"El celoso extremeño" - Eine exemplarische Novelle?


Trabajo, 2006

29 Páginas, Calificación: 1,3


Extracto


Inhalt

1 Einleitung

2 Die Gattung der Novelle
2.1 Die Geschichte der Novelle
2.2 Die novela in Spanien bis Cervantes
2.3 Merkmale der Novelle
2.4 Funktionen der Novelle

3 Das Exempel
3.1 Die Tradition des exemplum
3.2 Das ejemplo in Spanien
3.3 Merkmale des Exempels
3.4 Funktionen des Exempels

4 “Exemplarische Novellen“: Gattungsproblematik

5 Die „Novelas ejemplares“ von Miguel de Cervantes

6 Carrizales: eine exemplarische Figur?
6.1 Charakterisierung des Carrizales
6.2 Die “Moral“ an der Geschichte

7 Fazit

8 Literatur
8.1 Primärliteratur
8.2 Sekundärliteratur

1 Einleitung

Miguel de Cervantes veröffentlichte 1613 seine „Novelas ejemplares“, eine Sammlung von zwölf Novellen unter einem neuartigen Titel, der eine große Polemik darüber auslöste, was an diesen Novellen exemplarisch sein soll. Unter dieser Sammlung befindet sich auch die Novelle „El celoso extremeño“, eine häufig behandelte und umstrittene Erzählung, was darauf zurück zu führen ist, dass sie in zwei unterschiedlichen Fassungen überliefert wurde, und es darüber hinaus noch ein Zwischenspiel, der entremésEl viejo celoso“ (1615), existiert.

Mit dem vieldeutigen Titel „Novelas ejemplares“ wollte Cervantes eine spanische Tradition der Novellistik begründen, welche die Novellengattung mit der des Exempels zu einer einzigen vereinen sollte. Nicht umsonst wird er als Schöpfer der novela corta in Spanien betrachtet. Aber ob die moraldidaktische Bedeutungsnuance, die ejemplaridad, die im Titel anklingt, wirklich ernst gemeint ist, wird sich im Laufe der Arbeit herausstellen.

Zunächst sollen beide Gattungen für sich, ihre Entwicklungen, Merkmale und Funktionen betrachtet und dann gegenübergestellt werden, um so die cervantinische Novellensammlung in der Gattungsgeschichte zu verorten. Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen der Novelle und dem exemplum werden ins Blickfeld genommen, um auf diese Weise auf die Problematik schließen zu können.

In einem weiteren Schritt wird das Verhältnis von „El celoso extremeño“ zur Gattung der Novelle und der Exempla behandelt, da sowohl Titel und Prolog des Cervantes, als auch die Erzählung selbst auf diese Gattung Bezug nehmen. Für die Analyse des Exemplarischen an jener Novelle empfiehlt es sich, von der Charakterisierung des Hauptprotagonisten Carrizales auszugehen und die möglicherweise vorhandene Moral an dieser Figur aufzuzeigen.

2 Die Gattung der Novelle

Es ist nicht leicht zu sagen, was eine Novelle ist und wie sie sich von ihren verwandten Gattungen Roman und Erzählung unterscheidet. Die Entwicklungsgeschichte, Charakteristika und Funktionen der Novelle sollen einen Einblick in ihr “Wesen“ erleichtern. Auch wollen wir bei der Darstellung der spanischen novela die mit ihr verbundenen Probleme klären.

2.1 Die Geschichte der Novelle

Der Begriff Novelle ist etymologisch abzuleiten vom italienischen novella (‚Neuigkeit’, ‚Nachricht’). Novella geht wiederum zurück auf das lateinische novellus, also der Ver-kleinerung von novus (‚neu’). Damit könnte man den Begriff mit ‚die kleine Neuigkeit’ übersetzen.[1] Die Wörter nouvelle, novela und novella entwickelten sich zu einer Bezeichnung einer Kurzerzählung und einer Gattung der Kurzerzählung.

Die Novelle bietet formal und inhaltlich viele Möglichkeiten. Diese Mannigfaltigkeit, eines ihrer konstitutiven Elemente, ergibt sich aus der Vielfalt der kleineren erzählenden Gattungen des romanischen Mittelalters, worunter auch das Exemplum zu zählen ist.[2] Aus diesem Grund vermeidet Walter Pabst, ein herausragender Novellentheoretiker, bewusst eine Definition und lehnt eine Urform der Novelle ab.

Neuschäfer erklärt, dass eine Gattungsgeschichte der Novelle nur dann möglich ist, wenn man „den Fortgang der Gattung im Zusammenhang mit anderen, konkurrierenden Gattungen“[3] betrachtet. Zu fragen wäre nun, was die Novelle ursprünglich von anderen Erzählformen unterscheidet und durch welche Mittel sie sich als neues Genre gegenüber den älteren konstituiert.

Laut Wolfram Krömer dürfen überdies Gattungsbewusstsein und Gattungserwartung nicht geleugnet werden, da man in ihnen die Geschichte der Gattung miterklärende Faktoren sehen kann.[4]

In der Antike steht die Novellistik durch Fragespiele, Streitgedichte und fingierte Gerichtsfälle (controversiae) mit rhetorischen Übungen in Verbindung. Im Mittelalter finden sich Schwänke, Heiligenleben, Exempla, Troubadourviten, Legenden und Anekdoten, die sich wiederum alle als Wirkungsbereiche, Quellen, Grenzgebiete und Ausdrucksmöglichkeiten der mittelalterlichen Novellistik erweisen.[5] Aber all dies ist noch kein Beweis für die Existenz einer Gattung “Novelle“.

Anstatt einen Ursprung der Novelle zu suchen, sollte man eher akzeptieren, dass viele antike und mittelalterliche Erzählformen sich in Richtung der Novelle entwickelten. Feste Form- und Gattungsvorstellungen sind also weitgehend auszuschließen.

Seit der Frührenaissance im 13. Jahrhundert bezeichnet die novella in Italien eine literarische Form des Erzählens. Auch wenn Boccaccio aufgrund der Entstehung seines Werkes „Il Decamerone“ (1348 – 1353) als „Vater und Stifter der Novelle“[6] gilt, so kann man behaupten, dass seine Novelle nur ein einmaliges Moment in der gattungsgeschichtlichen Entwicklung ist. Sogar er war sich schon der Variabilität seiner Novellenform bewusst.[7]

Dennoch kann man für die Zeit vom 14. zum 17. Jahrhundert als Novellen alle Erzählungen ansehen, die in der Nachfolge des „Decamerone“ Boccaccios stehen und die den Titel Novelle tragen[8], da er für die Kunst der kurzen Erzählung in der Romania repräsentativ ist. Wagt man sich an eine Definition für die Novelle, so könnte nach Wetzel unter der Novelle „ein Sammelbegriff für kürzere Erzählformen verschiedener Provenienz“[9] verstanden werden, womit man die Gattungsproblematik für das Europa des 16. und 17. Jahrhunderts umgangen hätte.

Um 1700 hört die kurze Fiktion in Italien, Spanien und Frankreich weitgehend auf, literarisch gepflegt zu werden und man unterscheidet sie gattungsmäßig nicht mehr von der langen Fiktion.[10]

2.2 Die novela in Spanien bis Cervantes

Die Kunst der Kurzfiktion entwickelt sich in Spanien unter italienischem und französischem Einfluss. Bis zum 16. Jahrhundert konstituiert sich die spanische Novellistik zum wesentlichen Teil aus Übersetzungen, überwiegend aus dem Italienischen, gelegentlich aus dem Lateinischen und Französischen.

Vor Cervantes, der als erster in Spanien zu novellieren behauptet, gab es Ansätze einer Novellenkunst, u. a. in den in die Schäferromane eingeschlossenen novelitas, darunter „Los siete libros de la Diana“ (1558) von Jorge de Montemayor, und im „Patrañuel o“ (1567) von Juan Timoneda, der sich der italienischen Tradition anschloss.

Man gebrauchte im 17. Jahrhundert die Termini novela, novela corta oder relato breve, allerdings haftete dieser Vokabel in Spanien zur damaligen Zeit ein Unwert an. Genau genommen war novela damals noch keine literarische Gattungsbezeichnung, sondern meinte „die Lockerung einer gehaltslosen Lektüre“.[11]

Walter Pabst stellt in seiner Abhandlung fest, dass die spanische novela und die italienische novella nicht deckungsgleich sind, da sich durch den Import der italienischen Erzählkunst vieles an ihrem Inhalt geändert hatte. So zum Beispiel gewährte das Spanien des 16. Jahrhunderts keine Freiheit des novellistischen Ausdrucks. Ein weiterer Hinweis für den andersartigen Umgang mit den spanischen Kurzerzählungen ist die Tatsache, dass man sie mit zahlreichen Namen, u. a. ejemplo (‚Exemplum’), patraña (‚Erfindung’) oder maravilla (‚wunderbares, bemerkenswertes Geschehen’) “getauft“ hatte[12], mit denen man das unübersetzbare novella wieder zu geben versuchte.

Es gab in Spanien keine Tradition oder gar eine Vorstellung, die der italienischen novella entsprochen hätte. Jedoch stößt man bei weiteren Untersuchungen darauf, dass es neben der Tradition der Exempla (ejemplo) oder der erfundenen Geschichten (patraña) im Ritterroman, noch das cuento (‚Märchen’) oder die nicht zur Aufführung bestimmten narrativen tragicomedias oder comedias gab. Daher schließt Pabst auch eine gemeinromanische Urform der Novelle aus.[13]

Unter diesen Umständen ist es begreiflich, dass spanische Autoren, darunter Cervantes, und Übersetzer die unbekannte Gattung und das importierte fremd klingende Wort novella in Vorworten kommentieren mussten und der Leserschaft ihre Anschauung dieser neuen Gattung preisgaben.

Die Gattung der novela entfernt sich, je mehr sie historisch fortschreitet, inhaltlich wie formal von ihrer ursprünglichen Gebundenheit an die Normen und Gesetze der Renaissance. Auch wenn die „Novelas ejemplares“ ein großer Erfolg waren (und sind), vermochten diese der nachfolgenden spanischen Erzähldichtung nur wenig Auftrieb zu geben. Schon in der Mitte des 17. Jahrhunderts versiegt der novellistische Impuls[14] ; das Wort novela tendierte in der Folgezeit häufiger zur Bezeichnung romanartiger Formen.

2.3 Merkmale der Novelle

Die eben erwähnte Vielfalt der Gattung der Novelle wurde schon als ein ihr anhaftendes Merkmal angesprochen. Sie weist im Übrigen weitere Charakteristika auf, die sie von anderen Genres unterscheidet. Allerdings, so Neuschäfer, hat keine Gattung ein „vorgegebenes, ewiges und unveränderliches Wesen“[15], weshalb die Züge der Novelle innerhalb verschiedener Epochen als auch innerhalb der Romania nicht immer vorhanden, notwendig und verbindlich sein müssen.

Immerhin können einige gewisse Merkmale und Eigenheiten novellistischen Erzählens umrisshaft benannt werden. Zu den gängigsten Eigenschaften gehören die Pointe, der Wendepunkt, die Beschränkung auf eine Episode, der dramatische Aufbau und das Dingsymbol, ein wiederkehrendes Merkmal. Diese Merkmale wurden der Novelle von der deutschen Novellentheorie zugeschrieben[16] und finden sich zwar oftmals in der italienischen Novellistik wieder, aber wurden von anderen Dichtern wie Cervantes nicht immer strikt übernommen, wie wir noch sehen werden.

Die Novelle besitzt ein dem Drama verwandten Aufbau, aber es existieren sowohl heitere als auch tragische Novellen, rein unterhaltende und sittlich schwerwiegende.[17] Nur in der relativen Kürze manifestiert sich ein vom Roman zu unterscheidendes Merkmal der Novelle.

2.4 Funktionen der Novelle

Eine Novelle hat, wie jede andere Gattung, gewisse Funktionen, die sie erfüllen muss.

Zunächst ist die ästhetische Funktion der Novelle zu nennen[18], eine Funktion, die für (fast) jede Gattung gelten mag, da sie einem bestimmten Bedürfnis des Publikums entsprechen muss. Das Publikum hat also ein ästhetisches Bedürfnis, auf bestimmte Art und Weise unterhalten und angesprochen zu werden. Der Autor muss diesem Bedürfnis entgegen kommen.

Mit der ästhetischen Funktion verbunden, ist die praktische Funktion, nämlich die Sicherung des Lebensunterhalts des Verfassers, worunter Cervantes zu rechnen ist.

Die Novelle hat gelegentlich auch eine moralische Funktion, die im 4. Kapitel über die Gattungsproblematik zu klären sein wird. Letztgenannte Funktion, eine bestimmte Art der Belehrung zu enthalten, ist jedoch keineswegs konstitutiv für die Gattung der Novelle, auch wenn Lope de Vega zu erkennen gibt, „daß [sic] die Novelle belehren, Wissen und Weisheit vermitteln soll.“[19]

Des Weiteren erfüllt die Novelle die allgemeine Funktion des Unterhaltens[20], eine so allgemeine Zielsetzung der Literatur, dass wir aus ihr nichts Wesentliches über die Gattung mehr deduzieren können.

Werner Krauss zählt zu den Funktionen der Novelle den Bezug auf die soziale Wirklichkeit oder auf den Stand und betont, dass die intendierten Aussagen von Cervantes als aristokratisch anzusehen seien. Dies wird von Krömer kritisiert, denn die Gattung der Novelle kann für ihn nur als Hinweis auf eine Gesellschaft und ihr Bewusstsein dienen.[21]

[...]


[1] Vgl. Degering, Thomas, Kurze Geschichte der Novelle, München 1994, S. 7. Vgl. außerdem Krömer, Wolfram, Kurzerzählungen und Novellen in den romanischen Literaturen bis 1700, Berlin 1973, S. 16.

[2] Vgl. Neuschäfer, Hans-Jörg, Boccaccio und der Beginn der Novelle. Strukturen der Kurzerzählung auf der Schwelle zwischen Mittelalter und Neuzeit, München 1969, S. 7 f..

[3] Vgl. ebd., S. 9.

[4] Vgl. Krömer, W., Kurzerzählungen und Novellen, S. 14.

[5] Vgl. Pabst, Walter, Novellentheorie und Novellendichtung. Zur Geschichte ihrer Antinomie in den romanischen Literaturen, Heidelberg 1967, S. 14 und S. 24.

[6] Vgl. Degering, T., Kurze Geschichte der Novelle, S. 11.

[7] Vgl. Wetzel, Hermann H., Die romanische Novelle bis Cervantes, Stuttgart 1977, S. 12.

[8] Vgl. Krömer, W., Kurzerzählungen und Novellen, S. 7.

[9] Vgl. Wetzel, Hermann H., Die romanische Novelle bis Cervantes, Stuttgart 1977, S. 7.

[10] Vgl. Krömer, W., Kurzerzählungen und Novellen, S. 8.

[11] Vgl. Blecua, Alberto, „Las Novelas ejemplares”, in: Anthropos. Revista de documentación científica de la cultura 98/ 99 (1989), S. 73. Vgl. außerdem Pabst, W., Novellentheorie und Novellendichtung, S. 16 und 116.

[12] Vgl. Pabst, W., Novellentheorie und Novellendichtung, S. 106 und 114 f.. Vgl. außerdem Leube, Eberhard, „Boccaccio und die europäische Novellendichtung“, in: von See, Klaus (Hrsg.), Neues Handbuch der Literaturwissenschaft, Bd. 9, Wiesbaden 1980, S. 158.

[13] Vgl. ebd., S. 115.

[14] Vgl. Leube, E., „Boccaccio und die europäische Novellendichtung“, S. 157.

[15] Vgl. Neuschäfer, Boccaccio und der Beginn der Novelle, S. 8.

[16] Vgl. Krömer, W., Kurzerzählungen und Novellen, S. 19.

[17] Vgl. Degering, T., Kurze Geschichte der Novelle, S. 10.

[18] Vgl. Krömer, W., Kurzerzählungen und Novellen, S. 8.

[19] Vgl. ebd., S. 165.

[20] Vgl. ebd., S. 205.

[21] Vgl. ebd., S. 10.

Final del extracto de 29 páginas

Detalles

Título
"El celoso extremeño" - Eine exemplarische Novelle?
Universidad
University of Cologne
Curso
Cervantes' Novelas Ejemplares
Calificación
1,3
Autor
Año
2006
Páginas
29
No. de catálogo
V66620
ISBN (Ebook)
9783638595605
ISBN (Libro)
9783638671569
Tamaño de fichero
548 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Eine, Novelle, Cervantes, Novelas, Ejemplares
Citar trabajo
Patricia Aguilar (Autor), 2006, "El celoso extremeño" - Eine exemplarische Novelle?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66620

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