Mit der Abwahl der hindu-nationalistischen Bharatiya Janata Partei im Jahr 2004 scheint der Hindu-Nationalismus wieder in die Position eines gesellschaftlichen Randphänomens zurückgedrängt worden zu sein. Prognosen über den Untergang der indischen Demokratie haben sich offensichtlich nicht bewahrheitet und der rasante Aufstieg des Hindunationalismus, welcher in den 80er-Jahren seinen Lauf nahm, ist offensichtlich beendet.
Doch auch nach dem Machtverlust der BJP auf Bundesebene bleibt der Hindu-Nationalismus eine bedeutsame Kraft in der indischen Politik und Gesellschaft. So wurde die BJP 2003 bei den Wahlen im Bundesstaat Gujarat wiedergewählt und kann dort wie auch in anderen Provinzen ihren Einfluss geltend machen, um zumindest teilweise eine Hinduisierung der Politik durchzusetzen. Der renommierte indische Historiker Sumit Sarkar weist Mitte 2005 auf diesen Umstand hin: „Wir müssen die BJP weiterhin sehr ernst nehmen, denn wie jeder andere große Zusammenschluss operieren auch die Hindunationalisten auf verschiedenen Ebenen“. Mit diesen verschiedenen Ebenen ist jedoch nicht nur das parlamentarische Engagement auf Bundes- und Staatsebene gemeint, sondern auch die zahlreichen religiöskulturellen Organisationen die zum dem Netzwerk der hindu-nationalistischen Partei, der Sangh Parivar, gehören und die die indische Gesellschaft geradezu durchdringen.
Die anhaltenden kommunalistischen Spannungen und Unruhen in Indien, wie z.B. im April diesen Jahres ein Bombenanschlag auf eine Moschee in Neu-Delhi, zeigen außerdem, dass grundlegende religiös-kulturelle aber auch nationale Konflikte in der indischen Gesellschaft noch nicht ausreichend gelöst sind. Auch kommunalistische Gewalt gegen Muslime ist als ein Aspekt des modernen Hindu-Nationalismus zu sehen, aber auch eine Reduzierung des Hindu-Nationalismus auf seine gewalttätige Komponente, wäre zu begrenzt.
Im Folgenden sollen nun erst einmal die ideologischen und religiösen Wurzeln des Hindu-Nationalismus, welcher auf der von V.D. Savarkar geprägten Idee von Hindutva besteht, beleuchtet werden. Anschließend soll eben dieses Hindutva-Konzept auf seine Beziehung zu Demokratie und Pluralismus hin untersucht werden. Dabei soll es darum gehen, seine spezifische Form des kulturellen Nationalismus darzustellen sowie zu klären, wie es sich zu demokratischen Werten wie Toleranz und Pluralismus verhält.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Entstehung und Grundlagen des Hindunationalismus
- II.1 Die Idee von Hindutva oder: Die Harmonie der Hierarchie
- II.2 Bedrohung und existentieller Konflikt
- II.3 Das Verhältnis von Hindu-Nationalismus und Demokratie
- II.3.1 Religion und Nationalismus
- II.3.2 Hindutva und Demokratie
- III. Bedingungen des Aufstiegs des Hindu-Nationalismus in den 1980ern
- III.1 Politische Rahmenbedingungen: Der Zusammenbruch des Congress-Systems
- III.2 Sozioökonomische Rahmenbedingungen: Soziale Polarisierung vs. Harmonie der Hierarchie
- III.3 Die existentielle Bedrohung als Mobilisierungskampagne
- IV. Organisationsformen des Hindu-Nationalismus: Die Sangh Parivar
- IV.1 Der RSS und sein Netzwerk
- IV.2 Der Vishwa Hindu Parishad - Der Welt-Hindurat
- IV.3 Die Bharatiya Janata Partei und ihre Rolle in der indischen Demokratie
- IV.3.1 Die BJP als politischer Arm des Hindu-Nationalismus
- IV.3.2 Die BJP und ihr Verhältnis zur Demokratie
- V. Der Hindunationalismus nach dem Machtverlust der BJP 2004
- V.1 Die BJP nach ihrer Wahlniederlage
- V.3 Außerparlamentarische Aktivität hindunationalistischer Organisationen: Das Beispiel Shivsena
- VI. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit dem Hindu-Nationalismus in Indien und untersucht dessen Aufstieg, Organisationsformen und Einfluss auf die indische Demokratie. Ziel ist es, das Konzept von Hindutva und dessen Beziehung zu Demokratie und Pluralismus zu analysieren, sowie den Einfluss des Hindu-Nationalismus auf die indische Politik und Gesellschaft zu beleuchten.
- Entstehung und Grundlagen des Hindunationalismus
- Bedingungen des Aufstiegs des Hindu-Nationalismus in den 1980er Jahren
- Organisationsformen des Hindu-Nationalismus: Die Sangh Parivar
- Der Hindunationalismus nach dem Machtverlust der BJP 2004
- Die Auswirkungen des Hindu-Nationalismus auf die indische Demokratie
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema Hindu-Nationalismus in Indien ein und beleuchtet dessen Relevanz im Kontext der indischen Demokratie. Kapitel II behandelt die Entstehung und ideologischen Grundlagen des Hindunationalismus, wobei insbesondere das Konzept von Hindutva und dessen Beziehung zu Demokratie und Pluralismus im Fokus stehen. Kapitel III analysiert die politischen und sozioökonomischen Bedingungen, die zum Aufstieg des Hindu-Nationalismus in den 1980er Jahren führten. Kapitel IV stellt die wichtigsten Organisationsformen des Hindu-Nationalismus, insbesondere die Sangh Parivar, den RSS und den Vishwa Hindu Parishad, vor.
Schlüsselwörter
Hindu-Nationalismus, Hindutva, Demokratie, Pluralismus, Sangh Parivar, RSS, Vishwa Hindu Parishad, Bharatiya Janata Partei (BJP), Shivsena, indische Politik, indische Gesellschaft, kommunalistische Spannungen, Mobilisierung, Wahlniederlage.
- Quote paper
- Rebecca Richter (Author), 2006, Der Hindu-Nationalismus als Gefahr für die indische Demokratie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/68044