William James und Richard Rorty über die Wahrheit


Term Paper (Advanced seminar), 2007

25 Pages, Grade: 1,7


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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Traditionelle Wahrheitstheorien
2.1 Korrespondenztheorien der Wahrheit
2.2 Kohärenztheorie der Wahrheit
2.3 Konsenstheorie der Wahrheit
2.4 Redundanztheorie
2.5 Evidenztheorie der Wahrheit

3 William James und der Pragmatismus
3.1 Peirce als gedanklicher Wegbereiter des Pragmatismus
3.2 Der Pragmatismus von William James
3.3 Die Pragmatische Methode

4. Die pragmatischen Wahrheitstheorien von William James und Richard Rorty
4.1 James’ Theorie der Wahrheit
4.2 Das Wahrheitsverständnis von Richard Rorty
4.2.1 Richard Rorty und die Philosophie des Neopragmatismus
4.2.2 Wahrheit als eine Eigenschaft sprachlicher Gebilde
4.2.3 Probleme bei der Wahrheitsbestimmung
4.2.4 Rortys Überlegungen zur Korrespondenztheorie der Wahrheit

5 William James als geistiger Vater Richard Rortys

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Die Frage danach, was Wahrheit ist, ist eine der ältesten Fragen der Philosophie. So alt, wie die Frage, so breit gefächert auch ihre Beantwortung. Auf der Suche nach einer Klärung des Begriffs haben sich verschiedenste Ansichten und Theorien in Logik, Metaphysik, Ethik oder Sprachphilosophie herausgebildet. Eine losgelöste fundamentale Definition gibt es nicht. Ihre Ansatzpunkte sind zu verschieden. Um dennoch einen ersten Überblick über den Gegenstand zu verschaffen, sollen die bedeutendsten Theorien vorgestellt werden.

Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf den pragmatischen Wahrheitstheorien von William James und Richard Rorty. Den Wahrheitsbegriff unter pragmatischem Gesichtspunkt zu betrachten ist erstmals 1906/07 von William James im Rahmen einer Pragmatik-Vorlesung unternommen worden, die er in Boston und New York gehalten hat.[1] Damit zählt die pragmatische Betrachtung des Wahrheitsbegriffs zu einer der jüngsten. Da James unter großem Einfluss von Charles Sanders Peirce stand, soll, bevor James’ Pragmatismus dargestellt wird, auf die ersten pragmatischen Ansätze Peirces eingegangen werden, der ja gewissermaßen als Urvater des Pragmatismus gilt.

Nachdem eine für diese Zwecke ausreichende Darstellung des Pragmatismus gegeben worden ist, wird die Wahrheitstheorie von William James und anschließend von Richard Rorty dargestellt. Auf dieser Grundlage soll erörtert werden, inwiefern Rorty an die Wahrheitsauffassung James’ anknüpft und auf diese baut. Zu welchem Ergebnis kommt Rorty? Ist seine Vorgehensweise konsequent oder unterliegt Rorty einem Fehlschluss aus James’ Konzeption? In welchem Verhältnis die Wahrheitskonzeptionen James’ und Rortys stehen, soll im letzten Kapitel diskutiert werden.

2 Traditionelle Wahrheitstheorien

Um einen Überblick über die verschiedenen Wahrheitstheorien zu erhalten, sollen in diesem Kapitel die klassischen Wahrheitsmodelle vorgestellt werden. Unter Bezugnahme auf die Arbeit von Karen Gloy[2] werden die unterschiedlichen Theorien herausgearbeitet und ihre wichtigsten Ansätze kurz vorgestellt.

2.1 Korrespondenztheorien der Wahrheit

Die Korrespondenztheorie ist die älteste und bekannteste Theorie der Wahrheit. Der Grundgedanke der Korrespondenztheorie geht auf Thomas von Aquins Formel „veritas est adaequatio rei et intellectus“ – Wahrheit ist die Übereinstimmung von Sache und Geist/Erkenntnis – zurück. Auch heute findet man die Korrespondenztheorie der Wahrheit grob umschrieben als Übereinstimmung von Satz und Wirklichkeit.[3] Erstmals formuliert findet man die Korrespondenztheorie bei Aristoteles:

„Zu sagen, das Seiende ist nicht, oder das Nichtseiende ist, ist falsch; zu sagen, dass das Seiende ist und das Nichtseiende nicht ist, ist wahr.“[4]

Eine Korrespondenz ist hier noch nicht erkennbar, doch kann diese Auffassung bedenkenlos als alltägliches Verständnis von Wahrheit, als „common sense“, beschrieben werden. Basierend auf dem Grundgedanken Aristoteles’ haben sich verschiedene Varianten der Korrespondenztheorie herausgebildet:

Die Abbildtheorie besagt, dass die Wirklichkeit mittels der Sprache widergespiegelt, abgebildet wird. Eine der neueren Auffassungen der Abbildtheorie vertritt Wittgenstein im Tractatus logico-philosophicus. Er begreift Sätze, wie auch Teile von Sätzen als Abbild der Wirklichkeit. Durch die korrekte Verwendung der Sprache ist es möglich die Wirklichkeit abzubilden.

Die Schlusstheorie arbeitet mit den Kategorien Ursache und Wirkung, Grund und Folge. Analog zu Thomas von Aquins intellectus ist hier der subjektive Bereich die Wirkung bzw. die Folge. Von hier wird auf res, die Ursache, bzw. den Grund in der objektiven Außenwelt geschlossen. Die Wahrheit besteht „in der Richtigkeit des Schlusses auf das entsprechende Objekt, die Falschheit in der Verfehlung derselben“. Die Konklusion ist der Wahrheitsanzeiger. (Gloy, 2004: 126)

Im Gegensatz zur Abbildtheorie muss bei der Schlusstheorie kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den beiden Bereichen bestehen. Bei Kausalitäten ist die Ähnlichkeit beider Elemente nicht notwendig, auch völlig heterogene Elemente können in einem Ursache-/Wirkungsverhältnis stehen. Die Abbildtheorie hingegen verlangt die Ähnlichkeit beider Bereiche.

Ob Tarskis Wahrheitstheorie als eigene Kategorie aufgeführt werden sollte oder als Variante der Korrespondenztheorie zählen sollte, ist umstritten. Mit Bezug auf Tarski selbst scheint es gerechtfertigt, seine semantische Theorie der Korrespondenztheorie zuzuordnen und sie als Präzisierung dieser besonders hervorzuheben. Gemeinsam ist der Korrespondenztheorie und Tarskis semantischer Theorie das Zugrundeliegen eines gemeinsamen Wahrheitsbegriffes, des aristotelischen Wahrheitsbegriffes. Diesen schlüssig und ohne sprachliche Ungenauigkeiten zu definieren, ist Tarskis Anspruch. Die Probleme, die sich mit der Anwendung der adaequatio-Formel für die Übereinstimmung von Subjekt und Objekt ergeben, löst Tarski mit der Einführung einer Kontrollebene in Form einer Metasprache. Durch die Einführung verschiedener Sprachebenen kann der Wahrheitsgehalt einer Aussage in der Alltagsprache, der Objektsprache, auf deren Übereinstimmung mit der Wirklichkeit unter Zuhilfenahme der Metasprache, die über die Aussage eine Aussage trifft, überprüft werden. Das bedeutet: die Aussage „Schnee ist weiß“ (Objektsprache) wird mit einer Aussage in der Metasprache auf ihre Übereinstimmung mit der Wirklichkeit überprüft. Wahr ist die Aussage der Objektsprache genau dann, wenn Schnee (tatsächlich) die Eigenschaft zukommt, weiß zu sein. Hieraus ergibt sich folgende Formel, die Objektsprache (p1) und Metasprache (p2) miteinander verknüpft:

p 1 ist wahr, genau dann, wenn p 2.

Mit der Unterscheidung von Objekt- und Metasprache wird vermieden, dass die in der Objektsprache oft unpräzisen Verwendungen von Begriffen wie wahr und falsch verwandt werden. Dahingegen sind „in der Metasprache [...] die semantischen Begriffe eindeutig fixiert, so dass hier in dieser Sprachstufe keine Antinomien und Paradoxien auftauchen“. (Binder, 2004: 44f)

Mit seiner semantischen Theorie der Wahrheit gelingt Tarski „eine präzise formallogische Wahrheitsdefinition, indem er den allgemeinen Gebrauch des Wortes „wahr“ in einer formalen Sprache festlegt“. (Binder, 2004: 46)

Offen und damit auch kritikwürdig bleibt bei dieser Wahrheitstheorie jedoch der tatsächliche Bezug zur Realität. Denn ein Wahrheitskriterium, mit welchem zu bestimmen wäre, ob die einzelnen Aussagen tatsächlich wahr sind, gibt Tarski nicht.

2.2 Kohärenztheorie der Wahrheit

Den Bezug zur Realität, der bestimmen lässt, ob Aussagen in der Realität tatsächlich wahr sind oder nicht, meint die Kohärenztheorie geben zu können. Entsprechend dieser Theorie sind Aussagen genau dann wahr, wenn sie mit anderen wahren Aussagen übereinstimmen. Das bedeutet, dass durch die Erweiterung eines Aussagenkomplexes, der bereits als wahr gilt, um eine potentiell wahre Aussage, dieser weiterhin widerspruchsfrei bleibt. Darüber hinaus müssen neben der Widerspruchsfreiheit von Aussagen Verträglichkeit, Integrierbarkeit, und Kompatibilität als Bedingungen für den Kohärenzbegriff der Wahrheit angegeben werden:

„Kohärenz als Definiens von Wahrheit bedeutet im allgemeinsten Sinne die Einordnung einer Aussage in ein Aussagensystem, die Verträglichkeit einer Aussage mit allen anderen. Kohärenz bedeutet die Fähigkeit einer Aussage, sich in ein System von Aussagen integrieren zu lassen, mit den übrigen Aussagen kompatibel zu sein. Die Wahrheit einer Aussage im Sinne der Kohärenztheorie besteht darin, daß sie sich widerspruchslos mit den übrigen Aussagen des Systems verbindet. (Gloy, 2004: 168)

Nicholas Rescher, bekanntester Vertreter der Kohärenztheorie der Wahrheit, ist weniger daran interessiert eine Definition für die Kohärenztheorie der Wahrheit zu geben, als Kriterien für eine Kohärenztheorie herauszustellen, die angeben wann die Wahrheit einer Aussage mit einer Menge anderer wahrer Aussagen harmoniert. Danach müssen sich die Aussagen der Kohärenztheorie neben der Konsistenz auch durch Umfassendheit (comprehensiveness) und Zusammengefügtheit (cohesiveness) auszeichnen. Umfassendheit liegt vor, wenn zum einen „alle relevanten Daten berücksichtigt sind“ (extern), zum anderen, wenn der größtmögliche Teil als wahr angenommen werden kann (intern). (Vgl. Puntel, 1993: 192; Gloy, 2004: 185) Das Kriterium der Zusammengefügtheit ist erfüllt, wenn die Wahrheit einer Aussage in logisch- epistemischer Beziehung zu anderen Aussagen steht. (Gloy, 2004: 186)

2.3 Konsenstheorie der Wahrheit

Ebenso wie die Kohärenztheorie bezieht sich auch die Konsenstheorie der Wahrheit kritisch auf die Korrespondenztheorie. Die Konsenstheorie kann als Variante der Kohärenztheorie angesehen werden, ist aber in ihrem Wesen im Gegensatz zur eher aussagenlogischen Kohärenz vielmehr pragmatischer Natur.[5]

Die Konsenstheorie definiert Wahrheit als Übereinstimmungen von Meinungen aller an dem jeweiligen Diskurs beteiligten Gesprächspartner. Der Konsens ist universeller Art. Dafür sollen im optimalen Fall folgende Kriterien erfüllt sein. Zum einen soll unter Wissenschaftlern zum jeweiligen Gegenstand eine anerkannte Auffassung herrschen. Weiterhin soll sich der Konsens über einen längeren Zeitraum gebildet haben, es soll nicht lediglich zu einem Zeitpunkt ein Konsens in der Kommunikationsgemeinschaft herrschen, außerdem soll der Konsens zwischen allen Beteiligten vollzogen werden.

Die Konsenstheorie versteht Wahrheit als einen Prozess, der einer allmählichen Annäherung an die Realität oder absolute Wahrheit entspricht.[6]

2.4 Redundanztheorie

Redundanz bezeichnet die Überladung einer Aussage mit überflüssigen sprachlichen Elementen.[7] Bezogen auf die Wahrheitstheorie bedeutet das, Angaben wie ist wahr oder ist falsch sind überflüssig, redundant. Vor allem Ramsey, Begründer[8] der Redundanztheorie, vertritt zum einen die Ansicht, dass es „in Wirklichkeit kein unabhängiges Wahrheitsproblem gibt, sondern nur eine Sprachverwirrung“ (Ramsey, 1927: 224) Diese sprachliche Verwirrung ist durch zweierlei Ursachen begründet und kann wie folgt aufgelöst werden. Einmal verwenden wir Ausdrucksweisen wie ist wahr oder ist falsch als Stilmittel, um unserer Aussage besonderen Ausdruck zu verleihen. Der Satz Es ist wahr, dass Caesar ermordet wurde ist gleichbedeutend mit Caesar wurde ermordet. In diesem und vergleichbaren Sätzen sind die Wahrheitsangaben redundant. Andermal verwenden keine direkten Ausdrücke, um Wahrheit oder Falschheit anzugeben, sondern die Aussage wird umschrieben. Demnach gestaltet sich der Nachweis der Redundanz schwieriger, wie Ramsey an dem Satz Er hat immer recht. zeigt. Um auszudrücken, dass diese Behauptung immer wahr ist, scheint es ohne den Ausdruck wahr zunähst keine Möglichkeit zu geben, dies auszudrücken. Ramseys Lösung am Beispiel von Relationsaussagen der Form aRb:

„in diesem Falle könnte Man den Satz »Er hat immer Recht« ausdrücken durch »Für alle a,R,b, gilt, wenn er aRb behauptet, dann aRb«. Es wäre doch überflüssig dem Satz noch »ist wahr« hinzuzufügen. Geht es um alle Arten von Propositionen, dann ist die Analyse komplizierter, verläuft aber nicht wesentlich anders...“ (Ramsey, 1927: 225)

Da die Redundanztheorie eine starke Position entgegen der anderen Wahrheitstheorien einnimmt, haben sich viele Wahrheitstheoretiker mit dem Problem der Redundanz beschäftigt. Gloy hat diese Einwände zusammengetragen, hier sollen sie nur kurz erwähnt werden.[9]

[...]


[1] Vgl. Hingst, 2000, ix

[2] Gloy, Karen (2004): Wahrheitstheorien. Eine Einführung

[3] Vgl.: Binder, 2004: 39; Kolmer, 2005: 49; Franzen, 1982: 35; u.a.

[4] Zitiert aus: Binder, 2004: 40

[5] Ihre Ursprünge findet die Konsenstheorie bei Charles Sanders Peirce. Peirce ist, wie später zu zeigen sein wird, einer der bekanntesten Vertreter des klassischen Pragmatismus.

[6] Es entwickelten sich unterschiedliche Konsenstheorien, deren Ziele bzw. Ergebnisse voneinander abweichen.

[7] Nach Duden. Band 5

[8] Der Gedanke findet sich bereits bei Frege, doch erst durch Ramsey ist die Redundanztheorie bekannt geworden

[9] Vgl. Gloy, 2004: 163f

Excerpt out of 25 pages

Details

Title
William James und Richard Rorty über die Wahrheit
College
University of Leipzig
Grade
1,7
Author
Year
2007
Pages
25
Catalog Number
V71118
ISBN (eBook)
9783638628266
ISBN (Book)
9783638719803
File size
592 KB
Language
German
Notes
Diese Arbeit stellt die Wahrheitstheorien William James' und Richard Rortys dar. Da James Pragmatist, Rorty Neopragmatist ist, wird hier eine kurze Einführung in das Pragmatismus-Verständnis beider mit Bezug auf den 'Urvater' des Pragmatismus Ch.S. Peirce gegeben. Neben der Diskussion der Wahrheitsmodelle James' und Rortys soll Rortys Position gegenüber James unter besonderer Berücksichtigung der Rechtfertigung Rortys Kritik an dem James'schen Wahrheitsmodell betrachtet werden.
Keywords
William, James, Richard, Rorty, Wahrheit
Quote paper
Cornelia Clauss (Author), 2007, William James und Richard Rorty über die Wahrheit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/71118

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