Die Bedeutung der Fernsehnutzung für ältere Menschen


Examination Thesis, 2005

29 Pages, Grade: 2,0


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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Grundlagen der Forschung zur Lebensphase „Alter“
2.1 Überblick über die wichtigsten Veröffentlichungen
2.2 Konzepte des Alterns
2.3 Veränderungstheorien des Alterns
2.3.1 Biologische Alternstheorien
2.3.2 Theorie des „Disablement Process“
2.3.3 Disengagement-Theorie
2.3.4 Substitutions-Theorie
2.3.5 „Social Breakdown“-Ansatz
2.3.6 Sozio-emotionale Selektivitätstheorie
2.3.7 Theorie der Selektiven Optimierung und Kompensation
2.4 Kontinuitätstheorien des Alterns
2.4.1 Aktivitätstheorie
2.4.2 Kontinuitätstheorie

3 Empirische Befunde zum Fernsehnutzungsverhalten von Älteren
3.1 Ausstattung der Haushalte mit einem Fernsehgerät
3.2 Bewertung der Glaubwürdigkeit des Fernsehens
3.3 Fernsehen im Tagesverlauf
3.4 Mediennutzung im Kohortenvergleich
3.5 Programmwahl der älteren Zuschauer
3.5.1 Programmpräferenzen
3.5.2 Sendungspräferenzen
3.6 Festlegung von Nutzertypologien durch die Forschung

4 Anhaltspunkte zur Bedeutung des Fernsehens im Alter
4.1 Subjektive Wichtigkeit des Fernsehens für das betrachtete Publikum
4.2 Nutzungsmotive und Funktionszuweisungen an das Fernsehen
4.2.1 Informationsfunktion
4.2.2 Integrationsfunktion
4.2.3 Unterhaltungs- und Entspannungsfunktion
4.2.4 Fernsehen als Ersatz
4.2.5 Funktion der Zeitstrukturierung
4.2.6 Differenzierung nach öffentlich-rechtlichen und privaten Programmen
4.2.7 Differenzierung nach formaler Bildung
4.3 Mediennutzung als soziales Handeln
4.4 Funktion der parasozialen Interaktion des Fernsehens
4.5 Bewertung von Zielgruppensendungen durch die Älteren

5 Fazit

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Themen wie der demographische Wandel, die Rentenabsicherung oder die Zunahme der älteren Bevölkerung stehen fast täglich auf der Medienagenda. Obwohl das Problem der alternden Bevölkerung in Deutschland von den Medien häufig präsentiert wird (z.B. in Berichten über die zukünftige Rentenabsicherung), interessieren sich die Mediaplaner im Allgemeinen nicht besonders für diese Gruppe.

Die Bedeutung einer Fokussierung auf „das hinlänglichst bekannte Bild der alternden Bevölkerung“ (Enquete-Kommission 1998: 71) wird durch verschiedene Prognosen bekräftigt. Im Jahr 2040 werden mehr als die Hälfte der Deutschen über 50 Jahre alt sein (Koschnik 2004). Der Begriff der „Generation 50+“ ist heute, da über 44 Prozent der Gesamtbevölkerung älter als 50 Jahre ist, aktueller denn je (Krotz 2000). Die „Gestalt des heutigen Altersaufbaus [hat] eine Eigendynamik erhalten“ (2004: 14) bestätigt auch die Bundesanstalt für Bevölkerungsforschung. Bereits seit längerem ist bekannt, dass die ältere Bevölkerung die Massenmedien besonders intensiv nutzt. Auffallend ist die mit dem Alter stark ansteigende Fernsehnutzung, die einen hohen Stellenwert der Freizeitbeschäftigung älterer Menschen einnimmt.

Der Zusammenhang zwischen dem Alter und den Rezeptions- und Auswahlprozessen älterer Menschen wurde zwar bisher in der Medienforschung in einigen Studien untersucht, die Mediennutzung aus der Sicht des Rezipienten jedoch lange Zeit vernachlässigt.

In der vorliegenden Arbeit steht die Bedeutung der Fernsehnutzung für ältere Menschen im Mittelpunkt. Dabei wird impliziert, dass es im Altersprozess bestimmte Entwicklungen gibt, die zu Bedürfnissen führen, die ältere Menschen mit dem Fernsehen zu befriedigen suchen.

Im Folgenden werden zunächst Konzepte des Alterns diskutiert. Diese sollen im Anschluss, nach der Aufbereitung der empirischen Befunde über die Fernsehnutzung älterer Menschen, als verallgemeinernde, abstrahierende Erklärungsgrundlage für das spezifische Fernsehnutzungsverhalten älterer Menschen dienen. Schließlich wird auf die Frage, welchen Zusammenhang es zwischen der Entwicklung des Alterns und dem quantitativen Anstieg der Fernsehnutzung gibt, eingegangen.

2 Grundlagen der Forschung zur Lebensphase „Alter“

In der Literatur existiert kein Konsens über die Bezeichnung der älteren Mediennutzer. Während sie in der Studie Massenkommunikation VI sowie in der SWR-Studie als „50+“ bezeichnet werden, werden sie in anderen Publikationen entweder als „Ab 50-Jährige“, „Ältere“, „ältere Menschen“, „Die Alten“ oder die „ältere Generation“ benannt. Im Folgenden wird der Begriff „ältere Menschen“ bevorzugt, da er neutraler als der zielgruppenbehaftete Begriff „50+“ und ebenfalls nicht mehrdimensional deutbar wie die Bezeichnung „Generation“ ist.

2.1 Überblick über die wichtigsten Veröffentlichungen

Auch wenn es bislang wenig Studien zum Mediennutzungsverhalten der älteren Menschen gibt, sei auf den Differenzierungsgrad von Nutzungsdaten und sozialen Faktoren (wie Freizeitverhalten, Geschlechteraufteilung) einiger Studien, wie zum Beispiel der Massenkommunikation VI, hingewiesen. Die weltweit einzige Repräsentativstudie möchte v.a. Substitutions- und Konkurrenzbeziehungen aktueller Medien aus Nutzersicht erklären, aber bietet daneben umfangreiche Daten zur Mediennutzung verschiedener Altersgruppen. Der Nachteil dieser quantitativen Studie ist, dass sie nur eine periphere Beachtung der Bedürfnisse und Forderungen älterer Menschen zulässt. Im Folgenden wird die SWR-Studie „50+“ häufiger zitiert. Sie analysiert die Mediennutzung älterer Menschen (50 bis 74-Jähriger) im gesellschaftlichen Kontext mit einer Befragung von 1000 Personen. Auch Kübler, Burkhardt und Graf werden häufiger zitiert. Sie konzentrieren sich in ihrer Hamburger Studie von 1991 speziell auf die Mediennutzung älterer Menschen, wie auch schon die ältere, aber sehr differenzierte Studie zur alltagsnahen Betrachtung des Mediengebrauchs älterer Menschen von Eckhardt und Horn (1988).

2.2 Konzepte des Alterns

Während der Altersbegriff primär eine demographische Größe ist und mit „Alter“ per Definition der Lebensabschnitt ab dem 65. Lebensjahr gilt (Encarta 2000), ist Alter als soziales Konstrukt bisher nicht eindeutig definiert worden.

Das Alter als gesellschaftliche Institutionalisierung ist meist von der Wirtschaft gegebenen Grenzen, wie dem Ruhestand, determiniert. Altern kann daneben auch als individuelle Erfahrung aufgefasst werden, da Menschen, die einer Altersgruppe angehören, keine homogene, sondern eine pluralistischen Gruppe bilden.

Folgendes Zitat einer 65-Jährigen verdeutlicht sehr gut, wie verschieden das Alter empfunden werden kann (Kübler/Burkhardt/Graf 1991: 37):

„Es ist nicht wahr, daß Alter eine Chance ist. Alter ist Verfall, es ist elendig, immer wieder Abschied von dem, was mal war. Was man bis dahin konnte, kann man jetzt auch nicht mehr. Ich habe gelesen, daß Satre nichts mit Leuten seines Alters zu tun haben wollte. Er hat recht, mir geht es auch so.“

In unterschiedlichem Ausmaß gelten allgemeine Entwicklungen für viele ältere Menschen, z.B. eine Anpassung an den Abbau körperlicher Stärke und Gesundheit, an den Berufsaustritt und an ein verringertes Einkommen. Aber auch eine Anpassung an den Tod des Partners oder die Angliederung an die eigene Altergruppe sind Aspekte, die viele ältere Menschen als „Lebensphasen“ durchlaufen.

In der Gerontologie, der wissenschaftlichen Untersuchung des Alters, liegt der Schwerpunkt nicht primär nicht auf medizinischen, sondern auf verhaltenspsychologisch-sozialen Aspekten des Alterns. Es existieren allgemeine Theorien zu den Entwicklungen, die das Alter als neue Lebensphase charakterisieren. Die gerontologischen Theorien lassen sich unterteilen nach Ansätzen, die entweder der Frage der Veränderungen oder der Kontinuität mit dem Übergang ins Alter nachgehen. Dabei werden teilweise universelle, teilweise differentielle Elemente gegeneinander gesetzt: Während erstere die Ähnlichkeiten im Verhalten älterer Personen betonen, verweisen Theorien, die differenzielle Elemente beachten, eher auf die individuelle Entwicklung.

2.3 Veränderungstheorien des Alterns

2.3.1 Biologische Alternstheorie

Aus der biologischen Sicht ist das Altern ein komplexer Prozess, der sich durch verschiedene Prozesse und irreversible Veränderungen im Bereich der Lebensfunktionen ausdrückt. Dabei führen Veränderungen des Stoffwechsels zu einer verminderten Aufnahme- und Ausscheidefähigkeit und damit zur Abnahme der Leistungsfähigkeit aller Organe (Zeitverlag 2005: 206).

2.3.2 Theorie des „Disablement Process“

Als eine medizinische Alternstheorie gilt der Ansatz des „Disablement Process“ von Verbrugge und Jette. Er geht von einem Funktionsverlust im Alter aus, der als Folge von Erkrankungen oder Behinderungen auf der Ebene des Alltags zu verschiedenen Prozessen führt. Vorerkrankungen oder spezifische Persönlichkeitsmerkmale verstärken dabei noch den Verlauf des Funktionsverlustes im Alter (Wahl/Heyl 2004: 143).

2.3.3 Disengagement-Theorie

Eine Theorie, die Anfang der 60er Jahre auch in den gerontologischen Randgebieten der Forschung große Resonanz erfuhr, ist die Disengagement-Theorie von Cumming und Henry (1961). Mit ansteigendem Alter wird ein eintretenden Rückzug des Individuums „aus den Rollen und Aktivitäten der mittleren Jahre“ impliziert. Dieser Rückzug wird als „unvermeidbar“, „notwendig“ und „natürlich“ aufgrund von verringerter Interaktion zwischen anderen Menschen interpretiert. Auslöser können eine Situation oder die Persönlichkeit des Individuums selber sein. Das Disengagement wird als unvermeidlicher, aber gleichzeitig funktionaler Prozess des Alterns mit der Konsequenz einer Anpassung zwischen individuellen und gesellschaftlichen Bedürfnissen angesehen.

Die Leistung dieser Theorie besteht in der Verknüpfung der Mikroebene, der Ebene des individuellen Alterns, mit der Makroebene, dem Umgang der Gesellschaft mit ihren älteren Mitgliedern (Wahl/Heyl 2004: 131). Die biologischen Verluste sollen danach im Alter im „Prozess des Disengagement im Sinne einer Anpassung an Altern gewissermaßen neutralisiert werden“ (ebd.). Dabei nehmen die horizontale Solidarität, d.h. die Sozialbeziehungen zu anderen, zu und die vertikale Solidarität, also die Unterstützung und Sozialbeziehungen zwischen verschiedenen Generationen, ab. Dieser Prozess wird als kulturübergreifend-universell betrachtet (Wahl/Heyl 2004: 130). Modifiziert wurde die Theorie bereits in den 60er Jahren, indem sie den Aspekt der Loslösung von Umweltbezügen im Alter und das von den Älteren selbst gewählte höhere Engagement mit dem eigenen Ich in den Vordergrund stellte.

2.3.4 Substitutions-Theorie

Eng verknüpft mit der Disengagement-These ist die aus handlungstheoretischer Sicht formulierte Substitutions-Theorie, bei der davon ausgegangen wird, dass ältere Menschen soziale Einbußen durch physische, mentale oder imaginäre Alternativen ersetzen. Defizite in persönlicher Kommunikation werden durch extensiv genutzte, mediale Surrogate überlagert. Außerdem werden persönliche Zeitstrukturen fixiert, die früher von außen durch Schule, Beruf oder Freizeit gesteuert wurden (Kübler/Burkhardt/Graf 1991: 42).

2.3.5 „Social Breakdown“-Ansatz

Ebenfalls mit der Disengagement-Theorie verknüpft ist der Ansatz von Kuypers und Bengston. Sie gehen von einer hohen Bedeutung des Austausches zwischen sozialer Umwelt und Individuum aus, die für die Entfaltung des Selbst wichtig ist. Besonders ältere Menschen seien danach empfänglich für äußere Zuschreibungen, die in vielen Fällen allerdings ein negatives Alten-Bild konstituieren, das wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung von den Älteren häufig übernommen würde. Als Konsequenzen könnten die Älteren passiv werden und eventuell noch vorhandene Kompetenzen verlieren (Wahl/Heyl 2004: 143).

2.3.6 Sozio-emotionale Selektivitätstheorie

Die sozio-emotionale Selektivitätstheorie von Laura Carstensen zur Beschreibung von Veränderungen im Bereich der sozialen Beziehungen besagt, dass die primäre Motivation für soziale Beziehungen sich im Laufe des Lebens verändert. Als Auslöser für die Modifikation gilt die sich verkürzende Zeitperspektive, also die Erwartungen der Älteren an die Zukunft. Während jüngere Menschen vor allem an sozialen Beziehungen die Informationsfunktion schätzen, werden im Alter generell Vertrauens- und Intimitätsfunktionen von Beziehungen wichtiger (Wahl/Heyl 2004: 145).

2.3.7 Theorie der Selektiven Optimierung und Kompensation (SOK)

Das Modell der selektiven Optimierung und Kompensation wird von Wahl und Heyl (2004: 146) als Meta-Theorie bezeichnet. Die Konzentration bzw. Selektion älterer Menschen auf wesentliche Lebensbereiche erhöhe sich nach dieser Theorie mit steigendem Alter. Als Folge ergebe sich eine größere Möglichkeit, in diesen Lebensbereichen schöne und befriedigende Erfahrungen zu machen (Optimierung). In anderen Bereichen des alltäglichen Lebens würde es währenddessen eventuell notwendig, mit externer Hilfe alltägliche Gewohnheiten aufrecht zu erhalten (Kompensation).

Die aufgeführten Theorien gehen von einer mittleren bis starken Veränderung aus, die generell auf ältere Menschen zukommen und die sie meist unaufhaltbar durchlaufen. Dazu gehört auch die Lebenslauf-Theorie von Bühler, Erikson und Havighurst. Sie differenziert einzelne Lebensphasen mit eigenen Gesetzmäßigkeiten, die alle Personen im Lebenslauf durchlaufen, die sich aber „hinsichtlich der Art der jeweils angenommenen Phasen und der jeweils unterstellten Durchgangsdynamik“ unterscheiden (Wahl/Heyl 2004: 144).

Der Ansatz der Lebensstil-Theorie von Tokarski geht von einer Verlagerung der Prioritäten in der Gestaltung des Alltags aus. Damit werden die Veränderungen im Alter und die Unterschiede der Gestaltung von Alter von verschiedenen Personen erklärt (Wahl/Heyl 2004: 147).

[...]

Excerpt out of 29 pages

Details

Title
Die Bedeutung der Fernsehnutzung für ältere Menschen
College
University of Hamburg  (Institut für Journalistik und Kommunikationswissenschaften)
Course
Forschungsprojektseminar Medienforschung
Grade
2,0
Author
Year
2005
Pages
29
Catalog Number
V61882
ISBN (eBook)
9783638552363
ISBN (Book)
9783638779616
File size
561 KB
Language
German
Notes
Bakkalaureatsarbeit Kommunikationswissenschaften / Journalistik mit einer Übersicht über die Bedeutung der Fernsehnutzung für ältere Menschen. Aktuelles Thema. Was machen die Menschen mit den Medien? Zur Zukunft der Mediennutzung.
Keywords
Bedeutung, Fernsehnutzung, Menschen, Forschungsprojektseminar, Medienforschung
Quote paper
Sarah Lindner (Author), 2005, Die Bedeutung der Fernsehnutzung für ältere Menschen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/61882

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