Sprache von Politikern

Am Beispiel von zwei Reden des spanischen Ministerpräsidenten Don José Luis Rodríguez de Zapatero


Term Paper, 2006

25 Pages, Grade: 2,3


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Bisheriger Stand der Wissenschaft

3. Allgemeine Betrachtungen zur Sprache von Politikern in deren Reden

4. Inwiefern ist Sprache von Politikern mit Werbesprache vergleichbar?

5. Rhetorische Stilmittel in politischen Reden

6. Die Sprache von Politkern am Beispiel zweier Reden von Don José Luis Rodriguez Zapatero
a) Die Rede vor dem Gipfel gegen Hunger und Armut
b) Zapateros Rede zur Vorstellung des Programms „Ingenio 2010“

7. Schlussbetrachtung und Fazit

8. Literatur - und Quellenverzeichnis

9. Anhang:
9.1 Discurso del presidente del gobierno, Don José Luis Rodríguez Zapatero, en la cumbre contra el hambre y la pobreza
9.2 Discurso del presidente del gobierno, Don José Luis Rodríguez Zapatero, en la presentación del programa ingenio 2010 de impulso a la investigación, el desarrollo y la innovación

1. Einleitung

In der folgenden Hausarbeit wird die Sprache von Politikern in deren Reden behan- delt. Zunächst werde ich allgemeine Ideen zum Thema äußern, und im späterem Verlauf als Beispiele zwei Reden des spanischen Ministerpräsidenten Don José Luis Rodríguez de Zapatero heranziehen. Eine dieser Reden hat der Ministerpräsident am 20. September 2004 anlässlich eines internationalen Gipfels zur Bekämpfung von Armut und Hunger gehalten. Die andere Rede hat er am 23. Juni 2005 im Palacio de La Moncloa gehalten. Er stellt hierin ein Programm namens „Ingenio 2010“ vor, wel- ches sich mit Impulsen zu Investitionen, Entwicklungen und Innovation in seinem Land beschäftigt.

2. Bisheriger Stand der Wissenschaft

Die Wissenschaft geht bislang davon aus, dass es in der Sprache der Politik und in der Sprache von Politikern primär auf die Art und Weise, wie etwas ausgedrückt wird, ankommt.1 Wichtiger als der Inhalt sind Stilmittel und Gestik des Redners, und abge- sehen davon seine Person. Hierzu werden Beispiele von Sokrates bis zur Neuzeit herangezogen. Vor allem sei in der Politik Manipulation wichtig, und zwar muss zwi- schen schädlicher und uneigennütziger Manipulation unterschieden werden.2 Sinn und Zweck politischer Rhetorik kann sowohl Nutzen als auch Schaden sein - je nachdem, wie sie eingesetzt wird. Der Inhalt einer Rede tritt zugunsten der Rhetorik oftmals in den Hintergrund. Hierbei muss eine Beziehung zu den Hörern oder Zu- schauern aufgebaut werden, damit diese sich angesprochen fühlen. Eine direkte An- rede wie etwa „Liebe Landsleute“ oder „Liebe Bürgerinnen und Bürger“ ist dafür sinnvoll.3 Weiterer Stand der Wissenschaft ist, dass manche Politiker ihre Reden komplett dialogisch aufbauen, damit sich die Wähler ernstgenommen fühlen. Für den Zusammenhalt sind lobende Äußerungen über das Land wichtig, meistens in Zweier - bis Dreierketten akkumuliert4. Das Ziel solcher Ketten ist ein intensiver Appell, der dann als besonders eindringlich wahrgenommen werden soll. Des weiteren geht die Wissenschaft davon aus, dass in Politikerreden antithetisch an schlechtere Zeiten erinnert wird, mit dem Sinn, dass der Fortschritt als solches erkannt und dann honoriert wird.5 Aber mehr zu den Stilmitteln weiter unten im dafür vorgesehenem Abschnitt und bei der Analyse der beiden Reden Zapateros.

3. Allgemeine Betrachtungen zur Sprache von Politikern in deren Reden

Politiker sind ständig mit dem Problem konfrontiert, dass die Wählerinnen und Wäh- ler gern wüssten, warum sie denn ausgerechnet die/den eine/n Politiker/in wählen sollen und nicht eine der vielen anderen Parteien. Das gilt insbesondere in heißen Wahlkampfphasen, aber auch generell. Vergleichbar mit der kommerziellen Werbung müssen Politiker sich selbst daher im bestmöglichem Licht darstellen. Manchmal reicht es dazu aus, einfach aufzuzeigen, was die jeweils andere politische Seite falsch macht, günstiger ist es jedoch klarzumachen, was denn die Vorzüge des Pro- gramms des jeweiligen Redners sind. Ähnlich der kommerziellen Werbung, muss auch bei politischen Ansprachen unterschieden werden zwischen low - involvement - Werbung und high - involvement - Werbung.6

Im ersten Fall geht es um nur flüchtige Kenntnisnahme. Das bedeutet: Vorrang haben visuelle Effekte, so dass man die Werbung als vorbeifahrender Autofahrer wahrnimmt. Ein Plakat, auf dem man einen Spitzenpolitiker sieht, oder einen bestimmten Aspekt des Parteiprogramms, meist kurz und bündig zu einem Slogan zusammengefasst, ist hierfür sinnvoll und kommt daher oft zum Einsatz.

Da low - involvement - Werbung von ständiger Wiederholung lebt, muss, handelt es sich um ein Plakat, dieses möglichst oft hintereinander zu sehen sein, z.B. an jedem Laternenpfahl einer Stadt.

Bei high - involvement - Werbung wird im Gegensatz dazu vorausgesetzt, dass die Zielgruppe ein höheres Interesse hat. Wichtig ist daher, dass der Inhalt entweder sachlich ist oder zumindest so erscheint.

High - involvement - Werbung muss als argumentativ wahrgenommen werden, um zu wirken. Oft wird auf Grund eines vorausgesetzten subjektiven Interesses an den Verstand appelliert, um das Gefühl hervorzurufen, das beworbene Produkt (hier: das beworbene Parteiprogramm) entspreche einem Bedürfnis des Zuhörers. Bei diesem Typ von Werbung kommt daher, handelt es sich um kommerzielle Werbung, ein län- gerer Fließtext zum Einsatz. Und genau um einen solchen handelt es sich auch bei Reden von Politikern, die, um an die Macht zu kommen oder daran zu bleiben, mög- lichst vielen Personen klar machen müssen, warum ihr Programm das Beste ist. Vor allem dann, wenn ein Politiker vor Publikum redet, von dem er nicht unbedingt weiß, dass es ihm wohlgesonnen gegenüber steht, muss er möglichst argumentativ und taktisch vorgehen, um die Leute von sich zu überzeugen, oder aber zumindest so tun, als argumentiere er. Das kann vor allem bei extremen Parteien in Polemik ausar- ten, oder aber, es werden scheinbare Zusammenhänge hergestellt, die nicht wirklich solche sind. Zum Beispiel findet man bei rechtsextremen Parteien oft die Behaup- tung, durch Abschiebung aller Ausländer ließen sich Probleme der Sozialkassen voll- ständig lösen. So warben die Republikaner etwa im Landtagswahlkampf 2006 in Rheinland - Pfalz mit dem Slogan „Sozialstaat retten, Zuwanderung stoppen!“7 Hier- durch wird suggeriert, dass es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Zu- wanderung und Sozialpolitik in jeder Hinsicht gebe.

4. Inwiefern ist Sprache von Politikern mit Werbesprache vergleichbar?

Grundsätzlich wurde bereits erwähnt, dass Politiker von sich überzeugen müssen, um als Wahlmöglichkeit wahr - und ernstgenommen zu werden. Die Frage stellt sich aber, wie die Sprache von Politikern hierzu konzipiert wird: Handelt es sich um Alltagssprache? Um Umgangssprache? Um Regionalsprache?

Je größer das Publikum ist, umso schwieriger wird es für einen Politiker, die passen- de und richtige Sprache zu finden, da das Publikum dann stärker durchmischt wird. Es ist also ein Unterschied, ob Edmund Stoiber nur in Bayern redet, und dort auf die Belange der bayrischen Landespolitik eingeht, oder ob er sich, wie 2002 geschehen, als Kanzlerkandidat bewirbt und sich dann vor der ganzen Bevölkerung der Bundes- republik Deutschland profilieren muss, weil z.B. in der Berliner Innenstadt andere Probleme herrschen, als es in einem kleinem Dorf in Südbayern der Fall ist. Wenn Stoiber sich also als bayrischer Ministerpräsident um eine Wiederwahl bemüht, ist es inhaltlich und sprachlich eher angebracht, so zu reden, dass die bayrische Bevölke- rung sich vertreten fühlt. Bewirbt er sich hingegen als Kanzlerkandidat, muss er so reden, dass möglichst weite Teile der ganzen Bundesbevölkerung in ihm den Richti- gen sehen, und nicht nur die Bayern - und das ist deutlich schwieriger. Als zusätzli- ches Problem ergibt sich, dass ein gestochenes Hochdeutsch zuweilen abgehoben bis distanziert wirken kann. So zeigten Wahlumfragen und Wählerbefragungen in Rheinland - Pfalz, dass der erfolglose CDU - Kandidat Böhr unter anderem deshalb gescheitert ist, weil er zwar gebildet ist, aber als abgehoben empfunden wird - bei Ministerpräsident Beck hatten viele Wählerinnen und Wähler eher den Eindruck, ei- nen Politiker zu wählen, der bürgernah ist und zu den Rheinland - Pfälzern dazuge- hört. Ein Grund dafür ist neben seiner einfacher verständlichen Sprache auch seine Art, so sieht man Beck z.B. immer bei den Wahlen der Weinköniginnen - das strahlt ein hohes Interesse seinerseits an den Bürgern aus. Ebenfalls zeigt Beck sich am Fußball interessiert, so war z.B. im Landtagswahlkampf 2001 in einer halbseitigen Werbeanzeige im „Trierischem Volksfreund“ ein Spieler des 1. FC Kaiserslautern zu sehen, der sich klar für Beck positionierte, mit der Begründung, ohne ihn könne man in Kaiserslautern kein Spiel anpfeifen8. Auch mit einem solchem Verhalten zeigt ein Politiker Bürgernähe - um nur zwei Beispiele zu nennen. Vor der rheinland - pfälzi- schen Landtagswahl 2006 hat der Südwestrundfunk die vier Spitzenkandidaten von SPD, CDU, FDP und Bündnis 90 / Die Grünen zu einer „Elefantenrunde“ geladen, und unter anderem Rededuelle zwischen Ministerpräsident Beck und Herausforderer Böhr bzw. FDP - Kandidat Bauckhage und Grünen - Spitzenkandidatin Thomas ab- gehalten. Im Anschluss daran wurden Erstwähler befragt, welche Noten sie den je- weiligen Kandidaten für Ihren Auftritt geben, sowohl inhaltlich als auch in Bezug auf den Ton. Das Ergebnis dieser Kurzbefragung: Besser bewertet wurden jeweils dieje- nigen Kandidaten, die in einfachen und klaren Sätzen ihre Meinung wiedergegeben hatten, diese möglichst mit Zahlen und Fakten untermauert und mit ihrem Gegenüber in einem fairem und tolerantem Ton diskutiert hatten.9 Es empfiehlt sich daher also für die Werbesprache von Politikern, sich verständlich für die Wähler auszudrücken, da die Wähler wissen wollen, was sie für ihre Stimme für ein Programm zu erwarten haben. Bei einer solchen Sendung handelt es sich um ein Mittelding zwischen low - involvement - und high - involvement - Werbung, da die Politiker jeweils nur begrenz- te Redezeiten hatten und somit gehalten waren, sich kurz und präzise zu fassen, a- ber gleichzeitig mussten sie in ihrer kurzen Redezeit soviel Fakten wie möglich auf den Tisch packen.

5. Rhetorische Stilmittel in politischen Reden

Zu diesem Thema ist zunächst festzuhalten, dass Politiker zu einem gewissem Anteil subjektiv argumentieren. Es ist z.B. vom politischem Lager abhängig, ob im Zusam- menhang von Ostdeutschland früher von der DDR oder der „DDR“ (in Anführungs- zeichen) oder der „sogenannten DDR“ die Rede war. Leinfellner kommt zu dem Schluss10, dass vor allem konservative Politiker eher zu den letzten beiden Varianten tendierten. Weiter stellt Leinfellner fest, dass Politiker je nach ihrer Funktion über ein - und dieselbe Tatsache verschiedenartige Äußerungen machen können, mit dem Ziel, die Bevölkerung zu beruhigen und ein Problem zu vertuschen. Leinfellner illust- riert das am folgendem Beispiel: Wenn der objektive Tatbestand der ist, dass ein Stück Uranmetall im Meer versunken ist, dann können Politiker in diesem Zusam- menhang euphemistisch und graduell abschwächend sagen: „Ein nicht explosiver, ungefährlicher Teil der Bombe ist versunken“, was dann einen partiellen Irrtum bzw. einen Euphemismus darstellt. Ebenso gut kann es sein, dass ein Politiker in diesem Zusammenhang behauptet, es sei gar nichts versunken. Das ist dann ein totaler Irr- tum oder platt gesagt: eine Lüge.11 Wenige Seiten später kommt Leinfellner zu der Erkenntnis, dass Politiker den Bürger auch gern nur vage und ungenau informieren12, was man im Zusammenhang mit Werbesprache als face - working bezeichnet, denn das gute Gesicht muss ja gewahrt bleiben, weil man sonst bei der nächsten Wahl keine Chance mehr hat.

Ein weiterer Aspekt des face - workings besteht in metaphorischer Redensart. So hat der frühere bayrische Ministerpräsident Franz Josef Strauß zur Ostpolitik der Bun- desrepublik gemeint: „Wir sind nicht bereit, uns bei dem waghalsigem Ritt über das sumpfige Gelände ostpolitscher Abenteuer als Geleitschutz missbrauchen zu las- sen.“13 Gemeint war, er sei nicht mit der Ostpolitik des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt einverstanden und wolle diese nicht mittragen. Durch seine metaphori- sche Darstellung kam diese Haltung zwar blumig, aber dennoch unmissverständlich und eindeutig an. Solche vagen Ausdrücke können auch euphemistische Wirkung haben, so wie es zur NS - Zeit oft der Fall war. Man denke nur an Begriffe wie „End- lösung der Judenfrage“ - gemeint war Massenmord. Oder an den Begriff „ethnische Säuberung“, der oftmals ähnliches beschreibt. Politische Euphemismen, die in Frank- reich des öfteren verwendet werden, beziehen sich auf Entlassungen von Ministern. Es ist dann nicht etwa die Rede davon, dass sie „entlassen“ oder „abgesetzt“ seien, sondern man sagt dann, sie seien „part en congé“, was eigentlich bedeutet, dass sie sich in Urlaub befinden - also wörtlich übersetzt ein Grund zur Freude.14 Ein weiteres Stilmittel in der Sprache von Politikern besteht im Einsatz von Fremdwörtern, die einen mehrdeutigen und ebenfalls vagen Effekt haben. Wenn z.B. im Zusammenhang mit einer Räumungsaktion von einer „Evakuierung“ die Rede ist, dann hat das dieselbe Denotation wie wenn man von „Räumen“ redet - es wirkt allerdings eindrucksvoller. Im Zusammenhang von einer Hinrichtung von „liquidieren“ zu reden, wirkt weniger abstoßend, weil „liquid“ im chemischen Sinne „flüssig“ meint und man daher nicht direkt an eine Tötung denkt.

6. Die Sprache von Politkern am Beispiel zweier Reden von Don José Luis Rodrigu-ez Zapatero

Im folgendem werde ich die Sprache des spanischen Ministerpräsidenten Zapatero in seinen beiden in der Einleitung dieser Hausarbeit genannten Reden analysieren.

a) Die Rede vor dem Gipfel gegen Hunger und Armut

Eine der beiden Reden hat Zapatero anlässlich eines von der UNO organisierten Gipfeltreffens mehrerer Staats - und Regierungschefs gegen Armut und Hunger gehalten.15 Einem Internetbericht zufolge16 waren bei dem Gipfeltreffen neben den Regierungschefs auch Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, die sich mit dem Thema Hunger und Welternährung befassen, zugegen. Für Zapatero bedeutet das, dass er so reden muss, dass Menschen, die das Problem aus völlig unterschiedli- chen Perspektiven sehen, sich gleichermaßen angesprochen fühlen - denn ob man als Regierungschef in der Verpflichtung ist, ein solches Ziel einzuhalten, und sich gleichzeitig alle anderen politischen Felder bearbeiten muss, oder ob man sich in einer Nichtregierungsorganisation auf ein bestimmtes Thema begrenzt und Forde- rungen an Politiker stellt, sind zwei völlig verschiedene Sichtweisen. Andererseits sind sich, zumindest theoretisch, Politiker aller Länder und Richtungen einig, dass etwas zum Problem Hunger geschehen muss. Wenn sich jemand trauen würde, of- fen zu sagen, dass ihm dieses Problem egal sei, oder gar, dass er es gut fände, dass täglich Menschen vor allem in den Drittweltstaaten verhungern, wäre er direkt als menschenverachtend und nicht mehr wählbar verschrien.

In seiner Rede beginnt Zapatero mit einer Einleitung, in der er zunächst die anderen anwesenden Regierungschefs begrüßt und einige von ihnen sogar namentlich an- spricht. Unmittelbar darauf personifiziert er fünf Länder, indem er sagt, dass diese einen Hilfeschrei in Richtung der Menschheit loslassen (Z. 9). Zunächst hält er das Problem sehr allgemein, indem er nicht genau mitteilt, wie lange es die Menschheit schon begleitet (ebenfalls Z. 9. Aber wahrscheinlich weiß das auch niemand genau- er). Bei seiner Bemerkung, über eine Milliarde Menschen lebe in „extremer Armut“, ist zunächst unklar, ob es sich bei dieser Zahl um eine Schätzung, eine Hyperbel o- der eine symbolische Zahl, die einfach soviel heißen soll wie „sehr viele Menschen“ handelt - oder aber um eine genaue Zahl. Mit seiner weiteren Ausführung, die „Alli- anz gegen den Hunger“ sei eine notwendige Initiative, lobt der Redner eben diese (Z. 16 und 17). Infolge dessen fühlen sich die Initiatoren der Organisation bei ihm ernst- genommen, und haben nicht den Eindruck, ihn als Gegenüber erst noch von ihrem Anliegen überzeugen zu müssen. Vielmehr entsteht bei den Zuhörern dadurch der Eindruck, dass Zapatero selbst ein Verfechter und Unterstützer dieser Initiative ist. Sollte jemand aus Reihen der „Allianz gegen den Hunger“ dem Ministerpräsidenten in irgendeiner Weise kritisch gegenüberstehen, dann wird er dadurch zumindest teil- weise beruhigt. Weiter redet Zapatero davon, dass man im Zusammenhang mit dem vorliegendem Problem Kompromisse finden müsse (Z. 22), um direkt danach klar anzukündigen, worin die Ziele seiner eigenen Regierung bestehen (Z. 27 und 28). Isoliert betrachtet, kann man den Satz, indem er die Zahlen bekannt gibt, als low - involvement - Werbung ansehen. Die Zahlen wären geeignet, um als klar verständli- ches und knapp formuliertes Ziel auf Wahlplakaten gedruckt zu werden.

Da es sich aber um eine längere, argumentative Rede handelt, muss davon ausge- gangen werden, dass es sich eher um high - involvement - Werbung handelt. Dafür spricht außerdem auch, dass die Zuhörer eine längere Rede hören und nicht nur kurz mit der Idee Zapateros konfrontiert werden. Im darauffolgendem Abschnitt erklärt der spanische Ministerpräsident, dass auch die Weltbank das Ziel der Hungerbekämp- fung verfolge und dazu Geld bereitstelle. Direkt danach gibt er zu, dass der von der Weltbank bereitgestellte Betrag relativ gering sei (Z. 33). Das ist untypisch für Politi- ker, weil diese sonst immer sehr bestrebt sind, ihre eigenen Erfolge als die bestmög- lichen darzustellen. Des weiteren meint Zapatero, dass von der Bekämpfung des Hungers alle etwas haben, und redet von „pobres y a los que no son pobres“ (Z. 36), was gleichzeitig als Antithese und als Litotes im Sinne von Leinfellner17 anzusehen ist. Diese Textstelle ist dicht gefolgt von mehreren Parallelismen, mit denen Zapatero ausführt, welche weltverbessernden Auswirkungen die unter anderem von ihm ange- strengte Maßnahme hat. Interessant ist hierbei, dass alle Ziele, die damit auf weltpolitischer Ebene erreicht oder zumindest angenähert werden, sozialistische Ziele sind - immerhin ist Zapatero selbst Sozialist. Die Ziele, denen er sich damit nähern möchte, sind Gerechtigkeit, Menschlichkeit, Glück, Sicherheit und ethische Werte (Z. 36 bis 38). Der Parallelismus hier besteht darin, dass er jedes dieser Ziele mit „sin duda“ bezeichnet, also für ihn kein Zweifel daran besteht, dass all das erreicht wird. Weiter ist diese Auflistung als Akkumulation anzusehen. Im darauffolgendem Abschnitt nennt Zapatero weitere Ziele seiner Politik, nämlich Güter, die für die ganze Weltbevölkerung wichtig seien. Die Welt bezeichnet er hier symbolisch als „patrimonio colectivo (kollektives Vaterland, Z. 41)“ und akkumuliert als den weiteren Sinn seiner Politik die Güter Frieden, Gesundheit, Umweltschutz, Lebensqualität und Menschenrechte für Mann und Frau - also auch allesamt Dinge, in denen sich zumindest theoretisch alle Politiker und Bürger darin einig sind, dass sie erreicht werden sollen. Auch damit spricht er das gesamte Auditorium an, unabhängig von der grundsätzlichen politischen Ausrichtung. In der anschließenden Beschreibung des Ist - Zustandes der Welt benutzt Zapatero wieder auffallend viele Stilmittel des Litotes, in dem er verneint, dass die vorgenannten Ziele bereits Zustand der Welt sind (Z. 45 bis 50), und macht somit deutlich, dass es aus seiner Sicht noch viel zu tun gibt. Unmittelbar darauf gibt sich der Politiker wieder sehr allgemein und vage, wenn er die notwendigen Mittel zur Reduktion der Armut nennt. Mit der Aussage, hinter seine Absicht stünde „la esperanza de millones de seres, de cientos de millones de personas (die Hoffnung von Millionen von Wesen, Hunderten Millionen von Personen, Z. 55 und 56)

[...]


1 Siehe hierzu: Wolfgang Grilz: „Die Sprache der Politik und ihre Vermittlung am Beispiel von Klestils Fernsehansprache vor der EU - Abstimmung vom 10. Juni 1994“, nachzulesen in: Bernhard Kettemann, Rudolf de Cillia und Isabel Landsiedler: „Sprache und Politik - Verbal - Werkstattgespräche, Band 3“, erschienen 1998 im Peter Lang - Verlag, Frankfurt am Main, S. 209 ff

2 ebenda, S. 212 f

3 ebenda, S. 216

4 ebenda, S. 217

5 ebenda, Seite 215

6 Die Unterscheidung stammt aus der eigenen Mitschrift zur Lehrveranstaltung „Textlinguistik am Beispiel spanischer Texte“ unter Leitung von Frau Dr. Gisela Schneider, Sitzung vom 24. Januar 2006

7 Quelle: Ein Wahlwerbeplakat der Republikaner anlässlich des Landtagswahlkampfes 2006 in Rheinland- Pfalz

8 Die Anzeige erschien in der Ausgabe vom 22. März 2001 unter dem Titel „Menschen für Kurt Beck“. Der zitierte Spieler heißt Everson „Ratinho“ Rodrigues. Leider war es trotz Anfragen sowohl beim „Volksfreund“ als auch bei der SPD nicht mehr möglich, die Seitenzahl herauszubekommen.

9 Die Sendung wurde am Donnerstag, dem 23. März 2006 zwischen 20.15 und 21.45 Uhr im Südwest - Fernsehen übertragen. Sie lief unter dem Titel: „Die Wahl bei uns: Spitzenkandidaten im Endspurt“.

10 Siehe hierzu: Dr. Elisabeth Leinfellner: „Der Euphemismus der politischen Sprache“, erschienen 1971 bei Duncker & Humblot in Berlin, Seite 32

11 ebd., Seite 39

12 ebd., Seite 48

13 Spiegel vom 6. Juli 1970, Seite 20

14 ebd., Seite 84

15 Die Rede ist einsehbar auf der Homepage der brasilianischen Regierung unter www.mre.gov.br/espanhol/politica_externa/temas/acfp/discurso_del_presidente_del_gobierno.doc (Internet- zugriff am 25. März 2006) und befindet sich im Anhang. Im Folgendem beziehe ich mich auf die Zeilennummerierung dieser Fassung.

16 Der Bericht stammt von http://www.iaahp.net/intern_en.html (Internetzugriff am 28.März 2006)

17 Leinfellner, Seite 98 ff.

Excerpt out of 25 pages

Details

Title
Sprache von Politikern
Subtitle
Am Beispiel von zwei Reden des spanischen Ministerpräsidenten Don José Luis Rodríguez de Zapatero
College
University of Trier
Course
Textlinguistik am Beispiel spanischer Texte
Grade
2,3
Author
Year
2006
Pages
25
Catalog Number
V64119
ISBN (eBook)
9783638570060
ISBN (Book)
9783638669733
File size
480 KB
Language
German
Keywords
Sprache, Politikern, Textlinguistik, Beispiel, Texte, Zapatero, Rede, Agenda 2010, Spanien, Spanisch, Espanol, Espana
Quote paper
Philipp Jakobs (Author), 2006, Sprache von Politikern, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64119

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