Freud - Die Zukunft einer Illusion


Seminar Paper, 2001

29 Pages, Grade: Sehr Gut


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

2 Vorwort

3 Ein Leben als Atheist

4 Vorgänger der Religionskritik

5 Die Zukunft einer Illusion
5.1 Die Gegenwart der Zivilisation
5.2 Die Entwicklung einer Illusion
5.3 Die Kritik einer Illusion
5.4 Die Zukunft einer Illusion

6 Die Gegenwart einer Illusion

7 Literaturverzeichnis

2 Vorwort

„Die Zukunft einer Illusion“ ist ein Text eines der größten, revolutionärsten und dabei praktischsten Denker des 20. Jahrhunderts: Sigmund Freud. Die etwa 60 Seiten kurze Abhandlung ist keine der berühmten, umwälzenden Werke Freuds, sondern eine zu Unrecht vergessene Zugabe, keine wissenschaftliche Abhandlung, kein Krankenbericht und keine Selbstanalyse, sondern eine Meinung, ein philosophischer Text, eine Predigt. Trotz seiner Kürze steckt darin eine Fülle von Gedanken und Analysen über das Wesen unserer Zivilisation, unserer Religion und unserer möglichen Weiterentwicklung.

Ich war bei dieser Arbeit vor die Wahl gestellt, die Gedanken von „Die Zukunft einer Illusion“ linear zu verfolgen und auf Freuds Analysen Punkt für Punkt einzugehen, oder Freuds Kapitelgliederung zu durchbrechen und lieber die einzelnen Themen, die im Text immer wieder behandelt werden, zu besprechen. Ich habe mich für Zweiteres entschieden, um einen besseren Überblick über Freuds Gedanken zu bekommen und dem Ganzen eine eigene, verständliche und nachvollziehbare Einheit zu verleihen.

Im ersten Kapitel meiner Arbeit wird Freuds Leben skizziert. Der Schwerpunkt liegt dabei nicht auf seiner Arbeit als Psychologe, sondern auf seinem „Leben als Atheist“.

Das zweite Kapitel befasst sich kurz mit den beiden „Vorgängern der Religionskritik“, die einige Ähnlichkeiten mit Freuds Text und Standpunkt haben: Ludwig Feuerstein und Karl Marx. Ich habe mich dabei auf die Grundaussagen konzentriert und statt langen Zusammenfassungen der Standpunkte von Feuerstein und Marx lediglich jeweils zwei Textpassagen verwendet, welche für mich die Gedanken Beider ausreichend auf den Punkt bringen.

Anschließend wird im dritten Kapitel „Freuds Text beleuchtet. Im ersten Punkt, „Die Gegenwart der Zivilisation“, habe ich mich mit Freuds Erklärung für die Entstehung unserer Zivilisation befasst, mit seinen Definitionen und mit seiner Kritik. Der zweite Punkt konzentriert sich auf die Entstehung unserer Religion, „Die Entwicklung einer Illusion“ aus der Sicht Freuds, im dritten Abschnitt geht es schließlich um die „Kritik einer Illusion“. Abgeschlossen wird dieses Kapitel mit Freuds Ausblick auf die (religionslose) Zukunft, auf „Die Zukunft einer Illusion“.

Im letzten Kapitel, dem Schlusswort, wird Freuds Kritik an der Religion einer kurzen Kritik und einem subjektiven „Reality-Check“ unterzogen.

3 Ein Leben als Atheist

Es gibt keinen Zweifel, dass Sigmund Freud schon von Jugend an Atheist war, lange, bevor er Psychoanalytiker wurde. Freud selbst hat immer wieder darauf hingewiesen, dass Psychoanalyse nicht zu Atheismus führe, sondern in der Persönlichkeit und der Kindheit jedes Einzelnen begründet sei.

Sigmund Freud wurde am 6. Mai 1856 in Freiberg, einem katholischen Städtchen in Mähren, geboren. Er war das erste von acht Kindern der dritten Frau seines Vaters. Sein Vater, Jakob, ein orthodox erzogener Jude, war ein Patriachat und bei der Geburt von Sigmund bereits Großvater. Er hatte einen liberalen Zugang zu den jüdischen Traditionen. Seine Mutter, Amalie, war eine junge, zwanzigjährige Jüdin. Sigmund war stets der Liebling seiner Mutter, eine Eifersucht auf den Vater ist die erste Weichenstellung zur Entdeckung des Ödipuskomplexes.

Der junge Freud lernte das Judentum von seiner Mutter, so dass er später sagte, er sei bestens vertraut mit jüdischen Gebräuchen. Die Erziehung war fundamentalistisch-naiv: So wollte ihm seine Mutter beweisen, dass der Mensch aus Erde geschaffen wurde, indem sie von ihren Händen dunkle Epidermisschuppen abrieb. Doch Sigmund wuchs ohne Glauben an Gott auf, wie Ernes Jones in seiner Biografie schrieb: „He [Freud] grew up devoid of any belief in a God or Immortality; and does not appear to have felt the need of it“[1] Freud gab später an, dass ihn das Lesen der Bibel in höchstem Maße beeinflusst habe, doch für Jones war das nicht spirituell gemeint, sondern konnte nur heißen, dass Freud schon als Kind ein Interesse an der Geschichte der Menschheit hatte.

Als Kinderfrau beschäftigten die Freuds eine alte katholische Tschechin. Diese erzählte Sigmund von Himmel, Hölle und Strafen und brachte ihn in katholische Messen. Diese Erfahrung schlug sich in seinem ersten Aufsatz über die Religion nieder, „Zwangshandlungen und Religionsübungen“ (1907). Im Alter von 4 Jahren zog Sigmund mit seiner Familie nach Wien. Grund für den Umzug waren geschäftliche Schwierigkeiten eines jüdischen Geschäftsmannes unter Katholiken.

Im Gymnasium war Sigmund Freud stets Klassenbester, er hatte wenig nicht-jüdische Freunde. Er empfand sich als Jude und war stolz darauf. In Wien waren antisemitische Übergriffe an der Tagesordnung. Freuds Respekt vor seinem Vater wurde zu dieser Zeit empfindlich angeknackst, als dieser sich gegen antisemitische Übergriffe nicht zur Wehr setzte. Diese Erfahrungen führten auch in dem jungen Freud zu Gefühlen von Hass und Rache und machten für ihn das Christentum und seine Moral völlig unglaubwürdig. Gleichzeitig war er begeistert von Darwins Evolutionstheorie, woraus er den Entwicklungsgedanken als DAS Erklärungsprinzip schlechthin herbezog.

Nach dem Schulabschluss ging Freud an die Universität, er wählte den Arztberuf mit dem Spezialgebiet Physiologie. Sein Mentor war Ernst Brücke, dessen These lautete: Im Organismus gibt es keine anderen Vorgänge als chemische oder physikalisch erklärbare Reaktionen. Am Ende seines Studiums, Freud war 25, durfte er weder eine Praxis eröffnen noch eine Uni-Laufbahn einschlagen. Er schlägt sich mit Labortätigkeiten herum, vier Jahre später erhält er eine Privatdozentur, Fachbereich: Neuropathologie. Sein Uni-Lehrer Brücke verschaffte ihm schließlich 1885/86 ein Stipendium in Paris, wo ein Studium in die psychologische Fachrichtung möglich war. Dort wurde sein Interesse in Hypnose und Hysterie geweckt, er begann seine ersten Untersuchungen der Seele, er wandte sich von der Neurologie ab und entdeckte die Psychopathologie. Dennoch war er von Hypnose als Heilmittel nicht völlig überzeugt: Für Freud führte sie nur zu kurzfristigen Verbesserungen, das zentrale Problem blieb unangetastet.

1886, also ein Jahr später, eröffnet Freud schließlich eine eigene Facharztpraxis, sein Spezialgebiet waren nervliche und neurologische Probleme. Tag der Eröffnung war der Ostersonntag, eine Trotzhandlung gegenüber seiner katholischen Kinderfrau, die er für einen Großteil seiner psychischen Probleme verantwortlich machte. Die Praxis war jedoch nicht erfolgreich, was hauptsächlich auf Antisemitismus zurückzuführen war. Außerdem hatte er Patienten mit Kokain behandelt, was fehlschlug und zur Sucht führte. Seine Kollegen fanden seine Methode, hysterische oder neurotische Patienten mittels Hypnose zu therapieren, äußerst fragwürdig.

Kurz darauf heiratete er die Jüdin Martha Bernays. Bei der Hochzeit stimmte er trotz seiner Aversion einem jüdischen Hochzeitsritus, z.B. dem Erlernen von jüdischen Texten, zu. Für den Alltag der Ehe verlangte er jedoch, dass keine orthodoxen jüdischen Bräuche praktiziert werden.

Von diesem Zeitpunkt an ist wenig über das Verhältnis zwischen Freud und Religion bekannt, wichtiger wurden seine weltumwerfenden Ideen und Texte. Da diese natürlich auch in „Die Zukunft einer Illusion“ angesprochen werden, wird jetzt in aller Kürze auf das wissenschaftliche Leben und die Begründung der Psychoanalyse eingegangen:

In den 90er-Jahren des 19. Jahrhunderts entdeckte Freud die Dynamik der menschlichen Psyche, das Spiel unterschiedlicher Kräfte, vor allem die Bedeutung des Unbewussten. Sein Hauptansatzpunkt war, dass jede psychische Aktivität zuerst, primär, unbewusst stattfindet. Das „Bewusste“ ist sekundär. Freud revolutionäre Leitung war es sodann, das Unbewusste zum Objekt wissenschaftlicher Erklärung zu machen. Mit „Die Traumdeutung“ trat die Psychoanalyse 1899 schließlich in die Welt. Wenn überhaupt beachtet, wurde das Werk anfangs meistens kritisiert. Freud führte in der „Traumdeutung“ aus, dass in unseren Träumen das Unbewusste zum Wort komme und verdrängte Wünsche, meist aus der infantilen Zeit, erfüllt werden. Verdrängte Traumata können also mit dem Verstand analysiert und verstanden werden. Das unbewusste manifestiert sich jedoch nicht nur in Träumen, wie Freud 1901 in „Zur Psychopathologie des Alltagslebens“ ausführte.

Mit dem Mittel der Interpretation konnte die Analyse in die vergessenen Momente der kindlichen Entwicklung vorstoßen. Freud kam zu dem Ergebnis, dass die früheste Kindheit höchst signifikant für die Entwicklung einer Person ist. Daneben brach er das Tabu, Kinder hätten keine Sexualität, in der Schrift „Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie“ (1905). Nun gab es für die Psychoanalyse kein Zurück mehr, sie wurde auf der ganzen Welt immer wichtiger. Menschen scharten sich um Freud, es kam 1908 zur Gründung der Psychoanalytischen Vereinigung. Der Gründer selbst konnte sich, neben der weiteren Entwicklung der Psychoanalyse, nun auch vermehrt gesellschaftlichen, kulturellen Themen widmen. Die Religion im Kontext einer repressiven Zivilisation war ihm eines der liebsten.

Bereits 1907 schrieb er den erwähnten Text „Zwangshandlungen und Religionsübungen“. Hier entdeckte er unübersehbare Ähnlichkeiten zwischen den Zwangshandlungen eines Neurotikers und den Ritualen, die in jedem Glauben essentiell sind. Beide Phänomene, die Religion und die Neurose, involvieren laut Freud den Verzicht auf Impulse. Deshalb sei eine obsessive Neurose das pathologische Pendant zu religiösen Formationen, sei die Neurose eine individuelle Religion, die Religion eine universelle obsessive Neurose.

In „Totem und Tabu“ (1913) entdeckt Freud eine Analogie zwischen der Mentalität von primitiven Völkern und den Denkvorgängen bei Neurosen. Hier erklärt er die Wurzel jeder Religion: Unsere Vorfahren lebten mit tierischen Totems, unbewussten Vaterfiguren, denen sie viel Ehrfurcht und Respekt entgegenbrachten und die laut Freud Umlegungen des allen menschlichen Wesen innewohnenden Oedipus-Komplexes waren.

Im Jahr 1927 folgte „Die Zukunft einer Illusion“, und im Jahr 1939 machte sich Freud im Exil und schwerkrank noch einmal an das Thema Religion: In „Der Mann Moses und die monotheistische Religion“ finden sich viele Hinweise, die den vordergründigen Rationalismus der „Zukunft einer Illusion“ aufsprengen und den Weg freimachen für eine tiefere, persönlichere Analyse religiöser Phänomene. Der Monotheismus der Juden sei eine Wiederholung des Mordes an dem Ur-Vater. Dieser in der Urgeschichte ermordete Vater kehrte in Moses zurück, Moses wurde zum Ersatz-Vater. Der Mord an Moses sei die wichtige Verbindung zwischen dem vergessenen Ur-Mord und seiner Wiederauferstehung in der Form des Monotheismus. Schuldgefühl erweckte den Wunsch nach einem Messias, also wurde Jesus ein wiederauferstandner Moses und gleichzeitig wieder eine Rückkehr des Ur-Vaters. Ilse Grubrich-Simitis hat in einer Arbeit über den „Mann Moses“ gezeigt, dass Freud vielleicht auch darum ein so wütender Atheist war, weil er sich der Abgründe seiner eigenen tiefen Identifizierung mit Moses als Religionsstifter erwehren musste.

[...]


[1] Ernest Jones: „The Life and Work of Sigmund Freud”, 3. Auflage, New York, S. 29

Excerpt out of 29 pages

Details

Title
Freud - Die Zukunft einer Illusion
College
University of Vienna  (Institut für Politikwissenschaften)
Course
Seminar aus Politischer Theorie
Grade
Sehr Gut
Author
Year
2001
Pages
29
Catalog Number
V6933
ISBN (eBook)
9783638143820
File size
572 KB
Language
German
Keywords
Freud, Zukunft, Illusion, Seminar, Politischer, Theorie
Quote paper
Christian Schädel (Author), 2001, Freud - Die Zukunft einer Illusion, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/6933

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