Du verstehst mich nicht... : Kommunikationsprobleme und Lernprozesse in interkulturellen Partnerschaften


Mémoire de Maîtrise, 2000

89 Pages, Note: 2,1


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung:

2 Begriffsklärung
2.1 Interkulturelle Partnerschaft
2.2 Interkulturelle Kommunikation

3 Interkulturelle Kommunikation
3.1 Verbale Kommunikation
3.1.a. Sprache
3.1.b. Sprachliche und grammatische Kategorien
3.1.c. Konnotation
3.1.d. Kommunikationsprobleme und Paartheraphie
3.2 Nonverbale Kommunikation
3.2.a. Gestik
3.2.b. Mimik
3.2.c. Paralinguistik
3.3 Zusammenfassung

4 Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsmuster
4.1 Wahrnehmungskonzepte
4.1.a. Unterschiedliche Konzepte von Zeit
4.1.b. Wahrnehmung von Raum und Körperdistanz
4.2 Denk- und Handlungsmuster
4.2.a. Das Denken
4.2.b. Beziehungskonzepte und -erwartungen
4.2.c. Konfliktverhalten
4.3 Zusammenfassung

5 Lernprozesse
5.1 Tsengs interkulturelle Partnerschaftsarrangements
5.1.a. Das einseitige Arrangement
5.1.b. Das alternative Arrangement
5.1.c. Das kreative Arrangement
5.1.d. Zusammenfassung
5.2 Primäre und sekundäre Sozialisation
5.3 Interkulturelles Lernen in der Partnerschaft
5.3.a. Kommunikation
5.3.b. Rollenverhalten und -erwartungen
5.3.c. Getrennte Lebensbereiche und der Freundeskreis
5.4 Zusammenfassung

6 Schluß

7 Literaturverzeichnis:

8 Anhang

I do my thing, and you do your thing.

I am not in this world to live

Up to your expections.

And you are not in this world to live up to mine.

You are you , and I am I,

And if by chance, we find each other, it´s beautiful.

If not, it can´t be helped.

Frederick S. Perls

1 Einleitung:

Im Zeitalter der Globalisierung chatten wir im Internet mit Menschen am anderen Ende der Welt, fliegen in wenigen Stunden von Paris nach New York und bereisen ferne Länder, von denen vor hundert Jahren nur Missionare, Feldherren oder Forscher berichtet haben. Da die Entfernung zwischen den Kontinenten so einfach und schnell wie nie zu zurückgelegt werden kann, wächst auch die Zahl der sich aus interkulturellen Begegnungen entwickelnden Partnerschaften. Kommunikation als Basis für menschliches Zusammenleben erhält durch das Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen eine noch größere Bedeutung bei interkulturellen Paaren. Meine eigenen Erfahrungen - aus einer deutsch-afrikanischen Ehe und früheren interkulturellen Beziehungen - konfrontieren mich immer wieder mit 'Mißverständnissen' jeder Art. So wurde mein Interesse für die Bedeutung von interkultureller Kommunikation - also von Meinen und Verstehen - geweckt.

Ein typisches Beispiel für solche Mißverständnisse erlebte ich in meiner Familie: Zu Besuch bei meiner Großmutter und meiner Mutter sitzen mein afrikanischer Mann Amadou und ich bei meiner Großmutter im Wohnzimmer und unterhalten uns. Dann betritt meine Mutter ebenfalls den Raum und setzt sich dazu. Nach einigen Minuten verläßt mein Mann den Raum, ohne einen für uns erkennbaren Grund. Nach dem diese Situation sich bei weiteren Besuchen wiederholte, sprach ich meinen Mann direkt darauf an. Im Laufe des Gespräches erklärte er mir, daß er von seiner Mutter gelernt habe, als Junge bzw. Mann habe er den Raum zu verlassen, wenn sich mehrere Frauen unterhielten. So war es für ihn eine logische Reaktion beim Erscheinen seiner Schwiegermutter den Raum für ein 'Frauengespräch' zu verlassen.

Unerwartetes Verhalten des Partners aus einer fremden Kultur führt häufig zu einem verärgerten Rückzug, da die Interpretation des Verhaltens des Partners auf dem eigenkulturellen Handlungs- und Verhaltenswissen basiert. Da also Wahrnehmungs- und Verhaltensweisen kulturell oder soziokulturell beeinflußt sind, ist eine Berücksichtigung dieser Faktoren wichtig, um Mißverständnisse zwischen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen zu vermeiden.

In der vorliegenden Arbeit wird zuerst der Einfluß von kommunikativen und kulturellen Faktoren auf das Verstehen in interkulturellen Partnerschaften untersucht. Dann werden mögliche Lernprozesse und Strategien zur Vermeidung sprachlich oder kulturell bedingter Mißverständnisse aufgezeigt. Hierzu werden folgenden Leitfragen bearbeitet: Welche Rolle spielen verbale und nonverbale Kommunikationselemente? Wie groß ist der Einfluß von Kultur auf die Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsmuster? Wie können die herausgearbeiteten Einflüsse kommunikativer und kultureller Faktoren zur Aushandlung kultureller Muster oder zur Angleichung von Erwartungen berücksichtigt werden?

Literaturlage und Forschungsstand

Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema Intermarriage begann in den USA bereits in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts mit Arbeiten von Drachsler (1921). Bis in die Gegenwart stammen die wissenschaftlichen Arbeiten überwiegend aus dem angloamerikanischen Raum. Dort befaßten sich die ersten Untersuchungen mit Fragen der Assimilationsaspekte, der Auswirkung von Intermarriage auf die Sozialstruktur, auf die Partnerwahl und auf die Ehestabilität. In England und Frankreich sind ab den fünfziger Jahren Forschungsarbeiten zu diesem Thema entstanden, während in Deutschland erst ab den siebziger Jahren dieses Thema entdeckt wurde. In den achtziger Jahren entstanden eine Unzahl von Examensarbeiten und anderen wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Publikationen. Die Mehrheit der bisher genannten wissenschaftlichen Arbeiten stammen hier aus der Soziologie; wenige sind in der Psychologie oder Ethnologie entstanden. Die Examensarbeiten beziehen sich in der Regel auf eine festgelegte regionale und ethnische Gruppe, die unter einem speziellen Gesichtspunkt behandelt wird. Leider sind die meisten dieser Arbeiten unveröffentlicht. Während in den USA, Frankreich und England bis dahin im akademischen Bereich über die Mischehe geforscht wird, führen in Deutschland vor allem die Betroffenen und deren Selbsthilfeorganisationen wie die IAF (Verband binationaler Familien und Partnerschaften) die Diskussion an. Deren Veröffentlichungen erheben keineswegs den Anspruch der Wissenschaftlichkeit, sondern sollen für die Selbsthilfearbeit rechtliche, soziale und persönliche Schwierigkeiten erläutern. Erst in den neunziger Jahren erscheinen auch im deutschsprachigen Raum vermehrt wissenschaftliche Publikationen oder Beiträge zu interkulturellen Partnerschaften.

So gibt es seit 1999 mit Hilke Thode-Aroras (1999) Dissertation über Interethnische Ehen endlich eine ethnologische Publikation, die sich mit den theoretischen und methodischen Grundlagen zur Erforschung solcher Ehen beschäftigt. Sie hat hierzu die vorhandene Literatur in Englisch, Französisch, Deutsch und Spanisch gesichtet und ausgewertet. Neben den Methoden gibt sie einen Überblick über die Forschungsschwerpunkte 'interethnische Partnerwahl' und 'eheliche Dyade'.

1995 veröffentlicht Annette Englert ihre ethnologische Magisterarbeit Die Liebe kommt mit der Zeit. Interkulturelles Zusammenleben am Beispiel deutsch-ghanaischer Ehen in der BRD. Englert stellt sowohl die Migrationsbedingungen und -motive als auch die unterschiedlichen Familiensysteme in der BRD und bei den Akan in Ghana dar. Durch den Vergleich dieser Daten mit ihrem Interviewmaterial will sie die kulturellen Arrangements und mögliche interkulturelle Lernschritte aufzeigen.

Die Ethnologin Erika Dettmar beschäftigt sich in ihrer Doktorarbeit Rassimus, Vorurteile und Kommunikation mit Vorurteilen in der interkulturellen Kommunikation zwischen Europäern und Afrikanern in Hamburg. Die Einstellungen und Verhaltensweisen, die mit der Wahrnehmung als Europäer und Afrikaner verbunden sind, werden genauso untersucht wie deren Auswirkung auf deutsch-afrikanische Beziehungen. Die Begriffe 'Vorurteile' und 'Rassismus' stehen in ihrer Arbeit im Vordergrund.

Shirin Daftari befaßt sich in ihrem Buch Fremde Wirklichkeit - Verstehen und Mißverstehen im Fokus bikultureller Partnerschaften mit 'Situationsdefinitionen' nach William Isaac Thomas. Sie versucht anhand unterschiedlicher Kriterien herauszuarbeiten, wie die individuellen Situationsdefinitionen entstehen. Neben der Kommunikation und ihren Schwierigkeiten befaßt sie sich auch mit der Wahrnehmung von Andersartigkeit und wie damit in der Partnerschaft umgegangen werden kann. Im zweiten Teil ihrer Arbeit werden die Reaktionen der Umgebung und deren Einfluß auf die Interaktion in der Partnerschaft analysiert. Die Partner müssen sich mit Strategien zur Bewältigung potentieller Diskriminierungen auseinandersetzen. Hierunter fallen auch die Anforderungen an den Partner, der sich in eine neue Kultur einleben muß. Daftari stützt sich dabei sowohl auf wissenschaftliche Literatur und publizierte Interviews als auch auf autobiographische Romane und Belletristik.

Die Literaturlage über 'Interkulturelle Kommunikation' ist sowohl im deutsch- als auch im englischsprachigen Raum mittlerweile unüberschaubar. Während sich in den USA die eigene Forschungsrichtung 'Intercultural Communications' entwickelt hat, fehlt diese bei uns noch. In Deutschland befaßt sich die Linguistik hauptsächlich mit der Symbolwelt der menschlichen Sprache - allgemein und in konkreten kulturspezifischen Ausprägungen. In der Ethnologie begannen Ethnolinguisten wie Sapir schon in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts mit Forschungen zur 'Sprache'. Dell Hymes - Soziolinguist - legte dann in den sechziger Jahren den Grundstein 'für die Ethnographie der Kommunikation'. Da sich diese Arbeit mit Kommunikation und Interaktion in interkulturellen Partnerschaften beschäftigt, wurde ausgewählte Literatur aus den Bereichen 'Kommunikationsforschung' und 'Ethnographie der Kommunikation' verwendet, die sich mit verbalen und nonverbalen Kommunikationselementen befaßt.

Der Kommunikationswissenschaftler Gerhard Maletzke hat in seinem Buch Interkulturelle Kommunikation - zur Interaktion zwischen Menschen verschiedener Kulturen die wichtigsten Informationen für Menschen, die beruflich oder privat in fremden Kulturen leben wollen, aus der Literatur zusammengetragen. So erklärt er die Hauptmerkmale verbaler und nonverbaler Kommunikation, zeigt, welchen Einfluß die Kultur auf Wahrnehmung, Denk- und Verhaltensmuster hat. Nach diesem eher theoretischen Teil findet der Leser in der zweiten Hälfte des Buches Tips und Hinweise für das Leben in der Fremde, um z.B. den Kulturschock verarbeiten zu können. Gerade der theoretische Teil seines Buches geht auch auf die hier bearbeiteten Fragen ein.

Der Ethnologe Klaus Roth ist der Herausgeber der Anthologie Mit der Differenz leben. Darin sind verschiedene Artikel zum Themenkomplex 'Interkulturelle Kommunikation' erschienen. Besonders interessant für die vorliegende Arbeit waren die Beiträge des Ethnologen C. Giordano Die Rolle von Mißverständnissen bei Prozessen der interkulturellen Kommunikation und der Ethnologin O. Toumi-Nikula Direkte Kommunikation in deutsch-finnischen Ehen. Giordano beschäftigt sich an Hand von Literatur sowohl mit dem Begriff des Mißverständnisses als auch mit den Gründen für Verständigungsschwierigkeiten. Toumi-Nikula untersucht in ihrem Artikel die direkte Kommunikation in deutsch-finnischen Ehen. Sie verbindet die Theorie aus der Literatur mit ihrer eigenen empirischen Studie. Interessant für die vorliegende Arbeit ist der Beitrag zur Streitkultur und die Beschäftigung mit den verschiedenen Ebenen der Kultur nach E. Hall.

Auch aus dem von den Sprachwissenschaftlern A. Knapp-Potthoff und M. Liedke herausgegebenen Buch Aspekte interkulturelle Kommunikationsfähigkeit sind die Ausführungen von E. Apeltauer und M. Sugitani aufschlußreich. Der Sprachwissenschaftler Apeltauer widmet sich der Bedeutung der Körpersprache für die interkulturelle Kommunikation, indem er kulturbedingte Darstellungsformen in Gestik und Mimik eingehend untersucht. Die Sprachwissenschaftlerin Sugitani stellt das Selbstkonzept im Sprachverhalten dar. In ihrem Beitrag wird die Relevanz des soziokulturellen Handlungswissens gut herausgearbeitet.

Eigene Forschung

Für diese Arbeit habe ich Interviews mit deutsch-fulbeischen Paaren durchgeführt und Beiträge aus einem von mir gegründeten Internet-Diskussionsforum verwendet. Dieses heißt 'Treffpunkt für deutsch-afrikanische Beziehungen' und ist unter http://f17.parsimony.net/forum29446 zu finden. Daraus entnommenen Beiträge sind mit "Treffpunkt" und Angabe des Datums gekennzeichnet.

Meine Interviewreihe bezieht sich auf Partnerschaften, in denen die Frau Deutsche oder Österreicherin, und der guineische Mann aus der Gruppe der Fulbe ist. Die Konstellation 'Frau-Mann' habe ich gewählt, da sowohl die jeweiligen Wahrnehmungs-, Denk-, und Verhaltensmuster als auch die Rollenerwartungen und das Kommunikationsverhalten geschlechtsspezifisch beeinflußt sind. Daher wären bei umgekehrter Konstellation andere Ergebnisse zu erwarten gewesen. Ein weiterer Faktor war die quantitative Verteilung, da es wesentlich mehr deutsche Frauen mit einem Partner aus Guinea gibt als umgekehrt.

Die erste Kontaktaufnahme zu möglichen InterviewpartnerInnen fand im 'Treffpunkt für deutsch-afrikanische Beziehungen' statt. Dort meldeten sich mehrere Frauen mit westafrikanischen Partnern. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich für meine Interviews schon eine Beschränkung auf deutsch-fulbeische Paare beschlossen und startete einen weiteren Aufruf. Mein Emailkontakt zu zwei Frauen mit Fulbemännern hatte sich bis dahin gefestigt, so daß ich sicher mit ihnen rechnen konnte. Eine von beiden gewann in ihrem Bekanntenkreis ein weiteres Paar. Ein Viertes kam aus unserem eigenen Freundeskreis. Da alle räumlich weit auseinander wohnten, beschränkte ich mich auf diese Vier. Anfängliches Zögern - besonders auf Seiten der afrikanischen Männer - erklärt sich dadurch, daß persönliche Angelegenheiten oder gar Probleme nur mit sehr vertrauten Personen in einem nicht öffentlichen Rahmen besprochen werden.

Eine repräsentative Untersuchung hätte den Rahmen einer Magisterarbeit gesprengt, so daß meine Interviews lediglich entstehende Schwierigkeiten und 'allgemeine Tendenzen' durch Übereinstimmung aufzeigen. Die Befragung wurde im Rahmen von persönlichen Gesprächen mit Tonbandgerät durchgeführt. Sie fanden im März und Mai 2000 in Berlin, Mannheim und Heidelberg statt. Die Namen der Befragten lauten :Mila, Mamadou, Hanna und Barry, Gabi und Oumar, dessen Name auf Wunsch geändert wurde. Die Partner von Mila und Mamadou standen aus unbekannten Gründen nicht zur Verfügung. Die Personen waren zwischen 28 und 44 Jahre alt. Ihre Beziehungslänge lag zwischen einem halben bis zu fünf Jahren. Zwei Paare waren verheiratet, während die anderen beiden jeweils in einem eigenen Haushalt lebten und sich nicht täglich sahen. Die Männer sind seit drei bis fünf Jahren in Deutschland bzw. seit zehn Jahren in Finnland. Alle Interviewpartner waren zum Zeitpunkt der Interviews berufstätig oder noch in der Ausbildung.

Der im Anhang abgedruckte Interviewleitfaden diente während der Gespräche als Orientierung. Die Interviews mit den Frauen verliefen offener, dennoch wurden alle Aspekte angesprochen. Im ersten Teil der Befragung ging es um allgemeine Daten wie Alter, Familienstand, Beruf, Fremdsprachenkenntnisse und Aufenthaltsdauer in Deutschland oder anderen Ländern. Daran schlossen sich Fragen zur Vorgeschichte der beiden Partner an. Dabei wurde nach früheren Kontakten zu Ausländern, dem Kennenlernen des Paares, nach den Reaktionen der Familie und der Freunde auf die Partnerschaft und nach einem Besuch im Heimatland des Partners gefragt. Im Hauptteil standen dann die Themenkomplexe 'Beziehung heute', 'Alltagssprache', 'Konfliktverhalten', 'Freundeskreis' und 'Feiern' im Mittelpunkt. Hiermit sollten die Rollen- und Aufgabenverteilung der Paare und ihrer Eltern, die gemeinsamen Lebensbereiche, die Probleme mit der gewählten Alltagssprache, das Konfliktverhalten, der Freundeskreises sowie der Umgang mit Festanlässen hinterfragt werden.

Aufbau der Arbeit

Im zweiten Kapitel werden die verschiedenen Bezeichnungen für Partnerschaften zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft dargestellt. Die Wahl des Begriffes 'Interkulturelle Partnerschaft' wird begründet. Die 'Interkulturelle Kommunikation' wird auf der Ebene der interpersonalen Kommunikation und Interaktion für die Verwendung in der vorliegenden Arbeit erklärt.

Durch folgende Vorgehensweise wird im Hauptteil die Fragestellung untersucht: Im Kapitel 'Interkulturelle Kommunikation' werde ich die kommunikativen Elemente bei der sprachlichen Interaktion zwischen zwei Mensch aus unterschiedlichen Kulturen und ihren kulturellen Einfluß darstellen. Hierzu werden verbale und nonverbale Faktoren differenziert und einzeln analysiert. Zu Beginn wird der Zusammenhang zwischen Sprache und Wahrnehmung der Wirklichkeit erklärt. Mit ausgewählter Literatur stelle ich die wichtigsten Elemente vor, um sie mit den Interviews und den Beiträgen des Diskussionsforums zu vergleichen. Bevor dann ich zu den nonverbalen Faktoren weitergehen werde, wird das Zusammenspiel verbaler und nonverbaler Elemente bei der Kommunikation und ihrer Entschlüsselung aufgezeigt. Darauf arbeite ich das Kulturspezifische an Gestik und Mimik aus der Literatur heraus, um es mit meinen Daten zu vergleichen.

Im vierten Kapitel stehen die Frage nach kulturellen Differenzen in den Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsmustern im Mittelpunkt. Zuerst stelle ich aus der Literatur das Zusammenwirken von Handlungswissen mit sprachlicher Interaktion dar und vergleiche es mit meinen Daten. Anschließend wird mittels der Literatur und meiner Daten der kulturelle Einfluß sowohl auf die Wahrnehmung als auch auf das Denken und Handeln analysiert. Anhand der Interviews werden die in der Literatur beschriebenen kulturellen Differenzen im Umgang mit Zeit in gleicher Weise geprüft wie die verschiedenen Erwartungen an eine Beziehung oder das Konfliktverhalten. Abschließend wird die Auswirkung kultureller Differenzen - wie unterschiedliche Vorstellungen und Erwartungen - auf das Miß- oder Nicht- Verstehen dargestellt.

Im Kapitel 'Lernprozesse' untersuche ich Lernprozesse und Strategien zur Vermeidung sprachlich und kulturell bedingter Mißverständnisse. Dazu wird zuerst der Forschungsansatz des interkulturellen Partnerschaftsarrangements des Psychologen Tseng (1977) vorgestellt. Auf die vorherigen Kapitel aufbauend wird dann interkulturelles Lernen als Anpassung im Sinne einer zweiten Sozialisation anhand der Interviews und der Beiträge des Internetforums verdeutlicht. Die Aushandlung kultureller Muster und die Angleichung von unterschiedlichen Erwartungen und Vorstellungen werden darstellen, wie das Bewußtsein von kulturellen Differenzen und Kommunikationsschwierigkeiten zur Vermeidung von Mißverständnissen beitragen kann.

Im Schlußteil werden die Ergebnisse der Kapitel zusammengefaßt, um danach die Fragestellung der Arbeit abschließend beantworten zu können. Abschließend werde ich einen Ausblick auf weitere Themenbereiche und Fragestellungen gegeben, die entweder während der Beschäftigung mit dem Thema aufgeworfen wurden oder im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht ausreichend bearbeitet werden konnten.

2 Begriffsklärung

In diesem Kapitel werden die verschiedenen Bezeichnungen für Partnerschaften zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft dargestellt. Die Wahl des Begriffes 'Interkulturelle Partnerschaft' wird begründet. Die 'Interkulturelle Kommunikation' wird zunächst umrissen und ihre Bedeutung für die Ethnologie erläutert. Für die vorliegende Arbeit ist die interkulturelle Kommunikation auf der interpersonalen Ebene von Bedeutung.

2.1 Interkulturelle Partnerschaft

Partnerschaften zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft werden in der wissenschaftlichen Literatur meist mit den Begriffen bikulturell oder binational bezeichnet. Binational betont hierbei die unterschiedliche Nationalität der Partner, ohne dabei auf kulturelle Unterschiede einzugehen. Problematisch wird dies meiner Meinung nach, wenn sich der ausländische Partner hat einbürgern lassen, oder wenn beide aus verschiedenen Kulturen desselben Staates kommen. Die Bezeichnung bikulturell hebt dagegen den unterschiedlichen kulturellen Hintergrund hervor. Interreligiös wird viel seltener für Partner aus verschiedenen Religionen verwendet und schließt den kulturellen oder nationalen Aspekt der anderen Begriffe aus. Daneben existieren noch die neueren Termini: interkulturell und interethnisch. Die Differenzierung zwischen interethnisch und interkulturell ist dabei ähnlich wie bei bikulturell und binational. Interkulturell ist in den letzten Jahren zum Modewort geworden, das leider sehr oft nicht näher definiert wird. Der Begriff Mischehe, der ebenfalls oft in diesem Zusammenhang auftaucht, wurde vor allem von der christlichen Kirche verwendet, um Ehen zwischen Partnern aus unterschiedlichen Konfessionen zu bezeichnen. Später wurde er ausgedehnt auf Personen mit unterschiedlicher Kultur, Religion, Nationalität oder ethnischer Zugehörigkeit. Im Englischen steht hierfür der Begriff intermarriage und im Französischem couple mixte.

Ich werde den Begriff interkulturell verwenden, da so Beziehungen mit mehr als einer Herkunftskultur besser erfaßten werden wie bei meiner Interviewpartnerin Mila. Sie ist Halbfinnin und zweisprachig und bikulturell aufgewachsen. Das Präfix 'inter-' betont meiner Meinung nach den Austausch und die dadurch entstehenden Prozesse einer zweiten Sozialisation während der Partnerschaft weitaus besser als bikulturell.

2.2 Interkulturelle Kommunikation

Die Forschungen von Ethnologen wie Malinowski, Boas, Sapir, Whorf, Lévi-Strauss waren die Grundlage, auf der in Kooperation mit der Sprachwissenschaft der Ansatz der 'Ethnographie der Kommunikation'[1] entwickelt wurde. Besonders der Ethnologe und Semiotiker Hall hat die Aufmerksamkeit auf die interkulturelle Kommunikation gelenkt (vgl. Dettmar 1989: 20). In der interkulturellen Kommunikationsforschung existieren zwei Hauptströmungen. Der Kommunikationswissenschaftler J. Fiske (1990: 2ff) erläutert sie folgendermaßen: Die erste Schule versteht unter Kommunikation die Übertragung von Nachrichten (transmission of messages), während Kommunikation für die anderen die Produktion und den Austausch von 'Bedeutungen' (production and exchanges of meanings) beinhaltet. Für die erste ist die soziale Interaktion:

(...) the process by which one person relates to others, or affects the behaviour, state of mind or emotional response of another, and, of course, vice versa (a.a.O. 2).

Daher studieren sie z.B. die Codierung und Decodierung durch den Sender und den Empfänger. Sie messen den Erfolg anhand von Effizienz und Genauigkeit der Übertragung. Wenn der beabsichtigte Erfolg nicht oder nur teilweise eintritt, dann beginnt die Suche nach dem Mißerfolg. Die Semiotiker - wie etwa der Philosoph C. S. Peirce oder der Linguist F. de Saussure - dagegen definieren soziale Interaktion als das, wodurch ein Individuum sich als Mitglied einer bestimmten Kultur oder Gesellschaft darstellt. Sie befassen sich damit, wie Bedeutungen durch Nachrichten und deren Interaktion mit Menschen entstehen, also der Rolle von Text in unserer Kultur. Die beiden Schulen unterscheiden sich außerdem in ihrem Verständnis über die Art und Weise wie eine Nachricht gebildet wird. Während für die Prozeß-Schule Nachrichten das sind, was durch einen Kommunikationsprozeß vermittelt wird, glauben die Semiotiker, daß die Nachricht durch Zeichen (signs) konstruiert wird, die durch die Interaktion mit dem Empfänger Bedeutungen entstehen läßt. Die Nachricht ist nicht das von A nach B gesendete, sondern ein Element in einer strukturierten Beziehung, deren andere Elemente externe Realität und einen Sender und einen Empfänger einschließen. John Fiske versucht diese Beziehungen zwischen Sender, Botschaft und Empfänger in einem Dreieck darzustellen, in dem die Pfeile konstante Interaktionen repräsentieren. Die Struktur ist dabei nicht statisch, sondern dynamisch.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Abbildung aus J. Fiske 1990: 4)

Die Wissenschaft der interkulturellen Kommunikation ist für den Ethnologen Roth (1996: 20) eine 'Frucht' mehrerer Disziplinen und somit interdisziplinär. Er schreibt, die

Grundlage der Interkulturellen Kommunikation ist der erweiterte Kulturbegriff, der - und das ist in diesem Zusammenhang sehr wichtig - neben den sichtbaren Objektivationen (Artefakten, Handlungen, Verhalten) vor allem auch die unsichtbaren Subjektivationen, also die Werte und Normen, die Einstellungen und Vorstellungen, Ideen und Haltungen, Denkweisen und Wahrnehmungsmuster umfaßt. Kulturen werden dabei als historisch entstandene und sich dynamisch wandelnde komplexe und hochdifferenzierte Systeme gesehen (ebenda).

Der Mensch neige aber dazu, die 'reale Komplexität' von kulturellen Systemen und menschlichem Verhalten in seiner eigenen Wahrnehmung zu vereinfachen. So entwickle er stereotype 'Bilder im Kopf'. Roth fährt fort, es gehe bei interkulturellen Begegnungen

(...) nicht so sehr darum, wie die jeweils fremde Kultur „wirklich“ ist, sondern wie sie wahrgenommen wird - und wie diese Wahrnehmung gedeutet und in Handeln umgesetzt wird (1996: 21).

Daher müsse sich die Forschung sehr intensiv mit Wahrnehmungsgewohnheiten und Deutungsmustern befassen, um so die zentralen Werthaltungen, Weltbilder und Muster jeder Kultur darstellen zu können (vgl. Roth 1996: 20f).

Diese unterschiedlichen Verhaltensweisen lassen sich nach dem Sprachwissenschaftler Hall (1959: 83-118) je nach Wissensstand, Art der Aneignung und Emotionsgeladenheit in der technischen, der informalen und der formalen Ebene einer Kultur ansiedeln. Bei der Begegnung zweier kulturell fremder Menschen seien die geringsten Kommunikationsprobleme auf der technischen Ebene zu erwarten, da hier Gefühle eine untergeordnete Rolle spielten. Ein Beispiel für die technische Ebene sei der Arbeitsplatz. Dort beschränke sich der Kontakt meist auf sachlichem Informationsaustausch. Dettmar (vgl. 1989: 22) bezeichnet diese Ebene als 'Oberfläche' der Kommunikation. Toumi-Nikula (1996: 223f) befaßt sich in ihrem Beitrag über Direkte Kommunikation in deutsch-finnischen Ehen ausführlich mit der formalen und der informalen Ebene von Hall. Die formale Ebene komme bei Verwandtschaftsbeziehungen oder im interethnischen Familienalltag selbst vor, wenn es z.B. um Inhalt und Form von Familienfesten oder die Einrichtung der gemeinsamen Wohnung ginge. Die größte Herausforderung sieht sie jedoch auf der informellen Ebene. Darunter falle z.B. das Eheleben interkultureller Paare. Dort träfen gerade in der interpersonalen Kommunikation stark emotionsgeladene Normen und kulturelle Muster aufeinander. Interkulturelle Kommunikation findet also auf unterschiedlichen Ebenen statt. Für diese Arbeit sind die formalen und die informalen Kommunikationsebenen von besonderer Bedeutung, da sie den Alltag interkultureller Paare betreffen.

3 Interkulturelle Kommunikation

In diesem Kapitel werden unterschiedliche Kommunikationselemente untersucht, um mögliche Konfliktpunkte im interkulturellen Dialog aufzeigen zu können. Im ersten Teil geht es um die sprachliche Problematik, während im zweiten der ebenso wichtige nonverbale Bereich behandelt wird. Unsere sprachliche Interaktion ist keineswegs autonom, sondern wird durch unsere Gestik und Mimik ergänzt. Der Kontext des Gesagten kann daher oft erst in der Kombination verstanden werden. In diesem Zusammenspiel können unterschiedliche kulturelle Sozialisationen zu Mißverständnissen in der Partnerschaft führen.

Beim Zusammentreffen zweier in unterschiedlichen Kulturen aufgewachsener Menschen werden zudem verschieden sozialisierte Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsmuster auftauchen. Diese werden im vierten Kapitel auf den Einfluß der kulturellen Komponente untersucht. Im Folgenden geht es darum, welche Rolle die Sprachbeherrschung und die richtige Entschlüsselung nonverbaler Zeichen neben diesen Schemata beim Verstehen eines Kulturfremden spielen.

Die Ethnologen Frey, Haller und Weber (1995: 46) schreiben in ihrem Handbuch, daß Menschen aus unterschiedlichen Kulturen verschiedene Zeichen - wie Sprache oder Gesten – für denselben Inhalt und dieselbe Bedeutung benutzen. Sie weisen auf mögliche Differenzen in den kulturellen Handlungsmustern hin, was die Entstehung weiterer Mißverständnisse begünstigen könne. Ihrer Meinung nach sind für die interkulturelle Kommunikation deshalb

erhöhte Aufmerksamkeit, Einfühlungsvermögen und Wissen um die Existenz und Bedeutung eigener und fremder Kommunikationselemente erforderlich (ebenda).

Das folgende Beispiel von Hanna und Barry, die sich hauptsächlich in einem - wie sie es nennen - 'selbst gebastelten' Englisch unterhalten, zeigt, wie unterschiedlich z.B. die Konnotation eines Wortes und das damit verbundene Denkschema sein können. Hanna will Barry erzählen, daß sich ihre über ihnen wohnende Freundin Vera letzte Nacht stundenlang mit ihrer Mitbewohnerin heftig gestritten hat. Als einzig passendes Wort fällt ihr für Streit 'to fight ' ein, also sagt sie zu Barry: Vera und Alex haben letzte Nacht gefighted. Am nächsten Morgen kommt Barry zu ihr und sagt: "I see Vera, she no get any mark". Im folgenden Gespräch der beiden wird das Mißverständnis klar. Barry erklärt, daß, wenn sich in Guinea zwei Frauen streiten, diese dann mit allem aufeinander losgehen, was gerade in greifbarer Nähe ist. Hanna und auch Vera, die gerade zu Besuch kam, lachten und erklärten ihm, daß sie sich auch nur mit Worten streiten und verletzen könnten. Die Konnotationen von Hanna und Barry sind bei dem Wort 'Streit' bzw. 'fight' genauso unterschiedlich wie das damit verbundene gewohnte und somit erwartete Verhaltensmuster. Die Antwort von Barry, daß Vera keine Verletzungen aufweise, kann von den beiden Frauen im gemeinten Sinn erst richtig verstanden werden, nachdem Barry erklärt hat, wie der Streit zweier Frauen in seiner Heimat abläuft.

Eine andere Situation: Meine Mutter, meine Großmutter, mein Mann Amadou und ich planten am Abend gemeinsam ins Kino zu gehen. Wir Frauen verabredeten mit meinem Mann, uns kurz vor Filmbeginn am Kino zu treffen, da er vorher noch einen Freund besuchen wollte. Es war kurz vor acht Uhr, aber mein Mann erschien nicht. Nach kurzem Warten schlug ich vor, ohne ihn hineinzugehen. Amadous Freund war nicht zu Hause gewesen. Er hatte dann einen anderen Freund besucht und dabei völlig die Zeit vergessen. Hier wird deutlich, daß beide Seiten unterschiedlich mit Zeit umgehen. Mein Mann sah im Nichterscheinen keinen 'Fehler', da wir ja zu dritt waren. Dieses Verhalten bezüglich Pläne machen und Termine einhalten war mir - im Gegensatz zu meiner Familie - bekannt, die bereits überlegte, was passiert sein könnte.

Beide Beispiele zeigen, daß unsere Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsmuster von uns als selbstverständlich und allgemeingültig angesehen werden. Daher ist es fraglich, ob wir uns des Mißverständnisses bewußt sind, oder ob wir es oftmals einfach nicht wahrnehmen. Der Kommunikationswissenschaftler Maletzke schreibt dazu:

Oft merkt man erst an offenkundigen Mißverständnissen, daß hier etwas "nicht stimmt", daß Meinen und Verstehen sich nicht decken. Aber auch dann kommt es vielfach nicht etwa zu einem Relativieren der eigenen Selbstverständlichkeiten, sondern man hält lieber am Ethnozentrismus fest und unterstellt dem anderen Dummheit, Ignoranz oder böse Absichten (1996: 35f).

Die interkulturelle Kommunikation befaßt sich mit kulturellen Differenzen unter anderem in der Sprache, im Nonverbalen und bei Wertvorstellungen. Das Bewußtwerden kultureller Unterschiede ermöglicht ein besseres Verständnis des anderen, des Fremden. Denn erst die Infragestellung und somit Relativierung der eigenen Werte und Vorstellungen schafft die Voraussetzung zum Verstehen anderer Kulturen.

3.1 Verbale Kommunikation

Wörter sind die Quelle von Mißverständnissen.

Saint-Exupéry

Die direkte sprachliche Verständigung fällt jedem Betrachter sicher zuerst als mögliches Problem interkultureller Begegnungen ein. Doch verbale Kommunikation ist mehr als Sprachkompetenz in Form von Vokabel- und Grammatikkenntnissen einer Sprache. Neben der korrekten Beherrschung des Sprechens - der Sprachkompetenz - ist auch die Sprachperformanz wichtig. Frey et al. (1995) zählen hierzu, daß man weiß, auf welche Art und Weise man eine Sprachform in der jeweiligen Kultur richtig anwendet.

Während in England ein Angebot oft mit einer höflichen Frageform verbunden wird: "Would you like tea?", sprechen Polen dasselbe Angebot als Befehl aus: "Iß und trink!"(1995: 50).

Sowohl Frey et al. als auch Toumi-Nikula (1996) weisen auf paraverbale Elemente wie Tonfall, Schnelligkeit oder Langsamkeit der Sprache hin. Sie gehören genauso zur Performanz wie Lachen, Seufzen oder die Verwendung von Pausen.

Zum Mißverstehen oder Nichtverstehen kann aber auch die unterschiedliche Konnotation oder Denotation eines Wortes führen. Das 'gemeinsame System von Sprachsymbolen' differenziert für Maletzke (1996: 141) 'Nichtverstehen' von 'Mißverstehen'. Beim Nichtverstehen fehle dieses gemeinsame System, während es beim Mißverstehen zwar vorhanden sei, aber unterschiedlich aufgefaßt werde. Verstehensschwierigkeiten ergäben sich daher oft schon aus den verwendeten Worten.

Die menschliche Sprache ist durch Symbole gekennzeichnet, die als Abstrakta gleichartige Sachverhalte zusammenfassen (ebenda).

Diese Abstrakta haben je nach Kultur unterschiedliche Grenzen, bei der einen gehört noch dazu, was bei anderen schon nicht mehr dazu gehört. Verschiedene Begriffssysteme bilden also oftmals die Basis bei kulturell unterschiedlichen Gesprächspartnern. So ist der Kontext eines Wortes wichtig, da unser Denken durch den jeweiligen Bezugsrahmen beeinflußt wird. Als Beispiel dafür, daß ein und dasselbe Wort je nach Kontext eine unterschiedliche Bedeutung hat, führt Maletzke das Wort 'Blatt' an. Der Sinn dieses Begriffes ändert sich, je nach dem, ob es von einem Botaniker, Pianisten, Graphiker oder Skatspieler verwendet wird. Diese Schwierigkeiten tauchen in der interkulturellen Interaktion ebenfalls auf. Begriffe wie Kultur, Demokratie oder Kapitalismus werden überall benutzt. Diese globalen Definitionen beinhalten aber für unterschiedliche Länder, Völker oder Kulturen recht Verschiedenes. Der jeweilige Bezugsrahmen ist nach Maletzke hierbei wichtig.

Manchmal sind derartige Unterschiede leicht, gleichsam auf den ersten Blick zu erkennen, oft genug aber auch nicht; und dann kann das zu folgenschweren Mißverständnissen führen, denn dann gehen die Gesprächspartner von der irrigen Annahme aus, der andere meine mit demselben Wort dasselbe (a.a.O. 75).

Giordano (1996) hat sich ebenfalls mit der Rolle von Mißverständnissen im Rahmen der interkulturellen Kommunikation auseinandergesetzt. Interkulturelle Mißverständnisse entstünden,

wenn die Angehörigen zweier verschiedener Kulturen die Kontakt- bzw. Interaktionssituation, in die sie einbezogen sind, unterschiedlich, ja sogar widersprüchlich oder gegensätzlich interpretieren und dementsprechend handeln (1996: 34).

Da die Akteure aus unterschiedlichen Erfahrungsräumen kämen, hätten beide stark divergierende 'Entschlüsselungsmechanismen', daher könne kein gemeinsamer Sinn vorausgesetzt werden. Zur weiteren Erklärung greift Giordano auf ein bekanntes Beispiel von Lévi-Strauss (vgl. Lévi-Strauss 1971, Leach 1976) zurück und überträgt es auf alle Kommunikationsprozesse innerhalb einer Kultur. Kommunizierende seien wie Teilnehmer eines Orchesters, da alle dieselbe Partitur haben. Trotz der verschiedenen Instrumente entstünde z.B. eine harmonische Symphonie. Bei der interkulturellen Kommunikation hielten sich die Akteure dagegen nicht an eine einheitliche Partitur, so daß es zu 'Mißtönen' komme. Giordano (1996: 34) spricht hier von 'kultureller Grammatik' im Sinne von Wittgensteins Philosophischer Grammatik.

Mißverständnisse sind interkulturelle Dissonanzen, die durch divergierende "kulturelle Grammatiken " verursacht werden (Giordano 1996: 34).

Die 'kulturelle Grammatik' erkläre die beim Lesen, Reden oder Gestikulieren benutzten Zeichen und bestünde keineswegs aus starren sozio-kommunikativen Regeln. Vielmehr sei durch die Grammatik die Sprache erst bildhaft und schaffe interpersonale Kommunikation ohne feste Regeln. Allzu oft ginge man von einer universellen Grammatik aus, die man nach Belieben auf andere Kultursysteme übertragen könne. Mißverständnisse seien bei interkulturellen Kommunikationsprozessen keine Ausnahme, sondern Normalität (vgl. a.a.O. 35ff).

3.1.a. Sprache

Das Interesse der Ethnographie an 'Sprache' begann bereits in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts mit den Ethnolinguisten Sapir und Whorf. Diese hatten aufgrund empirischer Untersuchungen indianischer Sprachen ihre Hypothesen zum Verhältnis von Sprache, Denken und Wirklichkeit aufgestellt. Maletzke faßt die Sapir-Whorf-These folgendermaßen zusammen: Die Sprachgewohnheiten einer Kultur konstruierten größtenteils die 'wirkliche Welt'. So könne dieselbe soziale Wirklichkeit in jeder Sprache auf ihre eigene Weise dargestellt werden. Dabei handele es sich um eigene Erlebniswelten. Wahrnehmung und Denken werden von der Sprache bestimmt. Denkbar sei daher nur das, was die Sprache auszudrücken vermöge. Die Welt werde von den Menschen durch sprachliche Kategorien überschaubar gemacht (vgl. Maletzke 1996: 74). Die Thesen des Sprachdeterminismus und des Sprachrelativismus sind heute in dieser Weise nicht mehr haltbar.

In den 60ern und 70ern entwickelte sich in Amerika die Soziolinguistik. Während diese sich mit Sprache in Beziehung zur Gesellschaft beschäftigt, steht für die Ethnolinguisten die Beziehung zur Kultur im Vordergrund. Deren Interesse am Sprachsystem hatte lexikalische oder phonologische Studien zur Folge. In der sogenannten 'Ethnoscience' lag das Hauptinteresse bei der Semantik und führte zu Systemen der Klassifikation, z.B. von Verwandtschaftsbegriffen oder Farben.

Dell Hymes legte ebenfalls in den 60ern den Grundstein für die 'Ethnographie der Kommunikation', deren Interesse nun verstärkt den Sprachgemeinschaften selbst galt. Er baute

(...) unmittelbar auf die von Sapir repräsentierte, auf Boas fußende kultur-anthropologische Tradition der amerikanischen Linguistik auf, (...) (Hymes 1979: 7).

Dabei versuchte er, die immer abstrakteren Modelle der Linguistik in seine Theorien einzubeziehen. Statt des linguistischen Interesses rückte nun die Verwendung der Sprache im sozialen Kontext in den Mittelpunkt. Hierbei ging es um die Verknüpfung von Sprachgebrauch, sozialen Prozessen und kulturellen Inhalten. 'Die Ethnographie des Sprechens' befaßte sich mit kommunikativen Bedingungen, unter denen Sprechen stattfindet. Was tun Sprecher, wenn sie in Sprechereignissen miteinander kommunizieren? Wie setzen sie welche kommunikativen Mittel ein? Aus der 'Ethnographie des Sprechens' entwickelte sich die 'Ethnographie der Kommunikation', die sich weniger mit der strukturalen Gesellschaftsanalyse wie Lévi-Strauss befaßt, sondern vielmehr sprachlich vermittelte Prozesse untersucht, in denen soziales Leben und Kultur gemacht, rekonstruiert, verändert wird.

Neben der Ethnographie der Kommunikation hat sich auch die Kommunikationswissenschaft mit 'Sprache' befaßt. Für Maletzke ist die symbolhaft-abstrakte Sprache die Prämisse für die kulturelle Entwicklung des Menschen. Die Symbolsprache gehe weithin abstrahierend vor. Sie fasse Gleichartiges zusammen und bilde Kategorien, Klassen, Gattungen. Damit diene die Sprache der Reduktion von Komplexität; sie bringe Ordnung und Überblick in die unendliche Vielfalt der Phänomene und mache die Welt überschaubarer und handhabbarer (vgl. 1996: 72).

So würden heute sogar einige Forscher wie z.B. Berger und Luckmann postulieren, daß durch und mit Sprache die Welt erst konstruiert werde. Und diese konstruierte Weltsicht sei kulturabhängig. Die Soziologen Berger und Luckmann (1995) schreiben, daß unsere Wirklichkeit - wie wir sie wahrnehmen und verstehen - gesellschaftlich konstruiert sei. Jeder Mensch lebe daher in verschiedenen Wirklichkeiten, davon sei die Alltagswirklichkeit das kollektive Wirklichkeitsempfinden eines jeden Mitglieds einer Gesellschaft oder Kultur. Sie sei sowohl räumlich als auch zeitlich strukturiert und werde intersubjektiv von allen Männern und Frauen einer Kultur geteilt. Durch den gemeinsamen Sprachgebrauch werde die Alltagswirklichkeit ständig reproduziert und dadurch fixiert.

Überlegungen dieser Art führten nach Maletzke zu der These, daß die Sprache einer Kultur mit der Weltsicht dieser Gruppe stark verknüpft sei. Einerseits werde die Weise, wie man die Welt wahrnehme und erlebe, in hohem Maße durch die Sprache bestimmt. Zugleich sei die Sprache auch Ausdruck des kulturspezifischen Welterlebens und forme und differenziere sich verschieden aus - je nach Weltsicht und nach Bedürfnissen, Erwartungen und Motivationen (Maletzke 1996: 73). Für den Ethnologen Lukas ist das Verstehen fremder Sprachen und Kulturen möglich. Dazu muß man sich

(...) aus dem magischen Kreis seiner sprachlich und kulturell bedingten Vorurteile befreien und versuchen, die Aussagen und Handlungen der Angehörigen fremder Sprach- und Kulturgemeinschaften von deren sprachlichem und kulturellem Anwendungskontext her zu interpretieren (1994: 57).

Ein 'reflektierter Ethnozentrismus' entstehe durch die Beschäftigung mit fremden Kulturen und der direkten interkulturellen Kommunikation. Das nächsten Kapitel befaßt sich eingehender mit den unterschiedlichen 'Weltsichten'. Im folgenden Abschnitt geht es um sprachliche und grammatische Kategorien, durch die Wahrnehmung ausgedrückt wird.

3.1.b. Sprachliche und grammatische Kategorien

In diesem Abschnitt wird zeigt, welchen Einfluß sprachliche und grammatische Kategorien auf unsere Wahrnehmung haben. Lukas (1994) untersucht die Bedeutung von Sprache als Medium der Kultur und faßt das Verhältnis von Sprache, Denken und Wirklichkeit mit einem Bezug auf Bohannans Gedanken zu Whorf folgendermaßen zusammen:

Die Menschen spalten nicht nur die Sprache, sondern auch mittels der Sprache die gesamte Kultur für die Kommunikation in Stücke (bits). Aus dem "Code" bzw. der Matrix, die im Laufe der Erziehung erlernt wurde, resultieren selbstverständliches Wissen und automatische Reaktionen der Wahrnehmung (Lukas 1994: 35f).

Demnach sind für Lukas die Codeeinheiten Wörter, durch die im Großen und Ganzen jenes Wissen und jene Wahrnehmung dargestellt werden. Wörter werden für ihn zu 'Kategorien der Realität' (Lukas 1994: 35). Die Anordnungsweise der Wörter spiegele die Auffassung über die Wirklichkeitsstruktur wider. Anhand des bekanntesten Beispiels aus den Eskimo-Sprachen macht Lukas deutlich, daß der jeweilige Wortschatz einer Kultur erkennen lasse, welche Blickrichtungen auf die Umwelt wichtig seien. So haben die Inuit verschiedene Wörter für fallenden Schnee, Schnee auf dem Boden, verharschten Schnee, Schneematsch usw. Auch Maletzke geht nach der Sapir-Whorf-Theorie davon aus, daß Sprache und Weltsicht sich wechselseitig beeinflussen. So können Begriffsbereiche entweder grob oder genau unterschieden werden. Diese Differenzierung hinge mit der jeweiligen Bedeutung für die Kultur zusammen (vgl. Maletzke 1996: 74).

Solch unterschiedliche Weltansichten findet man selbstverständlich auch bei Subkulturen. Dort werden ebenfalls eigene Sprachen entwickelt, die teilweise von Außenstehenden nicht verstanden werden können. Es handelt sich dann um einen spezifischen Wortschatz einer bestimmten Interessengruppe, eines demographischen Teils einer Bevölkerung oder Berufsgruppe (vgl. Maletzke 1996: 75).

Für Lukas (1994) ist der extreme Sprachdeterminismus nicht mehr haltbar, weil

(...) Menschen verschiedener Kulturen in der Lage sind, Unterschiede wahrzunehmen und festzustellen, für die es in ihrer Kultur keine besonderen Begriffe gibt (...) (a.a.O.: 55).

Er stützt sich dabei auf ethnologische Untersuchungen bei der Gruppe der Tzeltal-Indianer in Mexiko. Dort verfügen die Indianer über nicht-benannte taxonomische Kategorien, mit denen sie ihnen bekannte Pflanzen bestimmten Gruppen zuordnen.

Sprache beeinflußt also nicht immer das Denken. Whorf und Sapir hätten seiner Meinung nach die 'soziale und kulturelle Rolle' der Sprache überbewertet. Sprache habe somit nicht immer einen Einfluß auf das Denken (vgl. ebenda).

Reif führt dieses Auffassungen fort, indem sie sagt, daß wir durch unsere Sprache lediglich einen Teil unserer Umwelt bewußt erkennen. Eine Selektion der diversen Reize erfolge daher durch die Sprache bzw. durch die Benennung und Symbolisierung des Gesehenen. Verbales Symbolisieren heißt für Reif also ein Objekt begrifflich zu fassen. Es entstehen 'Klassen' von Gegenständen. Reif erläutert diese Klassifizierung anhand des Beispiels 'Haus':

So bezeichnet z.B. der Begriff Haus eine Klasse von Häusern – große, kleine, braune, gelbe, etc. – wovon der Begriff Haus der gemeinsame Nenner ist. Das Wort Haus bildet also ein Klasse von Häusern. Das Haus unterscheidet sich von anderen Gebäuden durch andere Klassengrenzen: Gebäude sind größere Häuser, kleinere Häuser sind in dieser Klasse nicht mehr enthalten (1996: 34).

Die Klassen werden also durch Klassengrenzen gebildet, und dadurch bedingen sie unsere Wahrnehmung von Differenzen. Reif warnt aber davor, anzunehmen, nicht klassifizierte Unterschiede könnten auch nicht wahrgenommen werden. Es könne vielmehr daraufhin weisen, daß sie für diese Kultur einfach nicht wichtig seien und daher kein verbaler Ausdruck dafür existiere (vgl. Reif 1996: 34).

Whorf (1999: 62) zeigt am Beispiel unseres Wortes 'Hund', daß die Klassengrenzen in unterschiedlichen Kulturen völlig anders ausfallen können. So bezeichne das Hopi-Wort für Hund pohko auch alle anderen gezähmten Tiere. Auch meine Interviewpartnerin Hanna berichtete von wiederholten Schwierigkeiten bei der Begriffsfindung. Sie erzählte mir, daß für ihren Mann oft ein Wort für viele Sachen stünde. Sie nennt das Beispiel 'Hand'. Für Barry sei damit alles von den Fingerkuppen bis zur Schulter gemeint. Sie dagegen differenziere und kenne auch die einzelnen englischen Begriffe. Diese wiederum ergäben für Barry keinen Sinn. Das Denotat eines Wortes kann also für Mitglieder verschiedener Kulturen durchaus anderes beinhalten. Bei Hanna und ihrem Mann könnte es aber auch sein, daß beiden einfach in der Fremdsprache nicht derselbe Wortschatz zur Verfügung steht.

Lukas zeigt anhand von Farben, daß auch hier die Terminologie sehr unterschiedlich sein kann. Er stützt sich bei seinen Erläuterungen auf die Forschungen bei den Toba-Batak in Nordsumatra. So werde dort keine Unterscheidung zwischen blau und schwarz vorgenommen. Auch im Japanischen existiere keine Differenzierung zwischen grün und blau. Hier gelte wieder, daß die Nichtexistenz keineswegs ein Nichterkennen bedeute, sondern vielmehr auf eine unbedeutende Rolle in dieser Kultur hinweise. Weitere Unterschiede zeigt Lukas für die Pflanzentaxonomie und die Verwandtschaftsterminologie auf (vgl. Lukas 1994: 38ff).

[...]


[1] Siehe auch Kapitel 3.1.a. Sprache

Fin de l'extrait de 89 pages

Résumé des informations

Titre
Du verstehst mich nicht... : Kommunikationsprobleme und Lernprozesse in interkulturellen Partnerschaften
Université
University of Heidelberg  (Institut für Ethnologie)
Note
2,1
Auteur
Année
2000
Pages
89
N° de catalogue
V56
ISBN (ebook)
9783638100380
Taille d'un fichier
624 KB
Langue
allemand
Mots clés
Interkulturelle Kommunikation, Interkulturelle Partnerschaften, Binational, Bikulturell
Citation du texte
MA Savita Caroline Umoette (Auteur), 2000, Du verstehst mich nicht... : Kommunikationsprobleme und Lernprozesse in interkulturellen Partnerschaften, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56

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