Kommunikation in der Lebenswelt

Möglichkeiten der Kommunikation innerhalb der Alltagswelt und ihre Voraussetzungen nach A. Schütz


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

22 Seiten, Note: 1,00


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Biographie und Werk von Alfred Schütz

3. Die Appräsentation und ihre Bedeutung für Schütz` Theorie
3.1 Merkzeichen
3.2 Anzeichen
3.3 Zeichen
3.4 Symbole
3.5 Zusammenfassung dieses Kapitels

4. Die Kommunikation in der alltäglichen Lebenswelt

5. Ein Beispiel für die Funktionalität der Theorie von Alfred Schütz

6. Gesellschaft und Sprache

7. Schlussbemerkung

8. Bibliographie

1. Einleitung

Diese Arbeit möchte sich damit auseinandersetzen, inwiefern Kommunikation bei Alfred Schütz innerhalb der Alltagswirklichkeit möglich ist und welche Voraussetzungen dafür notwendig sind. Weiterhin soll erläutert werden, welche einzelnen Bestandteile innerhalb der Kommunikation für Schütz wichtig sind.

Vorab ist zu erwähnen, dass Schütz als Begründer der Phänomenologie große Beachtung findet. Das Ziel seines Lebens war die Erklärung vieler alltagsweltlicher Phänomene und unserer Wirklichkeit. Des Weiteren bearbeitete er verschiedenste Sprachtheorien und versuchte, diese einzelnen Theorien in eine Einheit zu bringen und damit eine Theorie über den Alltag und unser soziales Handeln zu erstellen.

Im ersten Teil dieser Arbeit wird kurz erläutert, welche Anregungen Schütz durch sein Leben und Wirken in viele Bereiche seiner sehr unterschiedlichen Arbeiten einfließen lässt. Danach möchte ich die einzelnen Teile, die nach Schütz die Bausteine einer gelingenden Kommunikation ergeben, näher erläutern und beschreiben.

Im darauffolgenden Teil dieser Arbeit werde ich mich mit der Kommunikation im Alltag beschäftigen und untersuchen, unter welchen Voraussetzungen diese gelingt, wobei ich versuchen werde, dies in einem Beispiel näher zu verdeutlichen.

Abschließend wird ein kleiner Teil folgen, der die besondere Bindung von Sprache und Gesellschaft beschreibt.

Das Ziel dieser Arbeit soll es sein, einen Einblick in Schütz` Kommunikationstheorie zu erhalten und den Prozess der Vermittlung von Inhalten und ihrer Bestandteile zu verstehen und diese auf alltägliche Situationen anwenden zu können.

2. Biographie und Werk von Alfred Schütz

Alfred Schütz wird am 13. April 1899 in Wien als Sohn jüdischer Eltern geboren. Nach dem ersten Weltkrieg nimmt er an der Universität Wien ein rechts- und sozialwissenschaftliches Studium auf. Im Jahr 1921 legt Schütz seine Staatsprüfungen ab und erwirbt den Doktorgrad der Jurisprudenz. Er arbeitet in verschiedenen Bankhäusern und besucht zusätzlich Vorlesungen an der Universität Wien. In dieser Zeit beginnt er ein „Doppelleben“ als Jurist und Wissenschaftler.

Schütz gilt als Begründer der phänomenologischen Soziologie. Dies ist ein Bereich der Soziologie, in dem davon ausgegangen wird, dass die soziale Wirklichkeit eine besondere Struktur besitzt. Diese besondere Struktur der Wirklichkeit ist innerhalb des subjektiven Sinns zu finden (vgl. Preglau 2001: 67).

„Das Denken von Alfred Schütz ist geprägt von dem Bestreben, philosophische und sozialwissenschaftliche Problemstellungen konzeptionell ineinanderzuführen.“ (Knoblauch 2003: 7).

Schütz versucht die „verstehende Soziologie“ Max Webers mit den Methoden der phänomenologischen Philosophie Edmund Husserls zu verbinden. Für seine sprachtheoretischen Ansätze nutzt er des Weiteren die Arbeiten Bergsons, George Herbert Mead, Ferdinand de Saussure oder William James. Er möchte eine Verbindung zwischen all diesen Theorieansätzen herstellen und entnimmt dazu verschiedenen Werken Begrifflichkeiten oder Erklärungsansätze. Er beginnt diese in einer klaren und durchdachten Kombination zu einer Theorie zusammen zu schließen.

Schütz flieht 1938 vor den Nationalsozialisten aus Österreich in die USA, nach New York. Er begründet die „International Phenomenological Society“ mit und wird Mitglied der Zeitschrift „Philosophy and Phenomenological Research“. Weiterhin beschäftigt sich in dieser Zeit mit der aktuellen amerikanischen Soziologie, beispielsweise mit Talcott Parsons oder der Chicagoer Schule. Ab dem Jahr 1943 nimmt Schütz eine Lehrertätigkeit an der „New School for Social Research“ auf und erhält später eine Professur. Er stirbt 1959 in New York.

Zeit seines Lebens hat er sehr unterschiedliche Teilgebiete bearbeitet, erst wenige Jahre vor seinem Tod beginnt Schütz diese Fragestellungen systematisch zu bearbeiten und in einem Hauptwerk („Strukturen der Lebenswelt“) zusammenzufügen.

Schütz untersucht die verschiedensten Themengebiete, unter anderem die Musik, das Fremde, die Wissenschaft und weiteres. „Sein Thema ist die Zeit, und seine Arbeitsweise ist der - notgedrungen manchmal fiktive – Dialog. Sein Werk bildet kein System. Das Anliegen ist anspruchsvoll und absehbar nicht zum Ende zu bringen.“ (Erlinger 1990: 124).

3. Die Appräsentation und ihre Bedeutung für Schütz` Theorie

Im Folgenden soll erklärt werden, wie Kommunikation innerhalb einer sozialen Beziehung gestaltet ist und welche Bestandteile nach Schütz dafür von Nöten sind.

Schütz` Begriff der Appräsentation geht aus Husserls Werk hervor und bedeutet eine spezielle Paarung oder Doppelung von Dingen. Er wird von Husserl als allgemeines Strukturmerkmal des Bewusstseins beschrieben (vgl. Radlanski 1995: 157). Es werden „...zwei getrennte Phänomene als Einheit konstituiert...“ (Schütz 2003: 129) oder anders, dass „...im einfachsten Fall zwei Daten im Bewusstsein intuitiv zu einer Einheit verschmelzen...“ (Radlanski 1995: 157). Dieser Ausdruck der Appräsentation ist in Schütz` Arbeiten ein zentraler Begriff und meint nach Hülst (1999: 235) „Mitvergegenwärtigung“.

„In ihrer einfachsten Form ist die Appräsentation eine passive assoziative Sythesis eines hier, jetzt und so seienden Wahrnehmungsgegenstandes mit etwas, das im selben Hier und Jetzt nicht unmittelbar wahrnehmbar ist.“ (Knoblauch / Kurt / Soeffner 2003: 12).

Diese Mitvergegenwärtigung oder Appräsentation ist also ein Phänomen, welches sich folgendermaßen ausführlicher beschreiben lässt:

Ein Objekt, einen Gegenstand nehmen wir in unserer Welt größtenteils nur ein- oder zweidimensional wahr, dennoch wissen wir bzw. können erahnen, wie die Seite, die wir nicht sehen, beschaffen ist und dass auch eine Rückseite vorhanden ist.

„Die gegebene Vorderseite eines Objektes appräsentiert die ungesehene Rückseite, aus dem Sinneseindruck eines Teils (aus einer Partialansicht) des Gegenstands macht unsere Wahrnehmung ein Ganzes, indem unser Geist den unzugänglichen Teil ‚herbeiholt’ und hinzufügt.“ (Hülst 1999: 235).

Ein Objekt verweist demnach mit seiner Vorderseite immer auch auf seine Rückseite. Wir wissen, wenn wir ein Haus sehen, dass dieses Haus nicht nur aus der von uns gesehenen Vorderseite besteht, sondern auch eine von uns in diesem Moment nicht sichtbare Rückseite besitzt. Wir wissen natürlich nicht, ob diese Rückseite genau unserer Vorstellung entspricht, wir kennen die genaue Farbe oder Beschaffenheit nicht, aber wir wissen, dass es diese Rückseite gibt. Die Wahrnehmung wird also intuitiv vervollständigt. „Vermittels der Appräsentation erfahren wir intuitiv etwas so, dass ein anderes abbildet oder signitiv andeutet.“ (Schütz 2003: 130).

Nach Schütz kann somit ein appräsentierendes Objekt auch vollkommen getrennt von dem appräsentierten Gegenstand auftreten. Es kann auch etwas nicht objekthaftes, wie zum Beispiel ein Wort bezeichnen und damit eine bestimmte Paarung schaffen. „...es (kann) sich sowohl um ein physisches Ereignis, eine Tatsache oder ein Objekt handeln als auch um etwas Geistiges oder Immaterielles, etwas Wirkliches im Alltagssinne oder etwas Fiktives, etwas Vergangenes, Gegenwärtiges, Zukünftiges oder gar Zeitloses.“ (Radlanski 1995: 158). Ein Objekt verweist nach Schütz also auf etwas, was mit diesem Objekt gleichzeitig auftritt.

Damit ergeben sich viele Möglichkeiten wofür ein Objekt stehen kann, was es appräsentiert. Beide Teile, appräsentiertes und appräsentierendes Glied sind Bestandteile eines bestimmten Wirklichkeitsbereiches inklusive seiner eigenen Ordnungen.

Dieses einfache Appräsentationsschema baut Schütz in seiner Theorie aus und beschreibt im Folgenden weiterführende Schemata. Schütz (vgl. Schütz 2003, S. 134) zeigt vier unterschiedliche Schemata auf:

1. Das Apperzeptionsschema beinhaltet den Bereich der Gegenstände, die bewusst wahrgenommen werden, aber keine Verweisung (Appräsentation) enthalten.
2. Das Appräsentationsschema umfasst den Bereich der Objekte und Gegenstände, die wahrgenommen werden und auf etwas verweisen. Das Schema beinhaltet also ein Glied des appräsentativen Paares.
3. Das Verweisungsschema (oder auch Bezugsschema) enthält all jene Gegenstände, die dem symbolisierten Glied des Paares angehören.
4. Das Rahmen- oder Deutungsschema (oder auch das kontextuale oder Interpretationsschema) nennt Schütz das Schema, welches das Verhältnis, die Bindung zwischen Appräsentations- und Verweisungsschema beschreibt.

Alle vier Schemata sind für Schütz Teil jeder Zeichen- und Symbolbeziehung, aber in unserer Alltagswelt unterscheiden wir diese nicht bewusst, so dass ein willkürlicher Wechsel zwischen den einzelnen Schemata statt findet. Hülst (1999: 261) beschreibt allerdings eine gewisse „Beharrlichkeit“ des gewählten Systems gegenüber den anderen.

Kommunikation kann nach Schütz nur dann erfolgreich sein, wenn das Deutungsschema des Vermittlers und des Empfängers übereinstimmt. Hierbei muss erwähnt werden, dass es im strengsten Sinne nie eine vollkommene Kommunikation geben kann, denn das jeweilige Schema, welches benutzt wird, ist durch die Lebenserfahrung und die Sozialisation geprägt und bei keinem Menschen hundertprozentig gleich. Jedoch gelingt in der alltäglichen Lebenswelt Kommunikation auch ohne ständige Missverständnisse und zwar „...aufgrund der Idealisierungsleistung der Reziprozität der Perspektiven und aufgrund geteilter Typisierungen, Standardisierungen und Abstraktionen.“ (Radlanski 1995: 160). „Obwohl Glücken von Sprechakten alltäglich der Normalfall ist, ist es nicht eigentlich das Sprechen, das Verstehen bewirkt, sondern der notwendigerweise poröse Charakter der Umgangssprache, die Alter verstehen lässt, ohne das Verstehen von Ego zur Voraussetzung zu machen. Wenn meine Welt grundsätzlich geprägt ist von den Schritten meiner Erfahrung, wenn sie sich gar nicht anders denken lässt als rund um mich aufgebaut, kann auch mein Sprechen nur Kundgabe meines Verständnisses von Welt sein.“ (Erlinger 1990: 123).

Je ähnlicher die Interpretationsschemata der Einzelnen, Gruppen oder Völker, desto besser sind die Verständigungschancen. Die bestmögliche Verständigung und Verständnis ist innerhalb von Fachterminologien (zum Beispiel chemische Zeichensysteme) gegeben.

Diese hier aufgezeigten Appräsentationsbeziehungen sind aber keinesfalls starr und unterliegen bestimmten Wandelbarkeiten und Veränderungen, die Schütz nach drei Grundsätzen unterscheidet:

1. Grundsatz der bedingten Beliebigkeit des Bedeutungsträgers:

Ein Gegenstand X ist mit einem appräsentierenden Gegenstand A gepaart. Dieser Gegenstand X kann unter anderen Umständen jedoch mit dem neu zu appräsentierenden Objekt B verknüpft werden. Es bestehen danach zwei Möglichkeiten: Einerseits können beide Bedeutungsträger A und B funktionieren (Schütz bezeichnet das als Synonyma) oder der Gegenstand B löst den Gegenstand A ab. Ein Individuum kann somit beispielsweise durch seinen/ihren amtlichen Vornamen appräsentiert werden oder aber durch einen ihm/ihr gegebenen Kosenamen.

„Die Möglichkeit, einen Bedeutungsträger durch einen anderen zu ersetzen, ist eine Voraussetzung für die nicht unbegrenzte Übertragbarkeit eines Appräsentationsinhaltes von einem Zeichensystem in ein anderes (Erlinger 1990: 161).

2. Grundsatz der Veränderlichkeit der Appräsentationsbedeutung:

Dieses Prinzip zeigt auf, dass sich die Bedeutung eines Zeichensystems ändert, wenn sich der Bedeutungsträger ändert (beispielsweise A wird ersetzt durch B). So weisen die Begriffe „Satan“, „Luzifer“, „Beelzebub“ oder „der Leibhaftige“ alle auf den gleichen Inhalt „Teufel“ hin.

3. Grundsatz der figurativen Übertragung:

Dieser Grundsatz ist das Gegenteil zur Beliebigkeit der Bedeutungsträger. Ein Bedeutungsträger A, der für Objekt X steht, kann unter Umständen auch den Gegenstand Y appräsentieren. Beide Paare können nebeneinander bestehen bleiben, das nennt Schütz Homonymie. Es ist aber auch möglich, dass die ursprüngliche Paarung A-X durch die neue Paarung verdeckt wird und dadurch gänzlich in Vergessenheit gerät.

Die vorgenannten verschiedenen Grundsätze und Appräsentationsbeziehungen sind wichtig, um im Folgenden zu erklären, wie sich Individuen in der alltäglichen Welt zurechtfinden und warum wir diese verschiedenen Appräsentationen brauchen und gebrauchen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Kommunikation in der Lebenswelt
Untertitel
Möglichkeiten der Kommunikation innerhalb der Alltagswelt und ihre Voraussetzungen nach A. Schütz
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
Klassiker der Soziologie: Alfred Schütz
Note
1,00
Autor
Jahr
2006
Seiten
22
Katalognummer
V71168
ISBN (eBook)
9783638631112
ISBN (Buch)
9783638675000
Dateigröße
444 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kommunikation, Lebenswelt, Klassiker, Soziologie, Alfred, Schütz
Arbeit zitieren
Doris Rämisch (Autor:in), 2006, Kommunikation in der Lebenswelt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/71168

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