Sprache und Kultur der Rußlanddeutschen im Rückblick auf die Geschichte


Seminar Paper, 1999

24 Pages, Grade: 2,0


Excerpt


Inhalt

Einleitung

1 Geschichte der Deutschen in Rußland
1.1 Auswanderungsgebiete. Sprachexport

2 Sprachliche Situation in Rußland
2.1 Veränderung der Sprache aufgrund der staatlichen Politik und Anpassung an die russische Kultur
2.2 Beitrag der Mischehen in die sprachliche Veränderungen

3 Auswanderung der Rußlanddeutschen in die Bundesrepublik Deutschland
3.1 Sprachtest als Mittel der Auswahlquote

4 Mannigfaltigkeit der heute erhaltenen Dialekte

Literaturangabe

Anlage: Tabellen, Karten

Einleitung

Die deutschen Zeitungen in der Sowjetunion berührten seit Ende 1987 vorsichtig bislang tabuisierte Kapitel der Rußlanddeutschen Geschichte. Seit Ende der achtziger Jahre wurde der offizielle Terminus „Sowjetdeutsche“ aus dem Sprachgebrauch verdrängt, Zeitungen und prominente Vertreter dieser Volksgruppe benutzen immer häufiger den Begriff „Rußlanddeutsche“.

Rußlanddeutsche. Wer sind diese Menschen? Wie waren und sind ihre Schicksale? Warum kommen sie wieder nach Deutschland? Welche Sprache sprechen sie? Wie fühlen sie sich in ihrer ursprünglichen Heimat? Ist die erhaltene Sprache und Kultur noch deutsch?

In der letzten Zeit kommen viele Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland. Sie fangen ein neues Leben an, haben neue Hoffnungen.

Dieses Thema wird immer wieder aktueller und ermöglicht dank der neuen Politik in Rußland einen leichteren Zugang an die Information. Dazu hat sie ein weites Forschungsfeld teils wegen noch ungenügend vorhandener Menge der Literatur, teils weil immer mehr Spätaussiedler jetzt ins Leben der Heimdeutschen hereinkommen. Sie versuchen sich in die Gesellschaft einzugliedern, die ihre Vorfahren vor vielen Jahren verlassen haben. Rußlanddeutsche haben lange Zeit weit von Deutschland gelebt und oft auch überhaupt keinen Kontakt zu Deutschland gehabt. Von Deutschland haben die neuen in Rußland geborenen Generationen nur in Büchern gelesen und doch ungeachtet dessen haben sie immer versucht ihre Kultur und Sprache aufzubewahren. Das hat sie zu einer ethnolinquistischen Minderheit gemacht.

Zuerst ist die Geschichte dieser Menschen sehr interessant, die teilweise Antwort auf viele Fragen geben kann, sogar besonders was die Sprache angeht.

1 Einblick in die Geschichte.

Zum Zeitpunkt der ersten russischen Volkszählung im Jahre 1897 lebten im russischen Reich 1 790 489 Menschen, die „Deutsch“ als ihre Muttersprache angaben. Von diesen stellten die Wolgadeutschen mit 33 Prozent und die Schwarzmeerdeutschen 31,5 Prozent die beiden größten Gruppen.

Von den 191 100 Deutschen der Ukraine westlich des Dnjepr lebten allein 171 300 im Gouvernement Wolhynien. 62 100 deutschsprachige Einwohner gab es im Gouvernement Sankt Petersburg, rund 11 100 in benachbarten Gouvernements. In Transkaukasien lebten 7 300 Deutsche, im Nordkaukasus hatten sich bis 1897 schon 39 500 und im asiatischen Teil Rußlands weitere 109 900 niedergelassen.

Aufgrund der großen Entfernungen zwischen den einzelnen Siedlungsgebieten, ihrer unterschiedlichen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung und der konfessionellen Grenzen zwischen Lutheranern, Katholiken, Mennoniten und einigen kleineren religiösen Gruppen bildeten die Deutschen Rußlands nicht nur keine einheitliche Volksgruppe, sondern hatten auch kaum Verbindung zueinander und wußten wenig voneinander.

Schon im Mittelalter ließen sich Kaufleute der deutschen Hanse in Nordrußland (Nowgorod) nieder. Unter Ivan dem Schrecklichen (1533-1584) wurden vermehrt Fachleute ins Land geholt (Handwerker, Baumeister, Ärzte, Offeziere, Verwatungsspezialisten u.a.). In Moskau entstand eine deutsche Vorstadt (nemezkaja sloboda), in der sich Peter der Große (1672-1725) als Kind gerne aufhielt.

Für den militärischen Bedarf mußte das Russische Reich wie jeder andere Staat auch Bodenschätze erschließen und Rüstungsfabriken errichten. Um sich vom schwedischen Kupfer unabhängig zu machen, entsandte man 1635 den deutschen Fachmann Ernst Petzold mit russischen und ausländischen Meistern in das Flußgebiet der Kama, wo sie ein Hüttenwerk errichteten.

Für die Kriegsführung brauchte Peter der Große Waffen und er mußte sich unabhängig machen von den Lieferungen der Hansestädte, Hollands, Englands sowie von der Transitgenehmigung durch Polen und Schweden. Deshalb forderte er die Entwicklung des Bergbaus und der Rüstungsindustrie und verteilte im Ausland angeworbene Spezialisten auf die Baureviere und Industriegebiete. Schon seine erste Auslandsreise 1697/98 nutzte der Zar zur Werbung von Fachleuten für das Militärwesen, von Schiffsbauern und Artilleristen, Matrosen und Steuerleuten. Ausländische Geologen suchten in den Weiten Rußlands nach Bodenschätzen. Hier taten sich vor allem Fachleute aus Sachsen hervor.

Zur Regierungszeit Anna Iwanownas wurden erneut Fachleute aus Sachsen für den Bergbau unter der Leitung des Oberberghauptmanns von Schönberg berufen. Im Jahre 1747 nahm das Kabinett der Zarin das Bergbaurevier im Altai in eigene Regie.

Von den sieben Leitern der Bergkanzlei und des Reviers bis zum Ende des Jahrhunderts stammten fünf aus Sachsen.

In der Regierungszeit Alexanders I. spielte der deutsche Andreas Knauff eine wichtige Rolle im Bergbau am Ural und bei der Erzverhüttung. Der Danziger Stahlwarenfabrikant David Hilger warb 1808/09 in seiner Heimatstadt und in Schlesien insgesamt 151 Meister für die Stahlwerke in Ischewsk an der Kama an.

Als in den Napoleonischen Kriegen die Verbündeten unter Führung Rußlands 1814 das Bergische Land besetzten und als Teuerung und Arbeitslosigkeit um sich griffen, folgten Gruppen von Schwert und Messerschmieden aus der Gegend von Solingen der russischen Einladung , in neuen Fabriken für Hieb- und Stichwaffen in Slatoust zu Arbeiten. Sie wurden pflichtig möglichst viele Russen anzulernen.

Besonders viele Deutsche waren im 18. und 19. Jahrhundert an der Akademie der Wissenschaften zu Petersburg beschäftigt.

Kolonien an der Wolga

Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts verlagerte sich der Schwerpunkt der Einwanderung von der Einzel- zur Gruppenmigration und von der Niederlassung in Städten zur Ansiedlung auf dem Lande.

Die neue Kaiserin Katharina II. initiierte eine groß angelegte Ansiedlungspolitik.

Die Zarin förderte nicht nur die Umsiedlung von Staatsbauern in bisher menschenarme und neu erworbene Gebiete, sondern lud auch ins Ausland geflohene Altgläubige sowie nichtorthodoxe Ausländer ein, sich in Rußland anzusiedeln. In ihrem Manifest vom 4. Dezember 1762, das gegen Ende des Siebenjährigen Krieges in mitteleuropäischen Staaten verbreitet wurde, lud Katharina II. Ausländer - mit Ausnahme der Juden - ein, sich in den Grenzen ihres Reiches niederzulassen. Sie entschloß sich eine eigene Behörde „Vormundschaftskanzlei für Ausländer“ zur Betreuung der Ausländer einzurichten. An deren Spitze stellte die Zarin ihren damaligen Favoriten Graf Grigori G. Orlow.

Den Einwanderen sagte sie zu:

- freie Ausübung der Religion nach Ihren Satzungen und Gebräuchen,
- das Recht zum Bau von Kirchen und zur Anstellung von Pastoren,
- Befreiung von Steuern für

- dreißig Jahre auf unbekanntem Land
- fünf Jahre in Sankt Petersburg, Moskau und in den Provinzen an der Ostsee,
- zehn Jahre in den übrigen Städten

- Befreiung vom Militärdienst,
- einen Kredit für Hausbau, für die Anschaffung des nötigen Viehs, der Geräte und Materialien,
- Selbstverwaltung der Kolonien,
- die Erlaubnis zum Einsatz privater Agenten.

1764 entschieden die Zarin und ihre Ratgeber, das Groß der Kolonisten an der unteren Wolga anzusiedeln. Die Verwaltung wurde 1766 einer Unterbehörde, dem Vormundschaftskontor in Saratow übertragen.

Bis zum Jahre 1774 folgten 30 623 Siedler der Einladung Katharinas. Ein großer Teil von ihnen kam aus Hessen, wo die Landteile klein waren.

Bis 1773 entstanden auf beiden Seiten der Wolga nördlich und südlich von Saratow 104 sogenannte Kolonien mit insgesamt 25 781 Einwohnern. 41 dieser Dörfer unterstanden der staatlichen Verwaltung, 63 der Administration der früheren „Weber“ als „Direktoren“. In den ersten zwei Jahren blieb ein großer Teil der Kolonisten auf staatliche Unterstützung angewiesen.

Obwohl Katharina II. in ihrem Manifest den Einwanderern das Recht eingeräumt hatte, sich als Kaufleute, Stadtbürger und Bauern in allen Gouvernements niederzulassen, ließ man ihnen keine freie Orts- und Berufswahl, sondern schickte die meisten auch gegen ihren Willen ins Wolgagebiet und übte Druck aus, dass sie sich in Kolonien, statt in Städten einschreiben.

Innerhalb der ersten zehn Jahre verringerte sich die Zahl der Kolonisten infolge von Krankheit, Flucht, Überfälle der Kirgisen, und des Bauernaufstandes unter der Führung von Jemeljan Pugatschow

(1773 - 1774) und Gefangenschaft um insgesamt 7 387.

1782 war die Aufsicht über die Kolonisten an die Statthalterschaft Saratow übertragen worden. Damit kamen die Abweichungen von der Gesetzlichen Agrarordnung:

- jede männliche Arbeitskraft sollte drei Rubel an die Staatskasse zurückzahlen,
- der Anteil am Gemeindeland sollte ungeteilt dem jüngsten Sohn vererbt werden,
- das Land durfte man weder verkaufen und versetzen, noch teilen,
- die älteren Söhne hätten ein Handwerk lernen und ihren Lebensunterhalt außerhalb der Landwirtschaft verdienen sollen.

Katharinas Sohn Paul I. (1796 - 1801) übertrug die Verwaltung der Kolonien der „Expedition für Staatswirtschaft, Ausländerfürsorge, und dörfliche Haushaltsführung“ dem Senat.

Die Kolonien an der Wolga erhielten:

[...]

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Details

Title
Sprache und Kultur der Rußlanddeutschen im Rückblick auf die Geschichte
College
Ruhr-University of Bochum  (Germanistisches Institut)
Course
Proseminar: Sprachinseln, Sprachkontakte und Sprachminderheiten im Mittelalter und in der Neuzeit
Grade
2,0
Author
Year
1999
Pages
24
Catalog Number
V6703
ISBN (eBook)
9783638142144
ISBN (Book)
9783638691123
File size
415 KB
Language
German
Keywords
Sprache, Kultur, Rußlanddeutschen, Rückblick, Geschichte, Proseminar, Sprachinseln, Sprachkontakte, Sprachminderheiten, Mittelalter, Neuzeit
Quote paper
Nadiya Kyrylenko (Author), 1999, Sprache und Kultur der Rußlanddeutschen im Rückblick auf die Geschichte, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/6703

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