert als das „wichtigste Kapital des Unternehmens“ (S.9) be- zeichnet und von einer „Revolution der Marke“ (ebd.) spricht (vgl. auch Haigh 2000). Fey (1997) führt aus, dass es manchmal gar das einzige Firmenvermögen sein kann, weil andere Güter wie Immobilien etc. geleast sind und daher nicht zum Firmenvermögen zählen. Grauel bezeichnet Marken als die „Dampfmaschinen der postindustriellen Gesellschaft - das eigentliche Kapital der Wissensgesellschaft.“ (Grauel 2003, S. 66) Eine große Studie von Aaker/Joachimsthaler kam im Jahr 2000 zu dem Ergebnis, dass der Markenwert bei einem Großteil der Unternehmen über 50% der Marktkapitalisierung ausmacht“ (zitiert nach Meffertet al. 2005b,S.12). Bekmeier-Feuerhahn formuliert eine weit verbreitete Prognose: „Angesichts der technisch ausgereiften und gesättigten Märkte wird die Bedeutung des Markenwertes von Produkten in den nächsten Jahren noch weiter zunehmen.“ (1998,S. 276)

Man kann zusammenfassend festhalten: Die finanzielle Bedeutung von immateriellem Vermögen, insbesondere die von Marken, ist in Theorie und Praxis unumstritten.

Allerdings wird immer wieder klar, dass bezüglich dem Wert von Immateriellem noch große In- formationsdefizite innerhalb von Unternehmen bestehen (Hand/Lev (2003); OECD (2004); Eustace (2003)). Dies ist besonders problematisch, da Informationsdefizite dann auch Kommuni- kationsdefizite beispielsweise gegenüber Investoren, Mitarbeitern oder der Öffentlichkeit zur Folge haben.

Bekmeier-Feuerhahn sieht, dass „in der Praxis (...) eine überwiegend spekulative und intuitive Markenbewertung “ (Bekmeier-Feuerhahn 1998, S.276) stattfindet. Es wird erwartet, dass künftig häufiger Markenbewertungen durchgeführt werden und eine methodischere Herangehensweise in der Praxis Einzug hält. So stellen Linke/Röben in ihrer Studie unter Marketingmanagern fest, dass überwältigende 68,9 Prozent der Befragten davon ausgehen, dass Markenbewertung in Zu- kunft zunehmen oder stark zunehmen wird (Linke/Röben 2004, S. 180). In der Unternehmens- führung und den Marketingabteilungen von Großunternehmen lässt sich bereits eine Sensibilisie- rung für dieses Thema erkennen. „Die Unternehmen entdecken, dass das Kapital Marke gema- nagt, gepflegt und kontrolliert werden muss.“ (Kapferer 1992, S. 12) Der Mittelstand allerdings ist mit dieser Entwicklung noch nicht so weit. Forschung in diesem Bereich beschäftigt sich zwar mit Branding (vgl. Abimbola 2001) allerdings ohne auf eine finanzielle Bewertung abzustellen. Es wird angenommen, dass vergleichsweise wenig Wissen um Markenführung im Mittelstand ver- breitet ist, auch wenn die wachsende Bedeutung dieses Bereiches offensichtlich ist.

Aber in welchen Situationen werden Marken bewertet, und was genau kann man mit einer finan- ziellen Markenbewertung anfangen? Um diese Frage zu beantworten, sollen nun die wichtigsten Bewertungsanlässe angesprochen und konkrete Anwendungsbereiche von Markenbewertung skizziert werden.

Die Bewertung der unternehmenseigenen Marken hat viele Anwendungsbereiche. Sie gehen von reiner Berichterstattung über den Einsatz bei Markenrechtsverletzungen oder bei Kreditverhand- lungen bis hin zu Markenführung (vgl. Guzman 2005) und der Bilanzierung von Marken. In einer Umfrage von Sattler (1999) unter deutschen Großunternehmen wird der Kauf bzw. Verkauf (vgl. Brockdorff 2003) von Marken als bedeutendster Bewertungsgrund eingeschätzt (vgl. Abbil- dung 2). Markenführung wird als überdurchschnittlich wichtig angesehen (vgl. Hrebicek 2000), während der Finanzierung von Marken nur eine mittelmäßige Bedeutung zugesprochen wird. Bei einer Umfrage von Schimansky (2004) unter 344 Marketingentscheidern (rund die Hälfte aus Großunternehmen) gaben 45 % an, dass, wenn sie eine regelmäßige Markenbewertung durchfüh- ren würden, dies zum Zwecke der Positionierung der Marke wäre. Weitere Gründe wie Marken- image, Kommunikationsplanung und Markenführung folgen danach. Nur noch 25,3 % würden Markencontrolling als Grund für eine Bewertung sehen. Die verschiedenen Stichproben beider Untersuchungen mögen ein Grund für die Unterschiede sein. Doch wahrscheinlich herrscht in Marketingkreisen auch eine etwas andere Begriffsauffassung als bei Controllern und Markenbe- wertung wird nur von einem kleinen Teil als zwangsläufig finanzielle Bewertung verstanden.

Eine grundsätzlich an- dere Bedeutungsstruktur bei Mittelständlern ist nicht zu erwarten, den- noch können Schwer- punkte dort anders lie- gen. Im Folgenden soll auf die Punkte Finanzie- rung und Bilanzierung etwas genauer eingegan- gen werden.

Durch die neuen Finanz- richtlinien, die unter dem Schlagwort „Basel 2“ bekannt geworden sind, werden sich im Bereich der Kreditvergabe einige Änderungen ergeben. Banken müssen bei der Kreditvergabe künftig unterschiedlich viel Eigenkapital als Sicherung bereithalten. (vgl. IKB 2005, S.4) Die Höhe richtet sich nach dem Ausfallrisiko des vergebenen Kredites. Demnach richten sich künftig auch die Konditionen für die Kreditnehmer nach der Bewertung des Risikos im eigenen Unternehmen. Die Firmen werden also Indizien liefern müssen, warum ihr Geschäftsmodell Zukunft hat und welche Werte den Krediten gegenüberstehen. Je besser die Bewertung der Firmensituation durch die Bank ausfüllt, desto günstiger wird der Kredit. Dass starke Marken Geschäftsrisiken minimieren (Floprisiko vgl. Schütz 2001, S. 55; Absatzrisiko, vgl. Bruhn 1994, S. 24) und ihrerseits wichtige immaterielle Werte (siehe oben) sein können, ist unter Marketingforschern weiter verbreitet als unter Bankberatern. Dies kann als eine Schlussfolgerung aus den vier durchgeführten Leitfaden- interviews festgehalten werden. In diese, durch Basel II vorgeschriebenen, Ratings können neben Bilanzinformationen auch „qualitative Informationen“ einfließen (vgl. Schneider 2005). Weiter- hin lässt Basel II auch „geistiges Eigentum als Sicherheit“ (ebd.) bei Krediten zu. Das Gewicht von Marken in den Ratingsystemen der Banken scheint zwar (noch) nicht allzu groß. Bei dem immer wieder zitierten Eigenkapitaldefizit (vgl. KfW 2003, S. I) des deutschen Mittelstandes und der hohen Bedeutung von Bankkrediten zur Finanzierung (vgl. Impulse et.al. 2001, S. 18) erscheint die Markenbewertung als ein für den Mittelstand besonders wichtiges Instrument. Schneck spricht beispielsweise von Patenten und Marken als den „schlummernden Finanzierungsreserven des Mittelstandes“ (o.J.).

Die Bilanzierung von Marken ist ein immer noch stark umstrittenes Gebiet. Klar ist, dass eine Bilanzierung von Marken nur dann sinnvoll ist, wenn valide und allgemein akzeptierte Verfahren zu ihrer Messung existieren. Ob aktuelle Verfahren diese Anforderungen erfüllen oder nicht, soll hier nicht diskutiert werden. Das Deutsche Institut für Normung hat dies inzwischen erkannt und versucht im „Normenausschuss Gebrauchstauglichkeit und Dienstleistungen“ (din.de) unter der Nummer NA 039-04-20 Normierungsrichtlinien für Markenbewertungsverfahren zu entwi- ckeln. Ein grober Überblick über die Rechtslage und einige Anmerkungen sollen genügen.

Bei Bilanzierung nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) ist eine Aktivierung eines selbst geschaf- fenen Markenwertes untersagt. Es besteht laut HGB §248 Bilanzierungsverbot für „immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, die nicht entgeltlich erworben wurden.“ Eine Aus- nahme bilden also entgeltlich erworbene Marken, so genannte „derivative“ (vgl. Schneck o.J.) im- materielle Vermögensgegenstände. Diese müssen allerdings anderen Kriterien genügen, also bei- spielsweise nachgewiesenermaßen ertragswirksam sein, um eine Aktivierung möglich zu machen. In einem solchen Fall kann dann nur exakt der Kaufpreis angesetzt werden, egal ob die Marke überteuert oder zu günstig erworben wurde. (vgl. Repenn 1995, S. 26; Esch 1997, S. 13)

Nach den internationalen Finanzierungsrichtlinien IFRS (International Financial Reporting Standards) ist das etwas anders (vgl. Ruckh 2005; Roehrenbacher 1998). Sie gelten seit 2006 für alle Firmen, die an einem europäischen Kapitalmarkt aktiv sind. Nach IFRS gilt für erworbene Marken sogar eine Bilanzierungspflicht (vgl. DRSC 2004; Wikipedia 2005b). Theoretisch dürfen Marken als immaterielle Vermögenswerte bilanziert werden, wenn sie identifizierbar, monetär abgrenzbar, ohne physische Substanz, in der Hand des Unternehmens sind und einen künftigen Nutzen erzeugen. In der Praxis sind allerdings die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung der ‘Her- stellungskosten der Marke‘ und die Risiken bei der künftigen Ertragswirksamkeit noch so hoch, dass eine Aktivierung nicht möglich ist. Wenn Finanzzahlen für Bilanzierungen nach angloame- rikanischer Rechnungslegung verwendet werden sollen, gilt außerdem das Prinzip des ‚Fair Va- lue’. Danach soll, wenn möglich, für Bilanzierungszwecke ein Marktwert angesetzt werden. Ist dies nicht machbar, so kann er als Barwert künftiger Zahlungsüberschüsse durch die Investition berechnet werden. Auf dieses grundlegende Rechnungsprinzip wird u.a. im Kapitel

1.2.1eingegangen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in beiden Bilanzierungsstandards der Kaufpreis einer Marke als einziger sicherer Weg für eine Aktivierung gilt.Dies scheint aktuell der kleinste gemein- same Nenner, auf den sich auch Bewertungskritiker wie Zernisch einigen können, der den folgen- den Standpunkt vertritt: „Man wird eine Marke niemals monetär bewerten können, ehe man von einem Vermarktungsinteressenten verbindliche Kaufangebote eingeholt hat.“ (2004, S. 32) Den- noch gibt es auch beim Deutschen Rechnungslegungs Standards Commitee bereits eine Arbeits- gruppe, die Möglichkeiten erarbeitet, selbst erschaffene Marken bilanzierungsfähig zu machen. Eine dahingehende Entwicklung der Richtlinien ist also wenigstens mittel- bis langfristig zu erwarten.

Die extreme Varianz an Bewertungsanlässen, aber auch die der Marken, Unternehmen und Ge- schäftsmodellen bei konkreten Bewertungsfällen sind also eine große Herausforderung für die monetäre Markenbewertung. Eine der Anforderungen an Bewertungsmodelle ist also Flexibilität, weitere Anforderungen wissenschaftlicher und pragmatischer Art werden in Kapitel 1.5 behan- delt.

Für die Ermittlung eines finanziellen Markenwertes gibt es bereits zahlreiche Ansätze. Im wissen- schaftlichen Bereich kommen diese hauptsächlich aus dem Bereich der Betriebswirtschaftslehre. Es gibt jedoch auch psychologische bzw. verhaltenswissenschaftliche Methoden, welche, aufbau- end auf einer Messung der ‚Markenstärke’, einen finanziellen Wert ausgeben. (für Definitionen vgl. Kapitel 1.1) Die ersten Modelle wurden bereits in den 60er Jahren entwickelt (vgl. Kern 1962). Im deutschsprachigen Raum sind die aktuellen wissenschaftlichen Modelle von Kapferer (1994), Bekmeier-Feuerhahn (1996), Riedel (1996) und zuletzt Sattler (1999) viel zitiert. Die ‚European Society for Opinion and Marketing Research’ (ESOMAR) hat Sattlers Modell 2003 als besonders hochwertig honoriert. In der Praxis hat sich das mehrmals weiterentwickelte Verfahren der Agen- tur Interbrand etabliert. Daneben ist laut der Studie von Schimansky (2004) im deutschsprachi- gen Raum das Modell des Icon Brand Navigator und der genetische Code der Marke (Institut für Markentechnik, Genf) am bekanntesten. Eigentlich kann kein Praxismodell einer strengen wis- senschaftlichen Analyse standhalten, oft bereits aufgrund mangelnder Transparenz. Die Details der Verfahren werden mit Verweis auf das Betriebsgeheimnis und den Wettbewerbsschutz nicht herausgegeben. Viele der in jüngster Zeit entwickelten Modelle basieren dem Grundgerüst nach auf einem so genannten ‚Ertragswertverfahren’ (wie es im Grundsatz auch Interbrand verwendet), das mit anderen Messungen zur Markenstärke ergänzt wird, so zum Beispiel das Modell von Sattler, BrandMetrics oder auch von Riedel. Die meisten Modelle gehen von Marken im Konsum- güterbereich aus.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass auf dem Gebiet der Markenwertberechnung zwar bereits geforscht wurde, jedoch die Mehrheit der praxistauglichen Modelle von kommerziellen Anbietern stammt, welche keinen wissenschaftlichen Anspruch haben. Es gibt nach aktuellem Wissensstand kein Verfahren, das explizit Markenwerte im Business-to-Business-Bereich ermittelt oder speziell auf die Anforderungen mittelständischer Unternehmen zugeschnitten ist.

Diese Tatsache in Kombination mit den Besonderheiten, die mit Markenführung bei mittelstän- dischen Unternehmen einhergehen, und einem Wissensdefizit insbesondere im Mittelstand, ist der Ausgangspunkt meiner Arbeit. Das Ziel ist, Ansätze eines Markenbewertungsmo- dells zu entwickeln, das den besonderen Anforderungen mittelständischer Un- ternehmen gerecht wird. Denn auch Experten konstatieren, dass sich die Systematik „auf Unternehmen jeder Größe übertragen“ (Wolf 2003) lässt. Dennoch tauchen neben den nur unzu- reichend gelösten grundsätzlichen Problemen der Markenbewertung auch spezielle Fragestellun- gen im mittelständigen Kontext auf, die im Rahmen dieser Arbeit nicht alle endgültig beantwortet werden können. Als wichtige Voraussetzung bei der Entwicklung soll eine einfache und ressour- cengünstige Durchführbarkeit genannt sein. Zu hohe Preise und nicht handhabbare Komplexität sind einige Gründe, weshalb momentan im Mittelstand nur wenige Markenbewertungen durch- geführt werden. Aufgrund der Ressourcenknappheit und der bisherigen Erfahrungen bei Mar- kenbewertungen ist davon auszugehen, dass ein solches Modell nicht bis ins Detail wissenschaft- lich begründet werden kann. Dies gilt insbesondere, wenn eine Durchführung der Bewertung gewährleistet werden soll, um die Praxistauglichkeit einschätzen zu können.

Die Vorgehensweise für meine Arbeit stellt sich daher wie folgt dar. Auf eine Begriffsklärung der wichtigsten Termini folgt eine Analyse und Klassifizierung möglicher Markenbewertungsmethoden. Aus ihnen wird anhand bestimmter Kriterien ein Modell als Ausgangspunkt bestimmt.Daran anschließend werden theoretische Problembereiche und damit Stoßrichtungen für weitere Forschung ausführlich dargestellt.

In einem zweiten Schritt wird der deutsche Mittelstand analysiert. Einer Herausarbeitung der Besonderheiten folgt die Ableitung von Anforderungen für ein spezielles ‚Mittelstands-Modell’.

Dann folgt der eigentliche Entwicklungsschritt. Das ausgewählte Modell wird anhand der be- schriebenen Anforderungen und unter Rückgriff auf Methoden anderer Modelle abgeändert, wobei unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten dargestellt werden. Bei der Auswahl des Weges wird der praktischen Realisierbarkeit im Zweifelsfall Vorrang eingeräumt. Bei der detaillierten Beschreibung der einzelnen Elemente wird auf Hilfskonstruktionen besonders hingewiesen. Eine übersichtliche Gesamtdarstellung soll das Gesamtkonzept erläutern und die geleistete Arbeit veranschaulichen.

Um Vor- und Nachteile des Verfahrens zu evaluieren werden die Prozessschritte beispielhaft an einem mittelständischen Unternehmen durchgeführt. Die Erkenntnisse werden in neutralisierter Form im dritten Kapitel dargestellt.

Zu Beginn der Arbeit wurden drei Leitfaden-Interviews mit Experten aus dem Bankenbereich durchgeführt um den aktuellen Stand der Markenbewertung in der Bankenwelt zu eruieren sowie Erfolgschancen für ein Mittelstandsmodell - insbesondere im Hinblick auf Rabatte bei der Kre- ditvergabe - abschätzen zu können. Die Ergebnisse fließen an manchen Stellen indirekt in die Arbeit ein. Ansonsten beschränken sich Primäruntersuchungen auf die Durchführung der kon- kreten Fallstudie auf die in Kapitel 3 näher eingegangen wird. Dort wurden Leitfaden-Interviews, telefonische Interviews mit teilstandardisierten Fragebögen, sowie persönliche Fragebogeninter- views am POS durchgeführt.

1 Grundlagen

Für ein genaues Verständnis der Problemstellung werden in diesem Kapitel grundlegende Defi- nitionen in den Bereichen Marke-Markenwert (Kapitel 1.1) sowie Mittelstand (Kapitel 1.3) erör- tert. Um dabei ein einheitliches Verständnis zu gewährleisten werden Definitionen erarbeitet. Ebenso werden beide Bereiche in separaten Abschnitten genau analysiert. Die Analyse existieren- der Markenbewertungsmodelle (Kapitel 1.2) versucht, Stärken und Schwächen der einzelnen Ansätze herauszuarbeiten und den Ausgangspunkt für die Modellentwicklung festzulegen. Die Analyse des Mittelstandes (Kapitel 1.4) hebt dessen Besonderheiten hervor und leitet Implikatio- nen für die Markenwertberechnung ab. Aus der Kombination der Stärken von Markenbewer- tungsverfahren und den Anforderungen im Mittelstand entstehen am Ende Anforderungen (Ka- pitel 1.5), welche Übergang und Grundlage zur Modellentwicklung in Kapitel 2 sind.

1.1 Definitionen Marke - Markenwert

Kapferer schrieb 1992: „Die Marke ist die einzig existierende internationale Sprache, das Esperanto des Handels.“ (S.11) Dies lässt auf eine enorme Bedeutung der Marke schließen. Ebenso erscheint die Marke hier aber auch als komplexes und schwer zu beschreibendes Phänomen, das dennoch alltäglich ist. Klar wird in jedem Fall, dass möglichst exakte Definitionen von Marke (Kapitel 1.1.1), Wert (Kapitel 1.1.2) und Markenwert (Kapitel 1.1.3) als Grundlagen für ein Markenbewertungsmodell unerlässlich sind.

1.1.1 Markendefinition

Noch bis in die 80er Jahre dominierte ein wettbewerbsbezogener Markenbegriff die wissenschaftli- che Diskussion. Beispielhaft dafür ist eine Definition von Kotler (1989): „Die Marke ist ein Name, ein Begriff, ein Symbol oder Design, bzw. eine Kombination daraus, die ein Produkt oder eine Dienstleistung in eindeutiger Weise hervorheben und von Mitbewerbern unterscheiden.“ In der Literatur ist bis heute diese Definitionen zu finden (bspw. Kotler 2001, S. 736), und sie entspricht in etwa dem Verständnis der Bevölkerung (vgl. Günther/Kriegbaum, zitiert nach Schütz 2001, S. 26). Heutzutage gehen ganzheitliche Ansätze allerdings darüber hinaus. Der wirkungsbezogene Markenansatz aus den 90er Jahren sieht die Marke als das Vorstellungsbild und die subjektive Wahrnehmung der Kunden von einer Markierung. Der verhaltensbezogene Markenansatz be- trachtet neben der Wahrnehmung auch die Wirkung auf das Konsumentenverhalten als Mani- festation der Marke. Etwas pointiert heißt es bei Esch: „Die Marke existiert ausschließlich im Kopf des Konsumenten.“ (1998, S. 43) Diese Aussage verdeutlicht den Unterschied zum wettbewerbsbe- zogenen Markenbegriff. „Der verhaltensorientierte Ansatz ist heute allgemein anerkannt und in der Literatur ausführlich dargelegt.“ (Moeller 2001) Eine wieder andere Herangehensweise an Wirtschaftskommunikation ist unter dem fraktalen Markenansatz (vgl. Gerken 1994) bekannt geworden, der inzwischen in einigen Teilen als durch die Praxis widerlegt gilt. Den verhaltensorientierten Ansatz aufgreifend folgte in den späten 90er Jahren der identitätso- rientierte Markenansatz (vgl. Kapferer, Meffert). Er sieht die Marke aus sozialpsychologischer Perspektive (wirkungsbezogen) und untersucht die Kaufverhaltensrelevanz (verhaltensbezogen), führt sie aber auf die Existenz einer starken Markenidentität zurück (vgl. Meffert/Burmann 1996). Auf den Sachverhalt wie ihn Kotler als Marke beschrieb, wird in diesen Kontexten eher unter dem Begriff Markierung rekurriert.

Laut Meffert (2005) ist bei der Untersuchung von Marken zwischen drei Phänomenen zu unter- scheiden: dem markierten Produkt, dem gewerblichen Schutzrecht der Marke und dem Eigen- schafts- oder Assoziationsbündel, das in den Köpfen der Verbraucher von der Marke besteht und sein eigentliches Verständnis der Marke determiniert. Diese Triade (vgl. Abbildung 3) ist ver- gleichbar mit dem so genannten semiotischen Dreieck (vgl. Meffert 2002). Eco (1991) beschreibt dabei die drei Eckpunkte als Signifikat (Produkt), Signifikant (geschützter Markenname) und Referent (Vorstellung von der Marke).

Eine monetäre Markenbewertung findet von Seiten des die Marke führenden Unternehmens statt. Für Unternehmen sind sicherlich alle drei Perspektiven von großem - auch finanziellem - Interes- se. So hat der Unternehmer auch di- rekten Einfluss auf das Produkt und seine Gestaltung sowie auf die Siche- rung dieser Gestaltung in Form des Markenschutzrechts. Die Vorstellung von der Marke in den Köpfen der Verbraucher allerdings entzieht sich seiner direkten Kontrolle und ist somit der am schwersten zu steuernde As- pekt der Marke aus der Perspektive einer Unternehmung. Man spricht auch von Markenbildung (vgl. Meffert 2002, S. 7), da es sich um einen Prozess handelt. Dieser folgt gewissen inhärenten Entwicklungsstrukturen, die sich nur in begrenztem Maße von außen beeinflussen lassen. Dieser Aspekt kann als sozialpsychologisches Phänomen angesehen werden (ebd.; Chernatony/Riley 1998, S. 427; Keller 2003, S. 86 f), auf das deshalb in dieser Arbeit als ‚psychologischer Markenwert’ oder ‚Markenstärke’ Bezug genommen wird (vgl. Kapitel 1.1.3).

Zum Versuch einer Bewertung des Phänomens Marke merkt Zernisch etwas populistisch an: „Die Nutzung einer Marke kann bewertet werden, die Marke selbst jedoch so wenig wie eine Kuh.“ (2004, S. 32) Interessant an dieser Aussage ist die Feststellung, dass eine finanzielle Bewertung von Marken dem Wesen der Marke nicht in vollem Umfang gerecht wird und man auch von einer Bewertung der Nutzung einer Marke sprechen könnte.

Dieser Umstände bewusst, soll in diesem Dokument der Begriff Marke in der definitorischen Tradition des verhaltensorientierten Markenansatzes gesehen werden.

1.1.2 Wertdefinition

Der Begriff Wert hat viele Bedeutungen und wird von unterschiedlichen Wissenschaftsdiszipli- nen jeweils unterschiedlich definiert. Im Bertelsmann Wörterbuch der Deutschen Sprache ist die zuerst genannte Bedeutung „Betrag, Preis, den etwas beim Verkauf erbringen kann“ (wissen.de 2005). Außerdem kann darunter „bleibender Gehalt, Bedeutung, Wichtigkeit“ (ebd.) verstanden werden, insbesondere in der Formulierung ‚Wert auf etwas legen.’ Auch kann es das „in Zahlen ausgedrückte Ergebnis einer Messung“ (ebd.) sein. Man kann ahnen, dass es im Kontext dieser Arbeit eine Doppelbedeutung erfüllt, sowohl einen finanziellen Wert, als auch eine Art ‚Messer- gebnis.’

Die Wertphilosophie, die ihre Wurzeln in der Antike hat, und der psychologische Wertbegriff sollen bei den weiteren Ausführungen außer Acht gelassen werden. Auch auf naturwissenschaft- liche Wertverständnisse wird nicht weiter eingegangen, da diese Konnotation in unserem Zu- sammenhang sicherlich die weniger wichtige ist. Bei der Frage nach einem monetären Markenwert liegt es nahe, dass von einer wie auch immer gearteten finanziellen Wertdefinition ausgegangen werden muss. Schon innerhalb der Ökonomie existieren unterschiedliche Wertbegriffe. Der Geldwert, Tauschwert, Gebrauchswert oder Nutzwert sind nur einige davon. In wirtschaftlichen Kontexten wird der Wert meist als Äquivalenz verstanden (vgl. Wikipedia 2006a). Darunter ver- steht man beispielsweise den einem Produkt gleichwertigen Geldbetrag, also quasi einen Tauschwert. Daraus leitet sich auch ab, dass kein Ding oder Phänomen einen inhärenten Wert hat, sondern der Wert nur relativ zu anderen festgelegt werden kann. Dieser relative oder kompeti- tive Charakter ist eine wichtige Erkenntnis, die bei der Konstruktion des Markenwertmodells (vgl. Kapitel 2.3.2) noch eine Rolle spielen wird.

Die letzte Wertdefinition, die hier beschrieben werden soll, ist der Barwert. Unter dem Bar- oder Gegenwartswert versteht man in der Ökonomie den Wert, den eine zukünftig anfallende Zahlung in der Gegenwart besitzt. Es ist ein Begriff aus der Finanzmathematik und heute in den Finanz- wissenschaften durch die Anwendung bei ‚cash-flow’ - Betrachtungen aktueller denn je. Auch der Barwert wird bei verschiedenen Markenbewertungsmodellen eine Rolle spielen. Wirtschaftswis- senschaftliche Details folgen an den entsprechenden Stellen weiter unten im Text. Es bleibt festzuhalten, dass unter dem ‚Wert’ im Rahmen dieser Arbeit ein finanzieller ‚Wert’ verstanden wird. Es ist ein in Geldeinheiten ausgedrücktes Äquivalent für ein Ding oder ein Phä- nomen.

1.1.3 Markenwert- und Markenstärkedefinition

Aufgrund der großen Unterschiede der in der Literatur kursierenden Definitionen der Begriffe „Marke“ und „Wert“ erscheint es logisch, dass es auch für den Begriff „Markenwert“ keine einheit- liche Definition gibt. Sehr viele aktuelle Veröffentlichungen sehen den Konsumenten als Quelle des Markenwertes (vgl. Bekmeier-Feuerhahn 2001, S. 322; Sander et al. 2004, S. 294; Esch/Geus 2001, S. 1031; Keller 2001, S. 1061f). Dennoch gibt es beispielsweise rein finanzielle Verfahren, welche den Konsumenten bei ihren Untersuchungen nicht miteinbeziehen (vgl. Si- mon/Sullivan, Repenn, Consors).

Um den wirtschaftlichen Nutzen einer Marke darzustellen, erscheint es außerdem konsequent, einen Geldwert als Ergebnis der Markenwertberechnung zu sehen. Aus „finanzwirt- schaftlicher Sicht bedarf es eines in Geldeinheiten ausgedrückten Markenwerts“ (vgl. Esch/Geus 2001, S. 1030). Die finanzielle Perspektive, die auch schon in der Wertdefinition angesprochen wurde (vgl. Kapitel 1.1.2), ist daher ein zweiter Baustein einer integrierten Definition von Mar- kenwert, wie sie hier vertreten wird. „Weder eignen sich allein finanzwirtschaftliche Konzepte zur Beurteilung absatzwirtschaftlicher Konsequenzen von Markenproduktentscheidungen, noch taugen ausschließlich absatzwirtschaftliche Verfahren im Hinblick auf die finanzwirtschaftlichen Implikationen des Markenwertes.“ (Hammann 1992, S. 242) Dies bedeutet für die Praxis auch, dass „der Wert einer Marke immer mit Hilfe kommunikativer und ökonomischer Kenngrößen ermittelt werden muss.“ (Tropp 2004,S.271)

Es gibt zahlreiche Definitionen mit diesen beiden Grundbestandteilen, die sich im Detail durch- aus voneinander unterscheiden. Denn „je nach Perspektive des Untersuchenden werden finanzo- rientierte; kosten- und preistheoretische; kapitalmarktgerichtete oder auch konsumentenorientierte Merkmale, Inhalte und Ziele des Markenwertes betont“ (Bekmeier-Feuerhahn 1998,S. 30).

Eine kurze Geschichte unterschiedlicher Markenwert-Definitionen soll die Problematik verdeutli- chen und ihre direkte Auswirkung auf die Konstruktion von Messmodellen veranschaulichen: Bereits 1962 (S.18f) definiert Kern den „Wert von Warenzeichen als die Summe der auf den ge- genwärtigen Zeitpunkt abdiskontierten Zusatzgewinne“, die durch die Marke in der Zukunft anfallen. Bekannt ist seine darauf aufbauend entwickelte Markenwertformel. Die Messmethoden, die Kern vorschlägt, sind verhältnismäßig simpel und sein Modell gilt daher heutzutage eher als eine Faustformel. (vgl. Bekmeier-Feuerhahn 1998, S. 77) Dennoch ist der Grundgedanke des zahlungsstromorientierten Markenwerts immer noch hoch aktuell. Ihm folgen viele marketingtechnische oder betriebswirtschaftliche Definitionen, so beispielsweise Kaas (1990) oder Sander (1994).

Herp (1982) formuliert als erster im deutschsprachigen Raum den Gedanken, dass die Marke einen bestimmten Anteil am Verkaufserfolg hat, der ohne Markierung nicht zustande gekommen wäre. (vgl. Isolierungsproblem, Kapitel 1.2.4) Auch dies findet sich heute noch in Definitionen und Berechnungsmodellen des Markenwerts. (z.B. Interbrand, Brand Metrics) Bei Sinclair (2005b) finden sich sogar Prozentsätze des durchschnittlichen Markengewinns (vgl. Banick 2004) am Unternehmensgewinn in verschiedenen Branchen. Er kommt auf einen durchschnittli- chen Anteil am Verkaufserfolg von 66,36 % (Markengewinn am Reingewinn) bei allen von ihm gemessenen Marken.

Konsumentenorientierte Wissenschaftler weisen seit Ende der 90er Jahre auf einen Ursache- Wirkungs-Zusammenhang zwischen Konsumenteneinstellungen und Markenerfolgen hin und formulieren entsprechende Definitionen. Buzzell weist 1989 in der PIMS-Studie (S.81f) nach, dass die vom Konsumenten wahrgenommene Qualität von Produkten einen zentralen Einfluss auf die Gewinnentwicklung ausübt. Zuberbier (1989) sieht den Markenwert als die Summe von Merkmalen, die einer Marke zugeschrieben werden (vgl. Abbildung 4). Er betont damit den kon- sumentenorientierten Charakter. Aaker definiert Markenwert 1991 als Vorzüge und Nachteile, die mit Namen/Symbol eines Produktes in Verbindung stehen. Er schlägt fünf Mess-Kategorien vor: „Markentreue, Bekanntheit des Namens, angenommene Qualität, weitere Markenassoziatio- nen sowie andere Markenvorzüge wie z.B. Patente, Warenzeichen, Absatzwege“ (1992, S. 31f). Auch er weist 1994 einen positiven Zusammenhang zwischen Qualitätsbeurteilungen von Pro- dukten durch Konsumenten und der Aktienkursentwicklung nach (Aaker/ Jacobson 1994).

Das Marketing-Science-Institut, Cam- bridge USA, veröffentlicht als erstes eine beide Perspektiven vereinende Definition. Sie sieht Markenwert als „set of associations and behavior on the part of a brand’s customers, channel members, and parent corporation that permits the brand to earn greater volu- me or greater margins than it could without the brand name“ (Leuthesser 1988, S. 31).

Diese Definition ist im deutschen Raum als erweiterter oder integrierter Markenwertbegriff bekannt und wurde in ähnlicher Form auch von Schulz/Brandmeyer (1989) und Bek- meier-Feuerhahn (1994, 2004) geprägt. Heutzutage ist sie dem Inhalt nach eine der am weitesten verbreiteten Defi- nitionen. (vgl. Tomczak et al.) Im wei- teren Verlauf der Diskussion wurde die Definition des ‚Marketing-Science-Institute’ von Srivasta- va und Shocker ergänzt. Sie definieren darauf aufbauend Markenstärke („brand strength“) als „Vorstellungen und Verhaltensweisen bei Kunden, Beteiligten am Absatzweg und Muttergesell- schaften, die der Marke einen tragfähigen und abgrenzenden Wettbewerbsvorsprung zu Teil werden lassen“ (eigene Übersetzung, nach Srivastava/Shocker 1991, S. 9). Der Markenwert („brand value“) bedeutet bei ihnen „das finanzielle Ergebnis der Fähigkeiten des Managements die Markenstärke wirksam einzusetzen (...)“ (eigene Übersetzung, nach Srivastava/Shocker 1991, S. 9).

Den genannten Definitionen soll in dieser Arbeit gefolgt werden. Bei den konkreten Gruppen, deren Vorstellungen und Verhaltensweisen den Markenwert definieren, gibt es durchaus For- schungsbedarf. Neben Kunden, Vertriebsmitarbeitern (bzw. Vertriebspartnern) und Sharehol- dern gibt es weitere Personengruppen, deren Meinung über eine Marke zu einem höheren Mar- kenwert führen kann. Eine allgemeine Beschreibung wie „auf Konsumenten- und Unternehmens- seite“ bei Bekmeier-Feuerhahn (1998) scheint in diesem Kontext allerdings zu allgemein. Der Einfachheit halber sollen deshalb die drei vom „Marketing-Science-Institute“ vorgeschlagenen Gruppen nur um die im Mittelstand per Definition (vgl. Kapitel 1.3) nicht relevante Gruppe der Muttergesellschaften verringert werden. Leicht vereinfacht will diese Arbeit von folgenden Defini- tionen ausgehen:

Die Markenstärke sind Vorstellungen und Verhaltensweisen bei Kunden und Vertriebspartnern, welche der Marke einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Der Markenwert ist das erzielbare ökonomische Resultat eines wirksamen Einsatzes der Markenstärke.

Diese Definition soll vorläufig sein und wird nach der Analyse der Markenbewertungsmodelle weiter präzisiert. Einige ihrer Merkmale sind: Sie erkennt die Quelle des Markenwerts bei den Kunden und geht von einer monetären Bestimmung aus. Man könnte also auch von einem „Markenfinanzwert“ sprechen, wie bspw. Tropp (2004, S. 267) vorschlägt. Des Weiteren ist sie allgemein genug, um alle im Rahmen dieser Arbeit wichtigen Aspekte zu erfassen, und konkret genug, um daraus auch Konsequenzen für die Modellentwicklung ableiten zu können.

Eine weitere Eigenschaft dieser Definition knüpft an die eben fixierte Wert-Definition an. Sie sieht Markenwert nicht als Eigenschaft einer Marke, sondern - wie Tropp es formuliert hat - als „Ei- genschaft der Beschreibung einer Marke“ (2004, S. 266). Auch der Markenwert ist also kein der Marke inhärenter Wert (vgl. Wert-Definition, Kapitel 1.1.2), sondern „eine beobachterabhängige Feststellung, die auf Plausibilität zu verhandeln ist“ (2004, S. 266). Nicht nur die Vorstellungen der Kunden sind instabil und weder absolut noch endgültig zu erfassen, sondern auch ein „wirk- samer Einsatz“ ist abhängig von externen Faktoren wie dem markenführenden Unternehmen, der Branche und natürlich dem Betrachter.

Diese Definition widerspricht nicht der allgemeinen Auffassung, dass die Markenführung und das Marketing sich „keinesfalls nur auf die Ermittlung eines ökonomischen Markenwerts“ (Esch/Geus 2001, S. 1030) stützen kann. Rein verhaltensorientierte Kennzahlen würden hier semantisch allerdings eher dem Begriff Markenstärke zugeordnet.

1.1.4 Fazit

In allen untersuchten Bereichen existieren definitorische Unschärfen. Für keinen der Begriffe herrscht in der Wissenschaft ein detaillierter Konsens über die Definition. Die Definition des letztendlich für diese Arbeit entscheidenden Begriffes des Markenwerts ist zwar aufgrund der größten Übereinstimmungen in der Literatur getroffen, aber dennoch als vorläufig anzusehen. Insbesondere intensive Interdependenzen der den Modellen zu Grunde liegenden Definitionen und den verwendeten Methoden lassen es sinnvoll erscheinen, für eine ausführliche Definition die Analyse der Markenbewertungsmodelle abzuwarten.

1.2 Forschungsstand Markenbewertung

Es wird oft von Defiziten bei der Bewertung von so genannten ‚Intangible Assets’ oder gar einem „Mangel an geeigneten Methoden“ (Schneider 2005, S. 1) gesprochen. Diese Klagen betreffen auch die monetäre Markenbewertung und sind nicht ganz unbegründet. Wie bereits gesehen, beginnen die Differenzen bei den unterschiedlichen Definitionen von Markenwert. Wo finanzielle Metho- den dem psychologischen Wesen des Markenwertes nicht gerecht werden, haben viele verhaltens- wissenschaftliche Methoden bei der Transformation des Markenwertes in Geldeinheiten Proble- me. Das Feld der Markenbewertung bietet für die Zukunft weiteres Forschungspotential.

Mit dem Wissen um dieses Potential betrachten wir aktuelle Ansätze und Methoden der monetä- ren Markenbewertung. Denn zweifelsohne hat die Forschung seit der Entstehung dieses Feldes Ende der 80er Jahre große Fortschritte gemacht, unterschiedliche Ansätze möglichst „wahrheitsge- treuer“ Markenwertberechnung entwickelt und insbesondere für die Praxis vielfach akzeptable Ergebnisse geliefert.

1.2.1 Klassifizierung von Markenbewertungsmethoden

In der Literatur werden zahlreiche Klassifizierungen der Methoden angeboten. Die Systematik ist stark abhängig von der jeweiligen Markenwertdefinition, den betrachteten Modellen und der wis- senschaftlichen Herkunft der Autoren. Im Folgenden werden einige Klassifizierungen angespro- chen und schließlich eine Systematik skizziert. Dabei wird direkt bewertet, ob die jeweiligen He- rangehensweisen für ein auf den Mittelstand fokussiertes Modell adäquat erscheinen oder nicht. Eine Einteilung in Global- und Indikatorenmodelle schlägt z.B. Franzen (2004, S. 150f) vor (vgl. Ruckh 2005, S.12f), ähnlich wie bei Tomczak et al. (2004,S. 1836f) oder Riedel (1996, S.44f). Dort werden Globalmodelle weiterhin in kostenorientierte, kapitalmarktbasierte und einkommensorien- tierte Verfahren aufgeteilt. Unter „kriterienorientierte Modelle“ fallen bei Tomczak vor allem An- sätze, die keine Geldwerte für Marken ermitteln können. Stehen - wie in dieser Arbeit - finanzielle Markenwerte im Fokus, differenziert diese Klassifizierung nicht ausreichend. Teilweise fällt auch die Einordnung schwer. So gibt es beispielsweise Modelle, welche grundsätzlich einkommens- oder ertragsorientiert Methoden sind, die bei der Bestimmung der Markenstärke aber auf Krite- rien bzw. Indikatoren zurückgreifen (z.B. Interbrand-Verfahren).

Zednik/Strebinger schlagen eine komplexere Typisierung vor, berücksichtigen dabei allerdings nur praxisnahe Modelle. Als Leitdifferenz beschreiben sie unterschiedliche Arten der Effizienz. Sie nehmen eine anwendungsorientierte Perspektive ein und sprechen von strategischer, informati- ver und kommunikativer Effizienz, die ihrer Meinung nach hauptsächlich in den Kernkompetenzen der Anbieter - Unternehmensberatungen, Marktforschungsunternehmen, Werbeagenturen - begründet liegt. Die sechs identifizierten Marken-Modelle werden unterschiedlichen Effizienzschwerpunkten zugeordnet, welche lauten: Markenstrategie-Modelle, Markenwert-Modelle, Markenkommunikationsmodelle, Quantitative Markenpositionierungs-Modelle, Qualitative Markenpositionierungs-Modelle und Wertekongruenz-Modelle.

Eine Differenzierung in finanzorientiert und absatzorientiert schlagen Esch/Andresen (1994, S. 215f) vor. Sie verwenden die Begrifflichkeiten wie vorher bereits Hammann (1992). Wenn ‚absat- zorientiert’ als verhaltenswissenschaftlich verstanden und im Kontext der Konsumentenfor- schung gesehen wird, entspricht ihre Aufteilung auch in etwa der folgenden Systematik: Weit verbreitet ist eine Einteilung in konsumentenorientierte und finanzorientierte Modelle; teil- weise auch monetär - nicht-monetär, kommunikativ - ökonomisch oder eben finanzorientiert - absatzorientiert mit einem meist ähnlichen Verständnis (vgl. Bekmeier-Feuerhahn 1998, Roeb 1994, Schimansky 2003, Tropp 2004).

Unterscheidungskriterium ist eine eher finanziell/ökonomisch oder eher verhaltenswissenschaft- lich/psychologische Herangehenswei- se, da die meisten Modelle inzwischen Aspekte beider Perspektiven beinhal- ten. Bentele et al. (2003, S. 36ff) aber auch Gerpott/Thomas (2004, S. 396) unterscheiden daher in konsumentenorientiert, finanzorientiert und Mischmodelle. Diese grundsätzliche Einteilung soll hier übernommen werden (vgl. Abbildung 5).

Intensiver betrachtet werden sollen nun die Mischmodelle, die einem ökonomischen Kalkül folgen und dabei die Konsumenteneinstellung messen. Eine Grobeinteilung dieser Mischmodelle funktioniert gut über die zu Grunde liegende ökonomische Methode. Hier kann nach marktorientierten, preisorientierten, wertorientierten und ertragsorientierten Verfahren unterschieden werden. Mit den genaueren Betrachtungen der ökonomischen Messmethoden geht bereits eine kurze Evaluation des Nutzens für ein mittelständisches Markenbewertungsmodell einher.

Marktorientierte Verfahren verweisen auf den Markt als den wichtigsten und einzigen endgülti- gen Preisfindungsmechanismus des Kapitalismus (vgl. Abbildung 6). Sie versuchen beispielsweise über die Entwicklungen am Kapitalmarkt den Markenwert ungefähr nach folgender Formel zu ermitteln: Aktienpreis * Stückzahl - immaterielle Aktiva = Markenwert. Als wichtige Vertreter dieser Herangehensweise werden Simon/Sullivan gesehen, auch wenn ihr Modell keine verhal- tenswissenschaftlichen oder konsumentenorientierten Bestandteile aufweist und daher kein Mischmodell ist. Die Grundüberlegungen marktorientierter Verfahren sind logisch und Daten wie Börsenkurse in der Regel leicht verfügbar. Dennoch zeigen sich in der Praxis gravierende Probleme. Bekmeier-Feuerhahn (1998) sieht beispielsweise Defizite an Validität, Praktikabilität, Sensitivität und Generalität. Insbesondere die mangelnde Generalität ist das Ausschlusskriterium für diese Arbeit, da mittelständische Unternehmen in den seltensten Fällen die Rechtsform einer AG haben, ja sogar eigentlich per Definition (vgl. Kapitel 1.3) keine Aktiengesellschaften sind. Zum Vergleich von Marktwertverfahren und Ertragswertverfahren siehe auch Küting/Eidel (1999).

Kostenorientierte Verfahren basieren auf dem ökonomischen Begriff des Substanzwertes. Sie ver- suchen, den Wert eines Gegenstandes oder Phänomens über die entstandenen Kosten zu bestim- men (vgl. Kapferer 1992). Dabei gibt es sowohl die Möglichkeit von den historischen Kosten des Untersuchten auszuge- hen, als auch fiktive Wiederbeschaffungskos- ten zu kalkulieren. Dieses Vorgehen benötigt all- gemein einen eher gerin- geren Ressourcenauf- wand, wird aber auf- grund seiner Input- Orientierung viel kriti- siert. Für eine valide Markenwertmessung sollte im Idealfall auf den Output abgestellt werden. Die Fragestellung, was die ‚Herstellung’ einer Marke gekostet hat (Input), besitzt allenfalls bilanzielle Relevanz. Ein praktisch einsetzbarer Markenwert muss fragen, was die Marke einbringen (Out- put) kann. Des Weiteren ist ein Input-Modell rein vergangenheitsorientiert. Preisorientierte Modelle, wie beispielsweise das von Sander (1994) oder Sethuraman (2003), basie- ren auf dem Preispremiumgedanken. Sie sehen die Wirkung einer Marke in der Realisierung von Preisvorteilen, manchmal auch Mengenvorteilen. Diese Art der Verfahren bieten laut Bekmeier- Feuerhahn (1998) ein akzeptables Maß an Reliabilität, werden allerdings für ihre reine Ausrich- tung auf Finanzdaten kritisiert. Außerdem ist ihre Anwendung hauptsächlich auf den Bereich Fast-Moving-Consumer-Goods ausgerichtet, in vielen anderen Branchen, insbesondere dem im Mittelstand (vgl. Kapitel 1.4) häufig anzufindenden Business-to-Business-Bereich, fällt diese jedoch sehr schwer. Darüber hinaus entsprechen die Verfahren aufgrund der Ignoranz gegenüber Konsumentenmeinungen nicht vollständig den hier festgelegten Definitionen (vgl. Kapitel 1.1.3). Weiterhin sind Ertragswertverfahren in der Markenwertberechnung stark verbreitet. Diese, in der Betriebswirtschaft in vielerlei Bereichen eingesetzten Verfahren (vgl. Drukarczyk 2003, S.461), gehen davon aus, dass ein bestimmtes Vermögen oder eine Investition nur der Maximierung fi- nanzieller Ergebnisse dient (Sieben, 1993, S. 4323) und bestimmte zusätzliche Erträge in der Zu- kunft liefert. Um die künftigen Geldrückflüsse mit heutigen Geldmengen vergleichen zu können, werden sie investitionstheoretisch ‚abdiskontiert’ (vgl. Eichmann 1992, S. 82). Die gleiche Geld- menge ist in der Zukunft also entsprechend weniger wert. Damit wird dargestellt, dass mit heute zur Verfügung stehendem Geld Investitionsgewinne realisiert werden können, die zu einer größe- ren Geldmenge in der Zukunft führen. Bekmeier-Feuerhahn stellt fest: „Ein starkes Gewicht hat die ertragswertorientierte Methodik bei den finanzorientierten Verfahren der Markenbewertung“ (1998, S. 100). Sie merkt zu Recht an, dass die zentrale Fragestellung, nämlich die Ermittlung des zu erwartenden Ertrages, bei Ertragswerttheorien und bei der Markenbewertung gleich ist. Ertragsorientierte Modelle verstehen Wert als den Barwert künftiger Einzahlungsüberschüsse, die aus einem bestimmten Vermögensgegenstand entstehen. Das Problem dieser zukunftsorien- tierten Modelle ist allerdings die Ungenauigkeit von Zukunftsschätzungen. Dennoch sind sie in der Betriebswirtschaftslehre weit verbreitet und stoßen daher bei Finanzfachleuten auf eine hohe Akzeptanz. Es existieren auch ertragsorientierte Verfahren, die nicht nach dem wirtschaftlichen Verständnis von Ertragswert als abdiskontierten künftigen Rückflüssen verfahren, wie beispiels- weise das ‚Ertragsmultiplikatorverfahren’ (vgl. Marketing UK 1990, S.22).

1.2.2 Auswahl eines Modells als Ausgangspunkt

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Anknüpfend an die beiden in der Definition angesprochenen Aspekte des Begriffes Markenwert (vgl. Kapitel 1.1.3) und aufbauend auf der Grobklassifizierung aus Kapitel 1.2.1 sollen folgende Überlegungen der erste Schritt der Modellauswahl sein. Rein konsumentenorientierte Modelle haben Schwierigkeiten solide finan- zielle Markenwerte zu ermitteln. „Durchgängig mangelt es (...) konsumentenorientierten Ansätzen an einer Überführung der qualitativen Markenwerthinweise in monetäre Einheiten.“ (Bekmeier- Feuerhahn 1998, S. 102) Die wenigen bekannten Versuche werden von vielen als unzureichend abgelehnt. Rein finanzielle Modelle allerdings entsprechen nur schwerlich den Definitionen von Marke (vgl. Kapitel 1.1.1), denn diese sehen die Quelle der zusätzlichen Wertschöpfung eindeutig auf Seiten der Konsumenten. Die „Bewertung von Marken mittels ökonomischer Größen, weist immer das Defizit auf, dass Markeneigenschaften aus Sicht der Konsumenten sich nicht direkt im Bewertungsergebnis niederschlagen.“ (Klein-Bölting 2003, S. 167) Integrierte Modelle entspre- chen also nicht nur der in Kapitel 1.1.3 beschriebenen Markenwertdefinition besser, auch in der Methodik scheinen sie überlegen. So konstatiert auch Tropp: „Gerade im heutigen Kommunikati- onszeitalter wird eine Verkürzung auf eine Dimension der Natur der Marke nicht gerecht“ (2004, S. 271). Die Auswahl eines Modells als Ausgangspunkt für die Entwicklung soll daher auf das Feld der kombinierten Modelle fokussiert werden (vgl. Abbildung 7). Die Analysen der Unter- kategorien im vorange- gangenen Kapitel ergab, dass die aktuelle Litera- tur Ertragswertverfahren als den zukunftsträch- tigsten Weg sieht (vgl. Abbildung 8): „Ertrags- wertorientierte Modelle haben den Vorteil, dass sie dem in der Rechtsprechung allgemein bevorzugten Ansatz zur Bewertung von Vermögensge- genständen entsprechen“. (Riedel 1996, S. 44) (vgl. Hammann/Gathen 1994, S. 206) Sie haben sich daher einen festen Platz in der Vielfalt der Markenbewertungsmodelle erobert. Zudem stüt- zen sich auffallend viele der aktuellen Modelle (vgl. Schulz/Brandmeyer, Edmunds, Eichmann, Interbrand, Sattler, BrandMetrics) letztendlich auf diese Methode, wenn auch der Einfluss und die Erhebung der Markenstärke dabei sehr stark variieren. Auch wenn keine Methode „bisher kritikfrei einen Weg zu einem standardisierten und allgemein anerkannten Verfahren gewiesen“ (Klein-Bölting 2003,S.155) hat, scheinen Ertragswertverfahren eine gute Wahl zu sein.

Bei der Auswahl eines konkreten Modells soll nun im zweiten Schritt eine Orientierung am ‚Markt der Markenbewertungsmodelle’ in Deutschland helfen. Als Entscheidungskriterium wer- den Bekanntheit und Qualitätsempfinden deutscher Marketingfachleute gegenüber den Model- len herangezogen. Durch diese Kriterien wird außerdem auf das Wissen einer ganzen Gruppe von Experten zurückgegriffen. Weiterer Grund für die Auswahl dieser Kriterien ist die verhältnismä- ßig gute Datenlage. Die Studie mit den höchsten Fallzahlen stützt sich auf 344 Entscheider aus der deutschen Marketingbranche und wurde im Jahr 2004 von Schimansky durchgeführt (vgl. 2004, S. 16f). Die Spitzengruppe bilden die Modelle von Icon, Interbrand und dem Institut für Markentechnik in Genf: „Die drei besten Noten erhalten der icon brand navigator (3,4), der Inter- brand-Ansatz (3,3) und der Genetische Code der Marke (3,2).“ (Linke/Röben 2004, S. 189) Das Instrument der „Genetische Code der Marke“ ist hauptsächlich ein Markensteuerungstool. Es versucht, die „differenzierenden Leistungen und Verhaltensweisen eines Unternehmens“ (Schmidt 2004, S. 319) zu identifizieren und daraus ein aus den Stärken bestehendes Profil zu entwickeln. Einen wirklich finanziellen Markenwert ermittelt dieses Instrument allerdings nicht. Es ent- spricht daher nicht der hier festgelegten Definition von Markenwert, die von einer monetären Form ausgeht.

Der Brand Navigator von icon basiert auf dem Markeneisberg von icon, welcher ein verhaltenswissenschaftliches Modell für die Markenführung ist. Um einen monetären Markenwert ermitteln zu können, wurde es um zwei Module erweitert, den so genannten „diskontierten Preisabstand“ und den „Brand Future Score“ (Musiol/Berens 2004, S. 386ff). Der Brand Navigator ist - in der Klassifizierung von Kapitel 1.2.1 einsortiert - ein Mischmodell. Innerhalb der Mischmodelle ist es in die Gruppe der preisorientierten Modelle einzuordnen.

Auch der Interbrand-Ansatz ist ein Mischmodell. Allerdings ist es dasjenige der drei Modelle mit der höchsten subjektiven Qualität und ist als Ertragswertverfahren einzuordnen. Es versucht über eine Nachfrageanalyse die Isolierung (vgl. Kapitel 1.2.4) der Markenerträge von den Gesamt- erträgen zu bewerkstelligen. Dazu werden Nachfragefaktoren ermittelt und ihre Bedeutung sowie der Markeneinfluss auf die Faktoren eruiert. Wie dies im Detail funktioniert, ist nicht bekannt. Die Firmen-Broschüre erklärt nur: „Die Marktforschung liefert den dafür notwendigen Einblick in das Kaufverhalten.“ (Interbrand 2005, S. 8) Die Markenstärke wird über ein sehr umfassendes Indikatoren- oder Scoringmodell erhoben. Das Modell umfasst die unterschiedlich gewichteten Kategorien Markt, Markenstabilität, Markenführerschaft, Markentrend, Markenunterstützung, Markendiversifikation und Markenschutz. Es wird teilweise durch Schätzwerte, teilweise durch Messwerte gespeist. Zwar besitzt dieses Modell durchaus eine gewisse Augenscheinplausibilität, allerdings sind weder die Kategorien noch deren Gewichtung das Ergebnis empirischer Untersu- chungen. Bekmeier-Feuerhahn spricht von einer „zweifelhaften Objektivität“ (1998, S. 81) und einer fragwürdigen Validität (ebd.). Mögliche Verbesserungen in diesen Bereichen werden auch in Kapitel 2 thematisiert. Dennoch relativiert Bekmeier-Feuerhahn diese Ergebnisse durch die Feststellung, dass „kein Ansatz sich ohne Schwachstellen zeigt.“ (1998,S. 99)

Auch wenn als Entscheidungskriterien Bekanntheit und eine subjektive Qualität - abgefragt bei deutschen Markenmanagern - ausgewählt wurden, kommt beispielsweise Bekmeier-Feuerhahn bei einer systematischen Güteprüfung zu ähnlichen Ergebnissen: Interbrand landet dort auf Platz 2 von 10 untersuchten Modellen. (1998, S. 100) In ihrer Untersuchung schneidet einzig der Brand-Performancer im Punkt Validität noch besser ab.

Das Interbrand-Modell soll aufgrund des überlegenen Ertragswertansatzes und der hohen Wertschätzung bei Marketingexperten Ausgangspunkt für die weitere Entwicklung eines Konzeptes für mittelständische Markenbewertung sein.

[...]

Final del extracto de 100 páginas

Detalles

Título
Monetäre Markenbewertung im Mittelstand
Universidad
University of the Arts Berlin
Calificación
1,0
Autor
Año
2006
Páginas
100
No. de catálogo
V56763
ISBN (Ebook)
9783638513654
ISBN (Libro)
9783656612247
Tamaño de fichero
2515 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Monetäre, Markenbewertung, Mittelstand
Citar trabajo
Mario Ruckh (Autor), 2006, Monetäre Markenbewertung im Mittelstand, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56763

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Título: Monetäre Markenbewertung im Mittelstand



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