Identitätsentwicklung im Lebenslauf nach George Herbert Mead


Term Paper, 2001

26 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Inhalt

1. Einleitung

2. George Herbert Mead: Geist, Identität und Gesellschaft; Teil III, Identität
2.1 Identität und Organismus
2.2 Der Hintergrund der Entstehung der Identität
2.4 Die Identität und das Subjektive
2.5 Das „I“ und das „me“
2.6 Gesellschaftliche Haltungen und die physische Welt
2.7 Geist als Hereinnahme des gesellschaftlichen Prozesses in das Individuum
2.8 „I“ und „me“ als Phasen der Identität
2.9 Die Verwirklichung der Identität in der gesellschaftlichen Situation
2.10 Die Beiträge des „me“ und des „I“
2.11 Die gesellschaftliche Kreativität der Identität
2.12 Gegenüberstellung von individualistischen und gesellschaftlichen Theorien der Identität

3. Lothar Krappmann: Soziologische Dimensionen der Identität
3.1 Identität und Beteiligung an Interaktionsprozessen
3.2 Balancierende Identität

4. Beurteilung aus gerontologischer Sicht

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Als erstes stelle ich den III. Teil des Werkes „Geist, Identität und Gesellschaft“ von George Herbert Mead dar. George H. Mead (1863 – 1931) gilt als Begründer des symbolischen Interaktionismus. Sein wissenschaftliches Arbeiten und die Entwicklung seines Werkes wurden durch den Darwinismus und den Pragmatismus geprägt. Zum ersten war das Darwins Evolutionstheorie. Charles W. Morris schreibt : „Daraus schien zu folgen, dass nicht nur der menschliche Organismus, sondern auch der ganze geistige Prozess innerhalb der evolutionären Entwicklung interpretiert werden müsse, dass er diese Eigenschaft der Veränderlichkeit teile und aus dem Zusammenspiel von Organismus und Umwelt entstanden sei.“[1]

Der Organismus muss sich nach dieser Theorie an seine Umwelt anpassen um zu überleben.

Der Darwinismus ist u. a. auch wieder eine Strömung der den amerikanischen Pragmatismus, der zu dieser Zeit erst richtig entstand, beeinflusst hat. Mead selbst bezeichnet sich als ein Vertreter dieser philosophischen Richtung.

Die nach Darwin beschriebene aktive Lebenssicherung des Organismus ist nicht als deterministisch anzusehen, sondern ist abhängig von problemlösenden Denken und Handeln der Menschen. Mead hat daran gearbeitet eine These zu entwickeln, die die Entstehung des selbstbewussten Subjekts, also der Identität,

beschreiben kann. Dies gelingt nur in einer Gemeinschaft handelnder und kommunizierender Menschen.[2]

Auf der einen Seite war Mead Pragmatist, auf der anderen war er Sozialpsychologe. Geist und Identität mussten durch die Gesellschaft entstanden sein und Gesten, in sprachlicher Form, sind die Voraussetzung für ihre Entwicklung.

Im zweiten Teil meiner Arbeit stelle ich dann einen Teil der soziologischen Dimensionen der Identität nach Lothar Krappmann vor. Krappmann geht stark auf die Bedeutung und den Ablauf von Interaktionen und den notwendigen Beitrag des Individuums ein. Als drittes versuche ich auf mögliche gerontologische Fragestellungen einzugehen.

2. George Herbert Mead: Geist, Identität und Gesellschaft; Teil III, Identität

2.1 Identität und Organismus

Als Grundvoraussetzung einer Identitätsbildung sieht George H. Mead den Sprachprozess. Identität bildet sich erst durch die Teilnahme am gesellschaftlichen Prozess heraus, sie ist also ein Ergebnis der Beziehungen eines Individuums zur Gesellschaft als Ganzes und zu anderen Individuen dieses gesellschaftlichen Prozesses.[3]

Die Identität kann für sich selbst ein Objekt sein, wir können als intelligente Menschen handeln und auch unsere Erfahrungen machen, wir nehmen dies aber nicht notwendigerweise als Identität war. Im Alltag laufen viele Tätigkeiten wie automatisiert ab und benötigen keine Identität.

Die Körperteile sind von der Identität zu unterscheiden, wir nehmen einzelne Teile unseres Körpers nicht anders wahr als wir unseren Computer als ein Objekt erkennen. „ Der Körper erfährt sich selbst nicht in dem Sinn als ein Ganzes, in dem die Identität in die Erfahrung eintritt.“[4]

Für das Individuum ist es wichtig, das es aus sich heraus treten kann, um für sich selbst ein Objekt zu werden. Man muss sich selbst gegenüber objektiv sein, damit man intelligent und rational handeln kann. Reflektiere ich mein eigenes Verhalten nicht objektiv genug, kann ich meine Wirkung auf andere nicht gut genug einschätzen und mich gegebenenfalls nicht angemessen verhalten. So nehme ich in der Situation, in der ich mich selbst als Objekt sehe, die Sichtweise anderer Personen meiner gesellschaftlichen Gruppe ein. Hier spielt auch die Kommunikation eine wichtige Rolle, da sie sich an das Individuum selbst richten kann. „Wo man aber auf das reagiert, was man an einen anderen adressiert, und wo diese Reaktion Teil des eigenen Verhaltens wird, wo man nicht nur sich selbst hört, sondern sich selbst antwortet, zu sich selbst genauso wie zu einer anderen Person spricht, haben wir ein Verhalten, in dem der Einzelne sich selbst zum Objekt wird.“[5]

Identität ist eine gesellschaftliche Struktur. Ist die Identität erst einmal aufgebaut, dann kann sie selbst für gesellschaftliche Erfahrungen sorgen, das Individuum kann mit sich selbst diskutieren. Wir verhalten uns auch nicht anders in alltäglichen Gesprächen; wir sagen etwas, hören uns dabei selber zu und erst dann wissen wir auch, was wir sagen, und wir wissen wie wir handeln, erst wenn wir handeln. So üben wir ständig Kontrolle über diesen Prozess aus. Wir können einen Satz beginnen und in dem wir uns selbst hören, können wir dann schon den Satz verändern und was anderes sagen als wir ursprünglich wollten. Die Gesten der Kommunikation werden hier zwischen dem Individuum und ihm selbst ausgetauscht. „ Für die Identität ist es notwendig, dass die Person auf sich selbst reagiert.“[6]

Durch unsere eigenen gesellschaftlichen Erfahrungen beeinflussen wir, wie unsere Identität in eine Kommunikation einfliest. So können wir in verschiedenen Situationen verschiedene Identitäten darstellen. Wir spalten gewissermaßen unsere Persönlichkeit auf, im Normalfall schafft man aber ein einheitliches Bild dieser Identitäten. Aber aus Berichten von multiplen Persönlichkeiten ist bekannt, dass bei diesem Krankheitsbild diese Vereinigung nicht gelingt, oftmals aus eigenem Schutz, weil so zum Beispiel Kindesmissbrauch verdrängt wird.

Nach Mead spiegelt die Einheit und Struktur der kompletten Identität die Einheit und Struktur des gesellschaftlichen Prozesses als Ganzes wider. Einzelne Aspekte der Identität entsprechen einzelnen Aspekten dieses Prozesses.[7]

2.2 Der Hintergrund der Entstehung der Identität

Der Hintergrund der Entstehung der Identität liegt im Kommunikations –

prozess. Durch die Übermittlung von Gesten kann der einzelne in sich selbst Reaktionen auslösen und darauf reagieren, das alles in der Form, in der auch andere reagieren würden. Der Kommunikationsprozess beinhaltet, dass die Geste des einen die Reaktion des anderen hervorruft.

Wenn wir denken, dann tun wir dies mit Hilfe signifikanter Symbole. Im Umgang mit alltäglichen Gegenständen, wie z. B. mit einem Glas, brauchen wir nicht darüber nachzudenken, wie wir aus diesem Glas trinken können, denken wir aber über das Glas nach, dann brauchen wir hierfür ein Symbol, das meistens eine sprachliche Form einnimmt. Dieses Symbol löst bei vielen Menschen identische Reaktionen aus. Dazu müssen die Symbole für alle Teilnehmer der Interaktion in gleicher Weise gelten. Das Symbol soll unserer Meinung nach also im Partner die gleiche Reaktion auslösen, die es in uns selbst auslöst. Bei emotionellen Handlungen ist dies natürlich nicht so, möchte man z. B. jemanden erschrecken, dann möchte man sich selbst natürlich nicht mit erschrecken.

Sind wir nun fröhlich, dann löst das bei unseren Gegenüber nicht auch zwangsweise Heiterkeit aus, sondern dieser fühlt sich vielleicht durch unser albernes Gelächter gestört. Wir selbst aber fühlen uns natürlich nicht gehindert. „Der emotionelle Teil unsere Handlung löst in uns nicht unmittelbar die gleiche Reaktion aus wie bei anderen.“[8]

Bei ernsthaften Unterhaltungen sollte wir uns indessen darüber bewusst sein, das von uns Gesagte sollte in uns auch die Reaktion hervorrufen, die es in anderen hervorruft. So haben wir Kontrolle über das was wir sagen, indem wir in uns die mögliche Haltung der anderen einnehmen. Wir beeinflussen durch die Sprache die Reaktion des anderen, wir liefern so zu sagen den Reiz und nehmen die Antwort des anderen wieder als einen Reiz für uns auf, so entwickelt sich das Gespräch fort. Dabei lösen wir in uns selbst gleichzeitig wiederum eine Reaktion uns. So kommt es zu einer ständigen „Rückkopplung“.

Die nächste Grundvoraussetzung für die Identitätsentwicklung ist das Spielen. Kinder schaffen sich in ihrer Phantasie Spielgefährten, damit sie Reaktionen in sich selbst auslösen können, aber gleichzeitig diese Reaktion auch in anderen auslösen. Das Spiel ist in dieser Lebensphase meistens das nachahmende Spiel. Das Kind stellt Situationen, die es erlebt hat, einfach nach und nimmt die Rollen anderer ein. So hat es in sich Reize, die in ihm selbst die gleiche Reaktion auslösen wie in anderen. Es ist im Spiel die Person, die fragt und dann die Person, die antwortet. Die Identitäten kommunizieren mittels Gesten.[9] Es spielt hier ohne Regeln.

In der nächsten Phase braucht es dann Spiele mit Regeln, und dies sind dann die so genannten Wettkampfspiele, wie z. B. Fangen oder Völkerball.

Das Kind muss nun die Rolle aller Mitspieler einnehmen können. Es muss wissen, wie die anderen reagieren, laufe ich zu langsam, hat das zur Folge, dass ich gefangen werde. Dies alles wird durch die Spielregeln organisiert, die spontan auch mal umgeändert werden können, wenn alle damit einverstanden sind. „Das Wettspiel repräsentiert im Leben des Kindes den Übergang von der spielerischen Übernahme der Rolle anderer zur organisierten Rolle, die für das Identitätsbewusstein im vollen Wortsinn entscheidend ist.“[10]

2.3 Spiel, Wettkampf und der (das) verallgemeinerte Andere

Die Ausbildung einer Persönlichkeit wird durch die Einnahme anderer Rollen kontrolliert. Durch die Erziehung werden die verschiedenen Rollen in eine organisierte gesellschaftliche Beziehung zueinander gebracht. Die Kinder können sich alleine noch nicht organisieren. Im Wettkampf muss man nun die Haltungen der anderen mit übernehmen können, und diese übernommenen Einstellungen organisieren sich zu einer Einheit, die wiederum dann die Reaktion kontrolliert. Mead bringt hier das Beispiel des Baseballspielers, dessen Handeln bestimmt wird durch die Annahme der Haltungen der anderen. Er muss jede Position spielen können, und kann so einschätzen, was er in der Situation des Gegners tun würde und dem entsprechend seine Reaktion vorbereiten. Es gibt also etwas, was die Haltungen der Individuen einer gesellschaftlichen Gruppe organisiert. „ Die organisierte Gemeinschaft oder gesellschaftliche Gruppe, die dem Einzelnen seine einheitliche Identität gibt, kann ´ der (das) verallgemeinerte Andere` genannt werden. Die Haltung dieses verallgemeinerten Anderen ist die der ganzen Gemeinschaft.“[11]

[...]


[1] Morris, Charles W.; Einleitung: G. H. Mead als Sozialpsychologe u. Sozialphilosoph. In :

G. H. Mead Geist, Identität und Gesellschaft,1968, S. 13

[2] vgl. Joas, Hans ; 1980, S. 38ff.

[3] Mead, George H.; 1968, Geist, Identität und Gesellschaft, S. 177. Im weiteren Verlauf dieses Kapitels werde ich nur Seitenzahlen angeben, weil ich mich in diesem Abschnitt der Arbeit nur mit dem Werk „ Geist, Identität und Gesellschaft“ beschäftige.

[4] S. 178

[5] S. 181

[6] S. 184

[7] vgl. S.185f

[8] S. 191

[9] vgl. S. 192f

[10] S. 194

[11] S. 196

Excerpt out of 26 pages

Details

Title
Identitätsentwicklung im Lebenslauf nach George Herbert Mead
College
University of Vechta
Course
Seminar: Identitätsentwicklung im Lebenslauf
Grade
1,3
Author
Year
2001
Pages
26
Catalog Number
V59881
ISBN (eBook)
9783638536943
ISBN (Book)
9783656801764
File size
614 KB
Language
German
Keywords
Identitätsentwicklung, Lebenslauf, George, Herbert, Mead, Seminar, Identitätsentwicklung, Lebenslauf
Quote paper
Astrid Vorhoff (Author), 2001, Identitätsentwicklung im Lebenslauf nach George Herbert Mead, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59881

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