Stressverarbeitung von Führungskräften. Welche individuellen Strategien gibt es?


Thèse de Master, 2020

98 Pages, Note: 2,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Danksagungen

Abstract

1 Einleitung
1.1 Darstellung des Problems
1.2 Forschungsfrage und Forschungsinteresse
1.3 Zielsetzung
1.4 Methodik und Vorgehensweise
1.5 Aufbau der Arbeit

2 Theoretische Grundlagen
2.1 Begriffsdefinitionen und Modelle
2.1.1 Physiologisches Stressmodell nach Selye
2.1.2 Transaktionales Stressmodell nach Lazarus
2.1.3 ABC Modell nach Ellis
2.2 Neurophysiologische Grundlagen des Stress
2.2.1 Der Hypothalamus
2.2.2 Das zentrale Nervensystem (ZNS)
2.2.3 Das vegetative Nervensystem
2.2.4 Das endokrine System
2.2.5 Die zwei Achsen der Stressreaktion
2.3 Bewältigung von Stress
2.3.1 Eustress
2.3.2 Distress
2.3.3 Yerkes-Dodson-Gesetz
2.4 Folgen von chronischem Stress

3 Führungskräfte im spezifischen Kontext
3.1 Definition und Merkmale der Systemgastronomie
3.2 Franchisesysteme
3.3 Unternehmen X

4 Empirische Untersuchung
4.1 Stressverarbeitungsfragebogen SVF 120
4.1.1 Definition der Skalen
4.1.2 Anwendung und Auswertung des SVF 120
4.2 Stichprobe
4.3 Ergebnisse Fragebogen SVF 120
4.3.1 Verwendete Einzelstrategien in der Gesamtgruppe
4.3.2 Verwendete Einzelstrategien in den Untergruppen Alter und Geschlecht
4.3.3 Positive Strategien zusammengefasst in 3 Subtestkategorien in der Gesamtgruppe
4.3.4 Positive Strategien zusammengefasst in 3 Subtestkategorien in den Untergruppen Alter und Geschlecht

5 Diskussion der Ergebnisse
5.1 Schlussfolgerungen und Anwendung in der Praxis

6 Zusammenfassung

7 Literaturverzeichnis

8 Abbildungsverzeichnis

Danksagungen

Ich darf mich bei allen Menschen bedanken, die es mir ermöglicht haben, während beziehungsweise parallel zu meiner beruflichen Belastung diese Ausbildung zu absolvieren.

Die in den einzelnen Lehrveranstaltungen vorgetragenen Inhalte waren allesamt praxisbezogen und mit hohem Mehrwert verbunden. Die Hausarbeiten größtenteils in Bezug zu einem beruflich relevanten Thema zu setzen, war äußerst hilfreich. Schlussendlich steht auch diese Master Thesis in unmittelbarem Bezug zur Arbeit in der Begleitung und Entwicklung von Führungskräften in der Systemgastronomie.

An dieser Stelle möchte ich mich deshalb vor allem bei Andreas Gamsjäger bedanken, der den Führungskräften in seinen Unternehmen diesen Prozess ermöglicht und mit seinem Einverständnis zur Erstellung der Fragebögen auch wesentlich zum Gelingen der Arbeit beigetragen hat.

Ein großer Dank gilt abschließend meiner Fachbegutachterin Maga Susanne Zapf, die mir mit ihrem psychologischen Fachwissen eine wichtige Stütze war.

Abstract

Führungskräfte sind im Allgemeinen einem hohen Niveau an Belastungen ausgesetzt. Der in vielen Fällen daraus resultierende Stress kann auf verschiedene Art und Weise verarbeitet werden.

Diese Arbeit widmet sich insbesondere den individuellen Strategien zur Verarbeitung von Stress von Führungskräften im mittleren Management. Die Hierarchieebene unterhalb der Geschäftsführung in der Branche der Systemgastronomie steht im Fokus dieser Arbeit, weil Menschen die in diesen Positionen arbeiten, besonderen Anforderungen ausgesetzt sind.

Mit den Ergebnissen eines standardisierten Fragebogen – dem SVF 120 - werden die unterschiedlichen individuellen Strategien der Führungskräfte analysiert, Erkenntnisse abgeleitet und die Forschungsfrage beantwortet:

„Welche individuellen Strategien zur Stressverarbeitung zeigen Führungskräfte in der Systemgastronomie?“

Ziel der Arbeit ist nicht nur die Beantwortung der Forschungsfrage, sondern vor allem auch ein starker Praxisbezug im Sinne eines möglichen Transfers von Erkenntnissen mit konkreten Handlungsanweisungen und Vorschlägen für das Personalentwicklungsprogramm des beschriebenen Unternehmens.

Die Ergebnisse zeigen klare Tendenzen bei den primär verwendeten Strategien der Gesamtgruppe, altersspezifische Unterschiede sowie interessante Details in Ausnahmefällen und Subgruppen.

Als Basis und Einstieg werden der Leserin und dem Leser Grundwissen zur Stressforschung, diverse Modelle und damit einhergehende verschiedene Definitionen von Stress geboten. Zudem skizziert der Autor im Rahmen der Arbeit auch neurophysiologische Grundlagen und Abläufe zum besseren Verständnis körperlicher Stressreaktionen. Damit verbunden werden allgemeine Folgen und Auswirkungen von chronischem Stress auf Menschen beschrieben.

1 Einleitung

Gibt man die Wortkombination Führung und Stress zur Suche in Google ein, erhält man den Hinweis auf mehr als 15 Millionen Suchergebnisse. Stress in Verbindung mit Führung ist somit ein Thema, das auf breites Interesse stoßt.

Durchstöbert man Personalanzeigen auf diversen Internet Plattformen oder die Stellenanzeigen in Tageszeitungen, stellt man rasch fest, dass Unternehmen in Zeiten notorischer Personalknappheit permanent auf der Suche nach Führungskräften sind.

Eine Führungsrolle auszufüllen kann als Prozess verstanden werden, bei dem eine (Führungs-)Person versucht, andere Personen (Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) so zu beeinflussen, dass gemeinsame Aufgaben bearbeitet werden, um gemeinsame Ziele zu erreichen.

In der Europäischen Union nehmen rund 20% der Beschäftigten eine Management- bzw. Führungsrolle wahr (Parent-Thirion/Macis et al. 2006: 67).

Dementsprechend investieren Unternehmen einen wesentlichen Teil ihrer Ressourcen in die Suche und Entwicklung von Führungskräften. Es gibt eine Unzahl von Programmen, Seminaren, Workshops und anderen individuellen Maßnahmen wie Coachings, um Führungskräfte auf ihre Aufgaben vorzubereiten und sie arbeitsbereit und leistungsfähig zu erhalten. Auch der Autor ist seit vielen Jahren im Bereich der Entwicklung von Führungskräften tätig, dies ermöglicht einen tiefen Einblick in diese Thematik und der damit verbundenen Problematik.

Unbestritten sind Führungskräfte in den Unternehmen hohen Belastungen und Anforderungen ausgesetzt, ständig steigender Kostendruck, neue Generationen von Beschäftigten, die Globalisierung und die damit verbundene Geschwindigkeit, mit der Entscheidungen getroffen werden müssen, sind nur einige wenige Faktoren und Herausforderungen, mit denen sich Führungskräfte konfrontiert sehen. Die Verweildauer von Führungskräften in Firmen beträgt durchschnittlich nur drei bis vier Jahre mit fallender Tendenz (Fischer 2007: 9).

Sich dem Thema der Stressverarbeitung und Bewältigung von Herausforderungen seiner Führungskräfte zu widmen sowie dementsprechend Unterstützung und Begleitung anzubieten, nimmt in modernen Unternehmen und Organisationen eine zentrale Bedeutung ein.

1.1 Darstellung des Problems

Der Autor war selbst jahrelang in der Geschäftsführung eines Handelsunternehmens tätig und dort für die Bereiche Marketing und Kommunikation sowie für die Führung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig. Parallel dazu beschäftigt sich der Autor seit über 10 Jahren intensiv mit dem Thema „Führung“, insbesondere jener von heterogenen Teams. Im eigenen Unternehmen bietet der Autor klein- und mittelständischen Unternehmen Programme zur Entwicklung von Führungskräften an.

In diesem Kontext wurden auch die Probleme in einem vom Autor betreuten KMU evident. Die Praxis zeigt, dass Führungskräfte beginnen, unter Stress zu leiden, wenn sie wahrnehmen, dass zwischen den Anforderungen, die an sie gestellt werden, und den Mitteln, die ihnen zur Bewältigung dieser Anforderungen zur Verfügung stehen, Differenzen bestehen. In den letzten Jahren wurde die Thematik Stress bei Führungskräften als Grundlage psychosomatischer Erkrankungen umfangreich beschrieben und publiziert. Auch wenn dies nicht Kernthema dieser Arbeit ist, so wird doch auch darauf einzugehen sein.

Aus den langjährigen Beobachtungen des Autors in seiner Arbeit mit Führungskräften in der Systemgastronomie entwickelte sich die Erkenntnis, dass gerade jene Führungskräfte, welche hierarchisch unmittelbar unter der Geschäftsführung positioniert sind, offenbar besonders unter Stress leiden. Menschen in dieser Sandwichposition tragen einen Hauptanteil der Verantwortung. Sie müssen die Interessen der ihnen unterstellten Angestellten vertreten, und sind gleichzeitig dem von „oben“ vorgegebenen Umsetzungsdruck ausgesetzt.

In beinahe allen Führungskonzepten wird impliziert unterstellt, dass es in Organisationen Führende und Geführte gibt, die zueinander in einer hierarchischen Über- und Unterordnung stehen. Daraus entsteht eine Sichtweise, wie Vorgesetzte und Beschäftigte am Arbeitsplatz zusammenzuarbeiten haben (Kasper/Mayrhofer 2009: 26).

Nach den bisherigen Erfahrungen des Autors stehen in der Systemgastronomie den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im Bereich des mittleren Managements, die im zu beschreibenden Fall zum überwiegenden Teil aus dem betreffenden Unternehmen selbst in diese Positionen gelangen, die Mittel zur Bewältigung der Anforderungen dieser erworbenen Führungspositionen unzureichend zur Verfügung.

Neben dem Tagesgeschäft bleibt wenig Zeit, sich diesen wichtigen Themen zu widmen. Die Folge ist eine in den letzten Jahren merkbar zunehmende und zu hohe Personalfluktuation. Zu den Fluktuationen werden primär freiwillige (Kündigung der Angestellten) und unfreiwillige (Kündigung des Unternehmens) Arbeitsplatzwechsel gezählt. Ziel der Personalpolitik sollte es allerdings sein, die Fluktuationsrate möglichst tief zu halten, da Personalwechsel oft mit sehr hohen Kosten verbunden sind (Thommen/Achleitner 2012: 736).

Zum Teil ist Fluktuation auch als positiver Prozess zu definieren, denn mit neuen Beschäftigten gelangen auch neue Ideen und Erfahrungen ins Unternehmen. Bei einer zu hohen Fluktuationsrate geht jedoch genau dieses Wissen permanent verloren. Gerade in einem Franchiseunternehmen der Systemgastronomie sind diese Verarbeitungsstrategien gut vergleichbar, da Ausbildungswege und Ausbildungsinhalte weitgehend normiert sind. Aus den Beobachtungen in der bisherigen Praxis zeigen sich jedoch wesentliche Unterschiede, wie Führungskräfte mit Stress umgehen. Zudem wurden bis dato diese Verarbeitungsstrategien weder ermittelt noch objektiv miteinander verglichen.

1.2 Forschungsfrage und Forschungsinteresse

Das Interesse in einem sehr praxisbezogenen Kontext besteht darin, ob es möglich ist aufzuzeigen, inwieweit individuelle Zugänge und Verarbeitungsstrategien auch die Möglichkeit bieten, voneinander zu lernen. Darüber hinaus ist auch von Interesse, in beschränkter Zeit durch die Bewusstmachung der diversen eigenen Strategien einen raschen persönlichen Lerneffekt erzielen zu können. Für den Autor, aber insbesondere für das Unternehmen besteht in einem hohen Maße Interesse, mit den Erkenntnissen das zukünftige Programm für Führungskräfte wesentlich umzugestalten. Damit sollen in der dem Thema Personalentwicklung zur Verfügung stehenden Zeit durch unternehmensinternen Wissenstransfer rascher Ergebnisse erzielt werden.

Daraus ergibt sich die Forschungsfrage: „Welche individuellen Strategien zur Stressverarbeitung zeigen Führungskräfte in der Systemgastronomie?“

1.3 Zielsetzung

Ziel der Arbeit ist es, die individuellen Stressverarbeitungsstrategien der Führungskräfte zu ermitteln bzw. die unterschiedlichen Ausprägungsgrade miteinander zu vergleichen. Es soll auch festgestellt werden, ob es innerhalb der Stichprobe gravierende geschlechts- und/oder altersspezifische Unterschiede gibt.

Die individuellen Testergebnisse sollen nicht nur Teil dieser wissenschaftlichen Arbeit sein und bleiben, sondern mit den Befragten individuell besprochen und bearbeitet werden. Daraus soll auch ein Mehrwert für das Unternehmen entstehen. Ein erster Lerneffekt für die Führungskräfte wird angestrebt, indem die komplette Palette der Verarbeitungsstrategien ins Bewusstsein gebracht wird und daraus Möglichkeiten abgeleitet werden können.

Die Ergebnisse sind in weiterer Folge Grundlage eines individuellen Trainingssystems für Führungskräfte im Unternehmen werden, das der Autor zur Umsetzung bringen möchte. Das Ergebnis und die Erkenntnisse dieser Arbeit dienen dem Unternehmen und seinen Führungskräften dazu, die Zeit, die neben dem Tagegeschäft der Personalentwicklung gewidmet ist, bestmöglich zu nutzen. Im besten Fall wird das entwickelte Programm in weiterer Folge in der Österreich- Zentrale vorgestellt und bundesweit implementiert. Diesbezügliche Vorgespräche wurden bereits geführt.

Zielsetzung der Arbeit ist es, damit vor allem auch einen höchstmöglichen Nutzen für die Praxis zu erzielen und im besten Fall auch zu einem der wichtigsten Ziele im betreffenden Unternehmen, einer Verringerung der Personalfluktuationsrate, bestmöglich beizutragen. „Die Personalfluktuation sowie die Bindung von wertvollen Mitarbeitern stehen in engem Bezug mit der Rolle von Führungskräften. Konkret lässt sich sagen, dass Menschen zu Unternehmen kommen, aber sich von Vorgesetzten trennen. An dieser Stelle wird deutlich, welchen enormen Einfluss der Führungsstil auf die Bleibeabsicht von Mitarbeitern hat.“1

1.4 Methodik und Vorgehensweise

Um die Forschungsfrage zu beantworten, wurde von 26 Führungskräften des ausgewählten Unternehmens der Systemgastronomie ein standardisierter Fragebogen ausgefüllt. Der Stressverarbeitungsfragebogen (SVF 120) nach Wilhelm Janke, Gisela Erdmann und Konrad Wolfgang Kallus ist ein mehrdimensionales Testsystem, dass in der Stressforschung, insbesondere der klinisch-psychologischen Forschung verwendet wird. Die Standardform des SVF 120 dient der Erfassung von 20 über je einen Subtest definierten Stressverarbeitungsweisen im Sinne zeit- und situationsstabiler Personenmerkmale.

Befragt wurden gesamt 26 Personen aus dem Bereich des mittleren Managements, deren Aufgabenbereiche ebenfalls im spezifischen Unternehmenskontext beschrieben werden. Die Befragung, also das Ausfüllen des SVF, erfolgte auf freiwilliger und anonymer Basis, anzugeben waren jedoch das Alter sowie das Geschlecht. 100% der ausgegebenen Bögen wurden ausgefüllt zurückgegeben, alle waren komplett und fehlerfrei ausgefüllt und damit verwendbar.

Die Auswertung ermöglicht eine Differenzierung von Strategien. Strategien, die auf eine Stressreduktion abzielen, werden als Positiv–Strategien bezeichnet, jene, die stressvermehrend wirken, als Negativ–Strategien. Der SVF befasst sich demnach mit Coping-Strategien. Der englische Begriff Coping bezieht sich auf den Prozess, mit inneren und äußeren Anforderungen umzugehen, welche die Ressourcen des Menschen übersteigen und als einschränkend erlebt werden. Bewältigungsstrategien können behaviorale, emotionale oder motivationale Gedanken und Reaktionen umfassen (Gerrig 2016: 482).

In der Auswertung werden verschiedene Altersgruppen verglichen bzw. wird ein möglicher geschlechtsspezifischer Unterschied geprüft. Darüber hinaus werden besonders häufig angewandte Individual-Strategien gesondert betrachtet.

Dem empirischen Teil vorangestellt ist ein theoretischer Teil, der sich den Erkenntnissen des Literaturstudiums zum Thema Stress inklusive der notwendigen Begriffsdefinitionen widmet.

1.5 Aufbau der Arbeit

Am Beginn der Arbeit wird der Leser in der Einleitung an das Thema herangeführt und die Problemstellung definiert. Dies passiert mit einem starken Bezug zur Praxis respektive zu den einschlägigen Erfahrungen des Autors. Daraus abgeleitet wird die Forschungsfrage definiert, im Anschluss die Methodik, mit der die Beantwortung der Forschungsfrage gewährleistet werden soll.

Der Hauptteil der Arbeit besteht aus drei weiteren Kapiteln.

Im Kapitel Theoretische Grundlagen wird das Thema Stress aus allgemeiner Sicht beleuchtet, Begriffsdefinitionen werden durchgeführt und es wird dem Alltagsphänomen nachgegangen. Verschiedene Definitionen werden angeführt sowie Modelle skizziert. Das führt im Anschluss zu einer Betrachtung aus neurophysiologischer Sicht. Grundlagen werden einfach zusammengefasst und neurobiologische Abläufe erklärt. Abgeschlossen wird dieses Kapitel mit den Auswirkungen von Stress auf Führungskräfte und damit auf Unternehmen im Allgemeinen sowie den Möglichkeiten der Stressverarbeitung.

Das folgende Kapitel geht auf die Situation der Führungskräfte im spezifischen Kontext ein. Nach den Begriffsdefinitionen aus dem Bereich der Systemgastronomie wird im weiteren Verlauf auf die Besonderheiten der Branche Bezug genommen. Dafür werden die spezifischen Anforderungen zum Teil aus Beobachtungen, aber auch aus vorliegenden job descriptions sowie internen Fortbildungsprogrammen des Franchise-Programmes abgeleitet. Abgeschlossen wird das Kapitel mit einem Blick auf die Besonderheiten des Unternehmens, in dem die Führungskräfte tätig sind.

Das letzte Kapitel des Hauptteiles ist der Auswertung der Fragebögen gewidmet und damit der Beantwortung der Forschungsfrage. Am Beginn steht eine exakte Erklärung des standardisierten Fragebogens sowie Details zu den enthaltenen Strategien.

Die Ergebnisse der Befragten werden anschließend intern verglichen und mögliche Unterschiede herausgearbeitet. Es wird auf besonders häufig angewandte Strategien eingegangen und die Ergebnisse werden interpretiert.

In der Zusammenfassung wird abschließend eine Schlussfolgerung aus den Erkenntnissen gezogen und ein Ausblick auf die mögliche Anwendung in der zukünftigen Praxis vorgenommen.

2 Theoretische Grundlagen

In einer 1999 veröffentlichten Publikation des Medienverbundes von 3sat, Deutschland-Radio Berlin, der Süddeutschen Zeitung und dem Suhrkamp Verlag wurde das Wort Stress in einer Liste jener 100 Wörter geführt, die das 20. Jahrhundert besonders geprägt haben.2

Der Begriff selbst, abgeleitet aus dem lateinischen stringere = anspannen, entstammt der Geologie. Er wird für den Zustand von Materialen verwendet, die unter Druck oder Zug stehen bzw. bezeichnet er einen einseitig gerichteten Druck bei tektonischen Vorgängen.

Allgemein kann Stress als ein Reaktionsmuster beschrieben werden. Das Reaktionsmuster eines Organismus auf Stimulusereignisse, die das Gleichgewicht des Organismus stören und dessen Fähigkeit, diese Einflüsse zu bewältigen, stark beanspruchen. Diese Stimulusereignisse, umgangssprachlich als Reize bezeichnet, umfassen externe und interne Bedingungen und unterliegen stark der individuellen Wahrnehmung und Bewertung. Zusammengefasst werden diese Stimulusereignisse, die von einem Organismus eine Anpassungsreaktion erfordern, im vorliegenden Kontext Stressoren genannt.

Individuen reagieren abhängig von ihren persönlichen Ressourcen auf verschiedenen Ebenen. Unterschieden werden Stressreaktionen auf physiologischer, behavioraler, emotionaler und kognitiver Ebene (Gerrig 2016b: 473).

Als dritter wichtiger Begriff neben dem Stressor und der Stressreaktion gilt die Diathese, welche die individuelle Empfindlichkeit oder Vulnerabilität gegenüber Stressoren beschreibt. Vielfach wird Stress ausschließlich negativ beurteilt oder bewertet. Dies ist nicht der Fall, und wird weiter unten auch im Sinne der Erklärung der Begriffe Distress und Eustress näher beleuchtet.

Stress ist also zunächst ein neutraler Ausdruck. Die Stressreaktion des Körpers ist per se nicht gesundheitsschädigend. Im Folgenden werden unterschiedliche Definitionen und Modelle beschrieben: Dem Stress als „Ungleichgewicht zwischen Anforderungen und Bewältigungsmöglichkeiten“ ist in der einschlägigen Literatur, insbesondere auch in Bezug auf Führung und Führungskräfte, breiter Raum gewidmet.

2.1 Begriffsdefinitionen und Modelle

In Folge der oben beschriebenen häufigen Verwendung des Begriffes Stress existiert naturgemäß eine Vielzahl ähnlicher Definitionen.

Werden in weiterer Folge unterschiedliche Definitions- bzw. Erklärungsversuche beschrieben, so stehen am Beginn allgemeine Definitionen verschiedener Autoren.

„Stress ist ein Muster spezifischer und unspezifischer Reaktionen eines Organismus auf Reizereignisse, die sein Gleichgewicht stören und seine Fähigkeiten zur Bewältigung strapazieren oder überschreiten.“ (Zimbardo 1988: 575).

„Stress ist ein biochemischer Vorgang, der nur im Kopf stattfindet, und wird hervorgerufen durch die Angst, etwas nicht schaffen zu können. Stress wird nicht von jemand anderen hervorgerufen, sondern immer nur von der gestressten Person selbst.“ (Becker 1990: 23).

Das Lexikon beschreibt wie folgt: “Von Selye in die Medizin eingeführte Sammelbezeichnung für dauernde oder häufig wiederholte Belastungen des menschlichen Organismus, die zu Schädigungen führen können; zB.: Kälte, Hitze, Krankheiten, zivilisatorische Einflüsse (dauernde berufliche Überforderung, Hetze, Ärger).“ (Ohne Autor. Fischer Lexikon 1979).

Alle Definitionen geben als Gemeinsamkeiten und Auslöser für Stress die verschieden benannten, ungewohnten, unerwarteten, überfordernden Belastungen an, die den Organismus zu physiologischem und psychischen Reagieren animieren.

2.1.1 Physiologisches Stressmodell nach Selye

Übereinstimmend wird in der Literatur der österreichisch-kanadische Mediziner und Biochemiker Hans Selye (1907–1982) als Begründer der Stressforschung genannt. Seine hormonphysiologischen Untersuchungen in Zusammenhang mit Umweltbelastungen prägten den Begriff Stress, der zuvor bereits von Walter Cannon (1871–1945) in seinen Werken in Bezug auf Alarmsituationen (fight or flight) verwendet wurde.

Hans Selye definiert Stress als „die Summe aller Adaptionsvorgänge und Reaktionen körperlicher wie psychischer Art, mit denen ein Lebewesen auf seine Umwelt und die von innen und außen kommenden Anforderungen reagiert.“3

Alle Stressoren verlangen eine unbestimmte, individuelle Art der Anpassung. Jeder Organismus ist darauf ausgerichtet, Unversehrtheit und Wohlbefinden zu erhalten oder wiederherzustellen. Ziel ist das permanente Erhalten bzw. Herstellen eines biologischen Gleichgewichtes. Die Homöostase umfasst die Gesamtheit der endogenen Regulationsvorgänge, die für ein stabiles inneres Milieu sorgen. Dazu zählen unter anderem die Konstanthaltung des Blutdrucks, die Körpertemperatur oder auch die ionale Zusammensetzung der Körperflüssigkeiten.4

Im physiologischen Stressmodell von Selye wird die Reaktion auf Stressoren als das allgemeine Adaptionsmodell beschrieben.

Es umfasst drei Stufen:

- Alarmreaktion: Kurze Perioden körperlicher Erregung, die den Körper für energische Aktionen bereit machen.
- Widerstand: Der Organismus kann die Effekte der anhaltenden Stressoren ertragen und ihnen widerstehen. Es ist dies ein Zustand moderater Erregung.
- Erschöpfung: Die Ressourcen des Körpers gehen zu Ende.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Physiologisches Stressmodell nach Selye5

2.1.2 Transaktionales Stressmodell nach Lazarus

Selbstverständlich geht nicht jeder Organismus, jeder Mensch mit externen Stressoren auf die gleiche Weise um. Das transaktionale Modell ist nach dem amerikanischen Psychologen Richard S. Lazarus (1922 – 2002) benannt. Erkenntnis seiner Forschungen ist, dass die unterschiedliche Bewertung einer Situation, die individuelle Interpretation der eigenen Wahrnehmung Auswirkungen auf die Stärke des Stresses und damit auch auf die Bewältigung desselben hat.

Besonders hervorzuheben für diese Arbeit ist, dass er es war, der erstmals über die Wechselbeziehungen zwischen Stress und Stressbewältigung (Coping) bzw. den verwendeten Bewältigungsstrategien berichtet.

Zentraler Bedeutung erlangen somit in diesem Modell kognitive und individuelle Bewertungsvorgänge. Auch Lazarus unterscheidet drei Phasen, wobei die Bewertungsprozesse durchaus auch parallel zueinander verlaufen können und nicht zwingend einer Reihenfolge unterliegen.

Das transaktionale Modell nach Lazarus beschreibt folgende Phasen:

- Primäre Bewertung: Wird der Reiz entweder positiv oder irrelevant bewertet, so stellt er keine Bedrohung für den Organismus dar.
- Sekundäre Bewertung: Sind genügend persönliche Ressourcen vorhanden, dann wird versucht, den Stress zu überwinden.
- Neubewertung: Bei der Neubewertung ist entscheidend, wie erfolgreich die Reizbewältigung erfolgte. Danach wird der ursprüngliche Reiz neu bewertet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Transaktionales Stressmodell nach Lazarus6

Wie obenstehend beschrieben, ist Lazarus stark auf das Thema der Wechselwirkung zwischen Stress bzw. dem Stressor und Coping (Stressbewältigung) fokussiert. Vereinfacht dargestellt kann man zusammenfassen, dass der Stress als bewältigt gilt, sofern die Stressbewältigungsstrategie wirkt.

Gerät der Stress aber außer Kontrolle und werden keine geeigneten Strategien angewandt, können psychosomatische Erkrankungen hin bis zu psychischen Störungen entstehen.

Lazarus führt weiter aus, dass “emotionales Erleben nicht ausschließlich hinsichtlich dessen verstanden werden kann, was sich im Individuum oder im Gehirn ereignet, sondern aus der fortwährenden Auseinandersetzung mit der Umwelt, die bewertet wird, erwächst.“ (Lazarus 1991, zit. in: Gerrig 2016c: 466).

Diese Position wurde als Emotionstheorie der kognitiven Bewertung bekannt.

2.1.3 ABC Modell nach Ellis

Albert Ellis (1913 – 2007) war ein amerikanischer Psychologe und Psychotherapeut, der die Rational-Emotive Verhaltenstherapie (REVT) entwickelte und in New York das gleichnamige Institut gründete. Basis der rational-emotiven Verhaltenstherapie ist die so genannte ABC-Theorie psychischer Störungen.

Ellis erkannte, dass nicht allein ein innerer oder äußerer Reiz zu einer Stressreaktion führt, sondern dass es einen meist nicht bewussten Zwischenschritt gibt.

Beliefs – Glaubenssätze spielen in diesem Modell eine wichtige Rolle. Ähnlich dem Modell von Lazarus beschreibt Ellis, dass die Abfolge Stressor (Ereignis) – Gefühl (Reaktion) zu kurz greift und es eben diesen wichtigen Zwischenschritt gibt.7

Für den Autor gibt es einen weiteren wichtigen Grund, dem Modell von Ellis Raum zu widmen, das immer wieder in Verbindung mit diversen Konzepten zur Stärkung der Resilienz verwendet wird.

Die Fähigkeit der Resilienz (aus dem Lateinischen resilere – „zurückspringen“ oder „abprallen“) wird als psychische Widerstandsfähigkeit bzw. als Fähigkeit, Krisen zu bewältigen, verstanden. Um bestmöglich negativen Einflüssen und Erlebnisse standzuhalten, ist der Aufbau von Resilienz meist wesentliches Ziel von Stressmanagement- und Personalentwicklungsprogrammen in Unternehmen.

Das Modell von Ellis bietet die Möglichkeit zu erkennen, dass Gefühle und das daraus resultierende Verhalten nicht durch kritische Situationen und Belastungen an sich, sondern vor allem durch deren Bewertung entstehen.

Diese Abläufe beschreibt Ellis im Modell wie folgt:

- A für Activating experiences: Innere oder äußere Wahrnehmung

Das Gehirn erhält über unsere Sinnesorgane Daten, von denen nur Bruchteile in das bewusste Denken gelangen. Der größte Teil wird als irrelevant ausgefiltert.

- B für Beliefs: Annahmen und Interpretationen

Das Gehirn interpretiert und ordnet Bedeutungen zu, Realität wird konstruiert.

- C für Consequences: Verhalten und Gefühle

Auf Grund der vom Gehirn konstruierten Realität oder subjektiven Wahrheit kommt es zu Schlussfolgerungen und den zugehörigen Reaktionen bzw. Handlungen. Auch die Wahrnehmung wird auf Grund der (Be)Deutung dementsprechend fokussiert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: ABC Modell Ellis8

Für therapeutische Zwecke hat Ellis später seinem Modell noch die Schritte D und E hinzugefügt.

- D für Dispute: Hinterfragen der ungünstigen Annahmen und Thesenbildung
- E für Effect: Den Klienten neue positive Auswirkungen und Erfahrungen erleben zu lassen.

Vor allem in Bezug auf die im nächsten Kapitel beschriebenen neurophysiologischen Grundlagen zu erwähnen ist der Fakt, dass nach Ellis emotionale Störungen durch in einer Situation aktivierte Bewertungsmuster bedingt werden. Das bedeutet, dass von ihm so genannte „irrationale Überzeugungen“ wesentlichen Einfluss auf die Stressverarbeitung haben.

Nach Ellis werden Menschen bereits mit einer Disposition zu irrationalem Denken geboren, welche dann in einer belastenden Lebenssituation = Stress aktiviert wird. Er spricht in diesem Fall von kognitiver Vulnerabilität.

Der Ansatz von Ellis, den selbstschädigenden Gedanken und Glaubenssätzen der Menschen besondere Aufmerksamkeit zu schenken, gehört zur kognitiven Wende in der Psychologie. Diese hat wiederum wesentlichen Einfluss auf den Umgang mit Stresssituationen und den damit einhergehenden Bewältigungsstrategien. Eine Rückkehr auf das Denken und Fühlen in der Abkehr vom Behaviorismus, in dem man verstärkt auf die verändernde Kraft der Einsicht des Menschen setzt.9

In den letzten Jahren wurden die klassischen Modelle und damit einhergehenden Definitionen von Stress und dessen Ursachen bzw. Auswirkungen vor allem mit den Erkenntnissen aus der Neurobiologie ergänzt und erweitert. In einem Prozess der interdisziplinären Zusammenarbeit und Verschmelzung wurde neues Wissen generiert.

„Wie wir seit langem wissen, haben psychosomatische Leiden ihre Ursachen oft in Stress und (z. B. frühkindlichen) traumatischen Erfahrungen, die – unbewusst – im Gedächtnis gespeichert werden. In den letzten Jahren ist nun immer deutlicher geworden, wie sehr solche impliziten Lernprozesse auch mit strukturellen und funktionellen Veränderungen im Gehirn verbunden sind und manchmal sogar tiefe – epigenetische – Spuren in den Genen von Gehirnzellen hinterlassen. Indessen können aber auch Änderungen im Verhalten sowie unsere Gedanken die neuronalen Netzwerke unseres Gehirns umstrukturieren.“ (Rüegg 2010: VIII).

2.2 Neurophysiologische Grundlagen des Stress

Wie oben beschrieben, war die Annahme, dass ein Stressor auf jeden Organismus in derselben Art und Weise wirkt, in den Anfängen der Stressforschung State of the Art. Heute wissen wir, dass die Bewältigung von Stresssituationen maßgeblich von der gedanklichen Bewertung abhängt. Damit rückt das Zusammenspiel von Psyche und Körper in den Mittelpunkt der Betrachtung. Stressgeschehen wird sehr individuell bewertet, wie auch individuell verarbeitet – die Frage, welche Abläufe im Körper vom Gehirn gesteuert dazu beitragen, steht im Fokus.

Zum Verständnis der Abläufe trägt eine Grundkenntnis der anatomischen und physiologischen Voraussetzungen maßgeblich bei. Ohne auf Details einzugehen, möchte der Autor an dieser Stelle die wichtigsten Begriffe sowie die Funktions- und Arbeitsweise der bei Stressverarbeitung involvierten Systeme erklären. Daraus wird ein Mehrwert nicht nur im Hinblick auf die Forschungsfrage, sondern vor allem auch auf die gewonnenen Erkenntnisse und daraus resultierende praktische Ansätze in der Arbeit mit Führungskräften generiert.

Schon zu Beginn des vorigen Jahrhunderts publizierte der amerikanische Physiologe Walter Cannon (1871–1945) die ersten wissenschaftlichen Beschreibungen, wie Menschen und Tiere auf Stressoren reagieren. Er prägte den Begriff Kampf-oder-Flucht-Reaktion (fight–or–flight response), der die Reaktion von Tieren auf Bedrohung beschreibt. Ergebnis seiner Forschungen war, dass eine Abfolge von Aktivitäten in den Nerven und Drüsen des menschlichen Organismus in Gang gesetzt werden. Diese soll den Körper befähigen, sich selbst zu verteidigen und zu kämpfen oder die Flucht zu ergreifen, um sich in Sicherheit zu bringen.

Im Gehirn werden komplexe biochemische Prozesse ausgelöst, die den Körper aktivieren und spezifische Reaktionen ermöglichen. Diese Reaktionen oder Abläufe sind das Ergebnis der beteiligten Systeme – das sind:

- das zentrale Nervensystem
- das vegetative Nervensystem
- das Hormonsystem (Endokrine System)

Im Zentrum der Stressreaktionen steht der Hypothalamus.

2.2.1 Der Hypothalamus

Der Hypothalamus ist als Teil des limbischen Systems ein Bereich des Zwischenhirns. Er besteht aus Nervenzellansammlungen = Kernen, die als Schaltstationen für die zu- und abführenden Bahnen zu anderen Hirnabschnitten fungieren. Er steuert vegetative Funktionen des Organismus wie die Nahrungs- und Wasseraufnahme, die Körpertemperatur, den Kreislauf, das Schlaf- und das Sexualverhalten.10

Der Hypothalamus ist die wichtigste Hirnregion für die Aufrechterhaltung der Homöostase – des biologischen Gleichgewichts. Er steuert ein äußerst komplexes Zusammenspiel des zentralen Nervensystems, des vegetativen Nervensystems und des endokrinen Systems.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Lage des Hypothalamus im limbischen System11

2.2.2 Das zentrale Nervensystem (ZNS)

Nach der Lage der Nervenbahnen im Körper unterscheidet man zwischen dem zentralen und peripheren Nervensystem. Das zentrale Nervensystem umfasst die Nervenbahnen in Gehirn und Rückenmark. Die wichtigste Aufgabe des ZNS ist sowohl die Aufnahme als auch die Verarbeitung von außen kommender Reize. Darüber hinaus wird der Ablauf aller Körperfunktionen zwischen den Organen und Systemen reguliert.

Die Unterscheidung zentral oder peripher basiert ausschließlich auf der Lage der Nervenbahnen, wogegen man unabhängig von der Lage noch einmal das somatische (willkürliche) Nervensystem vom autonomen (vegetativen) Nervensystem unterscheidet. Das somatische System steuert alle Vorgänge, welche man bewusst und willentlich beeinflussen kann. Stellvertretend seien hier die gezielten Bewegungen der Extremitäten genannt.

2.2.3 Das vegetative Nervensystem

Parasympathikus und Sympathikus bilden gemeinsam das vegetative Nervensystem. All jene Abläufe, die nicht willentlich gesteuert werden können, werden hier dauerhaft geregelt. Dies passiert in einer permanenten Schleife in der Signale aus dem Gehirn an die Organe und Systeme gesendet werden, und in der Gegenrichtung – in einer Art feedbackschleife – Rückmeldungen übertragen werden. So können sehr rasch Anpassungen, wie zum Beispiel die vermehrte Durchblutung, die Steigerung der Herzfrequenz oder die Veränderung der Körpertemperatur vorgenommen werden.

Dabei ist der Sympathikus dafür verantwortlich, den Körper auf geistige und körperliche Leistungen vorzubereiten.Bei Aktivierung wird die Atmung schneller und tiefer, das Herz schlägt schneller, der Blutdruck steigt, nachdem sich die Blutgefäße zusammenziehen. Mehr Luft kann in die Lungen einströmen, da Muskeln die Luftwege von Rachen und Nase öffnen. Zudem werden Signale an glatte Muskeln gesendet, um jene Bereiche, die nicht gebraucht werden, auszusetzen – dazu gehört in diesen Aktivierungssituationen vor allem die Verdauung (Gerrig 2016d: 474).

Der Parasympathikus wirkt meist (nicht immer) als Gegenspieler. Er ist für die Körperfunktionen in Ruhe verantwortlich, sorgt für Entspannung und regelt die Verdauung. Dazu existiert ein eigenes Nervensystem des Darmes – das enterische Nervensystem, das beinahe unabhängig die Bewegung des Darmes bei der Verdauung reguliert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Das vegetative Nervensystem12

2.2.4 Das endokrine System

Das endokrine System = Hormonsystem koordiniert die Kommunikation und Abläufe zwischen den Organen. Das passiert durch ein Zusammenspiel von Hormonen, die von endokrinen Drüsen in den Blutkreislauf abgegeben werden. Hormone sind Chemikalien, die in den Drüsen gebildet werden und die Funktion des Zielgewebes (andere Drüsen bzw. das Zielorgan) beeinflussen.13

Hormone sind somit körpereigene Informationsübermittler. Im Unterschied zu Nerven, die ihre Informationen in Bruchteilen von Sekunden übermitteln, brauchen Hormone wesentlich mehr Zeit.

Hormone werden auf Grund ihres chemischen Aufbaus eingeteilt. Man unterscheidet solche, die überwiegend aus Eiweiß bestehen (Peptide), von jenen, die zum überwiegenden Anteil aus Fetten bestehen (vor allem Steroide).

Die wichtigsten Peptidhormone sind Insulin, Glucagon sowie die Hormone des Zwischenhirns und der Hypophyse. Steroide sind die Geschlechtshormone und jene der Nebenniere.14

Die folgende Abbildung gibt einen Überblick über das komplette endokrine System inklusiver relevanter Hormone.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Das endokrine System15

Die drei beschriebenen Systeme – zentrales Nervensystem, vegetatives Nervensystem und endokrines System - sind an der Stressreaktion beteiligt, die als Zusammenspiel dieser Systeme im Körper abläuft.

Dies wiederum passiert über zwei Achsen der Stressreaktion:

2.2.5 Die zwei Achsen der Stressreaktion

Eine zentrale Rolle in der Aktivierung der Stressreaktion kommt der Amygdala (von griech. amygdale = Mandel(kern)) zu. Die Amygdala liegt als Teil des limbischen Systems in unmittelbarer Nähe zum Hypothalamus (siehe Abb. 4 – Seite 18).

Die Amygdala ist eine zentrale Verarbeitungsstelle des Gehirns für externe Impulse und deren vegetative Auswirkungen.

Die Amygdala, der Mandelkern, lässt den Informationen, die sie von den Sinnen erhält – sowohl direkt aus dem Riechkolben wie auch von den Schaltkernen der übrigen Sinnesmodalitäten – Bedeutung zukommen. Sie wird als ein „Tor für Emotionen und als ein Filter für das Gedächtnis“ beschrieben (Gerrig 2016e: 464).

„Eine besonders große Rolle kommt ihr zu, wenn negative Erfahrungen eine Bedeutung verliehen wird – die Amygdala hat die Funktion eines „Bedrohungsdetektors“, um uns auf Gefahren in der Umgebung hinzuweisen.“ (Kim et al. 2011, zit. in: Gerrig 2016f: 464).

Ihre Bedeutung für die beiden Achsen der Stressreaktion erlangt die Amygdala über die starke Nervenverbindung in den Hypothalamus, wo sie die Freisetzung von Stresshormonen bewirkt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: Die zwei Achsen der Stressreaktion16

Sympathikus-Nebennierenmark-Achse

Ausgelöst durch einen Stressor setzt das Gehirn Noradrenalin, einen der wichtigsten anregenden Botenstoffe, frei und aktiviert so den Sympathikus. Als direkte Konsequenz schütten auch die Nervenenden des Sympathikus Noradrenalin aus und aktivieren so die peripheren Organe. Diese „Kommunikation“ funktioniert sehr rasch, weil sie direkt über die Nerven und nicht über das Blut passiert.

Das Nebennierenmark wird vom Sympathikus stimuliert, Adrenalin auszuschütten, das ins Blut gelangt und zahlreiche weitere Prozesse auslöst. Adrenalin schafft die Voraussetzungen für rasche Energiebereitstellung, unter anderem löst es auch die vermehrte Produktion von Kortisol, einem weiteren Stresshormon aus.

Die rasch ansteigende Konzentration dieser Hormone im Blut erhöht den Blutzuckerspiegel und somit die Basis für eine rasch ansteigende Energiebereitstellung.

Die Milz wird aktiviert, mehr rote Blutkörperchen bereit zustellen und so zur besseren Sauerstoffversorgung beizutragen. Die Blutgerinnung verbessert sich ebenfalls, wie im Falle einer drohenden Verletzung. Das Knochenmark wird stimuliert und produziert mehr weiße Blutkörperchen zur Abwehr möglicher Infektionen. Die Leber stellt mehr Zucker zur Verfügung, um die Energiebereitstellung kurzfristig abzusichern.

Herzfrequenz, Atmung und Blutdruck steigen, der Körper ist insgesamt in höherer Bereitschaft, Leistung (ursprünglich kämpfen oder fliehen) abzuliefern.

Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse

Bei länger andauernder Stressreaktion startet der Körper eine Gegenreaktion – die zweite Stressachse wird aktiv. Ziel ist es, die Alarmreaktion abzuschwächen und den hohen Energiebedarf wieder zu nivellieren. Die Hypophyse = Hirnanhangsdrüse wird nun - ausgelöst durch die Stresssignale aus dem Hypothalamus - aktiviert und startet mit der Ausschüttung von Hormonen, deren Aufgabe es ist, dem Körper zu ermöglichen dauerhaftem Stress zu widerstehen.

„Die Hirnanhangsdrüse antwortet auf die Signale aus dem Hypothalamus mit der Sekretion zweier Hormone, die für die Stressreaktionen lebenswichtig sind. Das Thyreotropin (TSH) stimuliert die Schilddrüse, die für den Körper mehr Energie freisetzt. Das adrenocorticotrope Hormon (ACTH), bekannt als „Stresshormon“, stimuliert den äußeren Teil der Nebennieren, die Nebennierenrinde, was zur Freisetzung von Hormonen, die Kreislaufprozesse kontrollieren, und zur Freisetzung von Zucker aus der Leber ins Blut führen. ACTH signalisiert zudem verschiedenen Organen, etwa 30 andere Hormone auszuschütten: jedes von ihnen ist wichtig, um den Körper für die Notfallreaktion zu wappnen.“ (Gerrig 2016g: 475).

Eines der Hormone, das die Nebenniere ausschüttet, ist wiederum Kortisol, ein sehr vielseitiges Hormon, das eine vielfältige Anpassung des Systems ermöglicht. Zudem sorgt es für eine intelligente Rückkoppelung, da im Gehirn rasch weniger ACTH gebildet wird, wenn der Kortisolspiegel im Blut zu hoch ist und sich das Stressreaktionssystems von selbst regulieren kann.

Die negative Wirkung der Stressreaktion kommt nur dann zum Tragen, wenn Dauerstress oder chronischer Stress zum Alltag werden. In Bezug auf die erste beschriebene (Sympathikus-Nebennierenmark) Stressachse ist vorgesehen, dass nach Abklingen der Stresssituation das ausgeschüttete Adrenalin im Körper wieder abgebaut wird. Bleibt jedoch aufgrund permanenter Alarmierung des Systems der Adrenalinspiegel hoch, treten schwerwiegende Folgen auf: Permanent hoher Blutdruck begünstigt Herz–Kreislauf-Erkrankungen, Gefäßwände werden überlastet und so Arteriosklerose beschleunigt. Ständig erhöhter Blutzuckerspiegel kann Auslöser für Diabetes Typ II sein.

Im Fall der zweiten Stressachse kann es zu Folgeschäden kommen, wenn durch dauerhaften Stress der Kortisolspiegel hoch bleibt. Nachdem Kortisol auch stark entzündungshemmend ist, steht diese Wirkung dann bei zu langem erhöhten Kortisolspiegel nach dessen Absinken nicht mehr zur Verfügung. Menschen werden dann typischerweise krank, wenn sie endlich entspannen können.

Im Idealfall jedoch arbeiten die beiden beschriebenen Achsen so zusammen, dass die Hormonausschüttung über die primäre Sympathikus-Achse durch die anschließend folgende parasympathische Aktivierung ausgeglichen wird.

Einen interessanten Aspekt, vor allem in Bezug auf die Forschungsfrage zu individuellen Stressverarbeitungsstrategien und einen möglichen geschlechts-spezifischen Unterschied, bringt die Analyse der Gesundheitspsychologin Shelley Taylor.

Sie nimmt an, dass die physiologischen Reaktionen auf Stress wahrscheinlich unterschiedliche Folgen für Frauen und Männer nach sich ziehen (Taylor et al. 2006, zit. in: Gerrig 2016h: 475).

Taylor et al. nehmen an, dass Frauen keine Kampf-oder-Flucht Reaktion erleben, sondern sie beschreiben den „tend-and-befriend response“ als eine auf Fürsorge und Hilfe ausgerichtete Reaktion. Mit dem Ziel, die Verwundbarkeit ihrer Nachkommen zu reduzieren, freunden sich Frauen eher mit anderen Mitgliedern einer Gruppe an. Im Fokus steht dabei, sich um Bedürfnisse zu kümmern und so Sicherheit herzustellen.

2.3 Bewältigung von Stress

Stress kann also als ein Reaktionsmuster eines Organismus auf Stimulusereignisse beschrieben werden, auf dessen Abläufe der Organismus auf den ersten Blick nur bedingt Einfluss hat. Das würde aber bedeuten, dass die Reaktion wenig individuell ausfallen müsste, was definitiv nicht der Fall ist.

Menschen reagieren unterschiedlich auf Stressfaktoren, das wird untenstehend bei der Beantwortung der Forschungsfrage klar zum Ausdruck kommen. Wie Ellis in seinem Modell definiert, hat Stressverarbeitung maßgeblich mit der Bewertung der stressauslösenden Situation auf Basis der jeweiligen Glaubenssätze des Individuums zu tun.

Was Ellis als „Beliefs“ beschreibt, kann durchaus als manifestierte Erinnerung an prägende Ereignisse der Kindheit beschrieben werden. Hier ist auch die klare Unterscheidung in Bezug auf die Stressverarbeitung beim Menschen im Vergleich zu anderen Lebewesen zu treffen.

„Die Besonderheiten der Stressreaktionen beim Menschen ergeben sich aus der enormen Ausdehnung des assoziativen Kortex (Teil des Großhirns) und der daraus resultierenden Fähigkeit zur Speicherung äußerst komplexer Gedächtnisinhalte, zur Bewertung und Kontrolle von Emotionen und zur Steuerung situationsgerechten Verhaltens.“ (Hüther 2009: 42).

Der Neurobiologe Gerald Hüther beschreibt, dass vor allem die jeweiligen Vorerfahrungen eines Individuums beim Ausmaß der empfundenen Kontrollierbarkeit eines Stressors eine wesentliche Rolle spielen. Dazu spielt der Einfluss von sozialen Faktoren (social support; social status) eine weitaus größere Rolle als bei Versuchstieren. Beides ist entscheidend für die enorme interindividuelle Varianz der Stressantwort des Menschen. Bei allen sozial organisierten Säugetieren und insbesondere beim Menschen ist psychosozialer Konflikt die wichtigste und häufigste Ursache für die Aktivierung der Stressachsen. Besonders betroffen sind nach Hüther Individuen mit einem unzureichend entwickelten Repertoire an sozialen Verhaltens- (Coping-)Strategien. Aber auch unerwartete Veränderungen des sozialen Kontextes oder der Wandel kultureller oder sozialer Normen sind Ursachen für unkontrollierbare Belastungen (Hüther 2009b: 43).

Wie gut Menschen mit Stress umgehen können, hängt also von einer Reihe von Voraussetzungen ab, nicht nur von unserem Erbgut, den angelegten neurophysiologischen Bahnen, erlernten Mustern und Stressverarbeitungsstrate-gien, sondern auch der Bedeutung, die wir dem Stressor zumessen.

Hier unterscheidet die einschlägige Literatur zwischen Eustress, dem positiven Stress, und Distress, welcher zu einer Überforderung führt.

2.3.1 Eustress

Bis etwa zur Jahrtausendwende stehen in der Literatur hauptsächlich die negativen Auswirkungen der Stressoren und der damit verbundenen Bearbeitungs-mechanismen im Mittelpunkt. Große Anstrengungen wurden unternommen, um diese negativen Folgen für den Einzelnen und damit für die Gesellschaft zu minimieren. Erst in den letzten Jahren hat die Wissenschaft begonnen, sich mit den möglichen positiven Auswirkungen von Stress zu beschäftigen.

Wenn Belastungen und Anforderungen den Organismus fordern, aber nicht überfordern, und wenn geeignete Ressourcen zur Bewältigung zur Verfügung stehen, spricht man von Eustress.

Das Adverb „ eu “ kommt aus dem Altgriechischen und wird mit „gut“ bzw. „wohl“ übersetzt. Eine wesentliche Rolle spielt die Frage, ob Individuen die Aufgabe als kontrollierbar empfinden. Auch Selye beschreibt, dass jede normale Beschäftigung erheblichen Stress erzeugen kann und sei es nur eine Partie Schach (Selye 1977: 41).

Sie bleibt als Eustress jedoch ohne nachteilige Wirkung, sondern ganz im Gegenteil, werden Aufgaben innerhalb eines kontrollierbaren Zeitfenster erledigt, wird der dabei entstandene Druck keineswegs negativ empfunden.

2.3.2 Distress

Als Distress kann jener Zustand definiert werden, der als unangenehmer, schädlicher und dauerhafter Stress empfunden wird. Dazu tragen die oben beschriebenen Faktoren bei, vor allem das Gefühl der mangelnden Kontrolle. Eine weitere häufige Ursache für Distress ist die Unerreichbarkeit der vorgestellten Ziele und die Unerfüllbarkeit der als zwingend empfundenen Bedürfnisse und Wünsche innerhalb des gegebenen soziokulturellen Kontextes (Hüther 2009c: 43).

Aber auch zu wenig oder zu viel Information kann zur Handlungsunfähigkeit und den damit einhergehenden Stresssymptomen führen.

Eine scharfe Trennlinie zwischen Distress und Eustress ist wissenschaftlich de facto nicht gegeben, Rüegg schreibt, dass die Noradrenalin-, Adrenalin- und Kortisolwerte als valides Anzeichen gelten: “Gerade der Blutspiegel von Kortisol ist ein charakteristisches Zeichen für unbewältigten Stress. Wie Lundberg und Frankenhäuser (1980) berichten, empfanden Studenten eine Schnelligkeit und höchste Aufmerksamkeit fordernde Aufgabe als sehr stressig. Doch ihre Kortisolwerte steigen nur dann an, wenn die Arbeit auf Grund des hohen Zeitdrucks kaum oder überhaupt nicht zu bewältigen war. Konnten die Studenten das Tempo jedoch selber kontrollieren, so hatten sie sogar Spaß an der Herausforderung, und in diesem Fall erhöhten sich lediglich die Blutwerte von Adrenalin und Noradrenalin.“ (Rüegg 2011b: 82).

Ein entscheidendes Kriterium, auf welche Art und Weise der Organismus auf einen speziellen Stressor reagiert - darüber sind sich die meisten Psychologen und Neurowissenschafter einig - stellt die Vorerfahrung dar. Die Gewissheit und der Glauben einer gewissen Herausforderung gewachsen zu sein oder sie zumindest kontrollieren zu können, lassen den Kortisolspiegel im Blut nur wenig ansteigen.

Anscheinend hängt also die Stressreaktion wesentlich von den implizit gespeicherten Vorerfahrungen ab. Das passiert in den Bestandteilen des limbischen Systems – der Amygdala und im Hippocampus. (siehe Abb. 4 – Seite 18).

Der Hippocampus (von griech. Hippokampos = Seepferdchen), eine zentrale Schaltstation des limbischen Systems, ist schon früh in der Evolution aufgetreten und das älteste Assoziationsareal des Großhirns. Impulse aus verschiedenen Sinnesorganen werden gemeinsam verarbeitet, neu gebildete Zellen sind für die Hauptaufgabe des Hippocampus – der Speicherung neuer Informationen – hauptverantwortlich.17

Nach Rüegg könnte der Hippocampus die für den Abgleich früherer, gespeicherter Stresssituationen und aktueller Situationen wichtige Funktion des Vergleichs übernehmen, indem „er mit seinen Kortisolrezeptoren das Ausmaß einer Stressreaktion an den Blut- bzw. Gehirnwerten des Stresshormons Kortisol gleichsam „abliest“, im impliziten Körpergedächtnis abspeichert und zum jederzeit abrufbaren Vergleich mit neuen Stresssituationen bereithält.“ (Rüegg 2011c: 84).

Damit wird auch verständlich, dass gerade dann bei Menschen hohe Stress-sensivität auftritt, wenn bereits frühere dramatische Stresserfahrungen vorliegen.

Damit wird auch verständlich, dass gerade dann bei Menschen hohe Stress-sensivität auftritt, wenn bereits frühere dramatische Stresserfahrungen vorliegen.

Zur Beurteilung des gesunden, richtigen Stresslevels nach dem Eustress -Distress- Konzept stehen im Alltag mit Führungskräften naturgemäß spezifischen Messungen und Analysen nicht zur Verfügung, dennoch kann das Verständnis der theoretischen Grundlagen wesentlich zu einer guten Führungskultur beitragen.

Besser eignen sich jedoch einfache, plakative Modelle, die wesentlich leichter in den Alltag bei der Führung von Mitarbeitern zu integrieren sind.

In Bezug auf die Eustress-Distress-Konzeption bietet sich dazu das Gesetz der beiden amerikanischen Psychologen Robert Mearns Yerkes (1876–1956) und John Dillingham Dodson (1879–1955) an.

2.3.3 Yerkes-Dodson-Gesetz

Das Yerkes-Dodson-Gesetz, von den amerikanischen Psychologen Yerkes und Dodson ursprünglich (1906) bei Labortieren entdeckt, später auf den Menschen generalisiert, beschreibt eine umgekehrt U-förmige Beziehung zwischen Erregung und Leistung bei Aufgaben mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad und unterschiedlicher Komplexität.

Grafisch repräsentiert wird das Yerkes-Dodson-Gesetz in Form einer glockenförmigen Kurve. Es gibt hunderte Abbildungen in der einschlägigen Literatur zu diesem Modell und auch verschiedene Definitionen, doch keine der beiden Namensgeber. Nachfolgend zwei mögliche Definitionen des Modells:

„Nach dem Yerkes-Dodson-Gesetz bietet ein mittleres Erregungsniveau die beste Voraussetzung, um eine optimale Lerngeschwindigkeit zu erreichen, während das Leistungsvermögen bei stärkerer und schwächerer Aktivität des Organismus abnimmt.“ (Schrader 2008: 377).

„Das Yerkes-Dodson-Gesetz besagt, dass zwischen Aktivation und Leistung ein umgekehrt U-förmiger Zusammenhang besteht, das heißt, dass es für ein Leistungsoptimum ein mittleres, ideales Aktivationsniveau gibt. Über- bzw. Unteraktivierung ist für die Leistung eher ungünstig. Je schwieriger eine Aufgabe desto niedriger das Aktivationsoptimum und umgekehrt.“ (Priewe/Tümmers 2007: 11). Diese Definition von Priewe & Tümmers ergänzt eine wichtige Variable, nämlich den Schwierigkeitsgrad der Aufgabe.

Die Kurve per se kennt die Variablen „ Performance = Leistung“ auf der y-Achse sowie „ Arousal = Erregungsniveau“ auf der x-Achse. Die Leistung wird von schwach (weak) bis stark (strong) skaliert, das Erregungsniveau von niedrig (low) bis hoch (high). Es existieren keine Kenn- oder Messzahlen für die einzelnen Parameter.

Die im folgenden ausgewählte Darstellung skizziert zusätzlich bereits den Unterschied des anzustrebenden optimalen Erregungsniveaus in Abhängigkeit vom Schwierigkeitsgrad der Aufgabe.

[...]


1 www.employer-branding-now.de/personalfluktuation-einflussfaktoren-und-auswirkungen (05.04.2020)

2 https://de.wikipedia.org/wiki/100_Wörter_des_Jahrhunderts (06.04.2020)

3 https://www.icak-d.de/das-stresskonzept-nach-selye (06.04.2020)

4 https://www.spektrum.de/lexikon/biologie-kompakt/homoeostase/5621 (06.04.2020)

5 https://arsbrevis.de/lernziele/m6/m6_w4/seminar_3 (06.04.2020)

6 https://psyche-und-arbeit.de/?tag=richard-lazarus (06.04.2020)

7 https://nlp-zentrum-berlin.de/infothek/nlp-psychologie-blog/item/abc-modell-albert-ellis (06.04.2020)

8 https://nlp-zentrum-berlin.de/infothek/nlp-psychologie-blog/item/abc-modell-albert-ellis (06.04.2020)

9 https://lexikon.stangl.eu/12609/abc-modell-der-emotionen (06.04.2020)

10 https://www.netdoktor.de/anatomie/gehirn/hypothalamus (07.04.2020)

11 https://de.wikipedia.org/wiki/Limbisches_System (07.04.2020)

12 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Das_vegetative_Nervensystem.png (07.04.2020)

13 https://www.msdmanuals.com/de/profi/endokrine-und-metabolische-krankheiten/grundlagen-der-endokrinologie/übersicht-über-das-endokrine-system (07.04.2020)

14 https://www.msdmanuals.com/de/profi/endokrine-und-metabolische-krankheiten/grundlagen-der-endokrinologie/übersicht-über-das-endokrine-system (07.04.2020)

15 https://www.msdmanuals.com/de/profi/endokrine-und-metabolische-krankheiten/grundlagen-der-endokrinologie/übersicht-über-das-endokrine-system (07.04.2020)

16 https://de.wikipedia.org/wiki/Stressreaktion (07.04.2020)

17 https://www.spektrum.de/lexikon/neurowissenschaft/hippocampus/5439 (08.04.2020)

Fin de l'extrait de 98 pages

Résumé des informations

Titre
Stressverarbeitung von Führungskräften. Welche individuellen Strategien gibt es?
Université
Donau-Universität Krems
Note
2,0
Auteur
Année
2020
Pages
98
N° de catalogue
V703507
ISBN (ebook)
9783346204363
ISBN (Livre)
9783346204370
Langue
allemand
Annotations
Im ersten Teil der Arbeit wird das Thema Stress aus allgemeiner Sicht beleuchtet, anschließend folgt eine Betrachtung aus neurophysiologischer Sicht. Es folgt eine Beschreibung der Situation von Führungskräften im mittleren Management - inklusive einer umfangreichen Auswertung einer Untersuchung mittels SVF 120. Abschliessend beschreibt der Autor einen Transfer der Erkenntnisse in die Praxis zur Integration in das Personalentwicklungsprogramm.
Mots clés
Stressmanagement Führung Management
Citation du texte
Michael Schrittwieser (Auteur), 2020, Stressverarbeitung von Führungskräften. Welche individuellen Strategien gibt es?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/703507

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