Extracto
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Darlegung des mathematischen/didaktischen Inhalts/Hintergrunds
2.1 Größen
2.2 Stellenwertsystem
3. Motivation und Formulierung der Forschungsfrage
4. Verwendete Methode und Begründung, warum diese zur Beantwortung der Forschungsfrage sinnvoll ist
4.1 Spiel
4.2 Interview
4.3 Begründung der Sinnhaftigkeit des Vorgehens
5. Darlegung der Ergebnisse
5.1 Spielergebnisse
5.2 Interviewergebnisse
5.3 Verknüpfung von Spiel- und Interviewergebnissen bzw. Versuch der Beantwortung der Forschungsfrage
6. Kritische Reflexion
Literaturverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Anhang
1. Einleitung
Das „Umrechnen“ oder „Umwandeln“ von Maßeinheiten wird von nicht wenigen Kindern als eine Art Glücksspiel betrieben. Das Glücksspiel existiert in zwei Fassungen, dem Fortgang der Schulmathematik entsprechend: In der vierten Schulstufe heißt es „Nullen anhängen oder streichen“. Ab Mitte der fünften wird daraus „Komma verschieben“.
Was gleich bleibt, ist das Prinzip der weitgehenden Zufälligkeit: Ob (und wie viele) Nullen nun „angehängt“ oder „gestrichen“ werden; ob (und um wie viele Stellen) das Komma nun „nach vorne“ oder „nach hinten“ verschoben wird – das wird von den hier besprochenen Kindern scheinbar willkürlich entschieden. Tatsächlich gilt für diese Kinder beim Umrechnen: Sie wissen nicht, was sie tun. Umrechnen wird als unverstandenes Regelwerk betrieben – ein „Spiel mit Symbolen“ ohne weitere Bedeutung. Ein klares Wissen, warum einmal „Nullen angehängt“, dann wieder „Nullen gestrichen“ werden, fehlt; entsprechend hoch ist die Fehlerquote.1
So heißt es auf der Internetseite des „Recheninstitut[s] zur Förderung [des] mathematischen Denkens“. Doch ist das wirklich so? Handelt es sich für viele Schülerinnen und Schüler wirklich um eine Art Glücksspiel wenn sie eine Maßzahl in eine andere Einheit umwandeln? „Echte Fehler sind fast immer das Ergebnis eines eigenständigen (kreativen) Denkprozesses“2, so Strecker. Dies lässt darauf hoffen, dass sich hinter der scheinbaren Willkür doch gewisse Fehlermuster oder gar Fehlvorstellungen verbergen. Diese Fehlermuster bzw. Fehlvorstellungen gilt es aufzuspüren um den Schülerinnen und Schülern beim Lernen bessere Hilfen bieten zu können. Denn „Korrekturen [sind] fast nie erfolgreich, wenn sie nicht am Denkvorgang des Schülers ansetzen, sondern nur das Ergebnis desselben berücksichtigen.“3 „Alle neuen Erfahrungen, die die Schüler im Unterricht machen, werden mit Hilfe bereits vorhandener Vorstellungen organisiert.“4 „Ohne ausdrückliches Abbauen falscher Vorstellungen werden [somit] keine tragfähigen neuen Vorstellungen erworben.“5 Daher ist es für einen guten und erfolgreichen Unterricht zentral die fehlerhaften Vorstellungen der Schülerinnen und Schüler erst einmal aufzudecken und zu verstehen.
Bereits ab der Grundschule werden im Mathematikunterricht die Größen Währung, Länge, Masse, Zeit, Flächeninhalt und Volumen behandelt. Mit diesen Größen werden die Lernenden auch nach Klasse 6 häufig im Mathematikunterricht, in anderen Fächern, in der Mehrzahl der weiterführenden Bildungswege sowie im täglichen Leben konfrontiert. Aus diesem Grund stellt ein sicherer Umgang mit diesen Größen einen zentralen und notwendigen Bestandteil einer mathematischen Allgemeinbildung aller Schulabsolventen dar.6 Da diese schulmathematische Thematik also von so zentraler Bedeutung auch für den weiteren schulischen Werdegang und somit das gesamte Leben der Lernenden ist, sollten falsche Vorstellungen der Schülerinnen und Schüler bzgl. der Umrechnung von Maßeinheiten so schnell wie möglich korrigiert werden. Damit Lehrende dies in der Schule angemessen umsetzen können ist ein genaueres Nachvollziehen der Schülerfehler notwendig. Aus diesem Grunde wird die vorliegende Arbeit die Fehler der Lernenden beim Umwandeln von Längen- und Gewichtseinheiten genauer analysieren um mögliche Fehlermuster und Fehlvorstellungen aufdecken zu können.
2. Darlegung des mathematischen/didaktischen Inhalts/Hintergrunds
2.1 Größen
Größen stellen Produkte aus einer Zahl, genannt Maßzahl, und einer Einheit einer bestimmten Größenart, genannt Maßeinheit, dar.
Größenarten sind hierbei z.B. Geld, Zeit, Länge, Fläche, Volumen oder Masse.7 Die folgende Arbeit wird sich im weiteren Verlauf jedoch mit Bezug auf den Forschungsschwerpunkt lediglich mit den Größenarten Länge und Masse genauer beschäftigen. Diese Beschränkung soll verhindern, dass die Fehleranalyse zu undurchschaubar wird.
Im Alltag sowie auch in der Schule wird statt Masse häufig synonym der Begriff Gewicht verwendet. Streng physikalisch betrachtet ist dies jedoch falsch. Denn zwischen Gewicht (genauer gesagt Gewichtskraft) und Masse besteht ein entscheidender Unterschied: Die Masse eines Körpers ist überall gleich, das Gewicht nicht. Das Gewicht beschreibt nämlich, wie stark ein Körper durch die Gravitation (Erdanziehung) nach unten gezogen wird. Und diese Gravitationskraft ist nicht überall in unserem Universum gleich stark. So stellt streng genommen beispielsweise Kilogramm keine Einheit für Gewicht, sondern die Einheit für Masse dar. Dennoch soll, da es auch in der Schule alltägliche Praxis ist, in der vorliegenden Arbeit der Begriff Gewicht synonym zu dem der Masse verwendet werden.
Für die Maßeinheiten der verschiedenen Größenarten werden festgelegte Abkürzungen benutzt. So steht z.B. m für Meter der Größenart Länge oder g für Gramm der Größenart Masse.8
Im Produkt 4 - 1 g ist 4 stellt 4 eine Maßzahl und 1 g eine Maßeinheit dar. Hierbei wird zumeist das - 1 weg gelassen, sodass verkürzt 4 g geschrieben wird.
Für die Additon bzw. Subraktion von Größen gilt:9
a) „Haben Größen gleicher Größenart gleiche Maßeinheit, so werden sie addiert (subtrahiert), indem man die Maßzahlen addiert (subrahiert) und die Maßeinheit beibehält.
b) Haben Größen gleicher Größenart ungleiche Maßeinheiten, so werden sie auf eine Maßeinheit umgerechnet und dann addiert (subtrahiert).“10
Für diese Umrechnung einer Maßzahl in eine andere Maßeinheit sind Umrechnungszahlen hilfreich.
Häufig vorkommende Umrechnungen sind hierbei z.B.:
Für Längen: mm – cm – dm – m – dam – hm – km →Umrechnungszahl: 10
Bei Längen ist somit die Umrechnungszahl von Stufe zu Stufe die 10. So wird bei Übergang von einer Maßeinheit zur benachbarten größeren Maßeinheit durch 10 dividiert, beim umgekehrten Übergang von einer größeren zur nächstkleineren Maßeinheit mit 10 multipliziert. Wenn mehrere Stufen überschritten werden muss so dementsprechend oft mit 10 multipliziert, bzw. durch 10 dividiert werden. So ist die Umrechnungszahl von m zu km 10 - 10 - 10 = 1000.
Die Bezeichnungen Dekameter (dam) sowie Hektometer (hm) sind heute unüblich und werden auch in der Schule nicht mehr vermittelt.
Für Massen: mg – g – kg – t →Umrechnungszahl 1000 Bei der Umrechnung von einer Gewichtseinheit zur nächst kleineren/größeren wird somit die Umrechnungszahl 1000 verwendet.11
Abstrakter versteht man unter dem Größenbegriff die Äquivalenzklasse aller zu einem Repräsentanten äquivalenten (gleichlangen bzw. gleichschweren...) Repräsentanten oder die diese Äquivalenzklasse charakterisierende Eigenschaft. Somit ist die Grundlage der Bildung eines Größenbegriffs der Vergleich von Objekten (Repräsentanten) bzgl. einer ausgezeichneten Äquivalenzrelation. In der Schule geht man bei der Bildung dieses Begriffs in der Regel induktiv vor, d.h. durch die Angabe von Beispielen. Damit die Kinder den korrekten Größenbegriff bildeten sei es wichtig, die Hinsicht des Vergleichs deutlich herauszustellen und Beispiele mit unterschiedlichen Eigenschaften zu präsentieren, so Graumann. In der Praxis bleibe man aber natürlich nicht bei dieser grundsätzlichen Festlegung des Vergleichs stehen. So ziehe man entweder Hilfsrepräsentanten oder Standardrepräsentanten mit heran und verwende Einheitsrepräsentanten mit denen der Vergleich dann auf die Ebene der natürlichen Zahlen transponiert werde. Außerdem würden Messgeräte verschiedener Art und Präzision verwendet. So würden in der Mathedidaktik heute üblicherweise folgende Stufen des Vergleichs genannt und für den Begriffsbildungsprozess als wichtig erachtet:12
„ a) Unmittelbarer Vergleich (durch direktes Aneinanderlegen, parallelen Zeitablauf, direkten Vergleich mittels Händen oder Balkenwaage, Warentausch, etc.)
b) Mittelbaren Vergleich b1) mit einer (einzigen) Hilfsgröße (z.B. Bindfaden, Stein, etc.)
b2) mit einer beliebigen Einheit (z.B. Bleistift, Büroklammern, etc.)
b3) mit einer standardisierten Einheit (z.B. cm-Stücken, g-Gewichtsstücken, etc.)“13
Als Messen werde dann das Bestimmen der Maßzahl bei der vorherigen Festlegung der Maßeinheit bezeichnet. Neben diesen beiden Stufen des Vergleichs, sollten bei der Behandlung eines Größenbereichs zudem prinzipiell folgende methodische Gesichtspunkte berücksichtigt werden:14
„1. Ermöglichung von Vorerfahrungen mit Größen in spielerischen oder umweltbezogenen Situationen (vor dem unmittelbaren Vergleich).
2. Aktivitäten und Übungen zum Vergleich von Repräsentanten (gemäß den oben genannten Stufen des Vergleichs.)
3. Durchführung von Messübungen mit und ohne technische Hilfsmittel, Kennenlernen verschiedener Messgeräte (einschließlich historischer Messgeräte wie etwa Sonnenuhren).
4. Suchen und diskutieren von alten und ausländischen Maßeinheiten mit Herausstellen der Rolle von Standardisierungen bezüglich der Kommunikation.
5. Einführung und Umgang mit verkleinerten und vergrößerten Maßeinheiten, Erörterung der Bezeichnungen „milli“, „centi“, „deci“, „kilo“ und gegebenenfalls Diskussion aller üblichen Verkleinerungs- und Vergrößerungsbezeichnungen.
6. Entwicklung von Größenvorstellungen und Stützgrößen (Repräsentanten etwa für 1cm, 1dm, 1m, 1km und Größen am eigenen Körper sowie Gewicht einer Fliege bzw. eines Elefanten etc.)
7. Bewußtmachen der Verknüpfung von Größen (Addition, Subtraktion, Multiplikation mit einer natürlichen Zahl) und der Relationsbeziehung zwischen Größen (>, =, <) auf der Ebene der Repräsentanten.
8. Rechnen mit Größen (Addition/Subtraktion von Größen, Multiplikation/Division mit einer natürlichen Zahl, Verhältnis zweier Größen, Umrechnung von Größen mit einer gegebenen Einheit in eine andere sowie Erkennen von Größen und deren Verknüpfungen in eingekleideten Aufgaben/einfachen Sachsituationen).“15
2.2 Stellenwertsystem
Unsere heutige Zahlschrift stellt das Ergebnis einer Jahrtausende langen Entwicklung dar. Ihre geniale Einfachheit und Effizienz macht es bereits Grundschülern möglich Summen, Differenzen, Produkte und Quotienten selbst großer Zahlen ausrechnen zu können. Dies war bis vor rund 500 Jahren nur wenigen Rechenmeistern vergönnt. Grund für diesen enormen Fortschritt: Der Übergang von der bis dahin prävalenten römischen Zahlschrift zu dem heutigen dezimalen Stellenwertsystem.
Im Stellenwertsystem haben die Zahlzeichen, anders als in der römischen Zahlschrift, keinen festen Wert. Ihr Wert hängt von ihrer Stellung im Zahlwort ab. So bedeutet die Ziffer 5 in 5555 je nach ihrer Stellung fünf, fünfzig, fünfhundert oder fünftausend. In der römischen Zahlschrift hingegen bedeutet V immer fünf.
Im Stellenwertsystem vermittelt somit jede Ziffer zwei Informationen:
a) Zahlenwert der Ziffer: Die Ziffer gibt uns die Anzahl der Bündel der betreffenden Mächtigkeit an (Beispiel: fünf Hunderter).
b) Stellenwert der Ziffer: Die Stellung der Ziffer innerhalb des Zahlwortes gibt die Mächtigkeit an (Beispiel: fünf Hunderter).16
Das dezimale Stellenwertsystem beruht wie jedes andere Stellenwertsystem somit auf zwei Grundprinzipien: dem Bündelungsprinzip und der Stellenwertschreibweise.
Das Bündelungsprinzip:
Um große Anzahlen in ökonomischer Weise zu beschreiben, müssen kleinere überschaubare Teilgruppierungen zu einem Zählobjekt neuer Art zusammengefasst also gebündelt werden. So bildet man beispielsweise bei Strichlisten immer Gruppen von 5 Strichen.
Diesen Bündelungsvorgang nur einmal vorzunehmen reicht nicht, da das Problem der Unübersichtlichkeit ansonsten nach kurzer Zeit wieder auftritt. So erhält man durch fortgesetzte Bündelung von gleichartigen Bündeln mit jeder Stufe Bündel von immer höherer Komplexität.
Die Stellenwertschreibweise:
Die in der Grundschule eingesetzten Stellenwerttafeln sortieren die einzelnen Bündelungsstufen streng nach der Größe. So lässt sich der Wert einer Ziffer auch ohne die Kopfzeile der Tabelle allein anhand ihrer Position in der Tabelle ablesen. Sobald die Lernenden diese Zuordnung sicher beherrschen, können die Zahlen stattdessen ausschließlich über die korrekte Reihenfolge der Ziffern beschrieben werden, sodass auf die übersichtliche aber auch sehr aufwändige Stellenwerttafel verzichtet werden kann.
Tabelle 1: Stellenwerttafel 1
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Um Missverständnisse auszuschließen muss man jedoch bei Ziffernfolgen, im Gegensatz zur Stellenwerttafel, leere Stellen -zu denen es nicht-leere Stellen mit höherem Wert gibt- durch die Ziffer 0 kennzeichnen.17
Tabelle 2: Stellenwerttafel 2
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Berücksichtigung des Stellenwerts stellt das entscheidende Charakteristikum unserer heutigen Zahlschrift dar. Ein weiteres prägnantes Kennzeichen ist die reine Zehnerbündelung. So verwenden wir lediglich Zehnerpotenzen als Bündelungseinheiten. Diese Eigenschaft gibt unserem dezimalen Stellenwertsystem seinen Namen. Zur Darstellung sämtlicher Zahlen benötigt man lediglich die zehn Ziffern 0,1,2,3,4,5,6,7,8 und 9.18
3. Motivation und Formulierung der Forschungsfrage
Während meines Praxissemesters begleitete ich den Mathematikunterricht in einer 5. Klasse eines Gymnasiums. Hierbei fiel mir bei den unregelmäßig auftretenden Kopfübungen auf, dass nicht wenige der Schülerinnen und Schüler19 insbesondere bei Aufgaben in denen das Umrechnen von Maßeinheiten gefordert war viele Fehler machten. Jedoch war für mich hier auf den ersten Blick absolut nicht erkennbar welches System hinter den Fehlern der einzelnen Lernenden stecken könnte. Dies machte mich neugierig und verleitete mich dazu mein Forschungsthema der Frage hiernach zu widmen um den Schülern bei der Korrektur vorhandener Fehlvorstellungen besser zur Seite stehen zu können.
Denn keineswegs lassen sich Schüler bzw. deren kognitive Strukturen mit ‚unbeschriebenen Blättern‘ vergleichen, die ‚nur zu füllen sind‘. Die Lernenden bringen bereits viele Vorstellungen mit in den Unterricht, werden diese hier nicht berücksichtigt, führt dies erfahrungsgemäß dazu, dass Schüler die im Unterricht vermittelten Strategien nur solange nutzen bis der nächste Test geschrieben ist. Danach werden die neu erarbeiteten Vorstellungen nach und nach vergessen, sofern sie denn überhaupt erst vorhanden waren. Dann kehren die Jugendlichen zu ihren alten, über lange Zeit erworbenen und vertrauten Vorstellungen zurück. Heute sind Lehrkräfte und Fachdidaktiker einer Meinung, dass man die Vorstellungen der Lernenden zu einer bestimmten Thematik kennen oder ermitteln muss, um ‚die Brücke von den ursprünglichen Vorstellungen zu den wissenschaftlichen Vorstellungen‘ erfolgreich schlagen zu können. Ein zentrales Ziel des Vermittlungsprozesses ist es daher, den Jugendlichen die Widersprüche in ihren Fehlvorstellungen im Unterrichtsgespräch aufzuzeigen und bewusst zu machen. Hierdurch sollen sie dazu motiviert werden, diese Widersprüche überwinden zu wollen.20 „Erst wenn die Schüler erkannt haben, dass sie mit ihren eigenen Erklärungen nicht weiterkommen, sind sie bereit, den Unterricht des Lehrers nachzuvollziehen und damit neue Denkstrukturen aufzubauen.“21 „Aller Unterricht hat [somit] bei der Erfahrung der Kinder anzufangen.“22
Bei dem Vorliegen fehlerhafter Vorstellungen möchte ich meinen Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit bieten können ihnen einen „Unterricht zu planen, der diese Vorstellungen mit den neuen Unterrichtsinhalten verknüpft und sie dann erfolgreich korrigiert“23. Um ihnen Widersprüche in ihren Fehlvorstellungen im Bereich des Umrechnens von Maßeinheiten (insbesondere Längen- und Gewichtseinheiten) aufzuzeigen zu können möchte ich diese Arbeit also dazu nutzen die Fehler der einzelnen Lernenden genau zu analysieren um ggf. Fehlermuster zu erkennen und Fehlvorstellungen aufzudecken.
Somit lautet die Forschungsfrage meiner Arbeit:
„Welche Fehlvorstellungen bzw. Fehlermuster weisen Schülerinnen und Schüler der fünften Jahrgangsstufe bzgl. der Umrechnung von Längen- und Gewichtseinheiten auf?“
4. Verwendete Methode und Begründung, warum diese zur Beantwortung der Forschungsfrage sinnvoll ist
4.1 Spiel
Um die Fehler von Schülerinnen und Schülern der fünften Jahrgangstufe bzgl. der Umrechnung von Längen- und Gewichtseinheiten besser nachvollziehen zu können muss ich zunächst eine Art Fehlerpool anlegen um die Schülerfehler genauer analysieren zu können. Daher spielen die Schülerinnen und Schüler zunächst 3 Stunden à 45 Minuten24 das Spiel „4-Gewinnt mit Längen- und Gewichtseinheiten“.
Spielaufbau: Der Spielplan zum Spiel „4-Gewinnt mit Längen- und Gewichtseinheiten“ (siehe Anhang S.27) weist 36 leere Felder auf, von denen jedes, ähnlich wie bei einem Schachbrett, eine bestimmte Kennung von A1 bis F6 aufweist. Die Spalten sind somit von links nach rechts beginnend bei 1 und endend mit 6 durchnummeriert. Die Zeilen sind von oben nach unten von A bis F gekennzeichnet. Neben dem Spielplan gibt es noch ein identisch aufgebautes Aufgabenblatt mit Lösungen (siehe Anhang S.28). Bei diesem steht in jedem der 36 Felder eine andere Umrechnungsaufgabe zu Längen- und Gewichtseinheiten, sowie deren Lösung. Insgesamt gibt es fünf unterschiedliche Spielpläne mit entsprechenden Aufgabenzetteln. Um auch nach dem Spiel noch schnell erkennen zu können welcher Aufgabenzettel bearbeitet wurde sind zusammengehörige Spielpläne und Aufgabenzettel jeweils in der linken oberen Ecke mit einem identischen Symbol gekennzeichnet.
Ziel des Spiels: Angelehnt an das bekannte Spiel 4-Gewinnt ist es beim Spiel „4-Gewinnt mit Längen- und Gewichtseinheiten“ Ziel 4 Aufgabenfelder in einer Reihe richtig zu bearbeiten.
Spielregeln: Gespielt wird immer zu dritt. Hierbei gibt es 2 Spieler und einen Spielleiter. Der Spielleiter bekommt den Zettel mit Aufgaben & Lösungen. Jeder der beiden Spieler sucht sich eine Farbe aus und trägt diese sowie seinen Namen auf dem Spielplan ein. Die Spieler sind immer abwechselnd an der Reihe. Der jüngere Spieler beginnt und sucht sich ein Feld aus (bspw. C4) und nennt seine Wahl dem Spielleiter. Der Spielleiter liest die Aufgabe zum entsprechenden Feld vor. Der Spieler darf sich –zur Vermeidung von Flüchtigkeitsfehlern- die Aufgabe auf einem Schmierblatt notieren und trägt seine Lösung in das entsprechende Feld ein. Der Spielleiter sagt lediglich ob die Lösung korrekt oder falsch ist. Falls die Lösung fehlerhaft ist macht der Spielleiter ein x hinter die Lösung. Falls die Lösung korrekt ist wird diese in der Farbe des Spielers umrandet, der sie gelöst hat. Falls die Lösung falsch war, dürfen sich beide Spieler in den nächsten Runden noch einmal an dieser Aufgabe versuchen. Wer zuerst 4 Felder in einer Reihe (waagerecht, senkrecht, diagonal) korrekt löst, gewinnt.
Um die Fehler der einzelnen Schüler hinterher genau analysieren zu können ist das Spiel also absichtlich so aufgebaut, dass sich die gemachten Fehler auch nach Ende des Spiels noch den jeweiligen Schülern zuordnen lassen. Um diese Analyse durchzuführen werden nach den einzelnen Spielstunden alle ausgefüllten Spielpläne eingesammelt. Bei der anschließenden Auswertung sollen zum einen typische Fehlermuster der gesamten Klasse ermittelt werden und zum anderen Schüler ausfindig gemacht werden, die bei ähnlichen Aufgaben immer oder mehrmals den gleichen Fehler machen, bei denen also bereits ein Fehlermuster erkennbar ist. Zu diesem Fehlermuster werden im Anschluss Theorien aufgestellt, welche Fehlvorstellung hinter dem Fehlermuster stehen könnte.
4.2 Interview
Für ein anschließendes Interview werden 4 Schüler ausgewählt. Bei der Auswahl sollen solche Schüler Vorrang haben, bei denen ein besonderes Erkenntnispotential auszumachen ist (z.B. Lernende bei denen sehr häufig der gleiche Fehler auftrat). Gleichzeitig sollen die ausgewählten Schüler bestenfalls die typischen Fehler der Klasse wiederspiegeln. Da es somit nicht um Repräsentativität sondern um typische Fälle geht werden gemäß dem „Theoretical Sampling“ nach den Erkenntnisinteressen einzelne Fälle für die Befragung ausgesucht.25 Die Interviews sollen im Sinne eines problemzentrieten Interviews geführt werden. Hierbei ist zentral, dass der Forscher bereits vor dem Interview mit einem theoretischen Konzept ausgestattet ist.26 „Diese theoretischen Vorstellungen werden durch das Interview mit der […] Realität konfrontiert, plausibilisiert oder modifiziert.“27
Falls es im Vorhinein nicht möglich sein sollte zu einer ausreichend großen Anzahl an Lernenden, die sich für das Interview bereit erklären, Theorien aufzustellen soll das Interview im Sinne eines episodischen Interviews überhaupt erst dazu dienen Fehlermuster aufzutun.
Das Interview soll somit zum einen dazu dienen zuvor aufgestellte Theorien bzgl. der Fehlerursachen und Fehlvorstellungen der Schülerinnen und Schüler zu überprüfen, zum anderen sollen überhaupt erst Hypothesen generiert werden.
Vorbereitung des Interviews:
Damit der Ablauf des Interviews und die Interpretation des Gesagten nachvollzogen und kontrolliert werden können erfolgt die Datenerfassung auf Tonband.28 Für eine rechtliche Absicherung wird den Lernenden daher eine Einverständniserklärung ausgeteilt, welche von den Eltern zu unterzeichnen sind.
Für jeden der ausgewählten Schüler werden 5-11 Aufgaben zur Umrechnung von Längen- und Gewichtseinheiten auf einen Blatt zusammengestellt. Diese Aufgaben sollen dabei helfen die aufgestellten Theorien auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Somit werden hier größtenteils Aufgabentypen gewählt bei denen der entsprechende Schüler im Spiel immer den gleichen Fehler machte. Falls sich keine Hypothesen bzgl. eines Schülers aufstellen lassen so sollen solche Aufgabentypen gewählt werden bei welchen der Lernende allgemein Schwierigkeiten aufwies.
Außerdem wird ein Blatt mit den 4 –teilweise falschen- Merksätzen „Kleinere Einheit kleinere Zahl.“; „Kleinere Einheit größeres Zahl.“; „Größere Einheit kleinere Zahl.“; „Größere Einheit größere Zahl.“ vorbereitet.
Planmäßiges Vorgehen bei den Interviews: Das Interview findet jeweils mit einem Lernenden in einem separaten Besprechungsraum statt. Da die Datenerhebung nur dann zuverlässig und gültig ist, „wenn die Atmosphäre tolerant, permissiv und sanktionsfrei ist“29, wird den Lernenden zunächst klar gemacht, dass nichts von dem was sie im Interview sagen in irgendeiner Weise Konsequenzen für sie hat. Da die zu Interviewenden laut, Lamnek (2010), im Vorfeld des Interviews über den Sinn, Zweck und Gegenstand des Interviews aufzuklären sind, wird den Lernenden vorab mitgeteilt, dass ihre Vorgehensweise beim Lösen von Umrechnungsaufgaben mit Längen- und Gewichtseinheiten genauer nachvollzogen werden soll.30
1. Zunächst werden dem Schüler die ausgewählten Aufgaben vorgelegt, welche dieser lösen soll. Während des Gesprächs ist der zu interviewende Lernende dazu angehalten „laut zu denken“, d.h. schon während der Bearbeitung der Aufgaben zu beschreiben wie er vorgeht und warum er so vorgeht.
2. Nach der Bearbeitung der Aufgaben wird der Schüler dazu aufgefordert noch alle Längeneinheiten (bzw. Gewichtseinheiten) die er kennt der Größe nach sortiert aufzuschreiben. Hat er dies getan soll er noch die entsprechenden Umrechnungszahlen sowie die entsprechende Rechnung an Pfeile zwischen den einzelnen Einheiten ergänzen. Hierdurch soll noch einmal sichergestellt werden, ob wirklich eine Fehlvorstellung vorliegt, falls ein Schüler bspw. scheinbar immer von cm nach m mit einer bestimmten aber falschen Umrechnungszahl rechnet, oder ob er die richtige Umrechnungszahl eigentlich kennt.
3. Zuletzt werden dem Schüler noch die folgenden vier Merksätze vorgelegt:
„Kleinere Einheit kleinere Zahl.“; „Kleinere Einheit größeres Zahl.“; „Größere Einheit kleinere Zahl.“; „Größere Einheit größere Zahl.“ Der zu Interviewende wird dazu aufgefordert zu entscheiden welche Merksätze richtig und welche falsch sind. Dadurch soll überprüft werden ob die Ursache für das „Umrechnen in die falsche Richtung“ auf einem grundsätzlich falschen Verständnis von Änderung der Maßzahl durch Änderung der Einheit beruht.
4.3 Begründung der Sinnhaftigkeit des Vorgehens
Die Auswertung der Fehler, die während des Spiels auftraten stellt die Grundlage der Forschung da. Sie bietet die Möglichkeit die Fehler der einzelnen Lernenden miteinander zu vergleichen und so erste Hypothesen bzgl. möglicher Fehlerursachen bzw. im besten Fall bereits möglicher Fehlvorstellungen auszustellen. Dies ist besonders sinnvoll da so das Interview zielgerichtet geführt werden kann, indem die Hypothesen auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden. Gleichzeitig bietet das qualitative Interview aber auch die Chance andere Fehlvorstellungen zu entdecken.
Lassen sich im Vorfeld keine Theorien aufstellen, so kann das Interview stattdessen die Möglichkeit bieten überhaupt erst solche Hypothesen aufzustellen, indem es hier eher als episodisches Interview angelegt ist.
Die Schritte 2 und 3 des planmäßigen Vorgehens im Interview sollen dazu dienen, aufgestellte Theorien bzgl. Fehlermustern und Fehlvorstellungen abermals zu überprüfen und andere Fehlvorstellungen konsequent auszuschließen.
Somit ist das Vorgehen zielführend um Fehlermuster und Fehlvorstellungen einzelner Schüler aufzudecken.
5. Darlegung der Ergebnisse
5.1 Spielergebnisse
Durch die Auswertung des Spiels „4-Gewinnt mit Längen- und Gewichtseinheiten, ließe sich der Großteil der entstandenen Fehler in 6 Kategorien einteilen. Um diese Kategorisierung vorzunehmen, wurden den unterschiedlichen Fehlern Namen gegeben, welche diese genauer charakterisieren. So entstanden 6 Fehlertypen, die in der untersuchten Lerngruppe auftraten. Hierbei handelt es sich jedoch natürlich nur um Annahmen bzgl. der Fehlerursache. Im Folgenden sollen diese Fehlertypen nun spezifischer beschrieben und analysiert werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bei dem ersten „Fehlertyp“ handelt es sich im Grunde um gar keinen richtigen Fehler. Jedoch fiel in der Fehlerauswertung zum Spiel auf, dass 4 der 21 Schüler (19,05%) zu mindestens einer der Bearbeiteten Aufgaben gar keine Lösung notierten. Dies könnte beispielsweise auf eine generelle Unsicherheit oder Überforderung bzgl. der Aufgabe schließen lassen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der zweite Fehlertyp lässt sich unter dem Oberbegriff „Falsche Umrechnungszahlen“ zusammenfassen und beschreiben. Hierbei nutzen die Schüler zur Umrechnung einer Größe in eine andere Größeneinheit scheinbar eine falsche Umrechnungszahl (z.B. 10,100,1000 etc.). Dieser Fehler trat bei 18 der 21 (85,71%) Lernenden auf und stellt somit den am häufigsten auftretenden Fehlertypus dar. Um genauer zu untersuchen, ob möglicherweise eine der behandelten Größenarten mehr Probleme bereitete als die andere wurde auch noch genau ermittelt, wie viele der Schüler lediglich bei der Umrechnung von Gewichtseinheiten bzw. Längeneinheiten scheinbar eine fehlerhafte Umrechnungszahl verwendeten: So ergab sich, dass insgesamt 11 Schüler (52,38%) sowohl bei Längen- als auch bei Gewichtseinheiten mindestens einmal mit einer falschen Umrechnungszahl rechneten. Bei den restlichen Schülern trat dieser Fehlertyp bei 4 Lernenden (19,05%) lediglich bei der Umrechnung von Gewichteinheiten auf und bei 3 Lernenden (14,29%) lediglich bei der Umrechnung von Längeneinheiten. Diese sehr nah beieinander liegenden Werte lassen darauf hindeuten, dass für die Gesamtheit der teilnehmenden Schüler kein signifikanter Unterschied bzgl. der Schwierigkeit des Umgangs mit den beiden unterschiedlichen Größenarten bestand.
[...]
1 Lassnitzer (2003)
2 Strecker (1999), S.2
3 Strecker (1999), S.2
4 Ausubel, D.P.: Psychologie des Unterrichts. Weinheim 1974 (Beltz) (zitiert nach: Barke (2006), S.26)
5 Piaget, J., Inhelder, B.: Die Entwicklung des räumlichen Denkens beim Kinde. Stuttgart 1971 (Klett) (zitiert nach: Barke (2006), S.27)
6 Vgl. Funk et al. (2005), S.7
7 Vgl. Glocke (2008), S.31
8 Vgl. Glocke (2008), S.31
9 Vgl. Glocke (2008), S.31f
10 Glocke (2008), S.32
11 Vgl. Glocke (2008), S.32f
12 Vgl. Graumann (2002), S.80f
13 Graumann (2002), S.81
14 Vgl. Graumann (2002), S.83
15 Graumann (2002), S.83
16 Vgl. Padberg (2008), S.141,143
17 Baireuther (2000), S.35,37
18 Vgl. Padberg (2008), S.143
19 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden zumeist auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet; in der Regel wird die männliche Schreibweise verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten grundsätzlich für beiderlei Geschlecht.
20 Vgl. Barke (2006), S.27
21 Barke (2006), S.27
22 Ausubel, D.P.: Psychologie des Unterrichts. Weinheim 1974 (Beltz) (zitiert nach: Barke (2006), S.26)
23 Barke (2006), S.24f.
24 Diese Zeitdauer ergab sich daraus, dass zum einen ein möglichst großer Fehlerpool angelegt werden sollte, zum anderen nicht mehr Zeit zur Verfügung stand.
25 Vgl. Lamnek (2010), S.386
26 Vgl. Lamnek (2010), S.382
27 Lamnek (2010), S.382
28 Vgl. Lamnek (2010), S.392
29 Lamnek (2010), S.393
30 Vgl. Lamnek (20120), S.401
- Citar trabajo
- Teresa Lübbert (Autor), 2017, Fehlermuster bei der Umrechnung von Längen- und Gewichtseinheiten, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/594625
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