Die direkte Demokratie als Regierungselement in Zeiten des Rechtspopulismus

Eine Analyse für die Bundesrepublik Deutschland


Term Paper, 2019

19 Pages, Grade: 1,3


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Politisches System der BRD
2.1 Elemente der repräsentativen Demokratie
2.2 Elemente der direkten Demokratie

3. Rechtspopulismus in Deutschland
3.1 Instrumentalisierung direktdemokratischer Elemente
3.2 Das reelle Risiko

4. Fazit: direkte Demokratie in Zeiten des Rechtspopulismus

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Bundestagswahlen von 2017 setzen mit einer Beteiligungsrate von 76,2% dem Abwärtstrend vorheriger Jahre entgegen. Obwohl eine Vielzahl an Bürgern ihr Wahlrecht genutzt hat, und sich somit ein Großteil des Volkswillens vertreten sieht, gilt diese Wahl, als Erschütterung der Demokratie. Mit 94 von 709 möglichen Sit-zen im Bundestag, bildet die AfD nun die drittstärkste Kraft.1 Das unter der Bertels­mann Stiftung veröffentlichte Populismusbarometer 2018 stellt das Problem tref-fend dar: „[…]in Deutschland hat mit der Alternative für Deutschland (AfD) erstmals in der Nachkriegsgeschichte eine rechtspopulistische Partei ihre Arbeit im Deut-schen Bundestag aufgenommen.“2 Es sitzt demnach eine Partei im deutschen Bundestag, die sich offenkundig gegen Minderheiten ausspricht. Doch der Aufstieg rechtspopulistischer Politiker und Parteien ist ein Trend, der nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch europaweit und global zu beobachten ist.

Dem demokratischen Prinzip der Volkssouveränität nach zu urteilen, spricht ein hohes Partizipationsniveau für die Qualität eines demokratischen Regierungssys-tems. Zudem hebt das Prinzip der Volkssouveränität für Demokratien hervor, dass das Volk politische Entscheidungen legitimiert, indem es seine eigenen Interessen vertritt. In Demokratien gilt es, alle Interessen aus ihren pluralistischen Gesell-schaften, im politischen System widerzugeben, ungeachtet der Mehrheitsverhält-nisse. An dieser Stelle sollen zwei weitere Beispiele das Problem konkretisieren. In der Schweiz kam es 2009 zu einer Volksabstimmung über das Minarettverbot. Offensichtlich handelt es sich bei dem Verbot des Minarettenbaus, um eine The-matik, die eine Minderheit in der Schweiz betrifft. Trotzdem sprachen sich 57,5% der Abstimmungsbeteiligten für das Verbot aus.3 Hier wurde eine Thematik, die eine religiöse Minderheit in der Schweiz betrifft, dem Votum des gesamten Volkes ausgesetzt. Als Gegenbeispiel soll die Präsidentschaftswahl in den USA von 2016 gelten. In der Wahl, um das Amt des Präsidenten, erzielte Donald Trump „[…] fast drei Millionen Stimmen weniger als die Kandidatin der Demokraten, Hillary Clinton. Entsprechend verdankt Trump sein Amt auch dem Wahlsystem mit dem „electoral college“ […].“4 In diesem Beispiel wurde wiederum der Mehrheitswille der ameri-kanischen Bevölkerung übergangen, durch die repräsentative Organisationsstruk-tur.

Diese unterschiedlichen Resultate hängen mit den politischen Regierungssyste-men beider Länder zusammen. Die Abstimmung über das Minarettverbot stellt ein plebiszitäres Element dar, welches die direktdemokratische Organisation der Schweiz aufzeigt, in der das Volk, als aktiver Akteur, eigenständig, punktuell und unmittelbar seine Interessen vertritt.5 Das repräsentative Regierungssystem in den USA sieht für die Präsidentschaftswahlen zwischengeschaltete Wahlmänner vor, die proportional zur Bevölkerungsdichte auf die einzelnen Bundesstaaten verteilt und gezählt werden. So lässt sich vergleichend sagen, dass beide demokratische Regierungsformen „[…] die Funktion [haben], der Volkssouveränität in jeweils spe-zifisch differenzierter Weise Artikulations-, Integrations- und Entscheidungsmög-lichkeiten zur Verfügung zu stellen.“6 In beiden Systemen werden Mehrheiten und Minderheiten auf unterschiedliche Weise in Relation gesetzt.

In der Bundesrepublik Deutschland sehen sich Formen von repräsentativen und direkten Demokratien verwirklicht. Sie bildet demnach das ideale Beispiel, um über die verschiedenen Auslegungen abzuwägen. In der vorliegenden Arbeit soll dies allerdings unter dem Aspekt des aufsteigenden Rechtspopulismus geschehen, denn kritisch an ihm ist, dass er sich gezielt gegen Minderheiten richtet. Die Moti­vation dieser Arbeit ergibt sich aus dem langwierigen Diskurs über die Einführung direktdemokratischer Elemente auf Bundesebene, aufgrund der Annahme, dass sie zu höherer Partizipation der Bürger führen könnten. Diese potenzielle instituti-onelle Reform auf Bundesebene soll als Grundlage genommen werden, um „[…] bereits im Vorfeld möglicher institutioneller Reformen einen Beitrag zur kritischen Abwägung der positiven wie negativen Konsequenzen […] zu leisten.“7 Angesicht der relativ hohen Wahlbeteiligung gilt es allerdings nicht, die Auswirkungen auf die Partizipationsbereitschaft darzustellen. Stattdessen soll in der vorliegenden Arbeit das Risiko abgewogen werden, das sich für Minderheiten ergibt, wenn direktde-mokratische Elemente auf Bundesebene etabliert werden. Da sich rechtspopulis-tische Bewegungen gezielt gegen Minderheiten aussprechen und Minderheiten in direkten Demokratien grundsätzlich das Risiko tragen übergangen zu werden, wird spezifisch unter dem Aspekt des aufsteigenden Rechtpopulismus erläutert. Daraus lassen sich die folgenden Fragen formulieren, die im Verlauf der Arbeit zu klären sind: Wie wären direktdemokratische Elemente auf Bundesebene ausgelegt? Wa-rum könnte direkte Demokratie zu Zeiten von rechtspopulistischem Aufstieg ein Risiko darstellen? Und wie hoch ist das reelle Risiko in der Bundesrepublik Deutschland?

2. Politisches System der BRD

In repräsentativen und direktdemokratischen Systemen gilt gleichermaßen das Prinzip der Volkssouveränität, welches das Volk, als die grundlegendste Legitima-tionsquelle für politische Entscheidungen und dem politischen System an sich ver-steht. Das Regierungssystem der Bunderepublik Deutschland sieht die Umset-zung beider Elemente vor, die sich im Grad der Einflussmöglichkeit unterscheiden. So gewährleisten direktdemokratische Elemente, die unmittelbare Einflussnahme ihrer Bürger auf konkrete politische Sachverhalte. In repräsentativen Demokratien wird die Ausgestaltung politischer Sachverhalte, Repräsentanten überlassen.8 An-hand des politischen Systems der BRD wird die genaue Ausgestaltung beider For-men dargestellt. Zuerst wird anhand der repräsentativen Demokratieelemente in Deutschland erörtert, welche Schutzmechanismen für Minderheiten gelten. Im Nachfolgenden wird anhand der vorhandenen direktdemokratischen Partizipati-onsmöglichkeiten abgeleitet, wie direkte Demokratie auf Bundesebene ausgelegt werden könnte.

2.1 Elemente der repr ä sentativen Demokratie

Rudzio argumentiert, durch das Scheitern der Weimarer Republik, dass im Grund-gesetz „[…] durch keine Mehrheit aufhebbare Verfassungsgrundsätze [festge-schrieben sind, wie die] des Prinzips der Menschen- und Grundrechte, der Demo-kratie, des Rechts-, des Bundes- und des Sozialstaates.“9 Durch die Unveränder-lichkeit der Grundrechte, die im Grundgesetz von Art. 1 bis Art. 19 reichen, können weder Minderheiten, noch Mehrheiten das demokratische Verfassungsprinzip aus-hebeln. Im Grundgesetz präzisiert Artikel 3 Absatz 1 das Recht auf Gleichheit: „Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, sei­ner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“10 Hierdurch wird die Bestrebung ersichtlich, jeden Bürger als gleichbedeutend anzuerkennen, und somit auch seine Stimme in Wahlen und Abstimmungen. Das ist die grundle-gendste Begründung für das repräsentative Regierungssystem der BRD.

Der Bundestag variiert zu jeder Wahlperiode in der Anzahl an Sitzen. So werden im personalisierten Verhältniswahlrecht Wahlkreisabgeordnete direkt gewählt und ideologische Werte durch die Wahl von Parteien repräsentiert. Überhangsmandate gleichen die Abweichung zwischen Wahlkreisabgeordneten und Parteienstimmen aus, sodass die Sitzverteilung proportional vergeben ist.11 Durch dieses System wird gesichert, dass trotz der Mehrheitswahl bezüglich der Wahlkreisabgeordne­ten, auch Minderheiten repräsentiert werden. Trotzdem gilt eine ‚Sperrklausel‘ als Voraussetzung für den Einzug in den Bundestag, und somit eine Einschränkung bei der Berücksichtigung aller Stimmen. Einen weiteren verfassungsrechtlichen Minderheitenschutz bietet die zeitliche Begrenzung der politischen Macht des Bun-destags auf 4 Jahre12. Zusätzlich wird das verfassungsrechtliche, unter Artikel 3 konkretisierte, Diskriminierungsverbot im Strafgesetzbuch unter § 130 (Volksver-hetzung) und § 111 (Öffentliche Aufforderung zu Straftaten) gesichert. Als Mitglied der Europäischen Union hat sich Deutschland zur Europäischen Menschenrechts-konvention und zur Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitenspra-chen bekannt, die die Rechte von Minderheiten, und auch regionaler Sprachmin-derheiten schützen. Dasselbe wird durch den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und der Rassendiskriminierungskonvention der UN vorgese-hen.13

Die Auslegung der Demokratie in der BRD folgt repräsentativen Organisations-strukturen, um das Spektrum an Meinungen proportional im politischen System wiedergeben zu können, unter Berücksichtigung (fast) aller Stimmen.

2.2 Elemente der direkten Demokratie

Vorerst ist anhand des Grundgesetztes zu definieren, inwiefern direktdemokrati-sche Elemente in Deutschland vorgesehen sind. Im Grundgesetz setzt Artikel 146 für eine Verfassungsablösung voraus, dass sie „[…] von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.“14 Artikel 29 Absatz 2 sieht den Bedarf an direkter Beteiligung der Bürger bei der Neugliederung des Bundesgebietes vor.15 Diese Art Volksentscheid kann nur angenommen werden, wenn mindestens ein Viertel der Wahlberechtigten für die erforderliche Mehrheit gestimmt hat, und somit gilt ein Beteiligungsquorum.

Aufgrund der föderalen Struktur der Bundesrepublik Deutschland, ist die Bundes-verfassung Rechtsgrundlage für die Auslegung der Landesverfassungen. Ledig-lich Artikel 20 definiert für das Prinzip der Volkssouveränität, dass der Volkswille durch „[…] Wahlen und Abstimmungen […]“16 zum Ausdruck gebracht werden kann. Auf Bundesebene beruhen nur die bereits angeführten Beispiele auf direkte Abstimmungen des Volkes. Die Formulierung ‚Abstimmungen‘ ist allerdings aus-schlaggebend, um direktdemokratische Elemente auf Landes- und kommunaler Ebene verfassungsrechtlich zu legitimieren.

Um Bürgerbegehren auf kommunaler Ebene zu initiieren, bedarf es einer gewis-sen, für jedes Bundesland unterschiedlich hoher, Anzahl an Unterschriften. Mit den gesammelten Unterschriften ist auch ein Kostendeckungsvorschlag einzureichen. Danach kann es zu einem Bürgerentscheid über den entsprechenden Sachverhalt kommen, der aber nicht die Themen des Negativkatalogs berühren darf.17 Ähnlich hierzu finden auf Landesebene auch Volksinitiativen statt, die durch Unterschrif-tensammlungen, aber auch durch einen ausformulierten Gesetzesentwurf initiiert werden, können über Gegenständen der politischen Willensbildung. Das Volksbe-gehren benötigt auch eine Mindestzahl an Unterschriften, hat aber ein förmliches Gesetz zum Gegenstand.18

[...]


1 Vgl. Stemmer, Bastian: Endgültiges Ergebnis der Wahl zum 19. Deutschen Bundestag am 24. September 2017. S. 80. In: Wirtschaft und Statistik, Ausgabe 6/2017. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt (Hrsg.) 2017. S. 74-94.

2 Vehrkamp, Robert; Merkel, Wolfgang: Populismusbarometer 2018 -Populistische Einstellungen bei Wählern und Nichtwählern in Deutschland 2018. S. 6. Gütersloh: Bertelsmann Stiftung 2019.

3 Vgl. Heußner, Hermann K.: Minarettverbot in der Schweiz: Argument gegen Volksentscheide in Deutschland? S.14. In: Zeitschrift für Direkte Demokratie Ausgabe 1/4. Kassel 2010. S. 14-19.

4 Vgl. Kornelius, Bernhard: Die US-Präsidentschaftswahl vom 8. November 2016: Trumps Triumph. S. 288. In: Zeitschrift für Parlamentsfragen. Heft 2/2017. S. 287 – 310.

5 Luthardt, Wolfgang: Direkte Demokratie. Ein Vergleich in Westeuropa. 1. Auflage. S.24, Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 1994.

6 Ebd. S.161.

7 Merkel, Wolfgang; Ritzi, Claudia (Hrsg.): Die Legitimität direkter Demokratie. Wie demokratisch sind Volksabstimmungen? S. 228. Wiesbaden: Springer VS 2017.

8 Vgl. Schiller, Theo; Mittendorf: Direkte Demokratie. Forschung und Perspektiven. S. 11. Wiesba­den: Westdeutscher Verlag GmbH 2002.

9 Rudzio, Wolfgang: Das politische System der Bundesrepublik Deutschland. 9.Auflage. S.45. Wies­baden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2015.

10 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. § 3 Gleichheit vor dem Gesetz. S.25. Berlin: Deutscher Bundestag 2012.

11 Rudzio, Wolfgang: Das politische System der Bundesrepublik Deutschland. S.176. 9.Auflage. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2015.

12 Vgl. Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. § 38 Wahl. S.39. Berlin: Deutscher Bun­destag 2012.

13 Vgl. Pfeil, Beate Sybille: Die Minderheitenrechte in Deutschland. S.110. In: Minderheitenrechte in Europa. Vienna: Springer 2006. S. 110-127.

14 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. § 146 Geltungsdauer des Grundgesetzes. S.132. Berlin: Deutscher Bundestag 2012.

15 Kost, Andreas: Direkte Demokratie. S. 68. 2. Aufl. Wiesbaden: Springer 2013.

16 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. §20 Verfassungsgrundsätze -Widerstands-recht. S.28. Berlin: Deutscher Bundestag 2012.

17 Kost, Andreas: Direkte Demokratie. S. 38f. 2. Aufl. Wiesbaden: Springer 2013.

18 Ebd. S. 58f.

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Details

Title
Die direkte Demokratie als Regierungselement in Zeiten des Rechtspopulismus
Subtitle
Eine Analyse für die Bundesrepublik Deutschland
College
University of Education in Schwäbisch Gmünd
Grade
1,3
Author
Year
2019
Pages
19
Catalog Number
V593721
ISBN (eBook)
9783346189103
ISBN (Book)
9783346189110
Language
German
Keywords
direkte Demokratie, Rechtspopulismus, Regierungselement, BRD, repräsentative Demokratie, politisches System der BRD, Instrumentalisierung, direktdemokratische Elemente, Risikoanalyse
Quote paper
Ekaterini Poulidou (Author), 2019, Die direkte Demokratie als Regierungselement in Zeiten des Rechtspopulismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/593721

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