Nachhaltiger Luftverkehr, Defizitanalyse und Problemlösungsansätze zur Ausgestaltung einer zukünftigen umweltgerechten Entwicklung des Luftverkehrs


Mémoire (de fin d'études), 2006

135 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

III Abbildungsverzeichnis

IV Tabellenverzeichnis

1 Einführung in die Thematik
1.1 Ausgangslage und Problemstellung
1.2 Vorgehensweise und Untersuchungsziel

2 Grundzüge der Nachhaltigkeitsdebatte
2.1 Historie der Nachhaltigkeitsdebatte
2.1.1 Die Entstehung des Prinzips einer „Nachhaltigen Entwicklung“
2.1.2 Der Brundtland-Bericht als Ausgangspunkt einer internationalen Verständigung
2.2 Grundlegende Prämissen des Nachhaltigkeits-Leitbildes
2.2.1 Die Definition nachhaltiger Entwicklung
2.2.2 Die vier normativen Grundannahmen
2.3 Konzeptionelle Ansätze nachhaltiger Entwicklung
2.3.1 Vorbemerkung
2.3.2 Die Nachhaltigkeitskonzepte im Überblick
2.3.3 Zur Relevanz dimensionaler Nachhaltigkeitskonzepte
2.3.4 Die Bestimmung von nachhaltigen Handlungsgrundsätzen
2.4 Aktuelle politische Nachhaltigkeitsstrategien
2.4.1 Die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie
2.4.2 Die europäische Nachhaltigkeitsstrategie
2.5 Allgemeine Umsetzungsschwierigkeiten des Nachhaltigkeitsleitbildes
2.5.1 Die Pluralität des Nachhaltigkeitsbegriffs
2.5.2 Umsetzungsschwierigkeiten auf analytischer Ebene
2.5.3 Umsetzungsschwierigkeiten auf praktischer Ebene
2.5.4 Globale Umsetzungsschwierigkeiten und internationale Politik

3 Grundlagen des Untersuchungsbereichs Luftverkehr
3.1 Der Zusammenhang zwischen Bedürfnis, Mobilität und Verkehr
3.1.1 Hierarchische Bedürfnisstrukturen
3.1.2 Mobilität als Zielsetzung von Verkehr
3.1.3 Verkehr als Instrument, das Mobilität ermöglicht
3.2 Luftverkehr als Teil des Verkehrssystems
3.3 Funktionen und Entwicklung des internationalen Luftverkehrs
3.3.1 Gesellschaftliche Funktionen des Luftverkehrs
3.3.2 Wirtschaftliche Funktionen des Luftverkehrs
3.3.3 Politische Funktionen des Luftverkehrs
3.3.4 Regulierung und Deregulierung des Luftverkehrs
3.3.5 Rechtliche Abkommen des internationalen Luftverkehrs
3.4 Die Determinanten der Luftverkehrsdynamik
3.4.1 Vorbemerkung
3.4.2 Handelsverflechtungen
3.4.3 Lebensstile
3.4.4 Verkehrsinfrastruktur
3.5 Eckwerte und Luftverkehrsprognose
3.5.1 Vorbemerkungen
3.5.2 Die Entwicklung des europäischen Luftverkehrs
3.5.3 Die Verkehrsleistung des deutschen Luftverkehrs
3.5.4 Langzeitprognosen des weltweiten Luftverkehrs

4 Indikatorbezogene Nachhaltigkeitsanalyse des Luftverkehrs
4.1 Aufbau einer Nachhaltigkeitsanalyse für den Luftverkehr
4.1.1 Vorgehensweise und Analyseaufbau
4.1.2 Merkmale eines nachhaltigen Verkehrssystem.
4.1.3 Kriterien und Indikatoren zur Bestimmung von Nachhaltigkeit im Luftverkehr
4.2 Die vom Luftverkehr ausgehenden Umweltbelastungen
4.2.1 Übersicht der wesentlichen Umweltbelastungen
4.2.2 Schadstoffemissionen des Luftverkehrs mit globaler Wirkung
4.2.3 Schadstoffemissionen des Luftverkehrs mit regionaler Wirkung
4.2.4 Vom Luftverkehr ausgehende Lärmemissionen
4.2.5 Flächeninanspruchnahme durch Verkehrsflughäfen
4.2.6 Ressourcenverbrauch durch den Luftverkehr
4.3 Beziehungen zwischen der Umwelt und dem ökonomischen System
4.4 Luftverkehr als Bestandteil von heutigen Nachhaltigkeitsstrategien
4.4.1 Der Luftverkehr als Problembereich in der deutschen und europäischen Nachhaltigkeitsstrategie
4.4.2 Nachhaltige Unternehmensstrategien

5 Nachhaltiger Luftverkehr – eine Defizitanalyse
5.1 Umweltbezogene Nachhaltigkeitsdefizite des Luftverkehrs
5.1.1 Die Untersuchung der spezifischen Nachhaltigkeitskriterien
5.1.1.1 Globale Umweltschäden
5.1.1.2 Regionale Umweltschäden
5.1.1.3 Umweltbelastungen durch Fluglärm.
5.1.1.4 Umweltbelastungen durch Flächenverbrauch
5.1.1.5 Durch Ressourcenverbrauch bedingte Defizite
5.1.2 Zusammenfassung der Ergebnisse
5.2 Ökonomische Betrachtung der Nachhaltigkeitsdefizite
5.2.1 Ökonomische Grundlagen – idealtypischer Markt und Marktversagen
5.2.2 Verursachung externer Effekte durch den Luftverkehr
5.2.3 Die monetäre Bewertung luftverkehrsbedingter Umweltschäden
5.2.4 Zur Notwendigkeit staatlicher Eingriffe im Luftverkehrsbereich
5.2.5 Steuerrechtliche Privilegierung des Luftverkehrs
5.3 Defizite von institutionellen Rahmenbedingungen

6 Problemlösungsansätze zur Umsetzung einer nachhaltigen umweltverträglichen Entwicklung des Luftverkehrs
6.1 Vorbemerkungen
6.2 Politische Maßnahmen zur Gewährleistung einer nachhaltigen umweltgerechten Entwicklung des Luftverkehrs
6.2.1 Maßnahmen gegen Fluglärmbelastungen
6.2.1.1 Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm in der Bundesrepublik Deutschland
6.2.1.2 Umsetzung der Betriebsbeschränkungsrichtlinie in Europa
6.2.2 Vorbeugende Maßnahmen zur Vermeidung einer zukünftig unnachhaltigen Entwicklung des Luftverkehrs
6.2.3 Vorhaben der deutschen Bundesregierung
6.3 Vorüberlegungen zur Betrachtung von Problemlösungsansätzen
6.3.1 Problemlösungsansätze aus Sicht der ökonomischen Theorie
6.3.2 Zur Beurteilung und Umsetzung von Handlungsoptionen
6.4 Handlungsoptionen zur Minderung der umweltschädigenden Auswirkungen des Luftverkehrs
6.4.1 Vorbemerkungen
6.4.2 Technische Maßnahmen und zukünftige technologische Möglichkeiten
6.4.2.1 Technische Maßnahmen mit emissionsmindernder Wirkung
6.4.2.2 Möglichkeiten des Einsatzes alternativer Energieträger im Luftverkehr
6.4.3 Organisatorische Maßnahmen
6.4.3.1 Kapazitätsbezogene Maßnahmen
6.4.3.2 Flight Management und Flugroutenoptimierung
6.4.3.3 Umweltgerechte Instandhaltung und frühzeitige Stilllegung
6.4.3.4 Selbstverpflichtungserklärung sowie Flugausgleichszahlung
6.4.4 Ökonomische Instrumente
6.4.4.1 Vorbemerkungen
6.4.4.2 Emissionsabgaben und Steuern
6.4.4.3 Emissionshandel
6.4.5 Ordnungsrechtliche Instrumente
6.4.5.1 Grenzwerte
6.4.5.2 Slotvergabe
6.4.5.3 Angebotseinschränkungen von Luftverkehrsleistungen

7 Fazit

V Literaturverzeichnis

VI Eidesstattliche Erklärung

III Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Das Drei-Säulen-Modell

Abbildung 2: Bedürfnisbefriedigung als Ursache für die Entstehung von Verkehr.

Abbildung 3: Transportgewicht und Warenwert von in die Bundesrepublik Deutschland eingeführten Gütern.

Abbildung 4: Flughäfen in Deutschland sowie angrenzende Nachbarflughäfen.

Abbildung 5: Entwicklung von Fluggastaufkommen und Flugbewegungen auf ausgewählten europäischen Flughäfen.

Abbildung 6: Entwicklung der Fracht- und Personenbeförderung im Luftverkehr.

Abbildung 7: Prognose des weltweiten Luftverkehrs

Abbildung 8: Schadstoffemissionen eines Triebwerks im Unterschallverkehr

Abbildung 9: Flugphasen.

Abbildung 10: Wechselbeziehungen zwischen Umwelt- und Wirtschaftssystem

Abbildung 11: Gesamtschallpegel und Verkehrsaufkommen am Flughafen Frankfurt

Abbildung 12: End-Energieverbrauch nach Verkehrsbereichen - BRD im Jahr

Abbildung 13: Prognose des weltweiten Energieverbrauchs im Verkehr - 2000 bis

Abbildung 14: Die Höhe des Umweltschadens als Resultat von Anbieter- und Nachfragerverhalten

Abbildung 15: Hauptakteure im Handlungsfeld Luftverkehr und Emissionen

Abbildung 16: Möglichkeiten der Lärm- und Schadstoffreduktion bis zum Jahr

IV Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Die prioritären Handlungsfelder der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie

Tabelle 2: Zentrale Herausforderungen der europäischen Nachhaltigkeitsstrategie

Tabelle 3: Der Luftverkehr nach Verkehrszwecken

Tabelle 4: Die Vancouver-Prinzipien

Tabelle 5: Kriterien und Indikatoren für die ökologische Nachhaltigkeitsanalyse im Luftverkehr

Tabelle 6: Übersicht der wesentlichen luftverkehrsbedingten Umweltbelastungen

Tabelle 7: Geräusche und ihre Einzelschallpegel

Tabelle 8: Internationale Verkehrsflughäfen der Bundesrepublik Deutschland im Vergleich

Tabelle 9: Luftverunreinigungen in der Bundesrepublik Deutschland

Tabelle 10: Emissionsbilanz für Stickoxide im Ballungsraum Rhein-Main

Tabelle 11: Ergebnisse der ökologischen Defizitanalyse des Luftverkehrs

Tabelle 12: Externe Verkehrskosten des Jahres 2000 in Europa

„Wenn du für ein Jahr planst, dann pflanze Reis

Wenn du für zehn Jahre planst, dann pflanze Bäume

Wenn du für einhundert Jahre planst, dann erziehe die Menschheit.“[1]

1 Einführung in die Thematik

1.1 Ausgangslage und Problemstellung

Die Grundweisheit der Verkehrswissenschaft, dass nämlich „das Wachstum des Verkehrs keine Grenzen kennt“, lässt sich von jeher durch die steigenden Mobilitätsansprüche einer Bevölkerung begründen. In unserer heutigen Gesellschaft entstehen diese insbesondere durch ein sich ständig ausweitendes Freizeit- und Urlaubsverhalten und eine zunehmend arbeitsteilige Entwicklung der Wirtschaft. Dabei verstärken sich die Ansprüche der Menschen noch mit steigendem Wohlstand und der damit verbundenen geänderten Lebensgestaltung.

Mobilität stellt sich dabei als ein ambivalentes Bedürfnis dar, das gleichzeitig als angenehme Notwendigkeit und als gewichtiges Problem angesehen werden muss. Einerseits sind die wirtschaftlichen Abläufe und das soziale Zusammenleben in der Gesellschaft ohne eine gut ausgebaute Verkehrs- infrastruktur nicht mehr denkbar. Andererseits sind negative ökologische und soziale Auswirkungen, die durch den Betrieb dieses Verkehrssystems entstehen, heute kaum noch zu übersehen.[2]

Gerade in Bezug auf den Klimaschutz stellen Mobilitätsbedürfnis und Verkehr in den Industrieländern und durch die Angleichung der Lebensstile auch in den nachholenden Entwicklungsländern eine große Herausforderung dar. Umwelt-beeinträchtigungen, die dabei dem Luftverkehr in besonderem Maße zugeschrieben werden, sind Luftverschmutzung, Lärmbelästigung, Energie- und Raumverbrauch, sowie die zusätzliche Aufheizung der Erdatmosphäre (Treibhauseffekt).[3]

Jedoch hat eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur heute eine Schlüsselrolle für die wirtschaftliche Entwicklung. Produktivität, Wachstum und Beschäftigung sind wiederum die Garanten für den anhaltenden Wohlstand der Gesellschaft. Da das Wirtschaftswachstum und der Verkehr nahezu untrennbar mit den daraus entstehenden Umweltschädigungen verbunden sind, ergibt sich ein scheinbar auswegloses Dilemma. Den Lösungsvorschlägen der unterschiedlichen Interessengruppen ist dabei oft nur gemein, dass eine zukünftige Entwicklung möglichst „nachhaltig“ erfolgen muss. Was jedoch genau unter dem Schlagwort „Nachhaltigkeit“ zu verstehen ist, lässt sich aus den unterschiedlichen Meinungsbildern kaum noch erkennen. Trotzdem ist es für die Gesellschaften dieser Erde überaus bedeutsam geworden, ihre zukünftige Wirtschafts- und Lebensweise mit der notwendigen Nachhaltigkeit voranzutreiben.[4]

1.2 Vorgehensweise und Untersuchungsziel

Unter Nachhaltigkeit wird in dieser Arbeit eine dauerhafte, zukünftige Entwicklung verstanden, „die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeit künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen“[5]. Im Mittelpunkt der Definition steht, als ihr ursprünglicher Grundgedanke, die Erhaltung einer lebenswerten natürlichen Umwelt.

Thema dieser Arbeit ist der „nachhaltige Luftverkehr“. Ihr Inhalt wird sich folglich mit den Grundlagen, der Notwendigkeit für unsere Gesellschaft und den positiven und negativen Auswirkungen des Luftverkehrssystems beschäftigen. Die Herausforderung besteht darin, dass „ein nachhaltiges Verkehrssystem die Bedürfnisse nach sozialen Kontakten und Kommunikation befriedigt und den Zugang zu Gütern und Dienstleistungen[6] ermöglicht, ohne die Gesundheit von Menschen zu gefährden oder das Ökosystem zu bedrohen. Der Verbrauch erneuerbarer Ressourcen darf nicht höher sein als deren Regenerierungsrate. Die nicht erneuerbaren Ressourcen dürfen nicht schneller verbraucht werden, als erneuerbare Quellen zur Substitution neu erschlossen werden können.“[7]

Als Grundlage für die inhaltlichen Zusammenhänge sollen dabei die Annahmen des „Drei-Säulen-Modells“[8] Verwendung finden. Nach diesem, seit 1998 von der Bundesregierung vertretenen Nachhaltigkeitskonzept, kann Nachhaltigkeit durch ein gleichwertiges integratives Zusammenspiel der Dimensionen natürliche Umwelt (ökologische Dimension), Wirtschaft (ökonomische Dimension) und Bevölkerung (soziale Dimension) erzielt werden. Die drei Gegenstandsbereiche sollten dabei als gleichwertig im Sinne von unverzichtbar, aber nicht in allen Entscheidungssituationen als „gleichgewichtig“ Beachtung finden.

Um die Nachhaltigkeitsdebatte in der Bundesrepublik Deutschland darzustellen, wird auch auf andere relevante konzeptionelle Orientierungen eingegangen (Kapitel 2). So wird sich hier z.B. der Ansatz von „starker“ und „schwacher Nachhaltigkeit“ wieder finden.

Im Anschluss an die Grundlagen des Untersuchungsbereichs (Kapitel 3) wird der Luftverkehr einer Nachhaltigkeitsanalyse speziell unter ökologischen Gesichtspunkten unterzogen (Kapitel 4). Hier werden die Nachhaltigkeitskriterien und -indikatoren speziell zur Untersuchung des Luftverkehrs eingeführt. Danach werden die identifizierten Defizite benannt und hinsichtlich ihrer ökonomisch-wissenschaftlichen Bedeutung untersucht (Kapitel 5). Anhand dieser Ergebnisse wird eine Einstufung der ökologischen Entwicklungen im Luftverkehr möglich.

Der Defizitanalyse folgt die Darstellung von Problemlösungsansätzen zur Ausgestaltung einer zukünftigen umweltgerechten Entwicklung des Luftverkehrs (Kapitel 6). Hier sollen konkrete Maßnahmen und politische Instrumente als Handlungsoptionen abgeleitet werden, durch die eine nachhaltige, umweltgerechtere Entwicklung des Luftverkehrs beeinflusst werden kann.

Im Verlauf der Arbeit soll es damit möglich werden, die folgenden Forschungsfragen zu beantworten:

- „Ist heute und im Hinblick auf die Zukunft die nachhaltige umweltgerechte Entwicklung des Luftverkehrs gegeben?“
- „Lassen sich konkrete politische Maßnahmen und Instrumente identifizieren, aufgrund derer sich in unserer Gesellschaft die Bedingungen für eine nachhaltige, umweltgerechtere Entwicklung im Luftverkehr tatsächlich umsetzen ließen?“

2 Grundzüge der Nachhaltigkeitsdebatte

2.1 Historie der Nachhaltigkeitsdebatte

2.1.1 Die Entstehung des Prinzips einer „Nachhaltigen Entwicklung“

Der Begriff „Nachhaltigkeit“ stammt ursprünglich aus der deutschen Forstwirtschaft, wo er bereits seit Ende des 18. Jahrhunderts Verwendung findet. Um eine zukünftige, bestandserhaltende Waldnutzung voranzutreiben, fasste man unter dem Terminus der „Nachhaltigkeit“ eine neue Art der wirtschaftlichen Nutzung des Waldes zusammen. Ziel war es, einen dauerhaften Holzertrag auch in den nachfolgenden Generationen zu sichern. Hierzu sollte nur noch soviel Holz geerntet werden, wie durch Baumneupflanzungen wieder nachwachsen konnte.[9] Aus diesem damals per Gesetz festgeschriebenem Grundsatz entwickelte sich in der Praxis ein aus ökologischen und ökonomischen Kriterien kombinierter Maßstab für Nachhaltigkeit.

Mit Beginn der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts begann sich eine entscheidungsrelevante ökologische Entwicklungsdimension in den politischen Debatten zu etablieren. So fand in dem von der „International Union for the Conservation of Nature“ (IUCN) in Zusammenarbeit mit einigen Organisationen der United Nations (UN) erarbeiten Dokument der „World Conservation Strategy“ erstmalig der Begriff des „Sustainable Development“[10] wissenschaft-liche Verbreitung. Dieser wird heute mit „dauerhafte“ oder „nachhaltige Entwicklung“ übersetzt. Das Neuartige daran war, dass die „ökonomische Entwicklung ohne die Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Ökosysteme […] auf lange Sicht nicht realisierbar sei und ökonomische Gewinne aus der übermäßigen Ausbeutung dieser Systeme nur auf Zeit möglich seien“[11].

Das so geschaffene Prinzip einer „nachhaltigen Entwicklung“ konnte sich jedoch in dieser rein ökologischen Form noch nicht durchsetzen. Zu drastisch erschien seine Ausrichtung an den umweltschützenden, gesellschaftlichen Veränderungen. Trotzdem etablierte sich in diesem Zeitraum eine veränderte Sichtweise der ökologischen Entwicklungsdimension und eine Schwerpunkt verlagerung von der Ressourcen- hin zur Senkenproblematik[12]. So ist die Beeinträchtigung der Aufnahme- und Verarbeitungskapazitäten der Ökosysteme bis heute, z.B. durch die sichtbar werdenden Folgewirkungen der „anthropogenen Klimaveränderungen“[13], immer deutlicher in das öffentliche Bewusstsein getreten. Darüber hinaus kamen die Akteure[14] in den wissenschaftlichen sowie politischen Debatten verstärkt zu der Einsicht, dass die von den Industriestaaten praktizierten Produktions- und Lebensstile[15] nicht langfristig auf die Entwicklungs- und Schwellenländer (zu denen immerhin 80 % der Weltbevölkerung zählen) übertragbar seien.[16]

2.1.2 Der Brundtland-Bericht als Ausgangspunkt einer internationalen Verständigung

Als „Leitbild“ fand das Prinzip der nachhaltigen Entwicklung erstmals mit dem Bericht der Brundtland-Kommission[17] „Unsere gemeinsame Zukunft“[18] aus dem Jahre 1987 weltweite Beachtung. Aufgrund der zuvor beinahe ausschließlich kontrovers verlaufenden internationalen Entwicklungsdebatten, war es das Ziel der Kommission gewesen, endlich einen gemeinsamen Konsens zu finden. Anstoß hierzu gaben die teilweise dramatisch wachsenden gesellschaftlichen Probleme wie Umweltverschmutzung, Armut, Nahrungsmittelmangel, weltweite Rezession und Schuldenkrise, Arbeitslosigkeit, um nur einige zu nennen.

Das vorwiegend aus regierungsunabhängigen Vertretern zahlreicher Länder zusammengesetzte UN-Gremium[19] erschuf ein Konzept, bei dem die Ziele und Handlungserfordernisse der Umwelt- und Entwicklungspolitik gleichermaßen Beachtung fanden. Dazu wurden globale ökologische, soziale sowie ökonomische Fragestellungen mit ihren Wechselwirkungen thematisiert. Das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung bildete damit die Grundlage eines ersten integrativen, globalen Politikziels.

Daraufhin wurden weitere internationale Konferenzen mit dem Ziel angesetzt, die Grundlagen und Möglichkeiten einer tatsächlichen, praktischen Umsetzung des Leitbildes zu erarbeiten.[20] Als bedeutendste gilt die UNCED[21] - Konferenz für Umwelt und Entwicklung (Rio de Janeiro 1992) - auf der das „Leitbild“ als neues Entwicklungsziel der Menschheit festgelegt wurde. Hierbei wurde es in Bezug auf seine praktische Umsetzung mit Handlungsempfehlungen für seine konkreten Ziele, Maßnahmen und Instrumente ausgestattet. Zwei zentrale Dokumente der Konferenz - die „Rio-Deklaration“[22] und die „Agenda 21“[23] - besitzen aufgrund ihrer Unterzeichnung durch 178 Staaten bis heute eine relativ starke politisch verpflichtende Bedeutung.

In der Rio-Deklaration werden einige entscheidende entwicklungs- und umweltpolitische Grundsätze festgehalten, darunter das „Recht auf Entwicklung“ für die bisherigen Entwicklungsländer und die „Anerkennung der Industrie-staaten“ als Hauptverursacher der Umweltprobleme.

Die Agenda 21 stellt ein bis heute international gültiges, umfassendes Aktionsprogramm zur Umsetzung der nachhaltigen Entwicklung dar. Es werden unterschiedliche Schwerpunkte für Industrie- und Entwicklungsländer gesetzt und die Einrichtung von nationalen Nachhaltigkeitsstrategien[24] gefordert, mit denen die nachhaltige Entwicklung langfristig in einen systematischen Umsetzungs-prozess überführt werden kann.

2.2 Grundlegende Prämissen des Nachhaltigkeits-Leitbildes

2.2.1 Die Definition nachhaltiger Entwicklung

Nach dem Brundtland-Bericht 1987 gilt eine Entwicklung dann als nachhaltig, wenn sie „die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können“[25].

Damit wird als entscheidendes Motiv der Nachhaltigkeitsbestrebungen die Sorge um das Wohlergehen sowohl der heutigen, als auch zukünftiger Generationen genannt. In dem Bericht wird eindringlich die „ethische Nutzung“ natürlicher Ressourcen in den Vordergrund gerückt, wobei eine weltweite Fortführung des gesellschaftlichen und insbesondere des wirtschaftlichen Entwicklungsprozesses nach gewohnten Mustern abzulehnen sei. Den Grundsätzen des Leitbildes folgend, sollen die Problembereiche „Entwicklung“ und „Umwelt“ zukünftig nicht länger isoliert voneinander betrachtet werden. Dabei wird als Lösungsweg für die globalen Probleme der Menschheit die Überprüfung der Auswirkungen menschlicher Aktivitäten und deren Anpassung unter den Nachhaltigkeitsbedingungen gefordert.[26]

Die Brundtland-Definition und die im Folgeprozess erarbeiteten „Rio-Dokumente“ bilden heute die Grundlage für zahlreiche wissenschaftliche Konzeptfortführungen.[27] Gleichermaßen beziehen sich die verschiedenen Interessengruppen bei ihren Operationalisierungsbemühungen auf die hier zugrunde liegenden Kernannahmen des Nachhaltigkeitsleitbildes.[28]

Jedoch müssen die auf einen größtmöglichen internationalen Konsens ausgerichteten Ergebnisse und Formulierungen auch kritisch betrachtet werden. So ergeben sich durch die relativ weichen Formulierungen der Nachhaltigkeitsdefinition und dem mehrdeutigen Entwicklungsbegriff Interpretationsspielräume. Eine dadurch bedingte Verwässerung des Nachhaltigkeitsbegriffs und die heute teilweise willkürlich geführte Debatte sind die Folge.[29]

2.2.2 Die vier normativen Grundannahmen

Die dem Brundtland-Bericht erwachsenden Aussagen lassen sich auf vier normative Grundannahmen verdichten, welche heute weitestgehend anerkannt sind.[30] Diese bilden den eigentlichen Kern des Begriffs der „Nachhaltigkeit“. Sie sind damit als wesentliche Bedingung die Voraussetzung für alle wissenschaftliche Konzeptfortführung und gleichzeitig der Gradmesser für jede als nachhaltig bezeichnete Entwicklung.

(1) Nachhaltigkeit ist immer ein globales Konzept:

Der Ausgangspunkt aller Betrachtungen zur Nachhaltigkeit liegt in den global auftretenden Umweltproblemen und den, sich aus dem wachsenden Wohlstandsgefälle ergebenden, sozialen und wirtschaftlichen Problemen vieler Länder. In Nachhaltigkeitsüberlegungen muss daher der Focus auch immer zuerst auf den globalen Zusammenhängen liegen, die den einzelnen regionalen und lokalen Problemen der jeweiligen Staaten zugrunde liegen. Erst nach der Kenntnis der globale Problemebene kann eine nachhaltige Entwicklung, durch eine Abstimmung von globalen Nachhaltigkeitszielen anhand von spezifischen Zielen und Maßnahmen auf national-staatlicher Ebene, realisiert werden.

(2) Nachhaltigkeit ist immer ein integratives Konzept:

Damit die Möglichkeit zur Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung gegeben ist, müssen die verschiedenen Facetten der gesellschaftlichen Entwicklung in das Konzept integriert werden. Ein umfassender Strategieansatz sollte dabei sowohl die ökologische und soziale, wie auch die ökonomische Dimension mit ihren wechselseitigen Abhängigkeiten beachten.

(3) Verantwortung gegenüber heutigen und kommenden Generationen:

Die Besinnung der Weltgesellschaft darauf, zukünftige Entwicklungen mit nachhaltigen Handlungsweisen zu verwirklichen, ist existenziell mit der moralischen Verpflichtung gegenüber allen nachfolgenden Generationen verbunden. Darin sind auch alle Menschen der heute lebenden Generationen einzubeziehen.

Die Verantwortung drückt sich dabei vor allem in der Forderung aus, dass Gerechtigkeit sowohl zwischen den Generationen als auch innerhalb jeder Generation herrschen soll. Die beiden dafür stehenden Prinzipien „Generationengerechtigkeit“ und „Verteilungsgerechtigkeit“ sind somit zwei wichtige Bestimmungsfaktoren für Nachhaltigkeit.

(4) Nachhaltigkeit ist ein anthropozentrisches Konzept:

Als „anthropozentrisches Konzept“ wird Nachhaltigkeit bezeichnet, da die Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse das vorrangige Ziel einer nachhaltigen Entwicklung ist. Demzufolge steht auch die Nutzung der Natur als Lebensraum und Ressourcenlieferant im Zentrum der menschlichen Bedürfnisse. Die Forderung der Erhaltung von natürlichen Ressourcen, zu welchen auch die natürliche Umwelt als Lebensraum zählt, findet damit nur in abgeschwächter Weise statt. Sie ist hingegen verschiedener Naturschutzforderungen nicht „Totalansatz“, dem alles andere unterliegt, sondern die Voraussetzung für eine dauerhafte soziale und ökonomische Entwicklung unserer Weltgesellschaft. „Der Mensch trägt [jedoch die] Verantwortung für diese Natur, weil er als Naturwesen auf bestimmte Güter und Leistungen, auf die Funktionsfähigkeit natürlicher Kreisläufe und Wachstumsprozesse angewiesen ist.“[31]

2.3 Konzeptionelle Ansätze nachhaltiger Entwicklung

2.3.1 Vorbemerkung

Als wesentliche Bedingung von Nachhaltigkeit beruhen alle konzeptionellen Ansätze auf den zuvor genannten „normativen Grundannahmen“. Ausgehend vom Nachhaltigkeitspostulat, der global verstandenen Gerechtigkeit in Zeit und Raum, ist damit die Optimierung der menschlichen Nutzung von Ressourcen der gemeinsame Zweck aller Konzeptionen. Uneinigkeit besteht hingegen in der „Übersetzung“ dieser Elemente in generelle Leitlinien und Nachhaltigkeitsziele für den gesellschaftlichen Entwicklungsprozess. Die vielfältigen Interpretations-möglichkeiten des Nachhaltigkeitspostulats werden dabei durch die relativ offene, auf größtmögliche internationale Überstimmung ausgerichtete Nachhaltigkeits-definition möglich.

Nach der Auswahl des bevorzugten Nachhaltigkeitskonzeptes schließt sich für die praktische Umsetzung die Benennung von Nachhaltigkeitszielen sowie die Festlegung von Handlungsgrundsätzen an.[32]

2.3.2 Die Nachhaltigkeitskonzepte im Überblick

Ein wirtschaftswissenschaftlich vertretener Ansatz besteht darin, zwischen „ schwacher “ und „ starker “ Nachhaltigkeit zu differenzieren. Hier orientiert man sich an der Einteilung der Ressourcen nach verschiedenen Kapitalarten. Die für die Entwicklung und Bedürfnisbefriedigung der Menschen zur Verfügung stehenden Ressourcen bestehen aus natürlichen (natürliches Kapital)[33] und künstlich geschaffenen Anteilen (künstliches Kapital)[34]. Aus dem Nachhaltigkeitsgrundsatz ergibt sich nach diesem Konzept die Forderung, diese Ressourcen in möglichst großer Zahl weiterzugeben.

Beim Standpunkt der „schwachen“ Nachhaltigkeit gelten natürliches und künstliches Kapital weitgehend als austauschbar. Bei diesem, vor allem in den Wirtschaftswissenschaften verbreiteten Ansatz wird lediglich die Weitergabe einer möglichst hohen Gesamtsumme von Ressourcen gefordert.

Im Gegensatz dazu steht die als „stark“ nachhaltig bezeichnete Forderung nach der unbedingten Bewahrung und Weitergabe der natürlichen Ressourcen an die nachfolgenden Generationen. Nach ihrem Verständnis sind natürliche und künstliche Ressourcen nicht vollständig austauschbar.[35]

Bei einer weiteren Unterscheidung zwischen „ substanzieller “ und „ prozeduraler “ Nachhaltigkeit geht es um die Beantwortung der dauerhaft brisanten politischen Frage, ob eine Gesellschaft durch staatliche Beeinflussung überhaupt steuerbar ist. „Substanziell“ würde es dem normativen Charakter des Nachhaltigkeitsleitbildes entsprechen, danach können Politik und Gesellschaft detaillierte Nachhaltigkeitsziele definieren, dazu konkrete Handlungsstrategien festlegen und letztendlich klare Maßnahmen zu deren Umsetzung vereinbaren. Aufgrund der komplexen ökologischen und sozioökonomischen Systeme bestehen jedoch Zweifel an der Wirksamkeit einer solchen staatlichen Einflussnahme. Nach dem „prozeduralen“ Nachhaltigkeitsverständnis beschränkt sich daher die Steuerbarkeit der Gesellschaft auf die Festlegung von Minimalzielen. Die Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung würde dann über „lebensnahe Prozesse der Selbstorganisation und umsichtigen Lebenseinstellung der Individuen“[36] erfolgen.

Bei den „ dimensionalen“ Nachhaltigkeitskonzepten stehen ökologische, soziale, ökonomische oder institutionelle Entwicklungsaspekte einzeln oder als Arrangement im Mittelpunkt. Aufgrund der umfassenden politischen Bedeutung dieser Konzeptkategorie werden die „dimensionalen Modelle“ im Abschnitt 2.3.3 ausführlich erläutert.

Um einer „Überfrachtung“ des Leitbildes sowie der Vorstellung entgegenzuwirken, dass sich in der Praxis ökologische, soziale und ökonomische Ziele nachhaltiger Entwicklung völlig unabhängig von einander realisieren ließen, entwickelten sich in den letzten Jahren die „ integrativen“ Nachhaltigkeits-konzepte. In diesen schenkt man den problematischen, vielfachen Verflechtungen zwischen den Dimensionen mehr Beachtung, denn gerade das Zusammenwirken von „Ressourcen-, Grundgüter- und Nutzenstrukturen [macht es] erforderlich [.], Nachhaltigkeitsprobleme wie auch Handlungsstrategien integrativ zu untersuchen“[37]. Während sich bei dimensionalen Konzepten die generellen Nachhaltigkeitsziele auf die Entwicklungsaspekte der verschiedenen Dimensionen beziehen, bedarf es dazu bei integrativen Konzepten einer problemübergreifenden Bezugnahme.[38]

2.3.3 Zur Relevanz dimensionaler Nachhaltigkeitskonzepte

In den heutigen politischen Debatten hat sich weitestgehend das „Drei-Säulen-Modell“[39] durchgesetzt, da nach diesem Ansatz die ökologischen, sozialen und ökonomischen Entwicklungsaspekte gleichrangige Beachtung finden sollen.[40] Wie die Abbildung 1 verdeutlicht, bilden die drei genannten Dimensionen die tragenden Säulen, auf denen eine „verteilungs-„ und „generationengerechte“ Befriedigung der Bedürfnisse heutiger und zukünftiger Generationen möglich wird. Nachhaltigkeit, bzw. die nachhaltige Entwicklung aller Bereiche, steht dazu als Bindeglied im Zentrum der Betrachtung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Das Drei-Säulen-Modell

(Quelle: Eigene Darstellung)

Kritiker des Modells merken an, dass es einerseits zweifelhaft ist, ob es in jeder Situation gelingen kann, trotz aufkommender Zielkonflikte die drei Dimensionen gleichgewichtig zu integrieren. Andererseits wird von wissenschaftlicher Seite der „Vorwurf der Hyperkomplexität erhoben, der eine [zusätzliche] Verwässerung der Nachhaltigkeitsidee nach sich ziehe“[41]. So wird das Modell auch in der politischen und öffentlichen Diskussion mit verschiedenartigen sozial- und wirtschaftpolitischen Zielsetzungen missbraucht, wodurch die voranschreitende konzeptionelle und inhaltliche Konturlosigkeit vorprogrammiert scheint.[42]

Ungeachtet der Bedenken bezüglich der politischen oder andersartigen Steuerung unserer Gesellschaft muss man heute davon ausgehen, dass die Realisierung der nachhaltigen Entwicklung nicht ohne substanzielle Maßnahmen auskommt. Die notwendige Regulierung individuellen oder kollektiven „Fehlverhaltens“ - im Sinne des Nachhaltigkeitsprinzips - erfolgt dabei durch gesellschaftliche Institutionen. Mit dem Begriff „Institutionen“ werden nicht nur Organisationen, wie sie bürokratische Strukturen hervorbringen, verstanden. Mehr noch beschreibt der Ausdruck allgemeine Regeln[43], die öffentliches wie privates Handeln zielorientiert beeinflussen und damit eine rahmensetzende und steuernde Funktion haben.[44]

In dimensionalen Modellen wird die institutionelle Dimension zwar oft als „grundlegend“ benannt, dann jedoch wieder vernachlässigt. Die Annahme hierzu ist, dass sich die institutionellen Felder in ausreichendem Maße in der sozialen Dimension widerspiegeln.[45] Jedoch lassen sich gangbare Schritte, auf adäquaten Lösungswegen, für die globalen Probleme in unserer Gesellschaft wohl kaum anders umsetzen, als auf der Grundlage von international legitimierten Institutionen. Deren Ausgestaltung innerhalb überstaatlicher Abkommen und Absprachen ermöglicht erst die Einrichtung von nationalen Mechanismen bzw. die Stärkung von institutionellen Kapazitäten auf national-staatlicher Ebene.[46]

Vor diesem Hintergrund scheint die gesonderte Nennung der institutionell-politischen Dimension äußerst relevant. Denn gerade durch die Aus- bzw. Umgestaltung von Institutionen wird die „Tragfähigkeit“ des 3-Säulen-Modells so gefestigt, dass die tatsächliche Umsetzung von nachhaltigen Entwicklungen in den Zielbereichen möglich wird.[47]

2.3.4 Die Bestimmung von nachhaltigen Handlungsgrundsätzen

Zur Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung müssen Handlungsgrundsätze erarbeitet werden. Diese stellen jedoch nur eine erste Orientierungshilfe dar und müssen für den jeweiligen Untersuchungsbereich weiter ausformuliert werden.

In Bezug auf das drei-dimensionale Konzept lassen sich die so genannten „Managementregeln der Nachhaltigkeit“[48] als Handlungsgrundsätze identifizieren, die nach dimensionalen Problembereichen bzw. Zielkategorien ermittelt wurden. Sie können heute als ein mögliches Fundament für alle politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen dienen.

So darf beispielsweise nach den ökologischen Managementregeln bei zukünftigen Entwicklungen „die Nutzung einer Ressource [.] auf Dauer nicht größer sein als die Rate Ihrer Erneuerung oder die Rate des Ersatzes all ihrer Funktionen“. Des Weiteren sind alle „Risiken für Mensch und Umwelt zu vermeiden“.

Eine Regel mit Bezug auf den sozialen Ziel- bzw. Problembereich unserer Gesellschaft besagt, dass „die demokratisch legitimierten Entscheidungsträger [.] die Verpflichtung [haben], die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass im Rahmen des Umweltraumes eine gerechte Verteilung der Lebenschancen für heutige und zukünftige Generationen sichergestellt ist“.

Im Gegensatz dazu besagen zwei Handlungsgrundsätze der ökonomischen Säule, dass „das ökonomische System [.] individuelle und gesellschaftliche Bedürfnisse im Rahmen des Umweltraumes so effizient wie möglich befriedigen“ soll. Dazu müssen die „Preise [.] die wesentlichste Lenkungsfunktion wahrnehmen. Diese sollen die Knappheit der Ressourcen und Produktionsfaktoren widerspiegeln. Wenn dies die Märkte aufgrund von Externalitäten[49] (Überwälzungen von sozialen Kosten, z.B. Umweltkosten) nicht leisten können, müssen die demokratisch legitimierten Entscheidungsträger dafür sorgen, dass, z.B. durch Umweltabgaben, die Produkte die ökologische Wahrheit sagen bzw. die angestrebten Nachhaltigkeitsstandards durch höhere Preise erreicht werden“[50]. Dieser letztgenannte Handlungsgrundsatz nennt, neben einem möglichen Problembereich heutiger unnachhaltiger Entwicklungen bereits den dazugehörigen Lösungsansatz.[51]

2.4 Aktuelle politische Nachhaltigkeitsstrategien

2.4.1 Die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie

In der Absichtserklärung durch die „Agenda 21“ hat sich die Staatengemeinschaft darauf geeinigt, das Nachhaltigkeitsprinzip durch ein detailliertes Aktionsprogramm in die Praxis umzusetzen. Eine zentrale Rolle spielt dabei eine langfristig angelegte strategische Planung. Die Entwicklung so genannter Nachhaltigkeitsstrategien sieht vor, dass die Regierungen auf lokaler und nationaler Ebene jeweils unter Beteiligung privater Akteure aus Wirtschaft und Gesellschaft Politikmaßnahmen formulieren und umsetzen, die am Leitbild der nachhaltigen Entwicklung ausgerichtet sind.[52]

Zur Unterstützung des gesellschaftlichen Dialogs zur Nachhaltigkeit hat die deutsche Bundesregierung im April 2001 den „Rat für nachhaltige Entwicklung“[53] berufen. Durch die gesellschaftsumfassende Zusammensetzung des Rates mit hochrangigen Personen u. a. aus Wirtschaft, Umweltverbänden, Wissenschaft, soll die Ausarbeitung von allseits akzeptanzwürdigen Beiträgen und Vorschlägen zur Umsetzung des Nachhaltigkeitsleitbildes gewährleistet werden.[54] In diesem Sinne hat auch die Bundesregierung „Nachhaltigkeit als Querschnittsaufgabe erkannt und macht sie zu einem Grundprinzip ihrer Politik“[55].

Konzeptionell geht die Bundesregierung dabei von den Annahmen des Drei-Säulen-Modells[56] aus, entgegnet aber, dass es für die tatsächliche Umsetzung einer Nachhaltigkeitsstrategie einer integrativen Abwägung aller Belange bedarf. Als Leitlinie für alle Politikbereiche soll daher eine integrative Nachhaltigkeits-strategie gelten, deren Inhalt im April 2002 als „Perspektiven für Deutschland“[57] verabschiedet wurde. Nach der politischen Konkretisierung, der Bedeutung des Nachhaltigkeits-Leitbilds für die Bundesrepublik Deutschland, werden sieben prioritäre Handlungsfelder (Tabelle 1) festgelegt, „bei denen Weichenstellungen für eine nachhaltige Entwicklung unseres Landes notwendig sind“[58].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

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Tabelle 1: Die prioritären Handlungsfelder der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie

(Quelle: Deutsche Bundesregierung 2002)

An zweiter Stelle dieses Handlungskataloges wird unter der Überschrift „Mobilität sichern – Umwelt schonen“ dem Verkehrsbereich ein eigener Schwerpunkt gewidmet. Damit ergibt sich für ein nationales, „auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes Verkehrssystem“[59] ein politischer Handlungsauftrag.

2.4.2 Die europäische Nachhaltigkeitsstrategie

Weil die Umsetzung nachhaltiger Entwicklungen vor allem ein globales Ziel ist, hat sich auch die europäische Union zur Ausarbeitung einer Nachhaltigkeitsstrategie[60] verpflichtet.[61] Die Europäische Union sieht sich dabei in einer „Schlüsselrolle, und zwar nicht nur in Europa, sondern auch auf globaler Ebene, wo umfassende internationale Maßnahmen erforderlich sind“[62]. Genau wie die Bundesregierung geht auch die Europäische Union von der Brundtland-Definition aus und versteht Nachhaltigkeit als drei-dimensionale Querschnittsaufgabe, die sich nur integrativ in einer langfristigen Strategie verwirklichen lässt. In der Umsetzung eines nachhaltigen Verkehrssystems sieht sie dabei eine der sechs zentralen Herausforderungen zukünftiger Entwicklungen (Tabelle 2). Ein langfristiges politisches Ziel ist es daher, auch in Europa sicherzustellen, dass „Verkehrssysteme den wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Ansprüchen genügen, bei gleichzeitiger Minimierung von nachteiligen Auswirkungen auf Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt“[63].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

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Tabelle 2: Zentrale Herausforderungen der europäischen Nachhaltigkeitsstrategie

(Quelle: REU 2006)

2.5 Allgemeine Umsetzungsschwierigkeiten des Nachhaltigkeitsleitbildes

2.5.1 Die Pluralität des Nachhaltigkeitsbegriffs

Seit der Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro kommt es bei der Umsetzung des Leitbildes nachhaltiger Entwicklung zu Schwierigkeiten auf den verschiedensten Ebenen. So ergeben sich im Vorfeld der Umsetzungsmaßnahmen durch den auf größtmögliche Akzeptanz ausgerichteten Nachhaltigkeitsbegriff vielfältige grundsätzliche Interpretationsmöglichkeiten. Daraus lassen sich die verschiedenartigen konzeptionellen Ansätze zum grundsätzlichen Verständnis nachhaltiger Entwicklung und deren Realisierbarkeit ableiten.

Nachfolgend werden die allgemeinen Umsetzungsschwierigkeiten des Nachhaltigkeitsleitbildes beschrieben. Diese ergeben sich mehr oder weniger problemunabhängig in allen Bereichen, in denen eine Umsetzung von nachhaltigen Entwicklungen angestrebt wird.[64] Sie gelten damit auch für die Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung im Luftverkehr.

2.5.2 Umsetzungsschwierigkeiten auf analytischer Ebene

Die Kontroversen auf der „analytischen Ebene“ betreffen die Auswahl von Indikatoren zur Identifikation der gesellschaftlichen Problembereiche, zur Ableitung von Handlungsbedarf sowie der Erfolgskontrolle.

Im Jahre 2002 kam das Umweltbundesamt zu dem Resultat, dass sich „eine nachhaltige Wirtschaft und Gesellschaft [..] nicht anhand exakter Kriterien abschließend definieren und im Sinne eines detaillierten Zielsystems steuern [lässt]. Es muss vielmehr vom zukunftsbezogenen Lernen, Suchen und Gestalten ausgegangen werden, die sich notwendigerweise durch ein gewisses Maß an Offenheit und Unsicherheit auszeichnen“[65]. Spätestens auf der analytischen Ebene wäre es jedoch für die Beurteilung, ob eine gewisse Maßnahme eine nachhaltige Entwicklung fördert oder nicht, erforderlich, dass der Begriff abschließend messbar wäre. Mit Hinblick auf eine konkrete Lösungsstrategie sind hier für die Bestimmung und Bewertung des gegenwärtigen gesellschaftlichen Entwicklungs-zustandes („Ist-Zustand“) vor dem Hintergrund festzulegender Nachhaltigkeits-ziele (am „Soll-Zustand“) konkrete Indikatoren notwendig.

Folgt man dem, so lässt sich damit ohne weiteres behaupten, dass es nicht möglich ist, eine nachhaltige Entwicklung unmittelbar zu implementieren. Denn „ein solcher 'Prozesscharakter' des Begriffs nachhaltiger Entwicklung steht im Widerspruch zu dem Anspruch, Maßnahmen [und Handlungen] in den verschiedenen Bereichen der Gesellschaft an diesem Ziel zu orientieren“[66].

Trotz des beschriebenen Widerspruchs wurden bis heute, aufgrund der notwendigen Bestimmung von „exakten Kriterien“ und Maßnahmen, bereits viele Studien mit dem Ziel der Operationalisierung nachhaltiger Verkehrs-entwicklungen durchgeführt. Im Ergebnis liegen dabei zahlreiche zum Teil stark voneinander abweichende Indikatorenkataloge vor. Hinzu kommt, dass der Umgang mit Zielkonflikten sowie die Frage der Gewichtung von Indikatoren oft unklar bleiben. Teilweise werden die Indikatoren nur für einzelne Dimensionen des Nachhaltigkeitsbegriffs erarbeitet, wodurch wiederum ihr Bezug zu den anderen Dimensionen offen bleibt.[67] Im Ergebnis kommt es durch die Auslegung verschiedener Interessensgruppen zur weiteren Verwässerung des Nachhaltigkeitsbegriffs.

Will man die sich dadurch ergebenden Umsetzungsprobleme umgehen, so ist es nötig, das Nachhaltigkeitsleitbild dennoch zu konkretisieren. So schlägt Gerike[68] den Ansatz des „variablen Leitplankensystems“ vor, bei dem für die bedeutenden Indikatoren Ober- und Untergrenzen festgelegt werden. Falls sich die tatsächlich realisierten Werte in dem zwischen diesen Leistplanken liegenden Bereich befinden, kann die Entwicklung bzw. der Zustand als nachhaltig bezeichnet werden.

2.5.3 Umsetzungsschwierigkeiten auf praktischer Ebene

Das gesamtgesellschaftliche Denken und Handeln wird entscheidend von den unterschiedlichen, persönlichen „Regeln, Normen, Wertmustern und Interessen“[69] der verschiedenen Akteure bestimmt. Dabei weisen staatliche wie nicht-staatliche Akteure stark voneinander abweichende Vorstellungen davon auf, welche Auswirkung eine nachhaltige Entwicklung auf die Gesellschaft haben sollte.

Auf der „praktischen Umsetzungsebene“, welche die „essenzielle Basis“ des Leitbildes der Nachhaltigkeit darstellt, kann „vom zukunftsbezogenen Lernen, Suchen und Gestalten ausgegangen werden“[70]. Damit werden die „Aushandlungs- und Einigungsprozesse“ zwischen den beteiligten Akteuren beschrieben, durch die erst ein „gemeinsames Verständnis über die Zielorientierung und die geeigneten Wege dahin“[71] möglich wird. Eigentliche Voraussetzung für eine Implementierung und die Realisation des Begriffs nachhaltiger Entwicklung ist demnach, dass die Akteure lernfähig und lernwillig sind. Denn erst durch das veränderte Wissen bzw. die angeeignete Sachkenntnis ist es den Individuen möglich, ihre Lebensweise zu modifizieren sowie einen „Wandel in den dominanten Produktions- und Konsummustern zu erreichen“[72].

Derartig komplexe, aufeinander abgestimmte Verhaltensänderungen der gesellschaftlichen Akteure können jedoch nur mit der Unterstützung von substanziellen, staatlichen Maßnahmen erreicht werden. Es müssen daher, neben der generellen Kooperations- und Handlungsbereitschaft aller Akteure, auch die geeigneten politischen und institutionellen Rahmenbedingungen[73] geschaffen werden, damit sich die Akteure auch entsprechend der gesetzten Ziele verhalten.[74]

An dieser Stelle ergibt sich die Frage, inwieweit die „Selbststeuerungsfähigkeit“[75] in unserer Gesellschaft überhaupt ausgeprägt ist. Kann sie unter den gegebenen Umständen eine derartig umfassende und weitreichende gesellschaftliche Transformation, wie sie eine nachhaltige Entwicklung erfordert, überhaupt bewältigen?[76] Trotz der Existenz nationaler sowie einer europäischen Nachhaltigkeitsstrategie mangelt es dazu heute noch an dem Willen der Akteure, ihre derzeitigen Handlungsmuster und Konsumgewohnheiten zu ändern. Dabei verhindert der geringe Wandlungswille der Interessengruppen, die politische Bereitschaft grundlegende Veränderungen vorzunehmen, wodurch es im Umkehrschluss wiederum an notwendigen konkreten Vorgaben mangelt. Eine nahe liegende Begründung für diesen Zusammenhang ist die Angst der jeweiligen nicht-staatlichen oder staatlichen Akteure vor Machtverlusten.

2.5.4 Globale Umsetzungsschwierigkeiten und internationale Politik

Der Ausgangspunkt aller Überlegungen zum Nachhaltigkeitsleitbild liegt in den global auftretenden Entwicklungs- und Umweltproblemen zahlreicher Länder. Diese globalen Probleme können von den Nationalstaaten zukünftig nicht mehr alleine und innerhalb ihrer Grenzen gelöst werden. „Die Internationalisierung der Probleme verlangt [daher] als Antwort die Internationalisierung der Problembearbeitung.“[77] Als umfassendes Entwicklungskonzept soll das Nachhaltigkeitsleitbild die Grundlage für eine von allen Staaten akzeptierte, globale Perspektive sowie die internationale Problembearbeitung darstellen.

Nach der Einigung auf diese gemeinsame Diskussionsgrundlage verlangt auch jede weitere Abstimmung zwischen den einzelnen Staaten deren Kompromiss-bereitschaft, einen entsprechenden gesellschaftlichen Handlungswillen sowie die politische Entschlusskraft der einzelnen Staaten. Dabei sind die Inhalte und Möglichkeiten der Umsetzung des Nachhaltigkeitsleitbildes vor allem an den Willen und das Agieren der verschiedenen Interessensgruppen gebunden.

Für die Globale Umsetzungsebene ergibt sich daraus die Schwierigkeit, dass es nicht „nur einen Repräsentanten des Staates und somit einförmiges Handeln gibt, sondern vielfältiges und vielschichtiges Agieren unterschiedlicher Personen mit unterschiedlichen Funktionen“[78]. Eine solche Vielzahl von Akteuren bestimmt somit nicht nur die nationale, sondern auch die internationale Politik. Hat sich mit den Umsetzungswillen der Akteure jedoch ein entsprechendes „Staatsinteresse“ herausgebildet, kann es der einzelne Staat heute weitestgehend autonom von nationalen oder internationalen Einflüssen durchsetzen. Der Staat stellt innenpolitisch die höchste Autorität dar und verfügt über die notwendige Macht und das Gewaltmonopol.

Auf globaler Ebene kommt es hingegen zu elementaren Umsetzungs-schwierigkeiten des Nachhaltigkeitsleitbildes. Da im internationalen System ein entsprechendes Gewaltmonopol fehlt, haben alle Staaten die gleichen Rechte und damit ist ihre internationale Politik auch keiner übergeordneten Macht unterworfen. Aus diesem Grund kann Macht (Machterhaltung- und Machtvermehrung) auch als das zentrale Motiv des Handelns staatlicher Akteure in der internationalen Politik gesehen werden.[79]

Auch beim Luftverkehr führen die divergierenden Interessen der einzelnen Staaten zwangsläufig zu multi- oder bilateralen Machtkonflikten auf globaler Ebene.[80]

3 Grundlagen des Untersuchungsbereichs Luftverkehr

3.1 Der Zusammenhang zwischen Bedürfnis, Mobilität und Verkehr

3.1.1 Hierarchische Bedürfnisstrukturen

„Jeder Mensch hat Wünsche, die mit dem Streben einhergehen, sie zu befriedigen. Solche Empfindungen der Menschen nennt man Bedürfnisse.“[81] Bedürfnisse stehen dabei immer im Zusammenhang mit einem persönlich empfundenen Mangel. Zum Zwecke der Bedürfnisbefriedigung streben die Menschen eine schnelle Beseitigung dieses Mangels an. Sie versuchen, die von ihnen gewünschten Güter oder Informationen in der Reihenfolge ihrer subjektiv empfundenen Dringlichkeit zu erhalten. Anhand der „Bedürfnispyramide“[82] von Abraham H. Maslow lässt sich eine allgemein gültige, hierarchische Struktur der Bedürfnisse aufzeigen. Es lassen sich dabei psychologische, d.h. existenzielle Bedürfnisse und „höherwertige“ Bedürfnisse, wie z.B. Sicherheit, Zuneigung, Achtung oder Selbstverwirklichung unterscheiden. Entsprechend dem hierarchischen Verlauf versuchen alle Individuen die Befriedigung ihrer Bedürfnisse in der Reihenfolge der Pyramidenstufen, also von unten nach oben, zu erreichen. Erst wenn die grundlegenden Bedürfnisse befriedigt worden sind, werden die Menschen versuchen, das Bedürfnis der jeweils höher liegenden Stufe zu befriedigen.

3.1.2 Mobilität als Zielsetzung von Verkehr

Unter dem Begriff „Mobilität“ wird heute im allgemeinen Sprachgebrauch eine Ortsveränderung verstanden, die sich auf Personen bzw. Güter und Zeiträume bezieht. Dies bedeutet, dass es sich bei den Ausprägungen von Mobilität immer um eine räumliche Bewegung handelt, deren Messbarkeit sich aus der Anzahl der Raumüberwindungen in einem bestimmten Zeitraum ergibt.

In einem ursprünglichen Verständnis umfasst Mobilität dagegen die „Beweglichkeit“ (lateinisch: „mobilitas“) an sich, welche sich auch auf die bloße Möglichkeit, das Potential zur Bewegung bezieht. Hier steht nicht allein der räumliche Aspekt im Vordergrund, sondern Mobilität wird im Zusammenhang mit geistigen Fähigkeiten und zeitlicher Flexibilität von Menschen gesehen. Als so genannte „potentielle Mobilität“ beschreibt sie dabei vor allem die Wahlmöglichkeiten innerhalb der individuellen Möglichkeitsräume von Menschen. Daher ist bei der „potentiellen Mobilität“ eine aktive Umsetzung einer möglichen Bewegung nicht zwingend erforderlich. Der Umfang der Möglichkeitsräume hängt dabei von vielen individuellen und gesellschaftlichen Einflüssen ab, so z. B. die persönlichen Fähigkeiten und Kenntnisse, die Präferenzen bzw. Vorlieben, das Einkommen und Vermögen der Menschen, aber auch die kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung, die vorhandenen Rahmenbedingungen und Gesetze oder die existierende Verkehrsinfrastruktur eines Staates.[83]

Entscheiden sich die Personen nun tatsächlich für die Durchführung einer Aktivität, die der Bedürfnisbefriedigung dient, so wird aus der potentiellen Mobilität eine „realisierte Mobilität“[84]. Dabei ist die realisierte Mobilität, im Unterschied zum Verkehr, weiterhin ohne Ortsveränderung der handelnden Personen möglich. Als „wichtige Form der Mobilität ist [damit] die Übermittlung von Informationen [..] [durch] moderne Infomations- und Kommunikations-systeme“[85] zu nennen. So kann z.B. heute ein Unternehmensberater einen Gesprächstermin mit einem im Ausland ansässigen Kunden persönlich durch eine Geschäfts- bzw. Flugreise oder aber per Videokonferenz aus seinem Büro heraus wahrnehmen. Die Messbarkeit der realisierten Mobilität ergibt sich daher aus der „Anzahl der durchgeführten Aktivitäten in einem bestimmten Zeitraum“, welches gleichzeitig die wichtigste Kennziffer von Mobilität ist.[86]

Anzumerken bleibt, dass Mobilität die Bedürfnisse der Menschen nur indirekt stillt, denn Mobilität ist in der Regel kein Selbstzweck[87], sondern steht „stets für eine Menge individueller Bedürfnisse und deren Befriedigung“[88]. So ergibt sich der Wunsch nach „Bewegung“ beispielsweise daraus, dass für eine Geschäfts- oder Kulturreise eine mehr oder minder große Raumüberwindung durchgeführt werden muss.[89]

[...]


[1] Müller-Kraenner/Knospe 1996, S. 22; Chinesische Redensrat.

[2] Vgl.: Rothengatter 1993, S. 94 f.

[3] Vgl.: OCED 1997, S.14 ff..

[4] Vgl.: Ott 2002, S. 213. f.

[5] Hauff 1987, S.46.

[6] Falls nicht anders beschrieben, wird der Begriff des „Gutes“ in dieser Arbeit für Güter und Dienstleistungen verwendet.

[7] OECD 1996.

[8] Vgl.: Deutscher Bundestag 1998.

[9] Vgl.: BUM/UBA 2001, S. 121.

[10] Zur Definition des Begriffs „Sustainable Development“ bzw. „nachhaltige Entwicklung“ siehe Abschnitt 2.2.1.

[11] Jörissen et al. 1999, S. 14.

[12] Vgl.: Abschnitt 4.3.

[13] Als „anthropogene Klimaveränderung“ wird der Anteil der Klimaveränderung bezeichnet, der neben dem natürlichen Klimawandel der Erdatmosphäre zusätzlich durch die Existenz des Menschen verursacht wird.

[14] Neben Regierungen sind dies politische Parteien und sog. Nicht-Regierungsorganisationen (engl.: NGO´s - Non Government Organisations) wie z.B. Wirtschaftsverbände oder Umwelt- oder Menschenrechtorganisationen.

[15] Vgl.: Abschnitt 3.4.3.

[16] Vgl.: Jörissen et al. 1999, S. 14 f.

[17] Die Bezeichnung der von der United Nations Organization (UNO) im Herbst 1983 gegründeten „Weltkommission für Umwelt und Entwicklung“ geht auf ihre Vorsitzende, die norwegische Ministerpräsidentin Gro Harem Brundtland, zurück.

[18] Hauff 1987.

[19] United Nations (Vereinte Nationen).

[20] Vgl.: BUM/UBA 2001, S. 121.

[21] United Nations Conference on Environment and Development.

[22] UNCED 1992.

[23] BMU 1992.

[24] Siehe Abschnitt 2.4.

[25] Hauff 1987, S. 46.

[26] Vgl.: Jörissen et al. 1999, S. 15 f.

[27] Siehe Abschnitt 2.3.

[28] Vgl.: Radke 1999, S. 10 ff.

[29] Vgl.: Ott 2002, S. 213 f.

[30] Vgl.: Jörissen 2005, S. 12 ff.

[31] Jörissen 2005, S. 14.

[32] Vgl.: Jörissen et al. 1999, S. 20.

[33] Wie z.B. Luft, Boden, Gewässer, Rohstoffe, Biodiversität (Artenvielfalt).

[34] Wie z.B. Maschinen, Gebäuden, Wissen, soziale Strukturen.

[35] Siehe ausführlich in Grunwald/Kopfmüller 2006, S. 37 ff.

[36] Grunwald/Kopfmüller 2006, S. 40.

[37] Grunwald/Kopfmüller 2006, S. 53.

[38] Siehe hierzu ausführlich Coenen/Grunwald 2003.

[39] Siehe hierzu SRU 1998, Deutscher Bundestag 1998.

[40] Vgl.: Jörissen 2005, S. 16-19.

[41] Jörissen 2005, S. 17.

[42] Vgl.: Jörissen 2005, S. 16-19.

[43] Dazu zählen Konventionen, Gewohnheiten, Sitten, ethische Normen, rechtliche Rahmen-bedingungen und Verfahrensregeln sowie die Verabredungen privater Akteure.

[44] Vgl.: WBGU 1995, S. 68.

[45] Vgl.: Hauff v./Kleine 2005, S. 2 ff..

[46] Vgl.: Abschnitt 5.3.

[47] Vgl.: Grunwald/Kopfmüller 2006, S. 50-51.

[48] Vgl.: Rogall 2004, S. 29 ff.; siehe auch Deutscher Bundestag 1998, S. 45 ff.

[49] Vgl.: Abschnitt 5.2.2.

[50] Vgl.: Rogall 2004, S.29 ff.

[51] Die Managementregeln wurden nach Rogall 2004, S. 29 ff. zitiert.

[52] Vgl.: BMU 1992, S. 59 ff.

[53] Siehe hierzu http://www.nachhaltigkeitsrat.de.

[54] Vgl.: Hauff 2003, S. 34 ff.

[55] Deutsche Bundesregierung 2002, S. 1.

[56] Siehe Abschnitt 2.3.3.

[57] Deutsche Bundesregierung 2002. Siehe auch Deutsche Bundesregierung 2005.

[58] Deutsche Bundesregierung 2002, S. 131.

[59] Deutsche Bundesregierung 2002, S. 183.

[60] Siehe hierzu KOM 2001 sowie REU 2006.

[61] So geschehen auf der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Jahre 1997.

[62] KOM 2001, S. 2.

[63] REU 2006, S. 10.

[64] Siehe hierzu Coenen/Grunwald 2003, S. 83 ff., welche die gegenwärtige Nachhaltigkeits-situation in der Bundesrepublik Deutschland ausführlich beschreiben.

[65] Gerike 2006, S. 9. Diese zitiert nach UBA 2002, S. 1.

[66] Gerike 2006, S. 9.

[67] Das Projekt Environmentally Sustainable Transport (EST) der OECD beschäftigt sich z.B. vorrangig mit Umweltfragen; vgl.: UBA/WIKUE 2001.

[68] Gerike 2006.

[69] Grunwald/Kopfmüller 2006, S. 106.

[70] UBA 2002, S. 1.

[71] Grunwald/Kopfmüller 2006, S. 106.

[72] Jörissen et al. 1999, S. 25.

[73] Siehe hierzu Abschnitt 5.3 sowie in Beschorner/Behrens 2005.

[74] Vgl.: Grunwald/Kopfmüller 2006, S. 106.

[75] Selbststeuerungsfähigkeit meint die Fähigkeit der Gesellschaft zur Steuerung des Transformationsprozesses, den das Leitbild der nachhaltigen, zukunftsfähigen Entwicklung impliziert.

[76] Vgl.: Jörissen 1999, S. 25 f.

[77] Filzmaier et al. 2006, S. 275.

[78] Filzmaier et al. 2006, S. 43.

[79] Vgl.: Filzmaier et al. 2006, S. 42 ff.

[80] Vgl.: Abschnitt 5.3.

[81] Woll 2003, S.55.

[82] Siehe hierzu Maslow 1981.

[83] Vgl.: Becker et. al. 1999, S.62 ff.

[84] In Bezug auf die missbräuchliche Nutzung des Mobilitätsbegriffs in der verkehrspolitischen Diskussion, weißt auch Diewitz auf den Unterschied zwischen „potentieller“ und “realisierter“ Mobilität hin; vgl.: Diewitz et. al. 1998, S. 72-74.

[85] Aberle 2003, S. 2.

[86] Vgl.: Deutsche Bundesregierung 2002, S.177 ff.

[87] Ausnahmen sind Bedürfnisse, die selber mit „Bewegung“ zu tun haben, z.B. wenn bei Rundflügen der Wunsch, das Gefühl des Fliegens zu erleben im Mittelpunkt steht.

[88] Becker et. al. 1999, S. 63.

[89] Im Gegensatz dazu spricht Aberle davon, dass Mobilität im Sinne von Raumüberwindung selbst ein „wesentliches Grundbedürfnis“ darstellt; vgl.: Aberle 2003, S. 1.

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Résumé des informations

Titre
Nachhaltiger Luftverkehr, Defizitanalyse und Problemlösungsansätze zur Ausgestaltung einer zukünftigen umweltgerechten Entwicklung des Luftverkehrs
Université
University of Applied Sciences Frankfurt am Main
Note
1,3
Auteur
Année
2006
Pages
135
N° de catalogue
V65977
ISBN (ebook)
9783638583756
ISBN (Livre)
9783656794639
Taille d'un fichier
1224 KB
Langue
allemand
Mots clés
Nachhaltiger, Luftverkehr, Defizitanalyse, Problemlösungsansätze, Ausgestaltung, Entwicklung, Luftverkehrs, Thema Luftverkehr
Citation du texte
Sven Moschitz (Auteur), 2006, Nachhaltiger Luftverkehr, Defizitanalyse und Problemlösungsansätze zur Ausgestaltung einer zukünftigen umweltgerechten Entwicklung des Luftverkehrs, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/65977

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