Nach klassischer Definition ist die Demokratie „Herrschaft des Volkes“. In Artikel 20 des Bonner Grundgesetzes manifestiert sich dieser Gedanke, indem er die Bundesrepublik Deutschland als einen demokratischen und sozialen Bundesstaat definiert: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke durch Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“ Das Volk wird zum Souverän erklärt, das über Wahlen einen Teil der Staatsgewalt ausführen kann. Wahlen sind in einer repräsentativen Demokratie
das wesentliche Instrument der Erteilung politischer Legitimation.
Vorausgesetzt wird in diesem Modell die Bereitschaft des Volkes zur Beteiligung an Wahlen sowie ein politisches Interesse und eine politische Willensbildung. Der Prozess der Willensbildung ist „das A und O der modernen Politik“ und die Begriffe können sogar synonym verwendet werden. Jedoch verweigern viele Bürger dem parlamentarischen System die Legitimation, indem sie ihr Wahlrecht nicht nutzen. Dies muss vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass das Grundgesetz in Artikel 21 sagt, dass Parteien an dieser Willensbildung mitwirken sollen. Offenbar gelingt es den Parteien immer weniger diese Aufgabe zu erfüllen. Diese Erkenntnis kann auch empirisch an einigen Symptomen nachgewiesen werden. Zwar wurde das Wort „Politikverdrossenheit“ bereits 1992 zum Wort des Jahres gekrönt, jedoch hat dieser Begriff bis heute nichts an Aktualität verloren.
Es soll Aufgabe dieser Arbeit sein, die Politikverdrossenheit in Deutschland vor allem auf die Beziehung zwischen Bürger und Parteien hin zu untersuchen, da Parteien „die Mittler zwischen der staatsgewalt, die vom Volke ausgeht, und der Regierungsmacht, die sie
ausübt“ darstellen. Dabei soll im ersten Abschnitt die Parteiendemokratie in Deutschland vorgestellt werden. Die empirischen Phänomene der Verdrossenheit folgen dann im zweiten Abschnitt, bevor dann im dritten die ausgearbeiteten Ursachen systematisiert werden sollen.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung und Vorgehensweise
- II. Die Parteiendemokratie in Deutschland
- 1. Legitimationsgrundlage politischer Parteien
- 2. Entwicklung zur Volkspartei
- 3. Die Volkspartei als Massenintegrationsorgan
- III. Das Phänomen der Politikverdrossenheit
- 1. Definition und Konkretisierung des Begriffs „Politikverdrossenheit“
- 2. Symptome der Parteienverdrossenheit
- 2.1. Sinkende Wahlbeteiligung
- 2.2. Mitgliederschwund bei den Parteien
- 2.3. Die Entstehung von Protestparteien
- IV. Die Ursachen der Politikverdrossenheit
- 1. Überanpassung
- 2. Übergeneralisierung
- 3. Überinstitutionalisierung
- 4. Überforderung
- V. Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht das Phänomen der Politikverdrossenheit in Deutschland und analysiert die Beziehung zwischen Bürger und Parteien in diesem Kontext. Die Hauptintention ist es, die Ursachen der Politikverdrossenheit zu beleuchten und zu verstehen, warum die Parteien immer weniger in der Lage sind, die politische Willensbildung des Volkes zu fördern.
- Die Legitimationsgrundlage politischer Parteien in der Bundesrepublik Deutschland
- Die Entwicklung der Volksparteien und ihre Rolle als Massenintegrationsorgan
- Die Ursachen der Politikverdrossenheit, insbesondere in Bezug auf Überanpassung, Übergeneralisierung, Überinstitutionalisierung und Überforderung
- Die Symptome der Parteienverdrossenheit, wie sinkende Wahlbeteiligung, Mitgliederschwund und die Entstehung von Protestparteien
- Die Bedeutung der Parteien im politischen System und ihr Verhältnis zum Volk
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung erläutert das Konzept der Demokratie und die Bedeutung von Parteien im demokratischen Prozess. Kapitel II beleuchtet die Parteiendemokratie in Deutschland und untersucht die Rolle der Parteien in der Willensbildung des Volkes. Es analysiert die Legitimationsgrundlage politischer Parteien und die Entwicklung der Volksparteien als dominante politische Interessengruppe. Kapitel III beschäftigt sich mit dem Phänomen der Politikverdrossenheit, definiert den Begriff und analysiert die Symptome wie sinkende Wahlbeteiligung und Mitgliederschwund. Kapitel IV untersucht die Ursachen der Politikverdrossenheit und identifiziert Faktoren wie Überanpassung, Übergeneralisierung, Überinstitutionalisierung und Überforderung. Die Schlussbetrachtung fasst die zentralen Erkenntnisse der Arbeit zusammen.
Schlüsselwörter
Politikverdrossenheit, Parteiendemokratie, Volksparteien, Legitimation, Willensbildung, Wahlbeteiligung, Mitgliederschwund, Protestparteien, Überanpassung, Übergeneralisierung, Überinstitutionalisierung, Überforderung, Bundesrepublik Deutschland, Parteienstaat, Parteienwettbewerb.
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- Dr. rer. pol. Michael Ruf (Autor), 2000, Politikverdrossenheit in der Parteiendemokratie der Bundesrepublik Deutschland, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72927