Das Bild und die Rolle der Frau in der "Generación del 98" am Beispiel von Miguel de Unamunos "Niebla" und im essayistischen Werk Ángel Ganivets


Seminararbeit, 2007

21 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Das Bild und die Rolle der Frau bei Ángel Ganivet und Miguel de Unamuno
2.1 Die Rolle und Emanzipation der Frau
2.2 Die Bildung der Frau
2.2 Die Bildung der Frau
2.3 Die Ehe
2.4 Die Frau in ihrer Rolle als Mutter

3 Schlussbetrachtung

4 Bibliographie

1 Einleitung

¡Las mujeres! A las pobres se las puede hacer únicamente la justicia de la conocida frase de Schopenhauer. ¡Y ahora ya ni siquiera tienen los cabellos largos! En la presente civilización [...] no tienen que hacer nada las mujeres.[1]

Europa und Amerika stellten sich Ende des 19. Jahrhunderts als Schauplätze harter Kämpfe auf Seiten der feministischen Bewegung dar, die für das Wahlrecht, eine bessere Bildung und die gleiche Behandlung der Geschlechter in der gesellschaftlichen Ordnung kämpften. In Spanien war dieser Ruf der Frauen nach Gleichberechtigung zu dieser Zeit jedoch noch kaum zu hören und selbst Anfang des 20. Jahrhunderts herrschte hier noch eine streng konservativ katholische Sicht der Frau vor.

Obwohl vielen der unter dem Etikett „Generation von 98“ zusammengefassten Autoren attestiert wird, eine neue und radikale Sicht auf den Menschen und seine Umwelt formuliert und dabei eine Abkehr von tradierten Wertvorstellungen propagiert zu haben, schloss dies nur bei wenigen Schriftstellern ein Überdenken der Rolle der Frau in der spanischen Gesellschaft zur Zeit der Jahrhundertwende ein. Der oft zitierte Humanismus der Achtundneunziger gereichte nur selten soweit die Frauen mit einzubeziehen. Und obwohl die Spanienfrage und die Beschäftigung mit den Problemen Spaniens um 1898 allen Autoren der Generation gemeinsam ist, bemerkten sie bis auf wenige Ausnahmen nicht, dass eines der nationalen Probleme Spaniens gegenüber dem modernen Europa auch die Feminismusbewegung war, die sich im übrigen Europa mehr und mehr abzeichnete, in Spanien jedoch kaum Anhänger fand. Einige der Achtundneunziger äußerten sogar eine unverhohlene Antipathie gegenüber dem Feminismus und viele der Autoren ließen eine tiefsitzende Mysoginie, oft inspiriert durch Nietzsche und Schopenhauer, in ihren Werken erkennen, wie das eingangs wiedergegebene Zitat Valle-Incláns von 1931 beweist.

Einer der großen Autoren der Bewegung, der seiner Frauenfeindlichkeit besonders deutlich Ausdruck verlieh, war der oft als Vorreiter der Generation von 98 bezeichnete Ángel Ganivet. Seine Ansichten über die Frau in der Gesellschaft, deren Bildung und die Ehe sollen im Folgenden mit der Rolle der Frau in dem Roman Niebla des international bekanntesten Achtundneunziger, Miguel de Unamuno, verglichen werden.

2 Das Bild und die Rolle der Frau bei Ángel Ganivet und Miguel de Unamuno

Der Vergleich der Vorstellungen und Einstellungen Ganivets und Umanumos hinsichtlich der Frau bietet sich nicht nur aus dem Grunde an, da sie beide zu den Vorreitern und Mitbegründern der „Generation von 98“ gezählt werden. Ein solcher Vergleich stellt sich außerdem als besonders interessant dar, da die beiden Schriftsteller eine Freundschaft verband, die sie zu einem Austausch ihrer Ideen und Ansichten in einem regen Briefverkehr veranlasste. Diese Korrespondenz wurde 1898 unter dem Titel El Porvenir de España veröffentlicht und sie zeigt, dass die beiden großen Figuren der reformistischen Bewegung um 1898 viele Ansichten zu verschiedenen Themen teilen. Doch während die Rolle der Frau ein immer wiederkehrendes Thema Ángel Ganivets ist, scheint es Miguel de Unamuno zunächst nicht primär zu beschäftigen. Nichtsdestotrotz kommt auch er nicht umhin, einen Eindruck seiner Einstellungen gegenüber dem anderen Geschlecht, wenn auch in weniger direkter Form als Ganivet, in seinen Romanen preiszugeben. So auch in seinem wohl bekanntesten Roman Niebla, den er 1907 schrieb und der 1914 zum ersten Mal veröffentlicht wurde. In diesem Roman, dem Unamuno selbst die Gattungsbezeichnung nivola (statt novela) gab, versucht der schüchterne Augusto Pérez, die Gunst einer Frau zu erwerben, die ihn dann kurz vor der Hochzeit verlässt, woraufhin Augusto den Selbstmord in Erwägung zieht. Ratsuchend wendet er sich an Miguel de Unamuno und muss dabei feststellen, dass er selbst nur eine Romanfigur des Autors ist.[2]

Es ist allgemein unbestritten, dass die Frau eine wichtige Rolle bei Ángel Ganivet spielte, nicht nur in seinem literarischen und periodistischem Schaffen, sondern auch in seinem Privatleben. In seiner Rolle als Diplomat in der finnischen Hauptstadt Helsinki war er unweigerlich Zeuge der europäischen feministischen Bewegung, die in seinem Heimatland Spanien noch lange nicht Fuß gefasst hatte und mit viel Skepsis betrachtet wurde. In seinen Cartas Finlandesas, und hier hauptsächlich in den Kapiteln VIII und IX, sowie im letzten Kapitel seines Buches „Granada La Bella“, das mit „Lo eterno femenino“ überschrieben ist, gibt er seine Beobachtungen über die finnischen Frauen kund, die, seiner Meinung nach, „son tan libres como los hombres y valen más que los hombres“.[3] Gleichzeitig gibt Ganivet in diesen Schriften aber auch seine persönlichen Einstellungen zur Rolle der Frau und zur feministischen Bewegung preis, die wie im Folgenden gezeigt werden wird, durchaus misogynen Charakter besitzen.

2.1 Die Rolle und Emanzipation der Frau

Eines der Merkmale der Auseinandersetzung Ganivets mit dem anderen Geschlecht ist sein offensichtlicher Konflikt zwischen Anziehung und Abneigung. Auf der einen Seite betont er die Ästhetik und Schönheit der Frauen und begründet seine Beobachtung, dass die europäischen Städte von Süden nach Norden hin trotz der zunehmend raueren Natur/Umwelt „cada vez van pareciendo más alegres“ (CF 140) mit der Tatsache, dass in den Städten des Nordens ganz einfach mehr Frauen auf den Straßen zu sehen seien:

Es que aquí hay mujeres, es decir, están en todas partes las mujeres; no ya en el café o el restaurante, o en el comercio de poca importancia, haciendo asomadas y sin atreverse a tomar posesión definitiva de su puesto en la sociedad, sino en todas partes, por derecho propio, como los hombres. (CF 140f)

Auch wenn derlei Beobachtungen zunächst den Eindruck vermitteln Ganivet heiße diese selbstverständliche Gleichberechtigung der Frau, „por derecho propio“, gut, so zeigt sich schnell, dass er die Frau doch nur als schmückendes Beiwerk des Mannes betrachtet und seine Forderung nach ihrer größeren Selbstständigkeit doch nur egoistischen Interessen entspringt:

[…] y supuesto que tenemos unas mujeres que son monumentos vivos, cuya construcción nos sale casi de balde, ¿no habría medio de dar suelta a estas mujeres, de desparramarlas por toda población, para que ellas, con su presencia, nos la engalaran y embellecieran? (CF 140)

Die Frauen werden hier zu „Monumenten“ degradiert, in deren Konstruktion man nicht einmal „investieren“ müsse und die daher eine kostengünstige Verzierung der Städte darstellten. Nicht nur werden die Frauen sozusagen „versteinert“ und jeglicher Stimme beraubt, sie erinnern in dieser Darstellung außerdem an wilde Tiere, denen man, in diesem speziellen Fall, die Zügel lockern und die man auf die Bevölkerung „loslassen“ soll. Die Frauen sollen sich also freier in den Städten bewegen dürfen, nicht etwa um ihretwillen, sondern weil „la vida en las ciudades es más bella cuando la mujer acompaña al hombre en todos su quehaceres que cuando las mujeres están encerradas en casa y los hombres solos en las oficinas y comercios o industrias o en la calle” (CF 144). In dieser Sichtweise, in der die Frau nur als Begleiterin des Mannes definiert wird, ist der unverhohlene Chauvinismus des Autors nicht mehr zu übersehen.

Ganivet ist sich jedoch durchaus bewusst, dass diese Ansichten auch im zu seiner Zeit noch sehr konservativ katholisch geprägten Spanien einzelne Proteste hervorrufen könnten. Er kommt seinen Kritikern daher zuvor, indem er mögliche Einwände und Fragen zu seinen Ansichten selbst thematisiert und zu beantworten sucht. So könnte “algún estadista serio”, wie er mögliche Kritiker nennt, fragen: „¿No le ha interesado que los derechos civiles de la mujer sean iguales a los del hombre, hallarla dignificada por el saber y emancipada por un régimen liberal y justo?” (CF 143). Über diese Rechte der Frauen in Spanien zu diskutieren ist für Ganivet jedoch sinnlos und obwohl er auf anderen Gebieten eine ausgedehnte Auseinandersetzung mit der Zukunft Spaniens nicht scheut, macht er es sich auf diesem Gebiet leicht, indem er argumentiert: “Si se plantea la cuestión de los derechos de la mujer, pasaremos un siglo discutiendo; se meterá la cizaña en la familia, y no se sacará nada en limpio” (CF 144). Würde man den Frauen also mehr Freiheiten gewähren, um ihrer Rechte willen – und nicht um der Verschönerung der Städte willen – so prophezeit Ganivet folgende Auswirkungen:

Y las pobres muchachas, que seducidas por el ruido sonoro de las palabras “emancipación”, “dignificación”, “igualdad de derechos”, se declaren oradores y propagandistas, no conseguirán más que ponerse en ridículo e incapacitarse para contraer matrimonio. (CF 144)

Die Emanzipation der Frau, beziehungsweise ihr Wunsch nach Gleichstellung in der Gesellschaft, stellt für Ganivet also ein lächerliches Unterfangen dar, das es den Frauen nur schwerer machen würde, sich später in einer Ehe dem Manne unterzuordnen. Auf diese Betonung der Lächerlichkeit einer weiblichen Emanzipation bei Ganivet werde ich im Folgenden noch einmal zurückkommen.

Aus den untersuchten Textstellen lässt sich bereits erkennen, dass der aus Granada stammende Schriftsteller überzeugt ist von der eindeutigen Unterlegenheit der Frau gegenüber dem Manne. Dies begründet er damit, dass „la naturaleza de la mujer exige que su lugar sea inferior al del hombre en cuanto a los asuntos de interés general”.[4]

In Unamunos Roman Niebla hingegen, ist zunächst wenig zu spüren von dieser angeblichen Unterlegenheit der Frau. Die weibliche Hauptfigur Eugenia verkörpert im Gegenteil die selbstbewusste aber vor allem unabhängige Frau, die, wie die von Ganivet beobachteten finnischen Frauen, „por derecho propio“, einen Platz in der Gesellschaft einfordert, der dem der Männer gleichwertig ist. Unamunos tragischer Antiheld Augusto Pérez gibt dagegen ein eher lächerliches Bild des „starken Geschlechts“, dessen „ensimismamiento“, sexuelle Unbeholfenheit und offensichtliche Abhängigkeit von Frauen von Beginn des Romans an karikiert werden.

Wenn Augusto Pérez zu Beginn des Romans sinniert „La función más noble de los objetos es la de ser contemplados. ¡Qué bella es una naranja antes de comida!” (NI 109), und im Folgenden einer hübschen, unbekannten Dame folgt, die er sodann zu erobern versucht, so erinnert dies an Ganivets statisches Bild der Frau. Augusto folgt Eugenia “sin darse de ello cuenta” (NI 110) und sie ist für ihn auch nur ein Objekt, dessen nobelste Funktion es ist betrachtet zu werden, ein „monumento vivo“. Und so erkundigt er sich auch nicht aus wirklichem Interesse nach Eugenia, sondern eher aus dem Gefühl heraus, dass dies von ihm erwartet würde:

Esta cerbera aguarda – se dijo – que le pregunte por el nombre y circunstancias de esta señorita a que he venido siguiendo, y ciertamente, esto es lo que procede ahora. Otra cosa sería dejar mi seguimiento sin coronación, y eso no, las obras deben acaberse. ¡Odio lo imperfecto! (NI 111)

Dieser Ausspruch Augustos deutet bereits daraufhin, dass Augusto auch in anderen Bereichen lo imperfecto hasst, sich daher auch nur in das Ideal einer Frau verlieben kann und unfähig ist eine Frau aus Fleisch und Blut, die kein versteinertes Monument ist, zu lieben.

Eugenia erscheint sowohl in der Liebesbeziehung zu Mauricio, als auch in der Beziehung zu Augusto, als diejenige, die die Zügel in der Hand hält. Sie bemerkt sehr wohl, dass Augusto ihr folgt, und auch bei ihrem zweiten Zusammentreffen, bei dem Augusto „cruzó con Eugenia sin advertir siquiera el resplandor de sus ojos“ (NI 117) erkennt sie ihn wieder. Der Erzähler attestiert den Frauen hierbei eine Art sechsten Sinn und spielt darauf an, dass sie sich ihrer Funktion als (oft bloßes) „Anschauungsobjekt“ durchaus bewusst sind: „Las mujeres saben siempre cuándo se las mira, aun sin verlas, y cuándo se las ve, sin mirarlas“ (NI 117).

[...]


[1] Valle-Inclán, El sol, Madrid, 20-XI-1931, zitiert in: Salper, Roberta L. “Las dos Micaelas de Valle-Inclán: Un arquetipo de mujer”, in: Gabriele, John P. (ed.), Divergencias y Unidad: Perspectivas sobre la Generación del 98 y Antonio Machado. Madrid, Orígenes,1990. S. 157.

[2] Unamuno, Miguel, Niebla, hg. von Mario J. Valdés, Madrid, Cátedra, 192004. Die weiteren Nachweise erfolgen im laufenden Text und beziehen sich auf diese Ausgabe, abgekürzt mit NI.

[3] Ganivet, Ángel, Cartas Finlandesas in: Obras Completas, Madrid, Aguilar, ²1951. Die weiteren Nachweise erfolgen im laufenden Text, abgekürzt mit CF.

[4] Ganivet, Ángel, Epistolario in: Obras Completas, S. 96

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Das Bild und die Rolle der Frau in der "Generación del 98" am Beispiel von Miguel de Unamunos "Niebla" und im essayistischen Werk Ángel Ganivets
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Romanisches Seminar)
Veranstaltung
Die Generación del 98 und ihre Gesellschaftskritik
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
21
Katalognummer
V73749
ISBN (eBook)
9783638734141
Dateigröße
461 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bild, Rolle, Frau, Generación, Beispiel, Miguel, Unamunos, Niebla, Werk, Ganivets, Generación, Gesellschaftskritik
Arbeit zitieren
Eva Maria Krehl (Autor:in), 2007, Das Bild und die Rolle der Frau in der "Generación del 98" am Beispiel von Miguel de Unamunos "Niebla" und im essayistischen Werk Ángel Ganivets, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/73749

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