Feminismus im Islam - Fatema Mernissi und Nawal El-Saadawi im Vergleich


Dossier / Travail, 2006

18 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhalt

1. Einleitung

2. Fatema Mernissi
2.1 Biographisches
2.2 Mernissis Gesellschaftskritik

3. Nawal El Saadawi
3.1 Biographisches
3.2 El Saadawis Gesellschaftskritik

4. Resümee

Literatur

1. Einleitung

Fatema Mernissi und Nawal El Saadawi sind zwei muslimische Feministinnen, die viele Gemeinsamkeiten, aber auch viele Unterschiede aufzuweisen haben. Ihnen gemeinsam ist zunächst der Kampf um die Gleichstellung der Frau innerhalb der muslimischen Gesellschaften, die Ansicht, dass man mit dem Schreiben vieles bewirken kann, indem man neue Ideen verbreitet und eine Alternative zu der öffentlich zugelassenen Meinung bietet, um so die Menschen zum Nachdenken zu bringen und die Tatsache, dass sie auch den Leser außerhalb der muslimischen Welt erreichen möchten. Unterschiedlich sind sie zunächst vordergründig durch ihre Art des Schreibens. Mernissi geht eher den wissenschaftlichen, zuweilen auch journalistischen Weg, Saadawi versucht ihre LeserInnen hauptsächlich mit Romanen zu erreichen, in denen sie auf eindringliche Weise das Leben der einfachen Frauen und deren Probleme schildert, um darauf aufmerksam zu machen. Aber sie unterscheiden sich auch durch ihre Herangehensweise.

Mernissi ist von Haus aus Soziologin und sucht nach komplexen Zusammenhängen von Gesellschaft, Individuum, Geschichte, Politik und Globalisierung. Saadawi wiederum zeichnet in ihren Romanen das Leben der einfachen Menschen nach und ist daran interessiert, deren Probleme in den Vordergrund zu stellen. Doch zeigt sie auch, dass auch dieses einfache Leben in größere Zusammenhänge eingebunden ist, die dem Einzelnen oft verborgen bleiben. Was die großen, globalen Zusammenhänge betrifft, so thematisiert sie diese auf ihren Vorträgen und in ihren Interviews. Auch Saadawi ignoriert die großen, geopolitischen Zusammenhänge nicht und kommt Mernissi somit wieder nahe. Man hat es also doch mit zwei sehr ähnlichen Frauen zu tun. Diese Ähnlichkeit muss nur entdeckt werden.

In dieser Arbeit soll es um diese beiden Feministinnen gehen, wobei jeweils eine kurze Biographie vorangestellt werden soll, ehe ich auf die jeweiligen Konzepte der Gesellschaftskritik eingehen will. Das Ganze kann leider nur in kompackter, also sehr kurzer Form geschehen, da der Rahmen dieser Arbeit leider keine ausführliche Darstellung der beiden Frauen und deren Gesellschaftskritiken zulässt.

2. Fatema Mernissi

2.1 Biographisches

Fatema Mernissi[1] wurde 1940 in Fes/Marokko geboren. Sie wuchs in einem, wie sie selbst sagt, der letzten Harems des Landes auf. Die Kindheit in diesem Umfeld, beschreibt sie gegen alle Erwartungen als glücklich.[2] Ihr Vater, welcher starb, als sie sechs Jahre alt war, taucht in ihren Büchern und Interviews so gut wie nie auf, ihren Stiefvater erwähnt sie gar nicht.[3] Dagegen finden ihre Mutter und Großmutter und andere Frauen, mit denen sie ihre Kindheit im Harem verbrachte, die weder lesen noch schreiben konnten, häufige Erwähnung.

Aufgrund des Nationalen Befreiungskampfs in Marokko bekommt sie Möglichkeit nach der Koranschule eine gemischte Schule zu besuchen – ein bis dahin für Mädchen ausgeschlossener Bildungsweg. Hier erfährt sie erstmalig die Unterscheidung zwischen Jungen und Mädchen. Im Gegensatz zu den männlichen Klassenmitgliedern, hatten die Mädchen im Unterricht still zu sein. Diese Art der Erziehung und die damit einhergehende körperliche Gewalt haben ihre weitere Entwicklung maßgeblich geprägt, wie sie selbst sagt.[4] Die Möglichkeit aber eine Schule besuchen zu dürfen, öffnete ihr trotz aller negativen Seiten den Weg an die Universität von Rabat. Dort beginnt sie ein Jurastudium, dessen Prüfung sie allerdings, auch nach mehrfachen Anläufen, nicht besteht. Darauf unterbricht sie ihre Studienlaufbahn, um wenig später erneut an die Universität zurückzukehren. Nun entscheidet sie sich für ein Studium der Soziologie, diesmal mit Erfolg. Neben ihrem Studium beteiligt sie sich aktiv an den damaligen Studentenaktivitäten, die im Zusammenhang mit der (zu jenem Zeitpunkt) neuen Unabhängigkeit Marokkos zu sehen sind.[5] Hier liegt der Beginn ihres politischen und gesellschaftskritischen Denkens.

Durch Aufenthalte in London und Paris lernt sie die englische und französische Gesellschaft kennen, welche sie bewusst in Kontrast mit der marokkanischen Gesellschaft setzt, was ihr Denken nachhaltig beeinflussen sollte. Im Gegensatz zur traditionellen Lebensweise ihrer Familie, lernt sie eine neue, ihr sympathischere Lebensweise kennen, die ihr (auch als Frau) neue Perspektiven eröffnet. Sie selbst sagt, dass sie durch den langen Aufenthalt in anderen Kulturkreisen einen sensibleren Umgang mit der eigenen Kultur gewonnen hat. Diese steht seit jenen Jahren nicht mehr selbstverständlich und unhinterfragbar einfach fest, sondern tritt in Konkurrenz zu anderen Kulturen.[6] Dieser neue sensiblere Umgang mit der islamisch-arabischen Kultur lässt sie so auch eine neue Sicht auf ihre Religion gewinnen. So unterscheidet sie zwischen dem Islam als „kulturelle Institution“ und dem Islam als „politisches und normatives System“. Von 1970 bis 1975 studiert sie Soziologie in den USA, wo sie ihre Doktorarbeit schreibt: „Beyond the Veil – Male-Female-Dynamics in Modern Muslim Society“.[7]

Im Anschluss an ihre Auslandsaufenthalte kehrt sie 1975 an die Universität von Rabat zurück, wo sie bis 1981 Soziologie lehrt. Aufgrund der gesellschaftlichen Einschränkungen und den mangelnden Voraussetzungen für eine fundierte Forschungsarbeit, beendet sie 1981 ihre universitäre Laufbahn und geht ausschließlich eigenen Interessen nach. Seitdem arbeitet sie als Beraterin für die UNESCO, UNO, den BIT[8], unterstützt journalistisch die marokkanischen Frauenzeitschriften „8 Mars“ und „Kalima“, ist Mitglied in der Redaktion der geistes- und sozialwissenschaftlich orientierten Zeitschrift „Peuples Méditerranées“ und beteiligt sich an marokkanischen, arabischen und afrikanischen Frauennetzwerken.[9] Zudem publizierte sie zahlreiche (feministische) Bücher, in denen sie zu zeigen versucht, dass der Islam und dessen Geschichte auch andere Sichtweisen auf das Thema Frauen zulassen bzw. dass das, was man heute in den islamisch geprägten Gesellschaften an Geschlechterverhältnissen vorfinden kann, eine Konstruktion der (herrschenden) Männer ist, die so nicht mit den islamischen Wurzeln und mit der islamischen Geschichte vereinbart werden kann. Und eben weil sich diese Männer auf Geschichte und Tradition berufen, greift Fatema Mernissi in diese Diskussion ein, indem sie Quellen der islamischen Tradition studiert, alternative Literatur zu rate zieht und nach neuen Interpretationsmöglichkeiten sucht, um diejenigen, welche, die islamische Geschichte zu ihren Gunsten auszulegen versuchen, auf ihrem eigenen Gebiet angreifbar zu machen.[10]

2.2 Mernissis Gesellschaftskritik

Fatema Mernissi ist von Hause aus Soziologin und das kennzeichnet auch ihre feministischen Bücher, in denen sie immer wieder aufs Neue versucht gesellschaftliche Zusammenhänge und deren Ursachen zu erkennen und aufzuzeigen. So kann man aus ihren Büchern und Interviews immer wieder herauslesen, das Religion nicht gleich Religion ist, sondern dass die islamische Religion im Lauf ihrer Geschichte immer wieder als Instrument der Mächtigen benutzt und dementsprechend umgedeutet wurde: „Wenn es den Islam nicht schon gäbe, hätten sie ihn erfunden.“ [11] So ist für sie ganz klar zwischen einem Islam als „kulturelle Institution“, einem Islam, den sie für gut heißt und der auch demokratische Strukturen in sich trägt, wenn man ihn richtig versteht und einem Islam als „politisch normatives System“, dass von den Mächtigen zu ihren Zwecken missbraucht wurde und wird zu unterscheiden.[12]

Diese Verschachtelung zwischen Macht (also Politik) und Religion ist denn auch die Ursache, warum ihrer Meinung nach die Diskussionen um die Frauenfragen in den islamischen Gesellschaften nicht vorwärts kommen wollen. In der islamischen Welt, die sich nicht unabhängig vom Rest der Welt sehen kann, finden rasante Veränderungen statt. Diese Veränderungen betreffen sowohl politische, ökonomische und zwischenmenschliche Bereiche. Wenn es aber darum geht die Frauenfrage zu diskutieren, zieht man sich ausschließlich auf den religiösen Bereich zurück, es wird also mit Hilfe des Islams, dessen Tradition und Schriften argumentiert, um zu zeigen, dass Frauen weniger Rechte haben als die Männer und das diese Stellung zwischen den Geschlechtern gottgewollt ist und somit nicht verändert werden kann.[13]

Die Gründe für diese paradoxe Diskussion liegen Mernissi zufolge in der angekratzten „(männlich-)muslimischen Identität“. Seit der Zeit der Kolonisation, sieht man diese Identität gefährdet und jede weitere Neuerung wird als nächster Schritt in Richtung „Identitätslosigkeit“ und somit als Gefahr für den Glauben schlechthin angesehen.[14] Die Familie und damit die Stellung der Frau, als Trägerin der Kultur und Tradition, werden zu letzten Bastionen des Glaubens gegen die neuen Ideologien des Westens. Man zieht sich auf ein Idealbild von Familie und Frau zurück, ohne zur Kenntnis zu nehmen, dass die soziale Realität nicht mehr mit diesem Idealbild in Übereinstimmung steht.[15] So zeigt die soziale Realität in Marokko, dass immer häufiger nicht der Mann für den Unterhalt der Familie sorgt, sondern die Frau bzw. dass viele Familien dazu gezwungen sind, dass beide, Mann und Frau, einer Arbeit nachgehen, da oftmals ein Lohn allein nicht ausreicht. Eine Veränderung der Situation für die Frau, die eigentlich und logisch weitergedacht damit einhergehen müsste, bleibt allerdings aus. Im ideal-kulturellem Verständnis von Familie und Geschlechterverhältnis, so wie dies von konservativen Vertretern der Geistlichkeit hoch gehalten wird, wird der Gehorsam der Frau gegenüber ihrem Mann ja gerade aus der Vorstellung heraus gefordert, dass dieser für den Unterhalt der Familie sorge und die Frau im Gegenzug Dankbarkeit und Gehorsam an den Tag legen müsse. Hier zeigt sich die Schieflage in modernen muslimischen Gesellschaften.

[...]


[1] In der Schreibweise des Namens folge ich der offiziellen Homepage Mernissis: www.mernissi.net

[2] Vgl. Szostak, Jutta/Taufiq, Suleman S. 14

[3] Vgl. Günter, Ursula S. 22

[4] Vgl. ebd. S. 26 – Das sie diese Form der Erziehung nachhaltig geprägt hat, zeigt sich darin, dass sie bis heute ein ungutes Gefühl hat, wenn sie ihre Gedanken in arabischer Sprache formuliert.

[5] Vgl. ebd. S. 23

[6] Vgl. ebd. S. 28

[7] Vgl. ebd. S. 23

[8] Bureau International du Tranvail

[9] Vgl. ebd. S. 25

[10] Vgl. ebd. S. 114ff.

[11] Mernissi, Fatema zitiert in: Szostak, Jutta/Taufiq, Suleman S. 30

[12] Vgl. Szostak, Jutta/Taufiq, Suleman S. 25 und Günther, Ursula S. 28f.

[13] Vgl. Günter, Ursula S. 100ff.

[14] Vgl. ebd. S. 107ff.

[15] Vgl. ebd. S. 104f.

Fin de l'extrait de 18 pages

Résumé des informations

Titre
Feminismus im Islam - Fatema Mernissi und Nawal El-Saadawi im Vergleich
Université
University of Erfurt  (Philosophische Fakultät)
Cours
Frauen und Religion im modernen Westasien
Note
1,0
Auteur
Année
2006
Pages
18
N° de catalogue
V71343
ISBN (ebook)
9783638620499
ISBN (Livre)
9783638824514
Taille d'un fichier
522 KB
Langue
allemand
Mots clés
Feminismus, Islam, Fatema, Mernissi, Nawal, El-Saadawi, Vergleich, Frauen, Religion, Westasien
Citation du texte
Marko Tomasini (Auteur), 2006, Feminismus im Islam - Fatema Mernissi und Nawal El-Saadawi im Vergleich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/71343

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