In Unterrichtssituationen gibt primär die Leistungsrückmeldung Auskunft über den Erfolg der Schüler. Von daher liegt es nahe, Auswirkungen der Leistungsrückmeldung, speziell der Zensierung, auf die Schülermotivation zu vermuten. Das gegenwärtige System der Notengebung bewirkt, dass nicht alle Schüler die schulischen Anforderungen auf gleiche Weise erleben. Schüler, denen es leicht fällt, den Ansprüchen im Unterricht gerecht zu werden, erleben den Leistungsdruck anders als jene, die als lernschwach bezeichnet werden. Auf ihnen lastet durch die herkömmliche Zensurenvergabe ein psychischer Stress, der Einfluss auf ihre Einstellung und Motivation gegenüber der Schule hat.
Die Motivation spielt bei der kognitiven Auseinandersetzung mit Schulaufgaben eine zentrale Rolle und ist für den Lernerfolg von großer Relevanz. Eine gute Benotungspraxis darf die Lern- und Leistungsmotivation der Schüler nicht korrumpieren, sondern muss sie stattdessen fördern. Derzeit führt die Zensurenvergabe allerdings zu einer Kategorisierung in gute und schlechte Schüler. Prinzipiell ist eine realistische subjektive Einschätzung der eigenen Leistungsmöglichkeit wichtig und wünschenswert. Doch der Vergleich der Leistungen des einzelnen Schülers mit dem normativ festgelegten Zensierungsstandard erweist sich als problematisch, wenn er keine individuellen Lernfortschritte erlebt. Eine herkömmliche Note weist lediglich auf den Grad der Lernzielerreichung hin, beinhaltet aber keine Informationen über den persönlichen Leistungsprozess. Dabei ist gerade das Realisieren des eigenen Kompetenzwachstums wichtig, um weiterhin motiviert zu bleiben. In der Konsequenz muss man den Stellenwert der Ziffernnote im Unterrichtsgeschehen kritisch bewerten und über alternative Beurteilungsformen nachdenken.
In Folge des gegenwärtigen Zensierungsmodells an deutschen Schulen ergeben sich für die Ausarbeitung über den Einfluss von Noten nachstehende zentrale Fragestellungen: Welche Auswirkungen besitzt die Leistungsbewertung auf die Schülermotivation? Inwieweit beeinflussen Noten den Lernprozess von Schülern, indem sie die Motivation und zugleich die effektive Lernleistung hemmen? Darf man Zensuren von vornherein verurteilen oder muss man ihnen eine lernfördernde Wirkung zusprechen? Welche alternativen Benotungsverfahren gibt es und besitzen sie eine motivational günstigere Komponente?
INHALTSVERZEICHNIS
1. Einleitung
2. Motivationspsychologie
2.1 Motivationstheorien
2.1.1 Behavioristische Lern- und Verhaltenstheorien
2.1.2 Kognitive Theorien
2.1.2.1 Neugiermotivation
2.1.2.2 Anreizmotivation
2.2 Leistungsmotivation
2.2.1 Atkinsons Risiko-Wahl-Modell
2.2.2 Die Attributionstheorie nach Weiner
2.2.3 Heckhausens Selbstbewertungsmodell
2.3 Ausblick
3. Die Bedeutung der Motivation für Lernprozesse
3.1 Lernmotivation
3.1.1 Das Erweiterte Kognitive Motivationsmodell
3.2 Förderung der Lernmotivation durch Leistungsmotivation
3.3 Intrinsische Lernmotivation
3.3.1 Zum Begriff der intrinsischen Motivation
3.3.2 Intrinsische Motivation im Lernumfeld
3.4 Die Selbstbestimmungstheorie nach Deci und Ryan
3.5 Ausblick
4. Das Prinzip der Leistungsbeurteilung
4.1 Das Notensystem
4.2 Die Funktionen der Zensur
4.2.1 Motivation
4.2.2 Rückmeldung
4.2.3 Funktionsüberlastung
4.3 Messung von Schulleistung
4.4 Bezugssysteme der Leistungsbeurteilung
4.4.1 Sachliche Bezugsnorm
4.4.2 Soziale Bezugsnorm
4.4.3 Individuelle Bezugsnorm
4.4.4 Bezugsnormen in der Schulpraxis
5. Auswirkungen der Noten auf die Schülermotivation
5.1 Notengebung in Hinblick auf die Selbstbestimmungstheorie
5.2 Noten und ihre Attributionszuschreibung
5.3 Der Korrumpierungseffekt von Zensuren
5.4 Der extrinsische Charakter von Zensuren
5.5 Resümee
6. Alternative Beurteilungsformen
6.1 Lehrerkommentare
6.2 Verbale Beurteilung
6.2.1 Schwachstellen der verbalen Beurteilung
6.3 Schülerselbstbewertung
6.3.1 Kritische Stellungnahme
6.4 Resümee
7. Untersuchung des Einflusses von Noten auf die Schülermotivation in Abhängigkeit herkömmlicher und alternativer Beurteilungsformen
7.1 Mündliche Note
7.2 Anlage der Untersuchung
7.2.1 Ziffernnote
7.2.2 Kommentierte Note
7.2.3 Schülerselbstbewertung
7.3 Hypothesenbildung
7.4 Objektivitäts- und Reliabilitätsprüfung
7.5 Ergebnisauswertung
7.5.1 Nachvollziehbarkeit der mündlichen Zensur
7.5.2 Verbesserungsmotivation
7.5.3 Schüleremotionen
7.5.4 Kausalattribution
7.5.5 Motive für die Beteiligung am Unterricht
7.5.6 Ideale Beurteilungsform aus Sicht der Schüler
7.6 Resümee
8. Fazit
ANHANG
Anhang A: Literaturverzeichnis
Anhang B: Anschreiben an die Schule im Rahmen der Erhebung zum Einfluss
der Noten auf die Schülermotivation
Anhang C: Fragebogen zum Einfluss der Noten auf die Schülermotivation
Anhang D: Fragebogen zur Erfassung der Bezugsnormorientierung
Anhang E: Auswertung der Studie
Anhang F: Eidesstattliche Erklärung
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abb. 1: Grundmodell der klassischen Motivationspsychologie
Abb. 2: Handlungs-Ergebnis-Erwartung bei Leistungsmotivation
Abb. 3: Komponenten der Leistungsmotivation
Abb. 4: Erweitertes Kognitives Motivationsmodell
Abb. 5: Entwicklung des Erfolgsmotivs in der Grundschulzeit in Abhängigkeit
von der Bezugsnormorientierung des Lehrers..37
Abb. 6: Selbsteinschätzung der mündlichen Leistung
Abb. 7: Ursachen der guten Note aus Sicht der Schüler
Abb. 8: Ursachen der schlechten Note aus Sicht der Schüler
Abb. 9: Gründe für die Beteiligung am Unterricht
Abb. 10: Die Abhängigkeit der Variable Spaß von der erhaltenen Note
Abb. 11: Bedürfnis nach zusätzlichen Erläuterungen
Abb. 12: Ideale Beurteilungsform aus Sicht der Schüler
TABELLENVERZEICHNIS
Tab. 1: Dreidimensionale Taxonomie der wahrgenommenen Ursachen von
Erfolg und Misserfolg
Tab. 2: Selbstbewertungsmodell der Leistungsmotivation
Tab. 3: Nachvollziehbarkeit der Note in Abhängigkeit der Beurteilungsform
Tab. 4: Verbesserungsmotivation in Abhängigkeit der Rückmeldeform
Tab. 5: Gefühle in Abhängigkeit der erhaltenen Note in Prozent
Tab. 6: Motivation der Schüler für künftige Bemühungen
Tab. 7: Keine Beteiligung am Unterricht beim Wegfall der mündlichen Note
Tab. 8: Selbsteinschätzung der mündlichen Leistung
Tab. 9: Verbesserungsmotivation in Abhängigkeit der erhaltenen Note
Tab. 10: Künftige Anstrengungsbereitschaft bei hoher Verbesserungsmotivation
Tab. 11: Nervositätsempfinden durch mündliche Notenvergabe
Tab. 12: Gefühle in Abhängigkeit von der Differenz zwischen erwarteter
und realer Note
Tab. 13: Kausalattribution der Schüler mit guten Noten in Prozent
Tab. 14: Kausalattribution der Schüler mit schlechten Noten in Prozent
Tab. 15: Gründe für die Beteiligung am Unterricht
Tab. 16: Gleichgültigkeit gegenüber der mündlichen Zensur
Tab. 17: Bedürfnis nach zusätzlichen Erläuterungen
Tab. 18: Wunsch nach herkömmlicher Ziffernnote
Tab. 19: Gründe für den Wunsch nach kommentierten Zensuren
Tab. 20: Ideale Beurteilungsform aus Sicht der Schüler
1. Einleitung
In Unterrichtssituationen gibt primär die Leistungsrückmeldung Auskunft über den Erfolg der Schüler[1]. Von daher liegt es nahe, Auswirkungen der Leistungsrückmeldung, speziell der Zensierung, auf die Schülermotivation zu vermuten. Das gegenwärtige System der Notengebung bewirkt, dass nicht alle Schüler die schulischen Anforderungen auf gleiche Weise erleben. Schüler, denen es leicht fällt, den Ansprüchen im Unterricht gerecht zu werden, erleben den Leistungsdruck anders als jene, die als lernschwach bezeichnet werden. Auf ihnen lastet durch die herkömmliche Zensurenvergabe ein psychischer Stress, der Einfluss auf ihre Einstellung und Motivation gegenüber der Schule hat.
Die Motivation spielt bei der kognitiven Auseinandersetzung mit Schulaufgaben eine zentrale Rolle und ist für den Lernerfolg von großer Relevanz. Eine gute Benotungspraxis darf die Lern- und Leistungsmotivation der Schüler nicht korrumpieren, sondern muss sie stattdessen fördern. Derzeit führt die Zensurenvergabe allerdings zu einer Kategorisierung in gute und schlechte Schüler. Prinzipiell ist eine realistische subjektive Einschätzung der eigenen Leistungsmöglichkeit wichtig und wünschenswert. Doch der Vergleich der Leistungen des einzelnen Schülers mit dem normativ festgelegten Zensierungsstandard erweist sich als problematisch, wenn er keine individuellen Lernfortschritte erlebt. Eine herkömmliche Note weist lediglich auf den Grad der Lernzielerreichung hin, beinhaltet aber keine Informationen über den persönlichen Leistungsprozess. Dabei ist gerade das Realisieren des eigenen Kompetenzwachstums wichtig, um weiterhin motiviert zu bleiben. In der Konsequenz muss man den Stellenwert der Ziffernnote im Unterrichtsgeschehen kritisch bewerten und über alternative Beurteilungsformen nachdenken.
In Folge des gegenwärtigen Zensierungsmodells an deutschen Schulen ergeben sich für die Ausarbeitung über den Einfluss von Noten nachstehende zentrale Fragestellungen: Welche Auswirkungen besitzt die Leistungsbewertung auf die Schülermotivation? Inwieweit beeinflussen Noten den Lernprozess von Schülern, indem sie die Motivation und zugleich die effektive Lernleistung hemmen? Darf man Zensuren von vornherein verurteilen oder muss man ihnen eine lernfördernde Wirkung zusprechen? Welche alternativen Benotungsverfahren gibt es und besitzen sie eine motivational günstigere Komponente?
Gliederung der Arbeit
Um ein folgerichtiges Urteil bilden zu können, muss das Notenmodell im Kontext der Motivationspsychologie betrachtet werden. Motivation bildet die Grundlage für jedes menschliche Handeln. Bereits im Kleinkindalter entwickelt sich das Bedürfnis nach der Erforschung der sozialen Umwelt. Es handelt sich um einen inneren Wunsch, so dass eine starke Motivation vorliegt. Diese so genannte intrinsische Motivation liefert den günstigsten Tätigkeitsanreiz, weil die handelnde Person nicht von außen kontrolliert und gelenkt wird. Sind hingegen äußere Zwänge vorhanden, spricht man von extrinsischer Motivation. Jene entwickelt sich u. a. durch das herkömmliche Benotungsverfahren. Kapitel 2 liefert die theoretische Grundlage, um das skizzierte Motivationsprinzip zu verstehen. Es bietet einen detaillierten Überblick hinsichtlich motivationspsychologischer Konzepte, die für den weiteren Verlauf der Arbeit notwendig sind.
Die Bedeutung der Motivation für Lernprozesse wird in Kapitel 3 behandelt. Es beinhaltet eine Definition der Termini Lern- und Leistungsmotivation und einen Abschnitt, inwieweit sie sich gegenseitig bedingen. Im Folgenden wird die Relevanz der intrinsischen Motivation anhand eines weiteren Motivationsmodells erläutert, welches eine Konzeption der intrinsischen Lernmotivation darstellt. Es beschreibt den Stellenwert der natürlichen Neugierde und Lernfreude im Unterrichtsgeschehen.
Kapitel 4 widmet sich dem Prinzip der Leistungsbeurteilung, indem zunächst das Notensystem beleuchtet und im weiteren Verlauf die Funktionsvielfalt von Zensuren erwähnt wird. Aufgrund des umfangreichen Aufgabenkatalogs beschränkt sich der Abschnitt auf zwei, für den Schwerpunkt der Arbeit, wichtige Funktionen. Den Abschluss bildet die Erörterung der Bezugsnormorientierung. Generell lässt sich zwischen drei Bezugsnormen (sachlich, sozial, individuell) unterscheiden, deren Vor- und Nachzüge in Hinblick auf eine optimierte Leistungsbeurteilung diskutiert werden.
In Kapitel 5 erfolgt durch die Untersuchung der Auswirkungen von Zensuren auf die Schülermotivation die Verknüpfung zwischen Benotungspraxis und Motivationsmodellen. Dabei dienen die vorgestellten Konzepte als Basis für mögliche Szenarien. Das Resultat spiegelt sich in Kapitel 6 wider, welches alternative Beurteilungsformen nennt. Herkömmliche Ziffernnoten weisen motivational ungünstige Einflüsse auf, die durch eine Modifizierung des Bewertungsverfahrens abgeschwächt werden können. Die Methoden sind mannigfaltig, aufgrund dessen basiert der Abschnitt auf drei alternativen Formen: dem Lehrerkommentar, der verbalen Beurteilung und der Schülerselbstbewertung. Die Rückmeldearten werden in ihrem Wert und Einfluss auf die Motivation und der daraus resultierenden Lerneffektivität untersucht.
Die theoretischen Ausführungen erfahren in Kapitel 7 ihre Überprüfung. Es handelt sich um den empirischen Teil, der einen Vergleich zwischen drei Beurteilungsformen beinhaltet. In einer Studie wurden die Auswirkungen der herkömmlichen Ziffernnote, der kommentierten Zensur und der Schülerselbstbewertung in Hinblick auf mündliche Leistungsrückmeldungen untersucht. Dabei sollte demonstriert werden, dass die gewöhnliche Benotungspraxis in der Gegenüberstellung zu alternativen Formen wesentlich schlechtere Ergebnisse bezüglich lern- und leistungsmotivationaler Einflüsse bedingt.
Ziel der Arbeit
Das gängige Notensystem blickt auf eine hundertjährige Tradition zurück. Die lange Erfahrung mit dem Modell ist aber kein Garant für ein durchdachtes Zensierungsverfahren. Ziel der Arbeit ist es, die Schwachstellen und Kritikpunkte der herkömmlichen Ziffernnote aufzuzeigen und gleichzeitig Maßnahmen zur pädagogischen Verbesserung der Leistungsbeurteilung vorzustellen. Aufgrund der eigenen Erhebung ist neben der Reflexion von Fachliteratur auch ein wirklichkeitsnaher Bezug gewährleistet, der die motivational ungünstigen Einflüsse von Ziffernnoten noch eindrucksvoller demonstriert. Anhand der Ergebnisse soll die Notwendigkeit eines Umdenkens im gängigen Notenverfahren aufgezeigt werden, insofern dass die Lehrpersonen einen Wechsel von der gewöhnlichen Zensur zur kommentierten Note in Erwägung ziehen.
2. Motivationspsychologie
Motivation ist von grundlegender Bedeutung für das menschliche Tun, da sie für jede Art von Handlungen vorhanden sein muss. Aber was genau ist unter dem Begriff Motivation zu verstehen? Die Motivationspsychologie sieht in dem Terminus ein hypothetisches Konstrukt, mit dem die Zielgerichtetheit des menschlichen Handelns erklärt werden soll. Rheinberg fasst die wesentlichen Charakteristika von Motivation als „aktivierende Ausrichtung des momentanen Lebensvollzuges auf einen positiv bewerteten Zielzustand“ (RHEINBERG 2000: 15) zusammen, welche sich dem Einzelnen in seinem „Streben, Wollen, Bemühen, Wünschen, Hoffen etc.“ (RHEINBERG 2000: 15) offenbart. Nach dieser Definition sind alle Handlungen, die ein Ziel verfolgen, motiviertes Verhalten. Um motivierte Verhaltensabläufe zu aktivieren, sind vorauslaufende Bedingungen, so genannte Motive, notwendig. „Motiv ist der Oberbegriff für alle Bedeutungen, um deretwillen eine Person handelt. Was im Zusammenhang mit menschlicher Motivation als Antwort auf die Frage 'Warum?' gesagt werden kann, ist Motiv“ (SCHIEFELE 1974: 31). Motive sind als Persönlichkeitsdispositionen zu bezeichnen, die individuelle Abweichungen aufweisen können (vgl. LANGENS/SCHMALT/SOKOLOWSKI 2005: 75f.).
Damit Motive in den Zustand der aktuellen Motivation wechseln, sind gewisse Situationsfaktoren, so genannte Anreize, notwendig. Erst wenn Motive und potenzielle Anreize zusammenwirken, entwickelt sich eine Motivation, aus der heraus das Verhalten resultiert. Zur Illustration dieser Verknüpfung dient die Abbildung von Rheinberg, die das Grundmodell der klassischen Motivationspsychologie darstellt.
Abb. 1: Grundmodell der klassischen Motivationspsychologie
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: RHEINBERG 2004: 22
Es gibt vielfältige Gründe, zu einer Handlung motiviert zu sein, und ebenso viele Aspekte, die dabei genauer betrachtet werden können. Zu unterscheiden ist grundsätzlich zwischen positiver und negativer Motivation. Erstere entsteht beim Ausüben einer Sache, die mit Interesse, Freude oder auch einer Belohnung verbunden ist. Befürchtet man hingegen ungünstige Konsequenzen oder ein schlechtes Gewissen, handelt man im Sinne der negativen Motivation.
Im weiten Feld der Motivationsforschung werden zahlreiche Komponenten untersucht, welche die Motivation beeinflussen. Dabei ist der Anreiz einer Zielrichtung nicht immer eindeutig erkennbar. So kann eine Handlung beispielsweise durch eine Reihe bewusster oder unbewusster Gedanken (Kognitionen) sowie durch Affekte oder innere Zustände (Instinkte, Triebe) motiviert sein. Verschiedene Konzepte der Motivationspsychologie stellen dabei unterschiedliche Sachverhalte in den Mittelpunkt.
2.1 Motivationstheorien
Die folgenden Ausführungen finden ihren Bezugsrahmen in der Motivationspsychologie, deren vordergründige Aufgabe es ist, die komplizierten Wechselwirkungen zwischen individuellen und situativen Faktoren bei der Erklärung und Beschreibung menschlichen Verhaltens zu erfassen. Die nachstehenden Theorien sind deswegen relevant, weil man die Gründe für das Handeln eines Schülers sowie die Anreize für seine individuellen Bemühungen nicht ausschließlich in der Persönlichkeit suchen darf. Die theoretischen Motivationskonzepte verknüpfen die wechselseitigen Beziehungen zwischen personenbezogenen, sachlich gerichteten und sachorientierten Impulsen, um dem gemäß Aussagen über das Schülerverhalten im Kontext der Leistungsbeurteilung treffen zu können.
Eine einheitliche Motivationstheorie gibt es bislang nicht, jedoch verschiedene Auffassungen, innerhalb derer das Motivationskonstrukt spezifisch bestimmt wird. Die folgende Darstellung verschiedener Motivationsmodelle erhebt keinesfalls Anspruch auf Vollständigkeit. Stattdessen wurde eine Auswahl an psychologischen Konzepten getroffen, mit deren Hilfe schulische Lernvorgänge beschrieben werden können.
2.1.1 Behavioristische Lern- und Verhaltenstheorien
Behavioristische Theorien beruhen auf der Annahme, dass Lernmotivation durch äußere Konsequenzen, die im Verlauf des Handlungsgeschehens auftreten, beeinflusst wird. Belohnungen und Bestrafungen steuern demnach das Lernverhalten (vgl. WEISSBRODT 2000: 224). Im Mittelpunkt dieses Konzeptes steht die Verstärkungstheorie, dessen einflussreichster Vertreter Burrhus Frederic Skinner ist.
Das von Skinner 1938 entwickelte System2 beschreibt den Vorgang des Operanten Konditionierens. Ausgangspunkt bildet die Differenzierung zwischen respondentem und operantem Verhalten[2]. Die respondente Tätigkeit wird durch bestimmte Reize ausgelöst; Reflexe dienen hier als gute Beispiele. Beim operanten Verhalten ist kein von außen wirkender Reiz vorhanden; es erfolgt durch das Bedürfnis der Person zu handeln und wirkt dementsprechend auf die Umwelt ein, von der es „beantwortet“ wird. Die Antwort vermag auf zweierlei Art erfolgen: Zum einen kann die Außenwelt das Verhalten bestätigen bzw. verstärken, zum anderen ist auch eine Nichtbestätigung möglich, so dass die Handlung in ihrer Kraft vermindert wird (vgl. CORRELL 1967: 32f.).
Formen der Verstärkung sind auch in der Schule für die Lernmotivation der Schüler verantwortlich. Dabei sind der Vielfalt, die Bemühungen der Schüler und ihre Motivation zu stärken, keine Grenzen gesetzt. Eine Belohnung in Form eines Aufklebers für eine sorgfältig angefertigte Hausaufgabe gehört der materiellen Verstärkung an. Das Kopfnicken des Lehrers nach einer richtigen Schülerantwort gilt als nonverbale, freundliche Worte nach einer guten Lösung als verbale Verstärkung. Die Schüler empfinden solche Lehrerreaktionen als Bestätigung ihres Könnens und somit als Erfolgserlebnis, welches sie wiederholen möchten. Dabei wird die Lernmotivation durch die positiven Gefühle, die der Schüler im Moment des Lobens erfährt, gefördert. Grundsätzlich gilt, dass besonders junge Schüler ein starkes Verstärkungs- und Anerkennungsbedürfnis verspüren (vgl. KELLER 1999: 14).
Der Einsatz von Verstärkung als Motivierungsmittel bedarf aber eines überlegten Handelns, da zum einen Belohnungen nicht routiniert vergeben werden dürfen und zum anderen nicht jede Lernphase in dem gleichen Maße Verstärkung benötigt. In der lernmotivationalen Aufbauphase sollten möglichst häufig Verstärkungen eingesetzt werden, in der Stabilisierungs- und Folgephase seltener. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Lernmotivation des Schülers zu stark in eine Außenabhängigkeit gerät. Dies darf jedoch nicht das Ziel der Lernförderung sein. Stattdessen sollte ein allmählicher Übergang von der Fremdverstärkung zur Selbstverstärkung bzw. von der extrinsischen zur intrinsischen Motivation erfolgen[3] (vgl. KELLER 1999: 15).
2.1.2 Kognitive Theorien
Nach behavioristischen Modellen, die sich speziell auf Reiz-Reaktions-Muster stützten, erfolgte seit den 1970er Jahren in der Motivationspsychologie ein Übergang zu kognitiven Theorien. Hauptgrund für den Wandel war die Überzeugung, dass die dynamischen Prozesse des Lernens nur mit kognitiven Konzepten angemessen beschrieben und erklärt werden können, weil jede Form systematischen Lernens auf bewussten Überlegungen und planvoll, zielorientierten Handlungen beruht (vgl. WEISSBRODT 2000: 224).
2.1.2.1 Neugiermotivation
Neugier wird nach Holodynski und Oerter (2002: 559) als „aktuelle Aktivierung und Zuwendung zu einem Gegenstand (einer Situation) mit starkem Anreizcharakter“ definiert. Menschen verspüren bereits als Kleinkinder das Bedürfnis, ihre Umwelt zu erkunden. Diese Neugiermotivation wird als Explorationsbedürfnis bezeichnet.
Donald Berlyne hat das Verhalten 1974 in seiner Aktivationstheorie untersucht. Dem Modell zufolge verspüren Lebewesen stets den Wunsch aktiv zu sein, streben aber gleichzeitig nach einer Reduzierung der Erregung. Sowohl in völlig neuartigen und nicht überschaubaren als auch in bekannten und einfach strukturierten Situationen wird der Organismus relativ stark aktiviert. Das Niveau der Aktivation ist somit abhängig vom Ausmaß der Reize. Eine sehr hohe oder niedrige Stimuluskomplexität bedingt ein zu großes Maß an Erregung. Daher streben Menschen ein mittleres Reizpotential an, welches zu einem niedrigen, am angenehmsten empfundenen, Aktivationsniveau führt (vgl. RUDOLPH 2003: 57f.).
In der Aktivationstheorie wird zwischen gerichtetem und diversivem Neugierverhalten unterschieden. Ersteres tritt auf, wenn bestimmte Reizqualitäten vorzufinden sind, die das Explorationsbedürfnis in gewissem Maße erregen. Hierbei darf die Diskrepanz zwischen altem und neuem Wissen weder zu groß noch zu klein sein, so dass eine optimale Inkongruenz-Diskrepanz zwischen Reizinput und vorhandenem Wissen entsteht. Einige wichtige Reizquellen sind u. a. Neuheit, Ungewissheit und Komplexität. Sie bewirken in der Person eine subjektive Unsicherheit, aus der kognitive Konflikte resultieren, die mittels Explorationsverhalten abgebaut werden können (vgl. EDELMANN 2000: 246).
Voraussetzung für diversives Neugierverhalten sind reizarme Situationen, in denen das Bedürfnis nach Sinneserfahrung, Stimulation und Abwechslung wächst. So verhindert z. B. das Blättern in Zeitschriften eine potenzielle Monotonie bei längeren Wartezeiten (vgl. EDELMANN 2000: 246f.).
Eine Situation wirkt in dem Fall optimal motivierend, wenn sie weder zu bekannt noch zu unbekannt ist. Für die Schule ergibt sich die Schlussfolgerung, dass der Lernstoff dem Prinzip der gemäßigten Neuheit (vgl. VON GRONE/PETERSEN: 2002: 65) entsprechen sollte. Eine optimale Motivation der Schüler entstünde dem gemäß, wenn der zu vermittelnde Inhalt sowohl neue als auch alte Aspekte beinhalten würde. Die Lernenden wären an ihnen unbekannten Themen interessiert und könnten sich bei bereits vermittelten Thematiken am Unterricht beteiligen. In der Realität mag die Umsetzung dieses Prinzips eher schwierig anmuten, da bei einer Klassenstärke von rund 25 Schülern sehr heterogenes Wissen vorhanden ist.
2.1.2.2 Anreizmotivation
Der theoretische Ansatz der Anreizmotivation beruht im Wesentlichen auf der Feldtheorie des Gestaltpsychologen Kurt Lewin aus dem Jahr 1963[4]. Das Konzept besagt, Verhalten sei weder allein durch Merkmale der Person (Instinkte, Triebe, Motivation) noch primär durch Merkmale der Situation zu erklären. Stattdessen wird Verhalten als Resultat einer Wechselbeziehung zwischen einer bestimmten Person und einer bestimmten Situation gesehen. In Lewins Theorie verbinden sich gleichermaßen behavioristische, psychodynamische und kognitive Komponenten (vgl. RUDOLPH 2003: 84f.).
Die Feldtheorie beruht auf der Annahme, Verhalten würde durch das zu einem gewissen Zeitpunkt existierendem Feld determiniert. Der Terminus Feld umfasst sowohl Bedingungsfaktoren der äußeren Situation (der Umgebung) als auch der inneren (der Person). Nach Lewin bestimmt der Aufforderungscharakter einer Situation das menschliche Handeln in erster Linie; stabile Persönlichkeitsdispositionen (Bedürfnisse) gehören zu den sekundären Komponenten. Eine Verknüpfung beider Aspekte ist dennoch unabdingbar. Zum Beispiel kann ein Problem oder eine unbearbeitete Aufgabe eine Spannung erzeugen, die erst durch die Lösung, die Bedürfnisbefriedigung abgebaut wird (vgl. EDELMANN 2000: 248f.).
Im Unterricht werden Schüler mit positiven und negativen Anreizen in Form von Lob und Tadel des Lehrers konfrontiert. Motivierend wirkt sich für die Lernenden die Erwartung aus, dass bestimmtes Verhalten gewisse Konsequenzen nach sich zieht; somit sind ihre Handlungen zweckorientiert. Die Anreize variieren nach ihrer Höhe und Wahrscheinlichkeit. Demnach ist die Motivation bei einem Schüler für eine Klausur zu lernen umso stärker, je größer die Belohnung für die gute Note bzw. je härter die Strafe bei einer schlechten Zensur ausfällt. Zudem muss der Schüler auch die Erwartung besitzen, die geforderte Leistung erbringen zu können. Bei dem Anfertigen der Hausaufgaben kann der Schüler nur dann sein Motiv „Erfolg erlangen“ erreichen und somit die innere Spannung abbauen, wenn er die Aufgaben eigenständig löst. Schreibt er hingegen von seinem Mitschüler ab, erreicht er dieses Ziel nicht (vgl. BOSSONG 1978: 23f.).
2.2 Leistungsmotivation
Im Schulalltag wird stets das Leistungsniveau überprüft. Beteiligt sich ein Schüler am Unterricht oder verbringt er die Stunde eher mit Träumereien; schreibt er in den Klausuren gute Note oder läuft er Gefahr, das Klassenziel nicht zu erreichen? Da die Leistungsmotivation für die Schule unabkömmlich ist, sollen im Folgenden der Begriff erläutert und zur Vertiefung drei Theorien vorgestellt werden: Atkinsons Risiko-Wahl-Modell, Weiners Attributionstheorie und Heckhausens Selbstbewertungsmodell.
Heckhausen definiert Leistungsmotivation als „das Bestreben, die eigene Tüchtigkeit in all jenen Tätigkeiten zu steigern oder möglichst hoch zu halten, in denen man einen Gütemaßstab für verbindlich hält, und deren Ausführung deshalb gelingen oder mißlingen kann“ (HECKHAUSEN 1965: 604, zitiert nach Rheinberg 2000: 62). Die Definition impliziert, dass man nur bei einer für sich selbst anspruchsvollen Handlung von einer Leistung sprechen kann. Die Tätigkeit führt nicht automatisch zum Erfolg, auch ein Misserfolg ist denkbar. In der Motivationspsychologie wird das Schema als Handlungs-Ergebnis-Erwartung bezeichnet.
Abb. 2: Handlungs-Ergebnis-Erwartung bei Leistungsmotivation
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: VON GRONE/PETERSEN 2002: 26
Das menschliche Bedürfnis, anspruchsvolle Handlungen auszuführen und dabei eigene Grenzen zu erfahren, wird als Leistungsmotiv beschrieben, die aus diesem Bestreben resultierende Tätigkeit in einer bestimmten Situation als Leistungsmotivation. Weder die Handlung noch das Ergebnis stellt für sich allein genommen einen besonderen Anreiz dar, auch weitere Konsequenzen (Lob/Tadel) sind irrelevant. Der leistungsbereiten Person geht es einzig um das Erreichen des selbst gesetzten Ziels und dem damit verbundenen Wunsch, Erfolg zu erlangen.
2.2.1 Atkinsons Risiko-Wahl-Modell
John Atkinson erweiterte 1957/58 den Terminus Leistungsmotiv, indem er die „Leistungsmotivation als Ergebnis eines Konfliktes zwischen Annäherungs- und Vermeidungstendenzen“ (EDELMANN 2000: 253) definierte. Die Entscheidung, ob eine Person eine leistungsbedingte Situationen aufsucht oder meidet, wird beeinflusst von einer „Hoffnung auf Erfolg“ mit dem nachfolgenden Gefühl des Stolzes bzw. von einer „Furcht vor Misserfolg“ mit dem damit verbundenem Empfinden von Scham. Nur wenn die Erfolgszuversicht größer ist als die Misserfolgsfurcht, wird man sich zu einem leistungsmotiviertem Handeln entscheiden (vgl. RUDOLPH 2003: 124f.). Die Vorsätze einer Person, bestimmte Anforderungen mit Bravour zu bestehen, werden als Anspruchsniveau bezeichnet. Darunter versteht man „den für ein Individuum charakteristischen Gütegrad, bezogen auf die erreichte Leistungsfähigkeit, der für die Selbstbewertung eines erzielten Handlungsresultats entscheidend ist“ (BECKMANN/HECKHAUSEN 2006: 128).
Je einfacher eine Aufgabe ist, desto leichter erfolgt ihre Bearbeitung, aber desto geringer fällt auch der Anreiz eines möglichen Erfolges aus. Je mehr Anspruch sie besitzt, desto schwieriger ist zwar ihre Lösung, aber desto größer auch der Anreiz des Erfolges. Aus leistungsmotivationaler Sicht bieten mittelschwere Aufgaben das beste Anspruchsniveau, da die Wahrscheinlichkeit eines Erfolges groß, aber ein Misserfolg nicht ausgeschlossen ist (vgl. VON GRONE/PETERSEN 2002: 32f.).
Erfolgszuversicht bzw. Misserfolgsfurcht sind intrinsische Komponenten der Motivation, d. h. man ist von Innen heraus motiviert. Erfolgt eine Verknüpfung mit extrinsischen Aspekten, z. B. in Form einer positiven oder negativen Verstärkung (Belohnung/Strafe), kann auch bei niedrig leistungsmotivierten Menschen ein insgesamt mittleres bis hohes Maß an Anstrengung und Ausdauer beim Leistungshandeln auftreten. Die Leistungsmotivation lässt sich durch eine Formel visualisieren, die eine intrinsische mit einer extrinsischen Komponente kombiniert.
Abb. 3: Komponenten der Leistungsmotivation
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: EDELMANN 2000: 254
Leistungsmotivation ist das Vermögen, Erfolg durch internale Faktoren, insbesondere durch Anstrengung, zu erzielen. Für den Unterricht folgt daraus die Konsequenz, die Schüler vorwiegend intrinsisch zu motivieren. Eine Voraussetzung hierfür lautet, dass sie bei ihren Aktivitäten häufig Erfolge erzielen. Insbesondere bei niedrig leistungsmotivierten Schülern erhöht Erfolg die Leistung, während Misserfolg ihre Leistungsbemühungen mindert. Lernende mit hoher Leistungsmotivation erleben dagegen einen Misserfolg oftmals als zusätzlichen Anreiz, ihre Bemühungen noch zu steigern (vgl. EDELMANN 2000: 254).
2.2.2 Die Attributionstheorie nach Weiner
Wie sich Erfolg oder Misserfolg auswirken, hängt entscheidend davon ab, welche Ursachen man der eigenen Leistung zuschreibt. Ist die mangelnde Fähigkeit verantwortlich für das schlechte Ergebnis, wird der Misserfolg andere Konsequenzen nach sich ziehen, als wenn Pech oder eine schwierige Aufgabenstellung als Ursachen angesehen werden. Menschen haben das Bedürfnis, ihre Leistung auf bestimmte Bedingungen zu beziehen. Mit Hilfe von Attributionstheorien (Attribution = Zuschreibung) versucht man, „die Fülle möglicher Ursachenzuschreibungen, auf die sich eine eng umrissene Klasse an Ereignissen zurückführen lässt, zu systematisieren“ (VON GRONE/PETERSEN 2002: 40). Neben Fritz Heiders Naiver Handlungsanalyse [5] (1958) und Julian Rotters „locus-of-control“-Ansatz [6] (1966) ist vor allem Bernhard Weiners Modell (1972) von Bedeutung.
Nach Weiner schreibt man der Ursache für Erfolg oder Misserfolg entweder internale (in der Person liegende) oder externale (in der Situation liegende) Gründe zu. Sowohl bei der internalen als auch bei der externalen Attribution können die Gründe stabil, also zeitlich überdauernd, oder variabel, innerhalb einer Zeitspanne veränderbar, sein. Eine dritte Komponente bildet die Kontrollierbarkeit. Diese besagt, inwieweit man selbst glaubt, Einfluss auf eine Ursache ausüben zu können (vgl. RUDOLPH 2003: 170f.).
Schreibt man Erfolg und Misserfolg internalen Faktoren zu, empfindet man Emotionen wie Freude und Stolz bzw. Ärger und Scham. Diese attributionsabhängigen Gefühle zeigen, dass man sich selbst für seine Leistung verantwortlich fühlt und daher auch in Zukunft motiviert sein wird, Erfolge zu erzielen und Misserfolge zu vermeiden. Beruhen die erbrachten Ergebnisse auf externalen Ursachen, übt sich die Attributionszuschreibung motivationsmindernd aus (vgl. SCHLAG 1995: 81). Trotz der schematischen Darstellung ist Weiners Modell flexibel, da die Attribution stets von der Interpretation der jeweiligen Peron abhängt. Die Auffassung, dass „Glück“ variabel und unkontrollierbar ist, kann bei einem Menschen mit andauernder Glückssträhne ganz anders ausfallen. Er würde das Glück als stabile Konstante empfinden (vgl. VON GRONE/PETERSEN 2002: 43).
Tab. 1: Dreidimensionale Taxonomie der wahrgenommenen Ursachen von Erfolg und
Misserfolg
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: VON GRONE/PETERSEN 2002: 43
In der pädagogischen Praxis wirkt sich eine häufige Attribution von Erfolg und Misserfolg auf ausreichende bzw. mangelnde Anstrengung am motivationsförderndsten aus. Wenn der Schüler weiß, dass er die gute Note in der Klausur seinem intensiven Lernen und nicht dem Glück oder Zufall verdankt bzw. die schlechte Zensur auf seiner Faulheit und nicht auf mangelnden Fähigkeiten beruht, wird er auch in Zukunft motiviertes Verhalten zeigen. Dennoch ist in gewissen Situationen eine externale Attribution ehrlicher und realistischer und darf daher nicht ausgeschlossen werden, zumal es unabdingbar ist, dass Schüler lernen, mit ihren Misserfolgen umzugehen (vgl. EDELMANN 2000: 255).
2.2.3 Heckhausens Selbstbewertungsmodell
1972 konzipierte Heinz Heckhausen das Selbstbewertungsmodell der Leistungsmotivation, welches die gesicherten Erkenntnisse der klassischen Motivationspsychologie mit dem neuen Wissen über die kognitiven Prozesse bei der Ursachenzuschreibung zusammenfasst. Der Vorteil seiner Theorie basiert auf der Option, Verhaltensunterschiede sowie zukünftiges stabiles Leistungsverhalten voraussagen zu können.
Heckhausen erweitert in seinem Modell das Motivverständnis von dem bedürfnisähnlichen, konstanten Persönlichkeitsmerkmal hin zu einem flexiblen System, das aus drei Komponenten besteht: dem Anspruchsniveau (Vergleich des möglichen Ziels mit einem Standard), den Kausalattributionen (Ursachenerklärung von Erfolg und Misserfolg) und der Selbstbewertung (Zufriedenheit/Unzufriedenheit mit dem Resultat). Zwischen diesen Teilprozessen besteht ein enges Korrelationsverhältnis (vgl. RHEINBERG 2000: 84f.).
Tab. 2: Selbstbewertungsmodell der Leistungsmotivation
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: RHEINBERG 2000: 86
Erfolgszuversichtliche Personen wird aufgrund ihrer wirklichkeitsnahen Zielsetzung der Zusammenhang zwischen Bemühung und Handlungsergebnis eher ersichtlich. Daher bemerken sie, dass intensives Üben die eigene Leistungsfähigkeit erhöhen kann. Infolgedessen entsteht eine positive Selbstbewertungsbilanz. „Diese Asymmetrie der Selbstbekräftigung […] macht Leistungssituationen insgesamt eher anziehend und legt nahe, die eigene Tüchtigkeit an realistischen Anforderungen zu erproben, was die […] geschilderten erfolgszuversichtlichen Besonderheiten der Kausalattribution und Selbstbekräftigung weiter stabilisiert“ (RHEINBERG 2000: 85). Solch ein positiver Kreislauf existiert hingegen bei Misserfolgsmeidenden nicht; das Gegenteil ist stattdessen der Fall. Erfolg wird auf Glück und nicht auf Können attribuiert, Misserfolg auf Pech oder mangelnde Fähigkeit. Das Selbstwertgefühl wird dementsprechend nachhaltig belastet, so dass die Selbstbekräftigungsbilanz negativ ausfällt. Das Erklärungsmuster vermittelt misserfolgsorientierten Personen das Gefühl, trotz vorhandener Fähigkeiten keine Erfolge erzielen zu können, auch wenn diese genauso häufig auftreten wie Misserfolge (vgl. RHEINBERG 2000: 84f.).
In Hinblick auf das Selbstbewertungsmodell müssen Lehrkräfte die Intention haben, die Kausalattribution der Schüler positiv zu beeinflussen, damit sie ihre Leistungen realistisch einschätzen können. Misserfolgsmeidende Schüler dürfen nicht in ihrer Form der Attributionszuschreibung unterstützt werden. Vielmehr müssen sie lernen, gute Noten auf ihre eigenen Bemühungen zurückzuführen und schlechte Zensuren durch mangelnden Lerneifer zu erklären[7].
Im Selbstbewertungsmodell ist der vorläufige Endpunkt der Theoriebildung zur Leistungsmotivation zu sehen. Neue Konzeptionen zur Motivation in Leistungssituationen widerrufen das Modell nicht; stattdessen erfährt es Unterstützung oder wird wie im Fall des Erweiterten Kognitiven Motivationsmodells in ein übergreifendes Konzept integriert[8].
2.3 Ausblick
Das Kapitel über Motivationspsychologie wird durch den weiteren Verlauf der Arbeit begründet. Um den Einfluss von Zensuren auf die Schülermotivation erfassen zu können, ist ein theoretisches Vorwissen notwendig. Die behavioristischen und kognitiven Konzepte beinhalten Grundlagen für die Diskussion hinsichtlich des extrinsischen Charakters von Leistungsbeurteilungen. Noten gelten als externale Verstärkungsmechanismen, welche die intrinsische Lernmotivation von Schülern korrumpieren können[9].
Die vorgestellten leistungsmotivationalen Modelle sind besonders relevant, weil sie die traditionelle Anspruchsniveau- und Leistungsmotivationsforschung durch Einbeziehung internaler und externaler Kausalattribuierungen im Lernprozess praxisnah ergänzen. Sie liefern zum einen die Basis für Kapitel 5.2, in welchem der Zusammenhang zwischen Leistungsbeurteilung und Ursachenzuschreibung ausführlich erörtert wird. Zum anderen nehmen sie in der Untersuchung des Einflusses von Noten eine herausragende Stellung ein[10]. Um eine transparente Analyse zu gewährleisten, ist die Kenntnis über Konzepte der Leistungsmotivation unabdingbar.
3. Die Bedeutung der Motivation für Lernprozesse
Die von einem Schüler erbrachten Leistungen im Unterricht besitzen sowohl für den schulischen als auch für den sozialen Bereich eine große Relevanz. Schreibt er gute Noten, ist er beliebt bei den Lehrern, erfährt Lob von seinen Eltern und besitzt die reale Chance, eine Lehrstelle oder einen Studienplatz zu erhalten. Ob ein Schüler sich für die Schule anstrengt, sich im Unterricht beteiligt, seine Hausaufgaben gewissenhaft anfertigt und für Klausuren lernt, wird zum großen Teil von seiner Motivation bestimmt. Um kausale Zusammenhänge zwischen der Zensurengebung und der Lernmotivation aufzuzeigen, muss zunächst der Stellenwert der Motivation für das Lernen geklärt werden.
3.1 Lernmotivation
Heckhausen versteht unter Lernmotivation die aktuelle Bereitschaft einer Person, ihre motorischen, kognitiven und sensorischen Funktionen in einer durch schulische Ansprüche vorstrukturierten Lernsituation darauf auszurichten, dass ein gegebenes Lernziel erreicht wird (vgl. KNÖRZER 1976: 139). Es werden also jene Strukturen mit dem Terminus Lernmotivation umschrieben, welche sich auf Lernprozesse beziehen (vgl. KRAPP 1993: 188).
Lernmotivation in der Schule darf nicht als stabile Persönlichkeitsdisposition der Schüler verstanden werden; vielmehr basiert sie auf einem Wechselspiel zwischen Schülermotiven und der spezifischen oder allgemeinen Anregung in Unterrichtssituationen. Zudem ist das Anpassen des Lehrstoffes an das Vorwissen der Schüler wichtig, damit jene sich am Unterricht beteiligen können und nicht dem Gefühl der Unter- oder Überforderung ausgesetzt sind[11]. Neben dem Leistungsmotiv wird die Lernmotivation im schulischen Kontext auch durch andere Motive, z. B. Neugier- und Sozialmotive, und deren situative Anreize beeinflusst[12] (vgl. WEISSBRODT 2000: 222).
3.1.1 Das Erweiterte Kognitive Motivationsmodell
Heinz Heckhausen und Falko Rheinberg entwickelten 1980 basierend auf früheren kognitiven Motivationstheorien ein Konzept, das der Beschreibung und Erklärung von Lernmotivation im Unterricht dienlich ist. Hierbei handelt es sich um das Erweiterte Kognitive Motivationsmodell, das sich auf leistungsthematische Komponenten der Motivation beschränkt und daher primär Einschätzungen berücksichtigt, die für den möglichen Erfolg bzw. Misserfolg einer Lernhandlung wichtig sind (vgl. KRAPP 1993: 195). Vor allem die Handlungs-Ergebnis-Erwartung spielt bei dem Konzept eine zentrale Rolle. Sie bezieht sich auf die subjektive Überzeugung, ein bestimmtes Ergebnis durch die eigene Handlung herbeiführen zu können[13].
Abb. 4: Erweitertes Kognitives Motivationsmodell
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: HECKHAUSEN/RHEINBERG 1980: 16
Das Modell stellt die Abfolge einer Handlungseinheit in ihren vier Komponenten (Situation, Handlung, Ergebnis und Folgen) dar. Aufgrund drei divergierender Erwartungshaltungen ergeben sich aus den vier Stationen einer Handlungsepisode verschiedene Verknüpfungen: Situations-Ergebnis-Erwartung (S → E), Handlungs-Ergebnis-Erwartung (H → E) und Ergebnis-Folge-Erwartung (E → F).
Die Situations-Ergebnis-Erwartung gibt Aufschluss darüber, wie sich eine Situation vermutlich entwickelt, wenn der Handelnde nichts unternimmt. Angenommen ein Schüler zeigt im Fach Mathematik hervorragende Leistungen und schreibt in seinen Klassenarbeiten auch ohne vorheriges Lernen gute Noten. Die Ausgangssituation bedingt somit bereits das Ergebnis; die Handlung „Mathe üben“ kann übersprungen werden. Daraus resultiert eine sehr geringe Motivation des Schülers, sich auf die Klausur vorzubereiten.
In der Handlungs-Ergebnis-Erwartung wird das Ergebnis nicht automatisch durch die Situation bedingt; vielmehr stellt sich die Frage, ob man durch die eigene Handlung das Ergebnis beeinflussen kann. Wüsste der Schüler, dass eine intensive Vorbereitung seine Leistung in der Mathearbeit verbessern würde, wäre seine Motivation zu handeln groß. Schätzt er hingegen seine Fähigkeiten in dem Fach als so gering ein, dass auch gründliches Lernen keine gute Zensur hervorbrächte, ist seine Motivation auf ein Minimum reduziert.
Schließlich ist noch die Ergebnis-Folge-Erwartung relevant, da sie sich mit der Frage beschäftigt, inwieweit eine Person erwartet, dass ein aus der Handlung resultierendes Ergebnis die angestrebten Folgen nach sich zieht. So kann die Option einer wegen mangelnder Vorbereitung schlechten Zensur in einer Klassenarbeit eine Reihe verschieden bewerteter Folgen besitzen. Die Betroffenheit der Eltern über die ungenügende Leistung mag den Schüler nicht weiter interessieren; stattdessen ist ihm die Anerkennung seiner Freunde, nicht als Streber zu gelten, wichtig.
Die Handlungsmotivation ergibt sich nach Heckhausen und Rheinberg aus einer bestimmten Konstellation aus Erwartungen und Anreizen (Werten). Nur wenn sowohl eine positive Erwartungshaltung vorliegt als auch angenehme Anreize von den Folgen oder der Tätigkeit ausgehen, ist eine Person zum Handeln motiviert. Die Verknüpfung zwischen Erwartungen und Werten ist multiplikativ, daher kann das beschriebene Konzept auch als Erwartungs-x-Wert-Modell bezeichnet werden (vgl. HECKHAUSEN/RHEINBERG 1980: 15ff.).
3.2 Förderung der Lernmotivation durch Leistungsmotivation
In Hinblick auf Motivationsförderung, Schulleistung und Bewertungsmaßstäbe werden sowohl die Lern- als auch die Leistungsmotivation von der Schulpädagogik ausführlich untersucht und diskutiert. Erfolgszuversicht soll gestärkt, Misserfolgsangst abgebaut, die Leistungsbereitschaft optimiert, die kognitive Attributionszuschreibung und die Selbstbewertung der Schüler verbessert werden. Im Vordergrund steht die Beschreibung von Motiven und situativen Anregungs- und Anreizbedingungen, die in Wechselwirkung mit dem individuellen Leistungsmotiv geeignet sein sollen, die Variabilität leistungsorientierten Verhaltens zu erklären (vgl. WEINERT 1980: 4).
Weil in fast allen Schulsituationen eine Auseinandersetzung mit einem Gütemaßstab erfolgt, steht die Leistungsmotivation im Mittelpunkt des Interesses. Eine hohe und erfolgsorientierte Leistungsmotivation im Unterricht entsteht durch den Lehrer, indem er darauf achtet, anspruchsvolle Aufgaben zu erteilen und gleichzeitig ein ermutigendes und angenehmes Lernklima zu schaffen. Eine Unterrichtsstunde könnte dem gemäß so konzipiert sein, dass zu Beginn ein interessantes, intrinsisch motiviertes Problem steht, das durch die Vorkenntnisse der Schüler, dem Einbeziehen von Arbeitsmaterialien sowie der Hilfe des Lehrers gelöst werden kann (vgl. HERBER 1979: 66). Die Schüler empfinden eine derartige Lernhandlung als Erfolgserlebnis. Sie haben die Möglichkeit, sich zu beteiligen und ihr Wissen einzubringen. Somit erfolgt die Förderung ihrer Anstrengungsbereitschaft, die durch eine konstante Kausalattribution ergänzt wird. Wenn ein Schüler ein Erfolgserlebnis aufgrund persönlicher Bemühungen erzielt, schlussfolgert er, dass nur beständige Anstrengungen den Erfolg halten können. Demnach resultiert daraus sein optimistisch-erfolgsorientiertes und effektives Handeln (vgl. HERBER 1979: 68).
Trotz des hohen Stellenwertes der Leistungsmotivation für Lernprozesse, darf die Bedeutung anderer Motive nicht unberücksichtigt bleiben. Das Leistungsmotiv ist nur ein Aspekt der Motivation, der zum Lernen anregt. Die Fokussierung der Lernforschung auf leistungsmotivationale Phänomene wurde aufgehoben. „Erklärungen von Lernmotivation sind heute nicht mehr auf eine Erklärung leistungsbezogener Bestandteile solcher Motivation reduziert“ (PEKRUN 1993: 72). Das lernmotivationale Konzept wurde neu durchdacht und erweitert, so dass eine differenzierte Sichtweise entstanden ist, die insbesondere intrinsische Motivationsprozesse in den Vordergrund rückt.
3.3 Intrinsische Lernmotivation
Mit der Entdeckung der intrinsischen Motivation für den Bereich des Lernens ist eine psychologiehistorische Wende verbunden, da von nun an das menschliche Verhalten nicht mehr allein durch Triebe und externe Stimulusbedingungen erklärbar war. Zudem rückte mit dem Begriff eine Motivationsform in den Vordergrund, die als überwiegend positiv und wünschenswert erschien. In Zusammenhang mit der intrinsischen Motivation entstanden Theorien, die aufgrund ihrer neuartigen Sichtweise als innovativ bezeichnet werden können. Hierzu zählt u. a. die Selbstbestimmungstheorie von Edward Deci und Richard Ryan (vgl. SCHIEFELE/STREBLOW 2005: 39f.), die im Folgenden unter Bezugnahme der Zensurengebung betrachtet werden soll. Zunächst dient aber an dieser Stelle eine Charakterisierung intrinsischer Motivation und deren Effekte für das Lernen als Einleitung.
3.3.1 Zum Begriff der intrinsischen Motivation
Motivation ist eine zentrale Voraussetzung für Lernprozesse. Allerdings ist nicht nur die Stärke ihrer Ausprägung relevant, sondern vielmehr der Motivationstyp (vgl. CSIKSZENTMIHALYI/SCHIEFELE 1993: 207). Zu differenzieren ist zwischen extrinsischen und intrinsischen Motivationsformen. Von extrinsischer Motivation spricht man, wenn eine Tätigkeit er-bracht wird, die positive Folgen herbeiführen oder negative vermeiden soll (vgl. SCHIEFEELE/SCHREYER 1994: 1f.). Bei einer Handlung, die aufgrund intrinsischer Motivation vollzogen wird, liegen die Gründe der Durchführung im Bereich der Handlung selbst, weil sie als interessant oder spannend erlebt wird. Neben dem Begriff intrinsisch finden sich in der Fachliteratur die Bezeichnungen autotelisch, sachbezogen oder autonom (vgl. HECKHAUSEN/RHEINBERG 1980: 20). Csikszentmihalyi verwendet den Terminus autotelisch, um auf die Spontaneität dieser Art „freudvollen Tuns“ (DECI/RYAN 1993: 225) hinzuweisen. Neben dieser Eigenschaft sind auch die Kennzeichen Neugier, Exploration und Interesse an den unmittelbaren Gegebenheiten der Umwelt bezeichnend für die intrinsische Motivation.
Neben der allgemeinen Definition sind nach Schiefele und Schreyer noch weitere Unterteilungen möglich. Intrinsische Lernmotivation kann zum einen als aktueller Zustand, zum anderen als stabile Persönlichkeitsdisposition verstanden werden. Eine weitere Differenzierung betrifft die Aspekte einer Handlung, die als intrinsisch belohnend wirken. Eine Person kann sowohl durch die mit einer Tätigkeit verbundene Aktivität (z. B. das Lesen eines Buches) als auch durch die Eigenschaften des Gegenstandes der Handlung (z. B. das Thema des Buches, welches Interesse weckt) motiviert sein. Diese zwei Arten der intrinsischen Motivation werden als tätigkeits- bzw. gegenstandszentriert bezeichnet (vgl. SCHIEFELE/SCHREYER 1994: 2).
3.3.2 Intrinsische Motivation im Lernumfeld
Die Vorteile der intrinsischen Lernmotivation hinsichtlich des Schulbereiches finden vielfach in der Literatur Erwähnung. Hierbei werden verstärkt die Effekte auf Lernen und Leistung diskutiert. Jüngere Studien zu intrinsischer und extrinsischer Lernmotivation zeigten, dass erstere Motivationsform mit positiveren Folgen korreliert. Diese beeinflussen u. a. emotionales Erleben, Selbstwertgefühl, Bewältigungsverhalten nach Misserfolgen und Ergebnisse von Lernprozessen. Insofern ist es nicht weiter verwunderlich, dass zahlreiche Autoren[14] die intrinsische Lernmotivation als pädagogisch wünschenswert erachten und Methoden anstreben, welche diese Form der Motivation im Unterricht unterstützen (vgl. SCHIEFELE/SCHREYER 1994: 1).
Schiefele und Schreyer haben diesbezüglich verschiedene Erhebungen untersucht und drei Hauptbefunde festgehalten (vgl. SCHIEFELE/SCHREYER 1994: 4ff.):
- Intrinsische Motivation beeinflusst bzw. fördert weitgehend unabhängig von kognitiven Fähigkeiten das Lernvermögen
- Intrinsische und extrinsische Motivationsformen unterscheiden sich hinsichtlich der Intensität des Lernens. Im ersten Fall bleiben die Lerneffekte länger bestehen
- Intrinsische Lernmotivation weist eine signifikante Wechselbeziehung mit dem Verwenden intensiver Lernstrategien auf, d. h. intrinsisch motivierte Personen benutzen weniger oberflächliche als vielmehr tiefergehende Lernstrategien.
Die Erkenntnisse über positive Auswirkungen intrinsischer Motivation auf menschliche Lernprozesse führten in den letzten Jahren zur Bildung vieler einzelner Forschungsgebiete innerhalb des Spektrums dieser Motivationsform. Bedeutende Stellvertreter einer intrinsischen Motivationskonzeption sind Deci und Ryan, welche mit ihrer Selbstbestimmungstheorie ein Basismodell geschaffen haben.
3.4 Die Selbstbestimmungstheorie nach Deci und Ryan
In Zusammenhang mit der Kritik an behavioristischen Verhaltenstheorien begann in den 1950er Jahren die Entwicklung von intrinsischen Motivationstheorien. Bekannte Behavioristen vertraten die Ansicht, dass menschliches Verhalten entweder auf primäre Triebe oder auf externe Verstärkungen zurückzuführen sei[15]. Weitergeführte Konzeptionen mündeten in Modellen über das Explorations- bzw. Neugierverhalten, die auf der Annahme beruhen, Organismen verfügten über innewohnende Motivationsquellen[16]. Dennoch konnte das Auftreten explorativen Verhaltens nicht ausreichend erklärt werden, in dessen Folge schließlich neue Konzepte entwickelt wurden (vgl. SCHIEFELE/STREBLOW 2005: 41f.).
Zu diesen innovativen Modellen zählt auch die Selbstbestimmungstheorie (1985) von Deci und Ryan. Den beiden Wissenschaftlern gelang es, die bisherigen Ansätze zur intrinsischen Motivation in eine umfassendere Theorie zu integrieren. Ihr zentrales Anliegen war die Analyse motivationaler Faktoren im Prozess der Persönlichkeitsentwicklung (vgl. KRAPP 1993: 200). Demnach können die Ursachen motivierten Handelns nicht allein durch Intentionen, Erwartungen oder Selbsteinschätzungen bestimmt werden. Als entscheidender Motivationsfaktor wird vielmehr die subjektiv erlebte Autonomie des Einzelnen gesehen (vgl. DECI/RYAN 1993: 223ff.).
Bei der Suche nach den Antriebsgründen menschlichen Handelns differenziert die Motivationsforschung zwischen drei Arten: Physiologische Bedürfnisse/Triebe, Emotionen und psychologische Bedürfnisse. Deci und Ryan vertreten die Ansicht, Verhalten sei zwar auf alle drei Arten motivationaler Handlungsenergie angewiesen, aber insbesondere die psychologischen Bedürfnisse wären von Bedeutung, da sie großen Einfluss auf die autonome Steuerung der Emotionen und Triebe besäßen. Die Selbstbestimmungstheorie betont hierbei vor allem drei Voraussetzungen: das Bedürfnis nach Autonomie/Selbstbestimmung, Kompetenz und sozialer Eingebundenheit (vgl. DECI/RYAN 1993: 229).
Bei diesen Bedürfnissen handelt es sich um angeborene Determinanten, d. h. „der Mensch [hat] die angeborene motivationale Tendenz […], sich mit anderen Personen in einem sozialen Milieu verbunden zu fühlen, in diesem Milieu effektiv zu wirken […] und sich dabei persönlich autonom und initiativ zu erfahren“ (DECI/RYAN 1993: 229). Dies impliziert, dass Menschen nur Handlungen vornehmen, um auf diese Weise ihre angeborenen Bedürfnisse befriedigen zu können.
Die Selbstbestimmungstheorie basiert auf dem Konzept der Intentionalität, welches besagt, eine Person sei nur unter der Voraussetzung, etwas erreichen zu wollen, motiviert. Motivation ist einerseits aufgrund des Ausmaßes ihrer Stärke und andererseits bezüglich der qualitativen Ausprägung des motivationalen Handelns unterschiedlich zu betrachten. Hierbei spielen die Aspekte Autonomie und Kontrollierbarkeit eine entscheidende Rolle. Eine Person handelt autonom, wenn sie ihre Handlung aufgrund des eigenen Wunsches vollzieht. Ist der Anlass der Handlung jedoch external, durch Außenstehende oder interpsychische Zwänge veranlasst, fühlt sich die Person kontrolliert und zum Handeln gezwungen. Autonome Handlungen werden grundsätzlich durch intrinsische Motivation begleitet. Der daraus resultierende Umkehrschluss, kontrolliertes Verhalten könne nur extrinsisch motiviert erlebt werden, ist jedoch nur unter Vorbehalt gültig. Auch nicht-selbstbestimmtes Handeln kann unter Umständen zu intrinsischer Motivation führen (vgl. DECI/RYAN 1993: 224f.).
Deci und Ryan haben den bis dato postulierten Antagonismus „intrinsische versus extrinsische Motivation“ überarbeitet und kamen zu dem Schluss, dass auch extrinsisch motivierte Handlungen selbstbestimmt sein können. Voraussetzung dafür sind zwei Prozesse, die ein solches Verhalten in selbstbestimmtes Handeln überführen können: „Internalisation ist der [erste] Prozeß, durch den externale Werte in die internalen Regulationsprozesse einer Person übernommen werden. Integration ist der weitergehende Prozeß, der die internalisierten Werte und Regulationsprinzipien dem individuellen Selbst eingliedert“ (DECI/RYAN 1993: 227). Um eine Handlung, die zunächst extrinsisch motiviert war, autonom zu erleben, muss der Mensch die Normen und Werte seiner sozialen Umwelt akzeptieren und internalisieren. Nur unter dieser Bedingung fühlt er sich in seine Außenwelt integriert und mit ihr verbunden, so dass intrinsisch motiviertes Handeln vollzogen werden kann.
Stellt man einen Zusammenhang zwischen Selbstbestimmungstheorie und Schulalltag her, wird deutlich, dass Schüler besonders von intrinsisch und selbstbestimmt extrinsisch motiviertem Lernverhalten profitieren. Die daraus folgende Konsequenz wäre ein autonomieunterstützendes Lehrerverhalten, welches das Lernen der Schüler fördert. Vielfache Studien demonstrieren die positiven Auswirkungen intrinsischer Motivation. Die Schüler zeigen bessere Leistungen, beschreiben sich als kompetenter, empfinden mehr positive Emotionen und verfügen über ein ausgeprägteres Selbstwertgefühl[17] (vgl. SCHIEFELE/STREBLOW 2005: 51).
3.5 Ausblick
Das Erweitere Kognitive Motivationsmodell ist für die Auswertung der Studie in Kapitel 7 relevant. Einige der befragten Schüler besitzen Auffassungen hinsichtlich ihrer Verbesserungsmotivation und Anstrengungsbereitschaft, die sich nur anhand des von Rheinberg und Heckhausen konzipierten Konstrukts erklären lassen. Ihre Angaben entsprechen nicht der allgemeinen Erwartungshaltung und rufen Verwunderung hervor.
Die Definition der intrinsischen Lernmotivation beinhaltet sowohl eine Begriffsklärung als auch die Basis für den Antagonismus „intrinsische versus extrinsische Motivation“ und den damit verbundenen Einflüssen auf den Lerneifer von Schülern. Um die Auswirkung von Leistungsbeurteilungen zu erfassen, muss auf die externale Komponente von Noten hingewiesen werden.
Kapitel 5.1 beschäftigt sich mit der Zensurengebung in Hinblick auf die Selbstbestimmungstheorie; insofern war die ausführliche Erläuterung des von Deci und Ryan entwickelten Konzepts von Bedeutung. Noten sind externe Motivationsmittel, die im günstigsten Fall zu integriert extrinsisch motiviertem Lernen führen können. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, nach alternativen Beurteilungsformen zu suchen, welche die Bedürfnisse nach Kompetenz und Selbstbestimmung fördern[18].
[...]
[1] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in der vorliegenden Arbeit nur die männliche Form benutzt, wenn beide Geschlechter gemeint sind. Gleiches gilt für den Terminus Lehrer.
2 Eine ausführliche Darstellung von Skinners Konzept findet sich bei RUDOLPH 2003: 63-81.
[2] Gelegentlich werden auch die Begriffe Antwortverhalten und Wirkverhalten verwendet.
[3] Vgl. Kap. 5.3: Der Korrumpierungseffekt von Zensuren.
[4] Eine ausführliche Darstellung von Lewins Theorie findet sich bei BECKMANN/HECKHAUSEN 2006: 107-125.
[5] Eine ausführliche Darstellung bietet RUDOLPH 2003: 144-166.
[6] Zur Vertiefung siehe VON GRONE/PETERSEN 2002: 40-42.
[7] Vgl. Kap. 5.2: Noten und ihre Attributionszuschreibung.
[8] Vgl. Kap. 3.1.1.
[9] Vgl. Kap. 5.3 und 5.4.
[10] Vgl. Kap. 7.5.4.
[11] Vgl. Kap. 2.1.2.1: Prinzip der gemäßigten Neuheit.
[12] Das Zusammenwirken der für die Lernmotivation verantwortlichen Motivationsarten hat Heckhausen 1968 in einer Formel dargestellt, die in seinem Artikel Förderung der Lernmotivation veröffentlicht wurde (vgl. SÜSSENBACHER 1979: 37ff.).
[13] Vgl. Kap. 2.2: Abb. 2: Handlungs-Ergebnis-Erwartung bei Leistungsmotivation.
[14] Hier sind z. B. Heckhausen und Rheinberg zu nennen.
[15] Vgl. Kap. 2.1.1: Behavioristische Lern- und Verhaltenstheorien.
[16] Vgl. Kap. 2.1.2.1: Neugiermotivation.
[17] Vgl. Kap. 3.3.2: Intrinsische Motivation im Lernumfeld.
[18] Vgl. Kap. 6: Alternative Beurteilungsformen.
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