Als Autor ragt W.G. Sebald vor allem mit seinen späten prosaischen Texten heraus, gefolgt von seinen späten, vor allem literaturwissenschaftlichen Werken zur österreichischen Literatur und zu randständigen Protagonisten. Sein literaturwissenschaftliches Frühwerk hingegen, das heisst seine Magisterarbeit über Carl Sternheim aus dem Jahre 1969 und seine Dissertation über Alfred Döblin von 1973, die 1980 in Druck ging, wird dabei in der deutsch- und englischsprachigen Rezeption grösstenteils vernachlässigt. Zu Unrecht, wenn man beachtet, wie sehr philosophiegeschichtlich fundiert und durchdacht seine sämtlichen Arbeiten sind. Nur aufgrund seiner wissenschaftlichen Sozialisation in jungen Jahren aber - die verbunden ist mit seinem Studienbeginn an der Universität Freiburg im Breisgau - wird sich das Spätwerk W.G. Sebalds, das heisst vor allem seine prosaischen Arbeiten seit den 90iger Jahren, angemessen einordnen und darin der Stellenwert der vielseitig verwendeten, typisch anmutenden Bildlichkeit Sebalds bemessen lassen.
Die literaturwissenschaftliche Einordnung, insbesondere der Prosawerke, fällt aufgrund der komplexen von Sebald behandelten Thematik schwer. Versuche gibt es dennoch viele, wobei die einen dazu tendieren, Sebalds Texte, die, so Claudia Albes, „gegenwärtig unter dem Schlagwort ›postmodernes Schreiben‹ gehandelt“ werden, „mit kunstvoller Oberflächlichkeit und Redundanz gleich[zusetzen].“ Und „deutsche Berufskollegen wie Georg Klein“, hält Rüdiger Görner fest, werfen ihm unter anderem „ein problematisch leidensselig-masochistisches Verhältnis zur Vergangenheit und eine unzulässige Intimität mit den Toten“ vor. Es steht wohl nicht in Rede, dass W.G. Sebald ein bekennender, zutiefst melancholischer und sich um stete Selbstvergewisserung bemühender Mensch war, der sich allmählich entwickelte vom „Literaturwissenschaftler zum Schriftsteller, zum Maler, genauer: zum Porträtmaler in impressionistischer Manier.“ Wie aber konnte diese Transformation vollzogen werden, so dass dessen Erzählstil nichts desto trotz oder gerade deshalb vor allem in Grossbritannien und in den USA bei Leser und Kritiker gleichermassen überwiegend positive Resonanzen hervorrief und hervorruft?
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Allgemeine Betrachtungsweise der verwendeten Bildlichkeit
- Sebalds, der Zerstörung gewidmete, geschichtswissenschaftliche Sozialisation und sein Geschichtsverständnis in Anlehnung an
- Walter Benjamin
- Theodor W. Adorno
- Max Horkheimer
- Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Bildlichkeit in den Werken von W.G. Sebald und analysiert ihre Bedeutung im Kontext seiner geschichtsphilosophischen und sozialwissenschaftlichen Prägung. Sie zielt darauf ab, Sebalds einzigartige Art der Sinnfindung inmitten von Geschichte, Trauma und Erinnerung zu beleuchten.
- Die Rolle der Bildlichkeit in Sebalds Werk und ihre Funktion als Mittel der Sinnfindung
- Die Bedeutung der Frankfurter Schule und der Kritischen Theorie für Sebalds Denkweise
- Die Darstellung des Holocaust und die Suche nach einer Sprache des Traumas
- Der Einfluss von Walter Benjamin, Theodor W. Adorno und Max Horkheimer auf Sebalds Geschichtsverständnis
- Die Analyse der "Koinzidenzpoetik" bei Sebald und ihre Verbindung zur Metaphysik der Geschichte
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung
Die Einleitung stellt W.G. Sebald als Autor vor und beleuchtet seine Rezeption in der deutschsprachigen und angloamerikanischen Literaturwelt. Es wird die Bedeutung seines literaturwissenschaftlichen Frühwerks hervorgehoben und die besondere Relevanz seiner späten prosaischen Arbeiten betont. Die Einleitung beleuchtet die Rolle von Sebalds philosophischer Sozialisation in seiner späteren Arbeit und führt den Leser in die Thematik der Bildlichkeit ein.
2. Allgemeine Betrachtungsweise der verwendeten Bildlichkeit
Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Art und Weise, wie Sebald die Bildlichkeit in seinen Werken einsetzt. Es werden verschiedene Aspekte der Bildlichkeit analysiert und ihre Funktion im Kontext von Sebalds Intentionen untersucht.
3. Sebalds, der Zerstörung gewidmete, geschichtswissenschaftliche Sozialisation und sein Geschichtsverständnis in Anlehnung an
Dieses Kapitel untersucht den Einfluss von Walter Benjamin, Theodor W. Adorno und Max Horkheimer auf Sebalds Geschichtsverständnis. Es wird analysiert, wie Sebalds eigene Erfahrungen mit der Geschichte, insbesondere mit dem Holocaust, in seinen Werken verarbeitet werden.
Schlüsselwörter
W.G. Sebald, Bildlichkeit, Koinzidenzpoetik, Frankfurter Schule, Kritische Theorie, Geschichte, Erinnerung, Trauma, Holocaust, Sinnstiftung, Metaphysik, Sozialisation, Walter Benjamin, Theodor W. Adorno, Max Horkheimer.
- Quote paper
- Anton Distler (Author), 2007, Bildlichkeit - eine geschichtsphilosophische Kategorie, oder: W. G. Sebalds Metaphysik der Koinzidenz, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72150