Selbstverständnis der Hospizdienste und Anforderungen an die ehrenamtlichen und hauptamtlichen MitarbeiterInnen


Trabajo Escrito, 2006

24 Páginas


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Allgemeine Hintergründe der Entstehung der Hospizbewegung
2.1. Generelle Bedingungen für die Entstehung neuer Bewegungen
2.2. Gesellschaftlicher Wandel im Umgang mit Tod und SterbenS
2.3. Hospiz als Antwort auf ein gesellschaftliches DefizitS

3. Die Geschichte des Hospiz
3.1. Hospize in der Geschichte
3.2. Die Geschichte der modernen Hospizbewegung
3.3. Hospiz-Bewegung in Deutschland
3.4. Bedeutung der Hospizbewegung für den Umgang mit Tod und Sterben in der heutigen Gesellschaft

4.Organisationsformen von Hospizen
4.1. Selbstverständnis der Hospizbewegungen
4.2. Formen der konkreten Arbeit der Hospize vor Ort
4.3. Die Rolle der Ehrenamtlichen in der Hospizarbeit
4.3.1. Qualifikationsanforderungen für die ehrenamtlichen MitarbeiterInnen
4.3.2. Motive für die Mitarbeit Ehrenamtlicher
4.4 Ehrenamt und Professionalisierung in der Hospiz- Bewegung

5. Sozialpädagogische Berufsfelder in der Hospizbewegung

6. Einschätzung der Zukunftsentwicklung der Hospizbewegung

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Hospizbewegung begreift sich als ein neues Verständnis und eine neue Form der Sterbebegleitung in entwickelten Industriegesellschaften und sie verbreitet sich immer mehr. Ich möchte mit dieser Hausarbeit einen kurzen Überblick über die gesellschaftlichen Hintergründe für die Entstehung von Hospizen geben und die aktuellen Formen und Arbeitsweisen aufzeigen.

Dazu werde ich mich zuerst der Frage nach dem Umgang mit Tod und Sterben in unserer heutigen Gesellschaft zuwenden, da darin meines Erachtens einer der Hauptgründe für das Entstehen der Bewegung liegt.

Als zweites werde ich ihre geschichtliche Entwicklung darstellen.

Im weiteren werde ich der Fragestellung nach den Anforderungen für die ehrenamtlichen MitarbeiterInnen aus dem Selbstverständnis der Bewegung heraus und nach Motivationen und Gründen für die ehrenamtliche Tätigkeit in der Hospiz-Bewegung nachgehen. Dabei werde ich auch die Arbeits- und Organisationsformen miteinbeziehen.

Ein weiterer Punkt sind die Problemstellungen, die sich aus der Kombination aus Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen in dieser Bewegung ergeben.

Daraus lassen sich Überlegungen für sozialpädagogische Berufsfelder in der Hospizbewegung formulieren.

Zuletzt werde ich Gedanken zur zukünftigen Entwicklung und Bedeutung der Hospizbewegung anstellen.

2. Allgemeine Hintergründe der Entstehung der Hospizbewegung

Während im Mittelalter Hospize in Europa weit verbreitet waren, verschwanden diese Einrichtungen in der Neuzeit im Zuge der Technisierung von Leben und Medizin aus dem öffentlichen Bewusstsein. Cicely Saunders hat an diese Idee mit der Gründung des St. Christpher`s Hospice in England wieder angeknüpft. Von hier aus wurde die Idee des Hospizes dezentral aufgegriffen und hat sich in verschiedenen Ausprägungen weltweit etabliert. Man kann deshalb heute mit Recht davon sprechen, dass sich aus diesen Anfängen 1967 eine Bewegung herausgebildet hat, die den Umgang mit Tod und Sterben in der Gesellschaft neu gestalten will.

2.1. Generelle Bedingungen für die Entstehung neuer Bewegungen

Bewegungen entstehen nicht zufällig aus dem Nichts. Vielmehr entstehen Bewegungen dann, wenn sich durch gesellschaftlichen Wandel neue Bedürfnisse herausbilden, die nicht institutionell befriedigt werden oder traditionell geregelte Bedürfnisbefriedigungsformen trotz weiterbestehen der Bedürfnisse sich auflösen oder ihre Sinnhaftigkeit verlieren.

Gesellschaftliche Bewegungen haben ihren Ursprung in der Regel in einem von mehr oder weniger großen Teilen der Bevölkerung empfundenen Defizit der Befriedigung vorhandener menschlicher Bedürfnisse.

Am Beispiel der Ökobewegung (gesunde Ernährung, gesunde Lebensmittelproduktion) lässt sich das verdeutlichen. Nahrung und Essen sind existentielle Grundbedürfnisse. Im Zuge der Industrialisierung der Landwirtschaft und des Einsatzes von Chemie veränderte sich die Qualität der Lebensmittel. Die Ökobewegung stellte dieser Praxis ein neues Paradigma gegenüber: Es geht nicht um Nahrung an sich oder um möglichst viel und billige Produktion, sondern um gesunde Nahrung und ökologische, nachhaltige Produktion. War die Ökobewegung in den Anfängen zuerst eine manchmal belächelte Nischenerscheinung, so sind heute ihre Sichtweisen allgemein bekannt und grundsätzlich und als zukunftsweisend anerkannt, wenn auch noch weiterhin der größte Teil der Nahrungsmittelproduktion nach konventionellen Methoden stattfindet und die endgültige Durchsetzung ökologischer Produktions- und Lebensweisen noch längst nicht gesichert ist.

Tod und Sterben und der Umgang damit stellen einen elementaren Teil des Lebens dar, und es scheint ein starkes Bedürfnis bei den Menschen zu geben, Formen zu entwickeln, wie man die unabweisbare Tatsache, dass jeder, auch man selbst, sterben muß, bewältigt. Jede Kultur hat deshalb Bewältigungsformen hervorgebracht, die in Gestalt von Ritualen und Traditionen den Umgang damit regulieren.

Im Zuge der Industrialisierung und Verstädterung haben sich die sozialen Umfelder, die Arbeitswelt, die Familienstrukturen und die Wohnverhältnisse, die Lebensgeschichten, aber auch das Verhältnis zu Krankheit und Tod in bedeutsamer Weise verändert.

Durch diese neuen Bedingungen für Altern und Sterbens werden starke Bedürfnisse der Betroffenen nicht ausreichend befriedigt. In unserer heutigen Gesellschaft scheint die gängigste Bewältigungsstrategie die der Verdrängung vom Bewusstsein unserer Sterblichkeit und der Auslagerung des Sterbens aus dem Leben zu sein. Diese Bedingungen sind die Voraussetzungen dafür, dass eine breite Bewegung entstehen kann, die sich dem Anliegen widmet, Krankheit, Tod und Sterben wieder ins Leben zurückzuholen und den Prozeß zu begleiten.

2.2. Gesellschaftlicher Wandel vom Umgang mit Tod und Sterben

Innerhalb der letzten Jahrzehnte hat ein grundlegender gesellschaftlicher Wandel im Umgang mit Tod und Sterben stattgefunden. Bis ins 19. Jahrhundert war das Sterben ein in das gesellschaftliche Leben integrierter Prozess.

So wird beispielsweise die Vertrautheit mit dem Tod und den Toten von Aries als eine alte und überdauernde Haltung beschrieben, die sich erst mit der Romantik allmählich ändert. ( vgl. Aries, S. 68, 1976. ).

Winau schreibt: „In den Zeiten vor unserer Zeit freilich ist der Tod im Leben gewesen, er wurde angenommen oder abgelehnt, als Zeremonie begangen oder als bitterer Verlust beklagt. Er war nicht wie heute abwesend, sondern er war da, war mitten unter den Menschen, er war im Bewusstsein.“

( Winau, S.15, 1984. ).

Religion und Traditionen boten klar geregelte Umgangs- und Handlungsabläufe. Besonders Jenseitsvorstellungen waren stark von religiösen Bildern ( Himmel und Hölle ) geprägt. Die Religion bot auch die Rituale und Techniken, wie mit dem Sterben und mit den Toten umzugehen ist.

Mit der Abkehr von Religion und traditionellen Lebensformen geht auch ein Verlust von vorgegebenen Jenseitsvorstellungen einher, für den es bisher keine einheitlichen Alternativen gibt. Viel mehr zeichnet sich eine diffuse Vielfalt und anhaltende Suche ab. Parallel zu diesem Verlust von vorgegebenen Jenseitsvorstellungen und Ritualen, oder vielleicht auch dadurch mitbedingt, hat eine Auslagerung und Institutionalisierung von Tod und Sterben stattgefunden und die ÄrztInnen übernahmen die Kontrolle. „In der Regel war der Tod mit dem Bereich Religion gekoppelt…Doch die gesellschaftlichen Umwälzungen in Europa, Aufklärung, Industrialisierung, Modernisierung, Säkularisierung und Verwissenschaftlichung führten…zur Verdrängung der Priester am Sterbebett und zur Dominanz der medizinischen Profession.“ ( Feldmann, S.169, 2004 ).

Und weiter: „Der Arzt hat die professionelle Führung übernommen und…und der Sterbende und die Bezugspersonen habe sich ihm unterzuordnen. Der Arzt übernimmt die Verantwortung für das Sterben und den Sterbenden und ist die gesellschaftlich und staatlich autorisierte Überwachungsperson…gleichzeitig werden andere mögliche Bezugpersonen „ausgesperrt“ und als inkompetent abgewertet.“ ( ebenda, S. 169 )

Höhere Lebenserwartung, medizinischer Fortschritt und die Forderung nach Funktionalität lassen den Tod zunehmend als lästige, unerwünschte Sache erscheinen, die gerne verdrängt wird oder zumindest immer weiter hinausgezögert werden kann..

Nach C.J. Jung ist „der Tod ein treuer Begleiter des Lebens, der ihm folgt wie ein Schatten. Leben und Tod bilden eine unauflösbare Einheit.“

( Iskenius-Emmler, S. 70, 1988 )

Dieses Gleichgewicht scheint in der heutigen Zeit gestört, und das macht sich auch im Umgang mit Alten und sterbenden Menschen bemerkbar.

Das Sterben und der Umgang mit den Toten wird zwar in Bezug auf die physischen Probleme technisch immer anspruchsvoller abgewickelt, es fehlen aber adäquate Formen des psychischen Umgangs und der Bewältigung.

„ Wohlstand, Kranken- und Pflegeversicherung, medizinisch-technischer Fortschritt, größere Mobilität, kleinere Familien, Zunahme der Berufstätigkeit und gesellschaftliche Emanzipation von Frauen sind zentrale Gründe, dass alte und sterbende Menschen immer seltener zu Hause im familiären Rahmen sterben. Schwerkranke und sterbende Menschen werden aus ihrer Lebenswelt herausgerissen, ins Krankenhaus gebracht, häufig zur Verlängerung des physischen Sterbens, wobei das soziale und psychische Sterben missachtet und teilweise ungünstig beeinflusst wird.(…)“

( Feldmann, S.162, 2004 ).

Die Menschen fühlen sich bei dem Prozeß ausgeschlossen, werden entmündigt, und empfinden sich als mit ihren eigenen Todes- und Verlustängsten und ihrer Trauer alleingelassen. Es scheint aber eine Urangst des Menschen zu geben, die ihn den Tod fürchten lässt und deshalb besteht heute hier eine Bedürfnislücke.

2.3. Hospiz als Antwort auf ein gesellschaftliches Defizit

Obwohl die oben beschriebenen Entwicklungen offensichtlich wesentliche Bedürfnisse vernachlässigen, und dies auch von vielen Menschen so empfunden wird, kann davon ausgegangen werden, dass das Sterben in Krankenhäusern und Pflegeheimen noch zunehmen wird. Dies erklärt sich zum Einen aus der Hoffnung, selbst bei aussichtslosen Fällen, „dass durch die moderne medizinische Technologie der Tod hinausgeschoben werden kann. Ein Teil der schwer Kranken oder Sterbenden leistet gegen die Überweisung ins Krankenhaus keinen Widerstand weil sie der Familie oder den anderen Betreuungspersonen die Anstrengungen und Aufregungen, die mit dem Prozeß der Pflege und des Sterbens verbunden sind, ersparen wollen.“ ( ebenda, S.167 ). Die Zahl der Sterbenden in Krankenhäusern ist bis heute stetig gestiegen:

„1968 starben 44,2% aller Sterbefälle im Krankenhaus. In 10 Jahren, also bis 1978, hat sich der Anteil auf 59,3 % erhöht.“ ( Winau – Rosemeier, S. 350, 1984 ).

Aber gerade in Krankenhäusern wird ein Todesfall als Misserfolg empfunden, da die Medizin als ihr Ziel definiert, Krankheiten zu heilen und Leben zu erhalten. Der Tod eines Patienten wird aus dieser Sichtweise oft als Versagen gewertet und bis zuletzt wird sein Eintreten negiert. „Das Sterben-Lassen, vor allem das In-Frieden-Sterben-Lassen, ist also nicht die eigentliche Aufgabe des Krankenhauses. Dieses ist von seiner Selbstdefinition her und der Art und Weise, wie räumlich und personell organisiert ist, nicht auf den Sterbevorgang und den Tod eingestellt.“ ( Winau-Rosemeier, S.351, 1984 ).

So schreibt z.B. Johann-Christoph Student 1997 „Ein Mensch, der an solch einem Ort stirbt, gerät in Gefahr, als so etwas wie ein „Betriebsunfall“ zu erscheinen.“ ( Student, J.-C., 1997 ) Sowohl Kranke, Sterbende als auch Ärztinnen, Pflegerinnen und Angehörige empfinden die Zustände, unter denen in Krankenhäusern und Altenheimen gestorben wird als unmenschlich und nicht tragbar.

Es fehlt an fachlichem Wissen über Schmerztherapie, an geschulten Personal und an einem reflektierten Umgang mit Tod und Sterben.

Gegen diese inhumanen Zustände wendet sich die Hospizbewegung.

Hospize haben sich nun das Ziel gesetzt: „ Das Leiden Sterbenskranker zu lindern, ihnen das Verbleiben in der vertrauten Umgebung zu ermöglichen und auch den Angehörigen beizustehen.“

( http://www.hospiz.net/bag/hospizidee.html )

3. Die Geschichte des Hospiz

Hospize haben eine lange Tradition. Das Wort Hospiz leitet sich von dem lateinischen Wort hospitium ab, das übersetzt Herberge bedeutet. Die Brockhaus-Enzyklopädie liefert zwei Definitionen für den Begriff Hospiz. Zum einen sind es Unterkunftsstätten für Reisende, vor allem für Pilger in oder bei einem Kloster. Nach der anderen Definition sind es Beherbergungsbetriebe wie Hotels oder Pensionen mit christlicher Hausordnung. (Brockhaus-Enzyklopädie Bd. 10 1989, S. 262)
Die modernen Hospize allerdings sind Einrichtungen, deren Grundsatz es ist, unheilbar kranken Menschen ein würdiges Sterben in Gemeinschaft und in gewohnter Umgebung zu ermöglichen.

3.1. Hospize in der Geschichte

Die Wurzeln der Hospize reichen sehr weit zurück. Schon im 4.Jahrhundert errichtete eine Christin namens Fabiola in der Tradition noch früherer Hospize in Rom ein Refugium für Pilger, die aus Afrika zurückkehrten. Sie gab ihnen dort Unterkunft und Nahrung, pflegte kranke und erschöpfte Menschen und leistete Menschen, die im Sterben lagen, Beistand.

Im Frühmittelalter waren Hospize in ganz Europa weit verbreitet; So gab es z.B. in England fast 750 Hospize, in Paris 40 und in Florenz 30. „Im Selbstverständnis der damaligen Zeit galt Leben als Reise, als Wallfahrt, und Tod entsprechend als eines der damit verbundenen Wagnisse. […] Die Grundidee oder der gemeinsame Nenner (der Hospize ) war, „Hospitalität“ im ursprünglichen Sinn des Wortes zu gewähren, nämlich Schutz, Erfrischung, Fürsorge und Beistand, und nicht in erster Linie dem Anspruch eines Patienten auf Wiederherstellung gerecht zu werden.“ ( Stoddard, S.15, 1988 ). Im Mittelalter entwickelten sich verschiedene Orden, die sich speziell der Hospizarbeit widmeten wie z.B. die „Armen Brüder des Hospitals St. Johannes“ oder der französische Orden für Krankenschwestern „Filles de la Charite“. Mitte des 19. Jahrhunderts gründete der Nonnenorden „Schwestern der Barmherzigkeit“ in Dublin und später auch in London Hospize, die sich auf Sterbebegleitung konzentrierten. Sie forderten ein besonderes Haus für strebende Menschen, das sich grundsätzlich in Größe und Ausrichtung von Krankenhäusern unterschied. Der Tod wird nicht als Endstation sondern als Durchgang betrachtet.

3.2. Die Geschichte der modernen Hospizbewegung

Der Grundstein der modernen Hospizbewegung wurde mit der Eröffnung des St. Chrisopher`s Hospice unter der Leitung von Cicely Saunders im Jahre 1967 in England gelegt. Cicely Saunders wird oft als Begründerin der modernen Hospizbewegung mit einem neuen Konzept genannt. „Neu war weder der Name noch die Idee der Sterbebegleitung, sondern die Ergänzung der bisherigen Sterbebegleitung durch wissenschaftlich fundiertes Fachwissen, insbesondere im medizinischen Sektor. Großen Wert wurde von Anfang an darauf gelegt, Sterben zu Hause wieder zu ermöglichen, also gerade nicht eine neue Institution für Sterbende einzuführen, sondern ein flexibles Konzept, von dem Sterbende überall profitieren können, zu Hause genauso wie in einem Pflegeheim oder Krankenhaus.“

( Albrecht/ Orth/ Schmidt, S.16, 1995 )

Aus ihren beruflichen Erfahrungen erkannte Saunders die Notwendigkeit die Schmerzbekämpfung als zentrales Moment in die Sterbebegleitung einzubringen. Dazu hat sie wichtige Prinzipien der Schmerz- und Symptomkontrolle entwickelt und wissenschaftlich fundiertes Wissen aus der Palliativmedizin eingebracht.

Von hier aus verbreitete sich die neue Hospizbewegung zuerst in den angelsächsischen Ländern.1974 eröffnete das erste ambulante Hospiz auf amerikanischem Boden. Unter dem Einfluß der Sterbeforscherin Elisabeth Kübler–Ross – Insbesondere durch die Veröffentlichung ihres Buches „Interviews mit Sterbenden“- breitete sich der Hospizgedanke rasch in den USA aus, wobei besonders der ambulante Ansatz mit einer reichen Vielfalt von Modellen verfolgt wurde.

3.3. Hospizbewegung in Deutschland

In Deutschland konnte die Hospizbewegung erst mit 15-jähriger Verzögerung Fuss fassen und steckt im internationalen Vergleich noch in den Kinderschuhen. Nachdem 1971 der Film „noch 16 Tage…eine Sterbeklinik in London“ gezeigt worden war, stieß der Hospizgedanke in der Bevölkerung auf Ablehnung. Gründe für die Berührungsängste mit dem Begriff der Sterbeklinik und Sterbehilfe rühren aus der nicht aufgearbeiteten nationalsozialistischen Vergangenheit her. Während in anderen Ländern der Begriff der Euthanasie ( sanfter, guter Tod ) durchaus in der Diskussion steht, wird er in Deutschland tunlichst gemieden. Einen sozialpsychologischen Erklärungsansatz dafür könnte die These von A. u. M. Mitscherlich geben, dass „zwischen dem in der Bundesrepublik herrschenden politischen Immobilismus und Provinzialismus einerseits und der hartnäckig aufrechterhaltenen Abwehr von Erinnerungen, insbesondere der Sperrung gegen eine Gefühlsbeteiligung an den jetzt verleugneten Vorgängen der Vergangenheit andererseits ein determinierender Zusammenhang besteht.“

( Mitscherlich A. u. M., S.9, 1988 ) Darauf näher einzugehen, würde den Rahmen dieser Arbeit bei weitem übersteigen.

Erst im Jahre 1983 entstand die erste Hospizeinrichtung in Form einer Station für palliative Therapie an der Kölner Universitätsklinik. 1985 gründete sich die erste überregionale Hospiz-Organisation „Omega- Mit dem Sterben leben“, und im darauffolgendem Jahr das erste stationäre Hospiz „Haus Hörn“ in Aachen. Besonders Johann-Christoph Student hat einen großen Betrag zur Verbreitung des Hospizgedankens geleistet.

Seither hat es eine rasche Ausbreitung und eine große Vielfalt von Formen der Hospizarbeit gegeben, so dass auch in Deutschland heute von einer Hospizbewegung gesprochen werden kann.

Stand: Dezember 2004

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

( http://www.hospiz.net/bag/index.html, 2006)

3.4. Bedeutung der Hospizbewegung für den Umgang mit Tod und Sterben in der heutigen Gesellschaft

„Hinter der Hospiz-Bewegung steht eine Auffassung von Sinn und Wert menschlichen Lebens und von der Bedeutung des Todes, die sich grundlegend unterscheidet von dem, was die Mehrzahl der Menschen darüber denkt.“

( Stoddard, S., S.18, 1988 )

Das Anwachsen dieser Bewegung zeigt einerseits, wie oben schon beschrieben, das verbreitete Bedürfnis nach einem neuen Verständnis, andererseits ist die Einrichtung der Hospize gleichzeitig der Prozeß der Veränderung und Ausdruck des neuen Verständnisses. Zwar kann die Hospizbewegung nicht die gesellschaftlichen Strukturen wie Auflösung der Familienstrukturen, Trennung von Arbeitsplatz und Wohnen, Technisierung der Lebensweisen, der Medizin und der Lebenserhaltung verändern, aber im anderen Verständnis von Tod und Sterben und in der Art der Sterbebegleitung zeigt sich eine mentale Veränderung und etwas qualitativ Anderes.

4. Organisationsform von Hospizen

Im allgemeinen Verständnis wird Hospiz oft mit einem speziellen Haus für Sterbende assoziiert. Dahingegen ist ein Hospiz keineswegs an ein Haus gebunden, sondern meint vielmehr ein Konzept und ein bestimmtes Verständnis von Sterbebegleitung und Betreuung. Bei der weiteren Betrachtung werde ich mich vor allem auf die Ausprägung in Deutschland beziehen.

Es gibt je nach Sichtweise drei oder vier Organisationsformen von Hospizarbeit:

Als ambulantes Hospiz bezeichnet man eine Arbeitsweise, bei der das Hospizteam Sterbende meist zusätzlich zu Hausarzt und Sozialstationen zu Hause mitbetreut.

Von stationären oder Tageshospizen spricht man, wenn die Betreuung in einer speziell dafür hergerichteten Einrichtung außerhalb der Wohnung des Betroffenen stattfindet.

Palliativstationen sind Betreuungseinrichtungen, die direkt an ein Krankenhaus angegliedert sind oder Krankenstationen mit einer speziell eingerichteten Hospizbetreuung.

4.1. Selbstverständnis der Hospizbewegung

“You matter because you are you, and you matter to the last moment of your life“

( Cicely Saunders )

Das oberste Ziel der Hospizarbeit ist es, „das Sterben in der vertrauten Umgebung zu ermöglichen. Dabei brauchen sowohl der Sterbende als auch die Angehörigen Unterstützung und Begleitung.“ ( Ambulanter Hospizdienst, Hospiz-Arbeitsgemeinschaft Region Reutlingen e.V., Zu Hause sterben, Juli 2002 ).

Johann-Christoph Student beschreibt dieses Ziel folgendermaßen:

„Hospiz stellt ein umfassendes, ganzheitliches Unterstützungskonzept für sterbende Menschen und ihre Angehörigen dar.“ ( Student, J.-C., 1987 ).

Es geht nicht darum, den Tod hinauszuzögern oder zu beschleunigen, sondern ihn als natürliches Ereignis zu akzeptieren. „Nicht mehr die Tatsache, dass wir sterben, sondern wie wir sterben und bis dahin leben, steht im Mittelpunkt des Interesses.“ ( Albrecht/ Orth/ Schmidt, S.20, 1995 )

Student benennt 5 inhaltliche Kennzeichen, die allen Hospizen, die es mittlerweile weltweit gibt, gemeinsam sind.

1. Der sterbende Mensch und seine Angehörigen stehen im Zentrum des Dienstes.
2. Der Gruppe der Betroffenen steht ein interdisziplinäres Team zur Verfügung.
3. Die Einbeziehung freiwilliger Helfer/innen.
4. Gute Kenntnisse in der Symptomkontrolle.
5. Kontinuität der Fürsorge für die betroffene Gruppe.

( nach Student, J.-C., Was ist ein Hospiz ?, 1997 )

4.2. Formen der konkreten Arbeit der Hospize vor Ort

Aus diesem Selbstverständnis heraus haben sich drei Grundformen - Ambulante Dienste, Stationäre und Tageshospize und Palliativstationen in Krankenhäusern - herausgebildet, die in unterschiedlichen Rahmenbedingungen dieselben Grundprinzipien verfolgen.

Im Zentrum der Hospizdienste stehen die Wünsche der Sterbenden und deren Angehöriger. Dabei wird jeder Sterbende als einzigartig behandelt, aber in der Praxis haben sich folgende Bedürfnisse als generelle erwiesen:

- Das Bedürfnis, im Sterben nicht allein gelassen zu werden, sondern an einem vertrauten Ort ( möglichst zu Hause ) inmitten vertrauter Menschen zu sterben.

Das Bedürfnis, im Sterben nicht unter Schmerzen und anderen körperlichen Beschwerden leiden zu müssen.

Das Bedürfnis, noch letzte Dinge ( „unerledigte Geschäfte“ ) zu regeln.

Das Bedürfnis, die Sinnfrage ( Sinn des Lebens, Sinn des Sterbens, u. ä. ) zu stellen und die Frage des „Danach“ zu erörtern.“

( Goddenthow, D.W., S. 64f, 1989 ).

Um diese Bedürfnisse erfüllen zu können, steht den Sterbenden und ihren Angehörigen ein interdisziplinär arbeitendes Team von Fachleuten – ÄrztInnen, Krankenschwestern, SozialarbeiterInnen, evtl. SeelsorgerInnen – und freiwillige HelferInnen zur Verfügung. Das Hospizteam verfügt immer über spezielle Kenntnisse und Erfahrungen in der körperlichen Schmerztherapie und weiß, dass die Schmerzen auch eine psychische, soziale und spirituelle Dimension haben, die mit berücksichtigt werden müssen. Das Team muß Kontinuität und Rund-um-die-Uhr- Betreuung sicherstellen.

4.3. Die Rolle der Ehrenamtlichen in der Hospizarbeit.

Hospizarbeit ist aus der Initiative und dem Engagement Ehrenamtlicher entstanden. Sie haben erreicht, dass die Enttabuisierung und die Überwindung menschenunwürdiger Zustände im Umgang mit Tod und Sterben in Deutschland thematisiert wurde und sie haben angefangen, eine Infrastruktur aufzubauen, die eine Neubewertung der Bedürfnisse der Sterbenden und die Bewahrung ihrer Würde bis zum Tod möglich macht.

Dazu ist es nach Auffassung der Hospizbewegung notwendig, dass neben dem professionellen Apparat der medizinischen Versorgung und in enger Verzahnung damit freiwillige HelferInnen – Ehrenamtliche – dieses neue Verständnis in den Prozeß des Sterbens einbringen.

Ehrenamtliche erbringen in der Hospizarbeit je nach Entwicklungsstand unterschiedliche Aufgaben.

Oft sind sie der Ausgangspunkt und der Motor für die Gründung eines Hospizdienstes. Sie müssen sich als „MacherInnen“ um den Aufbau eines ehrenamtlichen Mitarbeiterkreises bemühen, sich um die Entstehung eines kompetenten Teams von Fachleuten kümmern, Gelder einwerben, Öffentlichkeitsarbeit betreiben und die Vernetzung mit bestehenden Einrichtungen aufbauen.

Innerhalb des Hospizteams haben Ehrenamtliche verschiedene Aufgaben. Vieles von dem, was sie tun, war früher selbstverständliche nachbarschaftliche Tätigkeit.: z.B. durch Besuche und Gesprächsangebote den betroffenen Familien Unterstützung anzubieten und sie emotional zu entlasten. Manchmal unterstützen sie Familien auch durch Hilfe bei alltäglichen Verrichtungen wie Hausarbeiten, Kochen, Einkaufen. Sie nehmen sich die Zeit, solange, wie es erforderlich ist, am Bett von Sterbenden zu sitzen, wenn sonst niemand da ist, der das leisten kann oder zur Entlastung und zum Kraftschöpfen der Angehörigen.

Das besondere an dieser Leistung ist, dass sie dies im Angesicht des Todes tun und unter den Bedingungen der Trauer. Sie brauchen dazu auch eine solide Qualifizierung und gegenseitige Unterstützung und darüber hinaus professionelle Begleitung durch Supervision.

4.3.1. Qualifikationsanforderungen für die ehrenamtlichen Mitarbeiter

Es lassen sich im Wesentlichen drei komplexe Qualifikationsanforderungen formulieren.

1. Vermittlung von Handlungskompetenzen vor allem im kommunikativen Bereich sowohl gegenüber den Sterbenden und deren Angehörigen als auch innerhalb des Teams.
2. Entwicklung von Fürsorglichkeit sowohl gegenüber den Klienten als auch sich selbst gegenüber
3. Ermöglichung der Auseinandersetzung mit eigener Sterblichkeit und Trauer. Dies ist eines der Kernanliegen der Hospizbewegung und ist Teil der Zielsetzung, der Verdrängung von Sterben, Tod und Trauer in unserer Gesellschaft entgegenzuwirken. Dabei geht es nicht darum, die vorhandenen Ängste aufzulösen, sondern den Umgang damit zu verändern, um trotz der Ängste handlungsfähig zu bleiben.

Wenn diese Qualifikation gelingt, ist die ehrenamtliche Mitarbeit in einem Hospiz auch für den Ehrenamtlichen ein großer Gewinn.

4.3.2. Motive für die Mitarbeit Ehrenamtlicher.

Welche Motive bewegen nun Menschen, sich auf diese schwierige und verantwortungsvolle Arbeit ehrenamtlich einzulassen?

Man könnte erwarten, dass es bei einem so hohen Anforderungsprofil schwierig ist, ehrenamtliche Mitarbeiter zu finden. Aber das ist nicht der Fall.

Viele arbeiten auf Grund von eigener Betroffenheit mit, weil sie erlebt haben, wie Angehörige unter unwürdigen Bedingungen gestorben sind oder sie sich selbst bei einer Verlusterfahrung in ihrer Trauer alleingelassen fühlten. Andere werden dadurch motiviert, weil sie besonders gute Erfahrungen durch die Unterstützung von anderen gemacht haben und nun wollen sie dieses Geschenk weitergeben.

Allgemein hat sich in den letzten Jahrzehnten ein Wertewandel in der Motivation für ehrenamtliche Betätigung abgespielt, der mit den Begriffen von der „Pflicht“ zum „Wunsch nach Selbstentfaltung“ beschrieben werden kann. In einer Studie von H. Klages haben 1986 Ehrenamtlich als Ziel ihrer Mitarbeit folgende Wünsche angegeben:

eigenständiges Arbeiten

Selbstverwirklichung

Ungebundenheit

Kreativität

Ausleben emotionaler Bedürfnisse

( Klages, H. 1986)

Der Zulauf von Ehrenamtlichen für die Hospizarbeit lässt darauf schließen, dass diese Elemente in dieser Arbeit in großem Maße befriedigt werden können. Untersuchungen aus dem angelsächsischen Raum ( Mantell und Ell 1985; Paradis & Usui 1987 ) zeigen, dass die ehrenamtlichen HospizhelferInnen , die sich langfristig an die Arbeit binden folgende Merkmale aufweisen:

Weiblich

mittleres Alter oder älter

sicherer wirtschaftlicher Hintergrund

berufstätig

vorausgehende Erfahrung im Ehrenamt

Dies entspricht weitgehend den Merkmalen, die Backes ( 1987 ) für typische Ehrenamtliche in Deutschland angab.

Damit Ehrenamtliche sich in ihrer Arbeit wohlfühlen, sind einige Bedingungen wichtig. Ehrenamtliche in der Hospizarbeit möchten

…sich als vollwertige Teammitglieder fühlen können.

…Rückmeldungen von den bezahlten Teammitgliedern erhalten

…sich wertgeschätzt fühlen

…eigene Erwartungen an die Tätigkeit erfüllt bekommen

…Entwicklungschancen durch Aus- und Weiterbildung erhalten

( Chevrier, F., Steuer, R., MacKenzie 1994 und Paradis & Usui 1987)

4.4. Ehrenamt und Professionalisierung in der Hospiz- Bewegung

Die Aufgaben der Ehrenamtlichen entwickeln sich meistens in zwei Phasen. In der ersten Phase sind es oft Ehrenamtliche, die sich vornehmen, eine Hospizeinrichtung zu schaffen, für alles verantwortlich sind und mit viel Engagement den Prozeß der Entstehung organisieren.

Wenn die Infrastruktur erfolgreich aufgebaut ist, tritt eine zweite Phase ein und verlangt eine Veränderung von den Ehrenamtlichen. Hospizdienste lassen sich in der Regel nicht mit ehrenamtlichen Kräften allein verwirklichen. Es werden auch Fachkräfte gebraucht und diese professionellen Fachkräfte werden normalerweise bezahlt. Dadurch wird die ursprüngliche grundsätzliche Gleichheit der Beteiligten in eine Struktur: bezahlt und fachlich spezifiziert auf der einen Seite und unbezahlte „Alltagsfachleute“ auf der anderen Seite verändert. Ehrenamtliche sind dann nicht mehr die Spitze der Bewegung, sondern Mitglieder eines Teams mit speziellen, eigenständigen Aufgaben.

Der Schritt zur Professionalisierung hat in vielen Organisationen (z.B. in vielen Wohlfahrtsverbänden, Bürgerinitiativen usw.) zu Spannungen und Konflikten im Rollenverständnis und im Umgang miteinender geführt, besonders hinsichtlich der Hierarchiefragen, der Fachlichkeit, aber auch der Arbeitszeit, der Erbringung unentgeltlicher Leistungen der Hauptamtlichen und des Informationsvorsprungs der Hauptamtlichen durch deren ständige Präsenz.

Es wird interessant sein, zu beobachten, ob sich in der Hospizbewegung ähnliche Konfliktpotentiale aufbauen oder ob es gelingt, durch klare Arbeitsteilung, Aufgabenzuteilung und Abgrenzung solche Spannungen zu vermeiden. Dazu sind mir im Augenblick noch keine entsprechenden Untersuchungen bekannt.

[...]

Final del extracto de 24 páginas

Detalles

Título
Selbstverständnis der Hospizdienste und Anforderungen an die ehrenamtlichen und hauptamtlichen MitarbeiterInnen
Universidad
Free University of Berlin  ( Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie)
Curso
Seminar: Vom Umgang mit Tod und Streben in sozialpädagogischen Institutionen
Autor
Año
2006
Páginas
24
No. de catálogo
V58123
ISBN (Ebook)
9783638524049
ISBN (Libro)
9783638665773
Tamaño de fichero
542 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Selbstverständnis, Hospizdienste, Anforderungen, MitarbeiterInnen, Seminar, Umgang, Streben, Institutionen
Citar trabajo
Isa Straub (Autor), 2006, Selbstverständnis der Hospizdienste und Anforderungen an die ehrenamtlichen und hauptamtlichen MitarbeiterInnen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/58123

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