Nach altem Volksglauben wurde dem Blut, dem roten Lebenssaft, eine beson-dere Kraft und heilsame Wirkung zugesprochen. Schon das Alte Testament verweist auf den Sitz des Blutes im Leben und in der Seele (3. Mose 17,11). In der mittelalterlichen Literatur findet man Geschichten, in denen die Heilung des Aussatzes durch ein Bad im Blut von unschuldigen Kindern thematisiert wird. Das Aussatzmotiv und die Heilung durch herzebluot greift Hartmann von Aue in seinem Werk „Der arme Heinrich“ auf.
Meine Arbeit beschreibt in einem kurzen Exkurs, welches furchtbare Los die Erkrankung am Aussatz für einen Menschen zur damaligen Zeit darstellte. Nach einem inhaltlichen Überblick werde ich den „Armen Heinrich“ im Hinblick auf die Ursache der Erkrankung, die Opferbereitschaft des Mädchens, die Ablehnung bzw. die Annahme des Opfers, die Heilung und die Wandlung beleuchten.
Es gibt zwei Grundtypen von mittelalterlichen Aussatzgeschichten: den Barm-herzigkeitstypus , der durch die heilsgeschichtliche „Silvesterlegende“ vertreten wird und die Freundschaftssage, die sich in der Sage von den opferbereiten Freunden „Amis und Amiles“ wiederfindet. Ich werde von beiden Modellen einen inhaltlichen Überblick geben und abschließend die Erzählmodelle in Bezug auf die vier oben genannten Leitgedanken mit dem „Armen Heinrich“ vergleichen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Aussatz im Mittelalter
3. „Der arme Heinrich“
3.1 Inhalt
3.2 Vier Beobachtungsschwerpunkte
3.2.1 Das Aussatzmotiv
3.2.2 Das Opfer durch die maget
3.2.3 Die Annahme des Opfers durch Heinrich
3.2.3.1 Heinrichs erste Entscheidung
3.2.3.2 Heinrichs zweite Entscheidung
3.2.4 Die Ursache der Heilung
4. Aussatzlegenden
4.1 Die „Silvesterlegende“ in der Legenda aurea
4.1.1 Der Vergleich zum „Armen Heinrich“
4.2 „Amis und Amiles“
4.2.1 Der Vergleich zum „Armen Heinrich“
5. Die Verbindung der Heilsgeschichte und Opferlegende
6. Schlussworte
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Denn des Leibes Leben ist im Blut…“
(3. Buch Mose 17,11) [1]
Nach altem Volksglauben wurde dem Blut, dem roten Lebenssaft, eine besondere Kraft und heilsame Wirkung zugesprochen. Schon das Alte Testament verweist auf den Sitz des Blutes im Leben und in der Seele (3. Mose 17,11). In der mittelalterlichen Literatur findet man Geschichten, in denen die Heilung des Aussatzes durch ein Bad im Blut von unschuldigen Kindern thematisiert wird. Das Aussatzmotiv und die Heilung durch herzebluot greift Hartmann von Aue in seinem Werk „Der arme Heinrich“ auf.
Meine Arbeit beschreibt in einem kurzen Exkurs, welches furchtbare Los die Erkrankung am Aussatz für einen Menschen zur damaligen Zeit darstellte. Nach einem inhaltlichen Überblick werde ich den „Armen Heinrich“ im Hinblick auf
-die Ursache der Erkrankung
-die Opferbereitschaft des Mädchens
-die Ablehnung bzw. die Annahme des Opfers
-die Heilung und die Wandlung
beleuchten.
Es gibt zwei Grundtypen von mittelalterlichen Aussatzgeschichten: den Barmherzigkeitstypus[2], der durch die heilsgeschichtliche „Silvesterlegende“ vertreten wird und die Freundschaftssage, die sich in der Sage von den opferbereiten Freunden „Amis und Amiles“ wiederfindet. Ich werde von beiden Modellen einen inhaltlichen Überblick geben und abschließend die Erzählmodelle in Bezug auf die vier oben genannten Leitgedanken mit dem „Armen Heinrich“ vergleichen.
2. Der Aussatz im Mittelalter
Der Aussatz war im Mittelalter ein gefürchtetes Krankheitsbild. Die aus dem Orient eingeschleppte Krankheit, die auch als Lepra bekannt ist, „wurde mit ihren Auswirkungen zu einer der bedeutendsten Krankheiten des Mittelalters“[3]. Ein Lepröser, ein vom Aussatz Erkrankter, wurde isoliert und von der Gemeinschaft der Lebenden ausgeschlossen. Er stellte eine Gefahr für alle Gesunden dar, und diese galt es zu schützen. Die Krankheit brachte ihm den sozialen Tod. Nach heutigem Verständnis ist die Lepra eine chronische Infektionskrankheit, die die Haut und die Schleimhäute zerstört. Sie ist durch moderne Behandlungsmethoden heilbar.[4]
Die mittelalterliche Auffassung zum Aussatz und auch der Umgang zwischen den Gesunden und den Kranken war biblisch geprägt. Man erfährt im 3. Buch Mose, Kapitel 13 und 14 sowohl etwas über die Diagnose der Krankheit, als auch etwas über ihr Erscheinungsbild. Im Neuen Testament, im Matthäus Evangelium Kapitel 10,8 wird zwischen ´krank´ und ´aussätzig´ sein unterschieden und ersichtlich, dass der Aussatz eine besondere Stellung inne hatte. Der Aussatz war keine normale Krankheit, sondern wurde als Strafe Gottes verstanden und die Vergiftung des Fleisches kam einer Vergiftung der Seele gleich. Dadurch, dass sie weit verbreitet war und sich die Menschen vor ihr fürchteten, beschäftigten sie sich auch mit ihr. Somit hielt sie Einzug in Sagen und Legenden[5].
3. „Der Arme Heinrich“
3.1 Inhalt
Heinrich, ein edler Ritter, wird plötzlich von einer Krankheit, dem Aussatz, heimgesucht. Seine Ehre, sein Ruhm und sein Ansehen sind mit einem Schlag zunichte gemacht. Ihm widerfährt das Schicksal eines jeden Leprösen: Er wird aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Um Heilung bemüht, erfährt Heinrich vom meister zu salerne (Vers 179 bis 232), dass er nur durch das Blut eines jungen Mädchens, das sich freiwillig für ihn opfert, geheilt werden könne. Aus einer Hoffnungslosigkeit heraus erkennt er seine Machtlosigkeit, ergibt sich in sein Schicksal und leidet. Er verschenkt Hab und Gut und geht auf den Hof von einem seiner Pächter. Dort lebt er mit dem Pächterehepaar und ihrer achtjährigen Tochter. Als die Meierstochter eines Tages von der Heilungsmöglichkeit durch herzebluot erfährt, erklärt sie sich bereit, sich für Heinrich zu opfern (Vers 451 bis 463 und Vers 560/561). Ihre Eltern sind anfangs gegen diese Entscheidung, stimmen jedoch nach einem nächtlichen Gespräch mit der Tochter zu. Sie glauben, den Heiligen Geist in ihrer Stimme vernommen zu haben. Eine andere Erklärung für die tragenden Worte und den sehnlichen Wunsch ihrer Tochter zu finden, ist ihnen nicht möglich (Vers 863 bis 893). Heinrich, der sich ebenso gegen ihre Opferbereitschaft stellt, fährt schließlich doch mit ihr nach Salerno. Als er sie, durch einen Ritz in der Wand schauend, nackt wie ein Opfer auf dem Tisch liegend sieht, will er sie nicht sterben sehen und begibt sich in das Schicksal, dass ihm Gott auferlegt hat. Durch diese truiwe und bärmde (Vers 1366) erlöst Gott beide von ihrem Leiden und Heinrich wird vom Aussatz geheilt.
3.2 Vier Beobachtungsschwerpunkte
3.2.1 Das Aussatzmotiv
Zu Beginn der Erzählung wird Heinrich dem Leser als ein Idealbild eines ritterlich-höfischen Menschen vorgestellt. Er besitzt zahlreiche Tugenden, wie Ehre, Treue, Weisheit und Großzügigkeit, dass er ein Bild eines einzig positiven Mannes widerspiegelt. Er genießt ein hohes Ansehen, ist klug und gebildet und von hoher Abstammung:
[...]
[1] Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers. Deutsche Bibelgesellschaft. Stuttgart 1985
[2] vgl. Wapnewski, Peter. Hartmann von Aue.J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung. Stuttgart:
1964. 2. Auflage, S. 90
[3] Schier, Kurt und Uther, Hans Jörg: Aussatz, in Enzyklopädie des Märchens, Bd. 1 (1981),
Sp.1033-1040
[4] http://www.onmeda.de/krankheiten/lepra.html
[5] vgl. Waschnewski, Peter. Hartmann von Aue. J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung.
Stuttgard: 1964. 2. Aufl., S. 89
- Arbeit zitieren
- Nicole Dietrich (Autor:in), 2005, Die Verbindung von Heilsgeschichte und Opferlegende - das Kindsblutmotiv im 'Armen Heinrich' von Hartmann von Aue, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70440
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