Realität als Medium in Peter Readings 'Ukulele Music'


Term Paper (Advanced seminar), 2005

22 Pages, Grade: 1,7


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Biographie

3. Politik

4. Werk

5. Ukulele Music
5.1 Viv’s Sprache: working class elegy
5.2 „Worse things happen at sea“ – der Capting
5.3 Reading’s poet

6. Zusammenfassung und kleiner theoretischer Exkurs

1. Einleitung

„,This is not poetry, this is reality, untreated, nasty’,
,This is demotic and cheap’, , This is mere caricature’,
,This is just relishing violent, nasty…’ so and so forth,
Grub Street reviewing its own lame valedictory tosh –“
(S. 40)1

Peter Reading ist nicht gut zu sprechen auf Kritiker, die ihm Sensationsgier und Banalität vorwerfen, denn nur seine Verwendung von „found material2“ und die Tatsache, daß er seine Werke als „serious tacklings of things2“ erachtet, sind wohl kaum als schöpferische Schwäche auszulegen. Eher drückt sich in diesen Vorwürfen eine Überforderung und Kurzsicht aus, wahrscheinlich als Reaktion auf Reading’s Tabubrüche, privates Außenseitertum und literarischen Bruch mit den Trends der Zeit. Somit ist Reading Ziel reaktionärer Angriffe, macht ihn das zum politischen Schriftsteller?

Reading ist kein politisch motivierter Sozialrealist, sondern eher humanistischer Existenzialist. Was als Sozialrealismus beschrieben wird bezeichnet seine Kritikerin/Biographin Isabel Martin nur als „oberste Schicht des Textes“ worunter sich tiefere Anklänge, verpackt in innovativ angewandte Metrik finden ließen. Den zeitgenössischen Realismus Reading’s begreift sie als funktionales Element, als an sich epochenübergreifende Beschreibung der conditia humana, der Reading in Ukulele Music die tapfer leidende Viv gegenüberstellt. Jedoch will er sein Werk nicht als tröstend verstanden wissen. Alles was Kunst könne, sei beobachten, sie sei eine „expression of impotence“ 2

Die zeitgenössische Realität ist also Ausdruck eines zeitübergreifenden Prinzips, Momentaufnahme eine dauerhaften Prozesses, hier der Selbstzerstörungstendenz der Menschheit. Soziale, linguistische, historische Fakten werden ungeschönt übernommen, um einer Realität Gestalt zu geben, die im Gegensatz zu verbreiteten Lebenslügen steht, die kitschige Romantik der Arbeiterklasse bricht, Readings Kritiker widerlegt und die Glorifizierung vergangener Epochen relativiert. Um diese weichgezeichneten Selbstbilder einer Gesellschaft zu schärfen, bedarf es eines unbarmherzigen Blicks auf die Zustände und nicht zuletzt einer direkten Sprache. Keine Geschmacklosigkeit ohne literarische Funktion.

2. Biographie

Die Nähe von Readings Biographie zu seinem Werk in Gehalt und Argumentation ist Teil des Wirklichkeitsgehalts seines gesamten Schaffens. Später werden wir sehen, wie er ohne komplizierte logische Verknüpfungen Aspekte seiner Lebenswelt aufeinander bezieht, Fundstücken im Kontext neue Bedeutung zuweist. Der biographische Abschnitt dieser Arbeit soll aufzeigen, wie viel Reading in Ukulele Music steckt.

Das auffälligste an Peter Readings Biographie ist die für einen Künstler ungewöhnliche Wahl seines Wohnorts und Berufs. Weder zog er, wie viele britische Kulturschaffende, nach London, noch beschränkte er sich auf seine Kreativität als Einkommensquelle. Statt dessen verbrachte er einen Großteil seines Erwachsenenlebens auf dem Lande in Ludlow, Shropshire an der Grenze zu Wales und arbeitete dort in einer Tierfutterfabrik. Nur zwei Jahre hatte er als Dozent für Kunstgeschichte am Liverpool College of Art durchgehalten, dann wurde das Lehren für ihn unerträglich, „the only course compatible with sanity was to get an honest job2.“ Das „literary business“ erledigte er auf dem Postweg und die Nähe zu anderen Literaten hatte er sowieso nie gesucht.

Seine Kindheit verbrachte der am 27. Juli 1946 geborene Peter in einer relativ naturbelassenen Umgebung am Stadtrand von Liverpool. Dort entdeckt er seine Interesse für Vogelkunde, Pilzkunde, etwas später Literatur. Seine Naturverbundenheit schlug sich in seinem Werk nieder, explizit im Frühwerk „Water and Waste“, in dem er die Zerstörung der äußeren Umwelt mit dem Zustand der Menschheit gleichsetzt. Wahrscheinlich ist auch seine Vorliebe für ländliche Wohnorte in Verbindung mit seinem Interesse an Biowissenschaften, vor allem der Vogelkunde zu sehen.

Seine Familienverhältnisse waren nicht intellektuell, aber intelligent und liberal. Sein Vater Gray arbeitete nach seiner Rückkehr aus der japanischen Kriegsgefangenschaft als Elektroingenieur und die Familie, dazu gehörten noch Mutter Catt und Bruder Philip, lebte in einem kleinen Haus. Niemand war religiös und auch Reading bezeichnet sich als Atheist, ohne jemals ernsthaft am Glauben interessiert gewesen zu sein.

Reading wuchs in einem kultivierten Haushalt auf, der Impuls zur Beschäftigung mit Literatur kam allerdings aus dem Fernseher; im Alter von elf oder zwölf Jahren sah Reading eine Sendung über Samuell Beckett, in der einige Szenen aus Aufführungen von „Waiting for Godot“ gezeigt wurden. „...here was something I was impressed and amused and utterly convinced by2.“ Als weitere frühe Einflüsse nennt er Harold Pinter, W.H. Auden und Homers Odysee.

Seine guten schulischen Leistungen ermöglichten ihm den Besuch einer grammar school und anschließend das Studium am Liverpool College of Art. Am künstlerischen Leben in der von Allan Ginsberg damals als „cultural centre of the universe“ 2 bezeichneten Stadt nahm er kaum Teil, da er seine eigenen, nicht trendgerechten Vorstellungen von Kunst hatte und keinerlei Regionalpatriotismus verspürte. Die Liverpool Poets empfand er immer als „somewhat trivial and shallow2“

Die Inhalte seines Studiums der Kunst und Kunstgeschichte waren für Reading unter anderem insofern prägend, als er die Rekontextualisierung von alltäglichen Dingen und Fundsachen mit oft schockierender Wirkung, die Modernisten und Dadaisten wie Jasper Johns und Marcel Duchamp betrieben, in sein literarisches Werk übernahm. Mit dem Studium beendete Reading auch seine Karriere als Maler, laut eigenen Aussagen aus sehr pragmatischen Gründen wie Zeitmangel, der Unwahrscheinlichkeit des Erfolgs oder mangels eines Führerscheins zur Beschaffung der Materialien, denn er wollte große Bilder malen.

Das Schreiben, das er seit dem vierzehnten Lebensjahr nie ganz aufgegeben hatte, war einfacher im Arbeitsalltag unterzubringen und in seinen Augen erfolgversprechender. Auch der Wunsch nach Erfolg und Berühmtheit war seit langem vorhanden.

Nach seiner Hochzeit mit Diana Gilbert 1968 und einer kurzen Übergangszeit als Lehrer an seinem alten College zog Reading dann nach Ludlow auf’s Land und nahm eine Arbeit in einer Tierfuttermühle an. Vier Jahre später veröffentlichte er seinen ersten Lyrikband „For the Municipality’s Elderly“, eine Sammlung seiner Frühwerke, die schon einen „spectacularly depressed tone of voice“3 haben. Seine Entscheidung für einen „decent job“ war teilweise ideologisch - „Poetry’s an unmarketable commodity and why should it be otherwise? I’m not asking any favours“2 - teilweise poetologisch bis pragmatisch bedingt. Er wollte über die Gegenwart schreiben und durfte daher den Kontakt zur Realität nicht verlieren. In seinem Umfeld traf er auf viele verwertbare Figuren und Sprechweisen.

Von 1970 bis zu seiner Entlassung 1992 - unterbrochen von einem 2 ½-jährigen Stipendium in Sunderland und einigen Reisen zu Lesungen und Preisverleihungen – arbeitete Reading in der Fabrik und schrieb Abends und an den Wochenenden seine Werke. Dabei hatte er, trotz eines bescheidenen Lebenswandels, ständig mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen, die auch in Verbindung mit seiner ablehnenden Haltung gegenüber Tätigkeiten als freier Kritiker standen. Die finanziellen Turbulenzen nach der Entlassung wurden noch verstärkt durch die Scheidung von seiner Frau im selben Jahr.

Inzwischen erhielt Reading einige Preise und Stipendien, hielt sich eine Weile in Australien und Amerika auf. Trotz Überlegungen, aus dem Literaturgeschäft auszusteigen veröffentlichte Reading in den letzten zehn Jahren sieben neue Lyrikbände und eine dreibändige Gedichtsammlung. In seinem Spätwerk wendet er sich ab von der Beschreibung des zerstörerischen Potentials der Spezies Mensch und widmet sich auch in seine Gedichten seiner Leidenschaft, der Natur, speziell der Vogelkunde.

3. Politik

In der Einleitung haben wir festgestellt daß Reading einen größeren Fokus hat als den der Alltagspolitik. Bei der Wahl der gesellschaftlichen Perspektive dominieren, nicht nur in Ukulele Music, die unteren Schichten. Dies legt politisierende Interpretationen nahe.

Sozialrealistische Interpretationen rücken Reading in die Position des Mahners und Warners, und werfen ihm die Verwendung von Horrorszenarien als Programmatik und künstlerischen Mangel vor. Sie unterstellen eine politische Mission, die er mit Blutbildern vorantreibe4 Reading bestreitet jedes politische Motiv hinter seiner Kunst ausdrücklich und sieht sich nur insofern als politischer Schriftsteller als „...anything that concerns humanity and is treated in literature and any of the other arts, is ipso facto political in that it is about the way that humanity conducts itself.2

Die Reziprozität von Darstellung und Wahrnehmung und die Auswirkung dieses Zusammenhangs, vor allem im Hinblick auf Machtstrukturen, wurden in der neueren Sozialwissenschaft (Ethnomethodologie à la Garfinkel) und auch Literaturwissenschaft (Diskursanalyse) häufig thematisiert. Selbst wer sich als Beobachter betrachtet - und die Notwendigkeit dieser Selbsteinschätzung besteht für Künstler – schafft doch, indem er Werke publiziert, wieder eine Welt, die seinen Ordnungsprinzipien gehorcht, er schafft Realität, an der Andere wieder ihr handeln ausrichten.

[...]

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Details

Title
Realität als Medium in Peter Readings 'Ukulele Music'
College
University of Stuttgart  (Neuere englische Lieratur)
Course
Britische und Irische Lyrik nach 1945
Grade
1,7
Author
Year
2005
Pages
22
Catalog Number
V59610
ISBN (eBook)
9783638534987
ISBN (Book)
9783656810148
File size
414 KB
Language
German
Keywords
Realität, Medium, Peter, Readings, Ukulele, Music, Britische, Irische, Lyrik
Quote paper
Joachim Jäckl (Author), 2005, Realität als Medium in Peter Readings 'Ukulele Music', Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59610

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