Die Islamische Republik Iran als Gottesstaat

Anspruch und Wirklichkeit der Staatsideologie Khomeinis


Tesis de Maestría, 2006

125 Páginas, Calificación: 1


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Historische und ideologische Dimension
2.1. Historisch-religiöse Ausgangslage und Entwicklungen des schiitischen Islams im Hinblick auf die Rolle der Rechtsgelehrten
2.2. Schiitischer Revivalismus in Iran im Zeitalter der Moderne
2.3. Perspektiven der Weltanschauung Khomeinis
2.3.1. Khomeini zwischen Dogmatismus, Verstand und Mystik
2.3.1.1. Dogmatismus, Rhetorik und Überlieferung
2.3.1.2. Überlegungen zum Verhältnis von Verstand und Überlieferung
2.3.1.3. Religiöses Bewusstsein und Mystik
2.4. Politische Theorie: islamische Ordnung und die Konzeption der Staatsideologie der Islamischen Republik Iran

3. Verfassungsmäßige Dimension
3.1. Quellen und Methoden des islamischen Rechts in der Verfassung
3.2. Veränderliche und feststehende Sphären des islamischen Rechts
3.3. Zur Diskrepanz zwischen religiösen und weltlichen Elementen
3.3.1. Absolute Gottessouveränität vs. eingeschränkte Volkssouveränität
3.3.2. Absolute Herrschaft des Rechtsgelehrten vs. Gewaltenteilung

4. Politische und gesellschaftliche Dimension
4.1. Auswirkungen des Ersten Golfkriegs auf Politik und Gesellschaft
4.2. Ayatollah ‘Ali Khamene’i zwischen marºaþÍyat und velÁyat-e faqÍh
4.3. Machtkämpfe zwischen Linksislamisten, Rechtstraditionalisten, Technokraten und Reformern
4.3.1. Zur staatlichen Einflussnahme linker Islamisten
4.3.2. Zeitweilige Koalition zwischen Technokraten und Rechtstraditionalisten
4.3.3. Zum Scheitern der Reformer
4.4. Indoktrinierte oder autonome Zivilgesellschaft?

5. Diskrepanzen zwischen Anspruch und Wirklichkeit

6. Fazit

Literaturverzeichnis

Nord und West und Süd zersplittern,

Throne bersten, Reiche zittern,

Flüchte du, im reinen Osten

Patriarchenluft zu kosten;

Unter Lieben, Trinken, Singen

Soll dich Chisers Quell verjüngen

Dort, im Reinen und im Rechten,

Will ich menschlichen Geschlechten

In des Ursprungs Tiefe dringen,

Wo sie noch von Gott empfingen

Himmelsehr in Erdesprachen,

Und sich nicht den Kopf zerbrachen.

Johann Wolfgang Goethe

1. Einführung

In der vorliegenden Magisterarbeit wird bei arabischen Namen und Begriffen die Transkription nach der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (DMG) verwendet. Persische Namen und Begriffe werden ebenfalls nach dem System der DMG transkribiert, wobei die persische Aussprache der Vokale und einiger Konsonanten berücksichtigt wird. Begriffe, die aus dem Arabischen oder Persischen in die deutsche Sprache eingegangen sind, werden nicht transkribiert. Zitate werden unverändert übernommen.

Für die wissenschaftliche Bearbeitung des gestellten Themas halte ich den meta-analytischen Ansatz für besonders geeignet. Eine der wichtigen Aufgaben, die im Rahmen der Meta-Analyse oder Meta-Forschung geleistet werden kann ist, noch unerforschte Bereiche oder bisher ungelöste Probleme zu veranschaulichen. Eine weitere Zielsetzung dieser wissenschaftlichen Methode besteht darin, die theoretischen Erkenntnisse verschiedener Autoren in ihrem jeweiligen Forschungsgebiet und den allgemeinen Forschungsstand durch Wissenstransfer auf einer höheren Ebene zu generalisieren. Durch diese Art der Erfassung und Bewertung verschiedener Erkenntnisse oder Vermutungen soll eine möglichst hohe Synthetisierung dieser Erkenntnisse und eine zuverlässige Aussagequalität über das gestellte Thema erreicht werden.[1] Darüber hinaus ziehe ich selbstverständlich die mir vorliegenden Primärquellen heran, da nur diese einen authentischen Zugang zur Ideologie Khomeinis liefern. Das im Folgenden diskutierte Thema der Arbeit wird in drei Dimensionen entfaltet: Erstens in der historischen und ideologischen Dimension, zweitens in der verfassungsmäßigen- und drittens in der politischen und gesellschaftlichen Dimension. Meines Erachtens eignet sich die islamwissenschaftliche Perspektive mit ihrem breiten Themenspektrum mehr als andere wissenschaftliche Perspektiven – wie die der Geschichts-, der Politik-, der vergleichenden Religions-, der Rechts- und Sozialwissenschaften oder der Philosophie – um die Staatsideologie Khomeinis und deren Entfaltung in der Wirklichkeit auf ihre Tragfähigkeit hin zu untersuchen.

Seit der islamischen Frühzeit ist die politische Philosophie im Vorderen Orient von religiösen und rechtlichen Aspekten geprägt. Der Prophet (arab. al-rasÚl) und Begründer des Islams, Mohammed, war während der medinischen Phase in den Prozess der Begründung des Staatswesens involviert.[2] Er war also einerseits religiöses Oberhaupt und schlichtete – legitimiert durch seine Erfahrung der göttlichen Offenbarung, die im Koran (arab. qurÿÁn; pers. qorÿÁn) ihren Ausdruck findet – in rechtlichen Streitfragen, andererseits war er aber auch Staatsoberhaupt. Nach dem Tod Mohammeds stellte sich schließlich die Frage der politischen Nachfolgeregelung. Diese Angelegenheit wurde allerdings nicht nur politisch beantwortet und gedeutet, sondern stets auch religiös interpretiert. Bis zum Zeitpunkt der Ermordung des dritten Kalifen þUÝmÁn im Jahr 656 (35 A.H.) aufgrund von Auseinandersetzungen um seine Nachfolge war das politische Wesen in der islamischen Welt in Bezug auf die Akzeptanz seiner Führungsfiguren von einem allgemeinen Konsens getragen. Ausgelöst durch die unklaren Verhältnisse um die politische Nachfolgeregelung hingegen spaltete sich die islamische Urgemeinde nun in verschiedene Gruppen (arab. firaq, sing. firqa) – hauptsächlich in Sunniten und Schiiten –, was sich in den verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten von Koran und Sunna (die in der ¼adÍÝ-Literatur kompilierte vorbildliche Handlungsweise des Propheten in allen Lebensbereichen) äußerte und bis in die Gegenwart hineinreicht. Dieser Bruch führt hin zu der Bedeutung beider Überlieferungsquellen als religiöses und rechtliches Erbe der Muslime. Beide Quellen stellen im Islam die Legitimationsbasis politischer Herrschaft dar. Wie bereits angedeutet, liegen die Wurzeln der Politisierung des Islam also bereits in dessen Frühzeit. Die Staatsinteressen wurden an islamischen Interessen ausgerichtet. Die Frage nach dem rechtmäßigen Herrscher als dem Stellvertreter Gottes auf Erden, ob Kalif (arab. ¿alÍfa) oder Imam (arab. imÁm), war in der Geschichte sowohl theologischer, als auch politischer Kernbestandteil des Islams. Während der Kalif jedoch von einem Gremium gewählt wurde, war die Nachfolgeregelung des Imams genealogischer Natur.

Der Islam war und ist seit seiner Entstehung eine alle Lebensbereiche umfassende Religion, die von einem Pluralismus der Interpretationsmöglichkeiten seiner Überlieferungsquellen geprägt ist. Insbesondere in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts entstand dadurch eine Vielzahl schriftlich festgehaltener Rechtswerke. Ausdruck dieses Pluralismus sind die sich herausbildenden Lehrmeinungen (arab. ÁrÁÿ; sing. raÿy) und die verschiedenen Wege und Methoden der sich entwickelnden Rechtsschulen (arab. maªÁhib; sing. maªhab), die keinen universalen Gültigkeitsanspruch erheben können, sondern vielmehr eine von vielen Facetten des islamischen, von Menschen kodifizierten Rechts darstellen. Die Tatsache, dass der Islam in Teilen der islamischen Welt auf die eigene Wahrnehmung und somit auf den alleinigen Gültigkeitsanspruch der eigenen Interpretation seiner Quellen reduziert und der gelebte Pluralismus somit bestritten wird, stellt bis in die Gegenwart das Hauptproblem des politischen Islam dar.

Einer der bekanntesten Wortführer des politischen Islam in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist ¼a±rat ÀyatollÁh al-þUãmÁ RÚ½ollÁh al-Musavi al-¾omaynÍ, besser bekannt als Ayatollah Khomeini (1902/1320 A.H.-1989/1410 A.H.). Er gab etwa 1300 Jahre nach der Spaltung der islamischen Gemeinschaft eine Antwort auf die zentrale Frage der Schiiten, wer den legitimen Anspruch erheben darf, während der Zeit der Verborgenheit (pers. ™eybat) des Zwölften Imams als dessen Stellvertreter aufzutreten. In seiner Staatsideologie wird politisches Denken in die Theologie inkorporiert. Khomeini ist zunächst Verfechter, später der geistige Führer einer revolutionären Re-Islamisierung, eines „Islamic Revival”. Mit der Gründung der Islamischen Republik Iran (pers. ¹omhÚrÍ-ye EslÁmÍ-ye ÌrÁn) ist es erstmals einem Fürsprecher des politischen Islam gelungen, seine Ideologie als offizielle Staatsideologie zu etablieren. Die Islamische Republik Iran (IRI) wurde bereits mehrfach als Gottesstaat bezeichnet.[3] Khomeinis allumfassende religiöse, rechtliche, gesellschaftliche und schließlich politische Ideologie des islamischen Gottesstaates manifestierte sich unmittelbar nach der Islamischen Revolution[4] durch dessen politische Einflussnahme in der Zeit der Moderne (arab. ½adÁÝa) – in der Realität der Islamischen Republik.[5]

Die IRI ist einer der derzeit 57 Mitgliedstaaten der Organization of Islamic Conference (OIC). Alle 57 Mitgliedstaaten der OIC können als souveräne, moderne islamische Staaten bezeichnet werden, die theoretisch durch ihr gemeinsames islamisches Erbe, eine gemeinsame Tradition und gegenseitige Solidarität miteinander verbunden sind. Die meisten dieser Staaten sind Republiken, während einige wenige Länder als Staaten und Königreiche bezeichnet werden. Zwei einzelne Staaten sind als Sultanat bzw. als Union deklariert.[6] Die IRI wurde am 1. April 1979 durch ihr geistiges Oberhaupt und zugleich den offiziellen Führer der Islamischen Revolution, den Ayatollah Khomeini, ausgerufen. Seither ist die IRI eine von drei Islamischen Republiken.[7]

Khomeinis ideologischer Ansatz zur Schaffung der Rahmenbedingungen für das Zusammenleben in einer „wahren” und „gerechten” muslimischen Gesellschaft innerhalb eines idealisierten islamischen Staates – in der wissenschaftlichen Literatur taucht der Begriff Khomeinismus auf, was bereits auf die Bedeutung seines ideologischen Erbes hinweist[8] – entfaltete unmittelbar nach der Islamischen Revolution seine Wirkungen als in der Verfassung der IRI verankerte Staatsideologie erst- und einmalig in einem der Mitbegründerstaaten der OIC. Auch wenn die Mitgliedstaaten der OIC gewissermaßen eine ideelle Staatengemeinschaft darstellen, so zeichnete sich rasch ab, dass der angestrebte Revolutionsexport Khomeinis eine Illusion war. Angesichts des vorherrschenden Pluralismus der Meinungen bezüglich der Rolle des Islams in dieser Staatengemeinschaft und der Verschiedenheit von Schiiten und Sunniten war dieses Vorhaben Khomeinis zum Scheitern verurteilt und wird im Rahmen dieser Arbeit nicht diskutiert werden.

Dennoch, die von Khomeini konzipierte und religiös sowie vernunftsmäßig legitimierte Herrschaft des Rechtsgelehrten (pers. velÁyat-e faqÍh) hat in der IRI auch 27 Jahre nach ihrer Gründung Bestand.[9] In einer globalisierten und in allen Lebensbereichen der Modernisierung verpflichteten Welt erweisen sich die ideologischen Fundamente der IRI als weitestgehend stabil. In Anbetracht dieser Tatsache werden in der vorliegenden Magisterarbeit die folgenden Fragen gestellt und so weit wie möglich beantwortet werden: von welchen historischen Errungenschaften der Schia in Iran profitierte Khomeinis Staatsideologie? Welche Rolle spielen Dogmatismus, Überlieferung (arab. und pers. naql), Verstand (arab. und pers. þaql) und Mystik (pers. þerfÁn; arab. at-taÈawwuf) innerhalb seiner Denkweise? Worin liegen die grundlegenden Widersprüche und die theoretische Inkonsistenz der Staatsideologie Khomeinis, die Eingang in die Verfassung fand? Inwiefern konnte Khomeinis Staatsideologie, seine Vorstellungen von einem idealen islamischen Staat und einer „wahren” und „gerechten” islamischen Gesellschaft verwirklicht werden? Welchen Nutzen zog die iranische Bevölkerung aus den umfassenden Wandlungsprozessen seit der Politisierung der Geistlichkeit und der Re-Islamisierung von Staat und Gesellschaft?

Bei der Beschäftigung mit diesen komplexen Fragen ist zu erwarten – so die Hauptthese der Arbeit –, dass zwangsläufig Diskrepanzen und Widersprüche zwischen ideologischem Anspruch und der Wirklichkeit in dem Gottesstaat entstehen mussten, da Khomeinis Weltanschauung teilweise zu einer vereinfachenden und polarisierenden Sichtweise neigt. Die Untersuchung eben solcher Antagonismen steht im Vordergrund dieser Arbeit und bildet ihren gedanklichen Rahmen. Schier unüberwindbare Widersprüche ergeben sich aber auch aus einem miteinander nahezu unvereinbaren Spektrum der vom geistlichen Establishment jeweils vertretenen Positionen innerhalb eines heterogenen politischen Machtgefüges im Gottesstaat bezüglich der staatlichen Machtbefugnisse, des Einflusses der Bevölkerung auf die politische Entwicklung in Form von Wahlen sowie der zu verfolgenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung. Das Verhältnis zwischen der Überlieferung von Koran und Sunna einerseits und den rationalen Erkenntnissen Khomeinis andererseits, mit denen dieser argumentiert, ist meines Erachtens von zentraler Bedeutung, um einen Zugang zu seinem religiösen, rechtlichen, politischen und gesellschaftlichen Anspruchsdenken zu finden. Eine Untersuchung dieses Zusammenhangs kann wesentlich zur Klärung der gestellten Fragen beitragen.

2. Historische und ideologische Dimension

Um den Anspruch Khomeinis an den gegenwärtigen islamischen Staat, die Islamische Republik Iran (IRI), nachzuvollziehen und die Tradition, innerhalb derer er argumentiert zu verstehen, ist zunächst eine nähere Betrachtung der schiitischen Geschichte von besonderer Bedeutung. Wie zu zeigen sein wird, offenbaren die historischen Entwicklungen der Schia – von den Anfängen über die Æafaviden-Dynastie bis hin zur neueren Geschichte – und die Staatsideologie Khomeinis eine Vielzahl von Analogien. Mehr noch: die im Zusammenhang mit Khomeini häufig genannten Begriffe Re-Islamisierung oder Islamic Revival erhalten erst ihre volle Bedeutung durch ein gewisses historisches Verständnis der Schia. Es sei darauf hingewiesen, dass die Ausführungen in Kapitel 2.1. keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, sondern vielmehr hilfreich sein sollen für das Verständnis des ideologischen Anspruchs Khomeinis.

Ursprünge der gegenwärtigen „Re-Islamisierung” bzw. „Re-Politisierung” des schiitischen Islams können in den vergangenen Entwicklungsepochen der Schia ausgemacht werden: so betont Arjomand die politisch einflussreiche Rolle des Rechtsgelehrten NaÈÍr ad-DÍn aÔ-ÓÚsÍ (gest. 1274/672 A.H.) im Lager des mongolischen Herrschers Hülegü. Er und dessen Schüler þAllÁma al-¼illÍ (gest. 1326/726 A.H.) leisteten einen erheblichen Beitrag zur Weiterentwicklung der Prinzipienlehre der islamischen Rechtswissenschaft (arab. uÈÚl al-fiqh). þAllÁma al-¼illÍ etablierte die geistige Anstrengung (pers. eºtehÁd; arab. iºtihÁd) des Verstands (arab. und pers. þaql) als Prinzip der sich erneuernden Rechtsfindung des Rechtsgelehrten und Theologen (arab. und pers. faqÍh; plur. pers. foqahÁÿ) und ebnete somit bereits im 14. Jahrhundert den Weg für die spätere politische Rolle der Rechtsgelehrten.[10] Die rationale Beweisführung Khomeinis für die legitime politische Herrschaft des Rechtsgelehrten (pers. velÁyat-e faqÍh) ist aus der historischen Perspektive eine Weiterentwicklung der Kompetenzen der Rechtsgelehrten. Während die þulamÁÿ (arab. sing. þÁlim), die schiitischen Gelehrten der vergangenen Epochen, lediglich mit religiöser und rechtlicher Autorität ausgestattet waren, befürwortete Khomeini nunmehr auch die Institutionalisierung der politischen Autorität der ranghöchsten Rechtsgelehrten und meinte damit in erster Linie seine eigene Person. Der charismatische Sayyid Mu½ammad NÚrba¿š (gest. 1463/867 A.H.) und Schah IsmÁþÍl I., der Begründer der Æafaviden-Dynastie, verkörperten mit ihrem populistischen Messianismus die schiitisch-extremistische Variante einer universalen chiliastischen Eschatologie und stellten in diesem Zusammenhang die Behauptung auf, sie seien der erwartete MahdÍ.[11] In eine solche Art des religiösen Extremismus ist Khomeini nicht verfallen. Er beschränkt die allumfassende Autorität der Rechtsgelehrten – und somit zunächst seine eigene Autorität – „lediglich” auf die Funktionen als Stellvertreter des Verborgenen Imam al-MahdÍ. Khomeinis Ideologie rechtfertigt durch eine vergangenheitsbezogene Argumentation die Notwendigkeit der Autoritätserweiterung der ranghöchsten schiitischen Religions- und Rechtsgelehrten Irans – die in der wissenschaftlichen Literatur auch als „bevollmächtigte maßgebliche Instanz” (pers. marºaþ-e taqlÍd; plur. marÁºaþ-e taqlÍd) bezeichnet werden – auf den Bereich der politischen Herrschaft. Dabei profitiert er von der innerhalb der Schia bereits etablierten religiösen und rechtlichen Autorität der marÁºaþ-e taqlÍd innerhalb der schiitischen Glaubensgemeinschaft in Iran. Die von Khomeini erlangte politische Autorität ist aus historischer Perspektive meiner Auffassung nach ein letzter Schritt hin zu einer allumfassenden Autorität der marÁºaþ-e taqlÍd, die den vorläufigen Höhepunkt der Einflussnahme des schiitischen Klerus markiert. Die daraus resultierende Frage, inwiefern Khomeini ca. 1300 Jahre nach der islamischen Frühzeit zur Modernisierung des Islam beitrug, oder aber die Moderne (arab. ½adÁÝa) zu islamisieren versuchte, kann erst nach einer Erläuterung bestimmter historischer Entwicklungen und Errungenschaften der Schia beantwortet werden. Tatsächlich verwirklichte Khomeini mit der Gründung der IRI ein islamisches Gegenkonzept zur vom Schah verkörperten säkular-westlichen Moderne. Das religiöse Establishment in der IRI liefert gegenwärtig den beständigen Beweis für seine Fähigkeit, die eigene, schiitische Identität in einer modernen, globalisierten Welt zu behaupten: „Die Welt wird immer moderner, aber sie wird davon nicht westlich; die anderen können aus der Modernität auch Waffen für ihr Anderssein schmieden.”[12] Der allumfassende ideologische Machtanspruch Khomeinis schlägt sich auf alle Bereiche der staatlichen Organisation der IRI nieder und wurde nach seinem Tode auf dessen Nachfolger Ayatollah ‘Ali Khamene’i übertragen.

2.1. Historisch-religiöse Ausgangslage und Entwicklungen des schiitischen Islams im Hinblick auf die Rolle der Rechtsgelehrten

Neben den Sunniten, die in der Frage um die Nachfolge des dritten Kalifen þUÝmÁn für Muþawiya eintraten, ging aufgrund der Nachfolgestreitigkeiten die Schia, „die Partei þAlÍs” (arab. ŠÍþat þAlÍ) hervor.[13] Ihre Anhänger, die Schiiten, sahen in dem Schwiegersohn und Vetter des Propheten Mohammed, þAlÍ ibn AbÍ TÁlib (gest. 661/40 A.H.), einerseits den politischen Nachfolger des Kalifen þUÝmÁn und andererseits den ersten unfehlbaren und rechtgeleiteten Imam.[14] Die Aussagen des Propheten Mohammed und der zwölf Imame sind der Inhalt der teilweise bis heute erhaltenen schiitischen ¼adÍÝ-Literatur. Das souveräne Herrschaftsrecht Allahs über die damalige islamische Gemeinschaft (arab. umma; pers. ommat) wurde zunächst dem Überbringer der Botschaft Allahs, dem Gesandten Mohammed übertragen, der für alle Muslime – Sunniten, wie Schiiten – das Siegel der Propheten der älteren Schriftreligionen (Christentum und Judentum) darstellt. Der Prophet Mohammed bestimmte nach schiitischer Auffassung þAlÍ ibn AbÍ Tálib zu seinem Nachfolger.[15] Innerhalb der Schia hat sich die Vorstellung erhärtet und ist schließlich auch tradiert worden, dass der Zwölfte Imam – die letzte unfehlbare, göttlich inspirierte Autorität der Schiiten, al-MahdÍ – im Jahre 260 A.H. (873 oder 874) im jungen Alter von 5 Jahren in die Verborgenheit (arab. ™aiba; pers. ™eybat) entschwand.[16] Seit dem Entschwinden al-MahdÍs lebt die schiitische Glaubensgemeinschaft ohne ihr legitimes religiöses und politisches Oberhaupt und sieht sich daher gezwungen, auf die Tradition des Propheten und der Imame zurückzugreifen. Mit dem Tod þAlÍ ibn Mu½ammad as-SamarrÍs, dem „vierten” und letzten Botschafter (arab. safÍr) al-MahdÍs im Jahr 941/329 A.H. war der erste Versuch gescheitert, das Botschafteramt (arab. sifÁra) zu institutionalisieren. Diese Tatsache stellte für die klassische Schia im 9. und 10. Jahrhundert das zentrale Problem dar.[17] Im weiteren Verlauf des 10. Jahrhunderts – die Wahrscheinlichkeit, dass der MahdÍ wieder auf Erden erscheinen würde, wurde aufgrund der inzwischen verstrichenen Zeit immer geringer – wurde schließlich die Frage nach würdigen Stellvertretern der 12 rechtgeleiteten Imame gestellt, die fähig seien, die Herrschaft so lange stellvertretend zu übernehmen, bis der MahdÍ auf Erden erscheine, um die, dem schiitischen Glauben nach, gerechte Herrschaft für alle Zeiten herbeizuführen. Das Zeitalter der Lebzeiten der 12 Imame kann als die erste von vier Perioden der schiitischen Geschichte und als das „goldene Zeitalter des Islams” bezeichnet werden.[18]

Die zweite historische Epoche der Schia (10. Jahrhundert bis Beginn des 13. Jahrhunderts), die mit dem Entschwinden des Zwölften Imam in die Große Verborgenheit beginnt und mit der im Jahre 1220 sich anbahnenden Mongolischen Invasion endet, ist einerseits geprägt durch die Entstehung der ¼adÍÝ-Literatur und andererseits durch die Ausformulierung eines schiitischen Rechtskodex’. Das schiitische kanonische Recht (arab. fiqh; pers. feqh) wurde maßgeblich vom Theologen und Juristen Mu½ammad ibn al-¼asan aÔ-ÓÚsÍ (gest. 1067/460 A.H.), der von seinen Anhängern bis zum Jahr 1056-57/448 A.H. als die rechtliche und religiöse Autorität anerkannt wurde, von Mu½ammad ibn IdrÍs al-þIºlÍ al-¼illÍ (gest. 1202/598 A.H.) und von AbÚ al-Qasim ¹aþfar ibn al-¼asan al-¼illi (gest.1277/676) ausformuliert. Sie alle sind Vertreter der einflussreichen Rechtsschule von ¼illa.[19] Die Rechtsgelehrten jener Rechtsschule vertraten einen rationalistischen Ansatz. Sie „[…] held that certain tools of Greek logic could be applied to the task of deriving legal judgements from the oral reports of the Imams and the Qur´an.”[20] Al-¼asan aÔ-ÓÚsÍ befürwortete zudem auch die politische Autorität der Rechtsgelehrten: „He states that the acceptance of political and judiciary office is commended because it makes possible (1) the upholding of the Shiþite sacred law on behalf of the Hidden Imam, and (2) the promotion of the good of the Shiþite community […].”[21] Al-þIºlÍ al-¼illÍ etablierte den Verstand als Methode der Rechtsfindung.[22] Al-¼asan al-¼illi verfasste das heute noch angewandte Rechtswerk ŠarÁÿiþ al-islÁm fÍ masÁÿil al-½alÁl wa al-½arÁm („Die Gesetze des Islam. Die Streitfragen des Erlaubten und des Verbotenen”).

Berühmte schiitische Gelehrte, wie Mu½ammad ibn YaþÅub al-KulainÍ (gest. 940/329 A.H.), Šay¿ Æaduq, auch bekannt als Mu½ammad ibn þAlÍ ibn ¼usain ibn MussÁ ibn BÁbawaihi al-QummÍ (gest. 991/381 A.H.) oder Šay¿ al-MufÍd (gest. 1022/413 A.H.) überlieferten und interpretierten in dieser Phase die normativen Quellen des schiitischen Islams: Koran und Sunna (Tradition) des Propheten Mohammeds – insbesondere þAlÍ ibn AbÍ Tálibs. Al-KulainÍ stammte aus der Nähe der Stadt Qom – die älteste Hochburg der Schia in Iran – und erfasste dort den überwiegenden Teil der Traditionen in seinem bis heute erhaltenen Werk Al-KÁfÍ fÍ þilm ad-dÍn („Der in der Religionswissenschaft alles Erforderliche Leistende”). Al-QummÍ wurde in Qom als Sohn eines schiitischen Gelehrten geboren. Er hat eine Ansammlung von ungefähr 300 Schriften verfasst.[23] Sein Werk Man lÁ ya½±urhÚ l-faqÍh („Wer keinen Rechtsgelehrten zugegen hat”) „[…] ist nach dem KÁfÍ des KulainÍ das zweite der „vier Bücher” (arab. al-kutub al-arbaþa) der kanonischen Traditionssammlungen der Imamiten.”[24]

Im Verlauf der dritten Periode der historischen Entwicklung der Schia (Beginn des 13. Jahrhunderts - Beginn des 16. Jahrhunderts) entstanden die einflussreichen schiitischen Rechtswerke des NaÈÍr ad-DÍn aÔ-ÓÚsÍ (gest. 1274/672 A.H.) und dessen berühmten Schüler al-¼asan ibn YÚsuf ibn þAlÍ ibn al-MuÔahhar al-¼illÍ (gest. 1326/726 A.H.), auch þAllÁma al-¼illÍ genannt.[25] Arjomand hebt die politische Rolle NaÈÍr ad-DÍn aÔ-ÓÚsÍs hervor, der in engem Kontakt mit dem mongolischen Eroberer Hülegü stand: „Thanks to […] the presence of the great Shiþite philosopher and theologian NaÈÍr al-DÍn ÓÚsÍ […] in the Mongol camps as an influential counsellor to the conquering Hülegü, the ImÁmÍ center of ¼illa was spared from Mongol depredation. The clerical aristocracy of ¼illa established lasting connection with the Il-Khanid court.”[26] Der Schrein von Mašhad, in dem þAllÁma al-¼illÍ begraben liegt, wird auch heutzutage noch von schiitischen Pilgern besucht.[27] þAllÁma al-¼illÍ – er vollendete die theoretischen Grundlagen des schiitischen Rechts – war der erste schiitische Gelehrte, der den Beinamen Ayatollah trug. Er untermauerte aufgrund eigener intellektueller Anstrengung (pers. eºtehÁd; arab. iºtihÁd) das von Mu½ammad ibn IdrÍs al-þIºlÍ al-¼illÍ bereits etablierte Prinzip der Rechtsfindung des Rechtsgelehrten durch dessen fehlbaren Verstand.[28] Die Ausführungen þAllÁma al-¼illÍs über den iºtihÁd enthalten „[…] die gesamte spätere Entwicklung des imamitischen „Klerus”, der MollÁs und ÀyatollÁhs, bereits in nuce.”, so Halm.[29] Dieser historischen Errungenschaft þAllÁma al-¼illÍs verdanken die schiitischen geistlichen Gelehrten (arab. þulamÁÿ) – und nicht zuletzt auch Khomeini – ihre spätere politische Rolle. Da der menschliche Verstand fehlbar ist, ist es ausgeschlossen, dass der Prophet Mohammed oder die Imame, deren Verstand als unfehlbar anerkannt wird, sich in das Prinzip des iºtihÁd flüchteten. Ausschließlich den þulamÁÿ obliegt also das Prinzip des iºtihÁd.

Im weiteren Verlauf jener Epoche kam es zu einer Verschmelzung der Philosophie Ibn SÍnÁs (gest. 1037/429 A.H.), die von dem griechischen Philosophen Aristoteles (384 v. Chr.-322 v. Chr.) beeinflusst war, mit der theosophischen Ideologie þUmar SuhrawardÍs (gest. 1234/632 A.H.) nach der die Welt und ihr Sinn nur in mystischer Berührung mit Gott erfasst werden kann, der Sufik Ibn þArabÍs und schließlich mit der bereits entstandenen schiitischen rational argumentierenden Theologie (arab. kalÁm).[30] Interessant ist die bemerkenswerte Ausbreitung der Sufik seit der Mitte des 14. Jahrhunderts, dem Zeitalter nach der Mongolischen Invasion: „Sufism, by admitting the possibility of immediate contact with God, provided a fertile ground for the growth of undisciplined religiosity, and heightened the receptivity to apocalyptic and „exaggerated” claims to mahdihood and ½ulÚl (incarnation) […].”[31] Eine solche Art des religiösen Extremismus, begünstigt durch die Sufik, zeichnete sich insbesondere bei schiitischen Orden aus dem Nordwesten Irans und Anatolien ab, die von den streng gläubigen Imamiten daher als Übertreiber (arab. ™ulÁt) bezeichnet wurden. Anhaltende kriegerische Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Machthabern lösten im nachmongolischen Zeitalter eine gewisse Endzeitstimmung aus, die die Erwartung weckte, al-MahdÍ möge erscheinen, um eine neue, gerechte und wahrhaft islamische Ordnung herbeizuführen: „Current social and political circumstances are expected to change for the better in the light of what is going to happen when the Savior of Islam appears.”[32] Arjomand und Halm führen einige Beispiele schiitisch-extremistischer MahdÍ-Bewegungen und Orden im 14. und 15. Jahrhundert an, die durch ihren populistischen islamischen Messianismus geprägt waren und sich die allgemein vorherrschende Endzeitstimmung und die damit verbundenen Hoffnungen auf eine gerechte islamische Ordnung zunutze machten.[33] So beanspruchte beispielsweise Sayyid Mu½ammad NÚrba¿š (gest. 1463/867 A.H.), der die Sufik für den „wahren Islam” hielt, der sehnlich erwartete MahdÍ zu sein: „In a letter to [the] contemporary ruler, NÚrba¿sh based his supreme spiritual authority on unparalleled excellence in all sciences, and, above all, on gnostic insight to the constitution of the universe. These qualities, he claimed, made him the supreme spiritual guide of the age.”[34] Neben seinen mystischen Visionen zog NÚrba¿sh auch rationale Beweise (arab. dalÁÿil þaqliyya), wie die Größe der Anhängerschaft seiner Schüler heran, um seine MahdÍ-Herrschaft zu rechtfertigen.[35] In dem Kontext des populistischen Messianismus seien die Begriffe Millenarismus und Chialiasmus erwähnt: beide Synonyme bezeichnen in einem schiitischen Kontext den dogmatischen Glauben an die Wiederkunft des in der Verborgenheit lebenden Zwölften Imam.[36] Die von den Schiiten sehnlich erhoffte Menschwerdung (arab. ½ulÚl) al-MahdÍs und die damit verbundene Erwartung seiner gerechten Herrschaft über die (islamische) Welt kann als universal-chiliastische Eschatologie aufgefasst werden. Dieser Glaube an die zukünftige gerechte Herrschaft des Zwölften Imam verlieh der Schia die Zuversicht, die widrigen Umstände des 14. und 15. Jahrhunderts zu überstehen: „It would not be an exaggeration to suggest that without such a belief in the role of the twelfth Imam, the Imamite religion might not have been able to survive persecutions under different dynasties in the course of Islamic history, before it became established as the official creed of the Safavid empire at the beginning of the sixteenth century.”[37] Diese Ära endet mit der Gründung der Æafaviden-Dynastie im Jahr 1501, deren theokratische Herrschaft aus dem Wirkungskreis sufisch-extremistischer Bewegungen hervorging. Sachedina hebt hervor, dass der schiitische Messianismus keinesfalls ein historisch begrenztes Phänomen ist, sondern vielmehr auch im weiteren Verlauf der Zwölfer-schiitischen Geschichte ein bestimmender Faktor bleiben sollte, „[…] because only this school of Shi’ism continued to cherish chiliastic hopes, perpetuated in the peculiar vision of Islamic history as culminating with the rise of the messianic Imam.”[38]

Die vierte Periode schiitischer Geschichte markiert den Zeitraum von der Æafaviden-Dynastie (1501-1722) über die QÁºÁren-Dynastie (1794-1925) bis hin zur Pahlavi-Dynastie (1925-1979), die schließlich von den Ereignissen der Islamischen Revolution in Iran hinweggefegt wurde. Die Æafaviden-Dynastie ging aus einem von ÆafÍ ad-DÍn ArdabÍlÍ (gest. 1334/735 A.H.) gegründeten Sufiorden hervor, dessen anatolischer Zweig sich im Verlauf des 15. Jahrhunderts zunehmend militarisierte. Der Sufi-Scheich ¹oneid, von 1447-1460 Oberhaupt jenes Sufiordens, vereinte erstmals nach ÆafÍ ad-DÍn ArdabÍlÍ weltliche mit geistiger Herrschaft, so Arjomand.[39] Gegen Ende des 15. Jahrhunderts gelang es ¹oneids Sohn ¼aidar, der von 1460-1488 regierte, und wiederum dessen Sohn SulÔÁn þAlÍ, die gesamte Æafaviden-Bewegung unter der Herrschaft eines kriegerischen Chiliasmus zu vereinen. Die Glaubenskrieger der Æafaviden-Bewegung, die QizilbÁsh (Rotköpfe) wurden aus nomadisierenden Turkmenenstämmen Ostanatoliens, Aserbaidschans und dem nördlichen Mesopotamien rekrutiert und verbreiteten den schiitischen Islam mit militärischen Mitteln.[40] Aufgrund ihrer kriegerischen Erfolge genossen sie unter den Æafaviden ein hohes Ansehen. IsmÁþÍl I, der Sohn ¼aidars und Bruder SulÔÁn þAlÍs, trat 1499/905 A.H. im Alter von 12 Jahren schließlich an die Spitze der QizilbÁsh und gilt als der Begründer der Æafaviden-Dynastie. Im Jahr 1501/907 A.H. erklärte er in TabrÍz, bis 1548/955 A.H. Hauptstadt der Æafaviden-Dynastie, den zwölfer-schiitischen Islam zur offiziellen Staatsreligion. In IsmÁþÍls dynastischer Propaganda vereinigten sich die für jene Zeit beispielhaften Züge der Schia: „die enge Affinität zum Sufitum, die Tendenz zum militanten Derwischordenstaat, die chiliastische MahdÍ-Erwartung und auch die Vergöttlichung des Imam-MahdÍ.”[41] Da die Bevölkerung allerdings noch immer überwiegend sunnitisch war, gestaltete sich die Propaganda Schah IsmÁþÍls und die Verbreitung des schiitischen Bekenntnisses als ein langwieriger Prozess. Unter der Æafaviden-Dynastie gelang es erstmals seit dem Ende des Kalifats von Bagdad, das weltliche wie auch geistige Herrscheramt in der Person von Schah IsmÁþÍl zu vereinen: „Als [proklamierter] Verwandter und einziger legitimer Stellvertreter des Verborgenen Imams ist der Èafavidische Schah nun die oberste religiöse Autorität der Schia.”[42] Im Jahr 1510/916 A.H. wurde der aus dem syrischen Jabal þÀmil stammende Rechtsgelehrte þAlÍ ibn þAbdalþalÍ al-KarakÍ al-þÀmili (gest. 1534/940 A.H.), der in der Tradition der Schule von ¼illa stand, an den Hof Schah IsmÁþÍls berufen. Sein Aufgabenbereich umfasste unter anderem die Einsetzung der Prediger des Freitagsgebets (pers. pÍš namÁz), sowie die Ernennung oder Entlassung der religiösen Funktionsträger des Èafavidischen Reiches, insbesondere des „Ältesten des Islams” (arab. šai¿ al-islÁm).[43] Beide religiösen Funktionen wurden von Rechtsgelehrten ausgefüllt, die die rationalistische Rechtsgelehrsamkeit der Schule von ¼illa repräsentierten (UÈÚlÍs).[44] Im Verlauf des 16. Jahrhunderts, der Amtszeit von Schah ÓahmÁsp (gest. 1576/984), dem Sohn von IsmÁþÍl, emanzipierte sich schließlich das Èafavidische Staatswesen von dem extremistischen Charakter der QizilbÁsh und der zuvor noch politisch relevanten Sufiorden, die nun verfolgt wurden.[45] Ferner wurden die berühmten schiitischen Rechtswerke früherer Epochen (wie der Al-KÁfÍ fÍ þilm ad-dÍn, Man lÁ ya½±uruhÚ l-faqÍh oder ŠarÁÿiþ al-islÁm fÍ masÁÿil al-½alÁl wa al-½arÁm) vom Arabischen ins Persische übersetzt, was neben dem Einfluss al-KarakÍs – er führte seine Dienste während der Amtszeit Schah ÓahmÁsps fort – zur nachhaltigen Ausbreitung des schiitischen Islams unter der Bevölkerung führte, und der Rechtsschule von ¼illa erstmalig seit ihrem Bestehen zu einer staatlichen Unterstützung und zu zunehmender Popularität verhalf. Halm weist allerdings darauf hin, dass trotz vermehrter politischer Einflussnahme der geistlichen Gelehrten (arab. þulamÁÿ) – gefördert durch das Wirken al-KarakÍs – das Amt des „Stellvertreters des Verborgenen Imam” in der Æafaviden-Dynastie nicht institutionalisiert wurde.[46] Während sich die UÈÚlÍs unter den þulamÁÿ im 17. Jahrhundert als stärkste Konkurrenten, aber auch Mitwirkende des Schahs herauskristallisierten (sie verfügten inzwischen über eine nachhaltige rechtliche und religiöse Autorität), erlebten andere oppositionelle Bewegungen in dieser Epoche einen letzten Aufschwung: erstens die QizilbÁsh, die von 1576-1587 das Machtvakuum füllten, das durch das Interregnum der Herrschaft des Schahs ÓahmÁsp (1524-1576) und des Schahs þAbbÁs I. (1587-1629) entstanden war; zweitens die Sufiorden, die weiter an ihrer mystischen Tradition festhielten; drittens die Universalgelehrten, die ihren schiitischen Glauben mit naturwissenschaftlicher und philosophischer Erkenntnis vereinten und schließlich die A¿bÁrÍs.[47] Jene Strömung unter den þulamÁÿ akzeptierte lediglich die wörtliche Überlieferung (arab. und pers. naql) der islamischen Tradition als einzige legitime Autorität und sah sich daher einer Tradition verpflichtet, die jeglicher Modernisierung hinderlich war. Darüber hinaus erkannte sie die „Prinzipien” der UÈÚlÍs (iºtihÁd, taqlÍd und kalÁm) nicht an und lehnte deren Methoden der Rechtsfindung ab, welche auf den rationalen Erkenntnissen des Verstandes (arab. und pers. þaql) basierten und bis heute in der Prinzipienlehre der islamischen Rechtswissenschaft (arab. uÈÚl al-fiqh) zusammengefasst sind.[48] Folgerichtig sprachen die A¿bÁrÍs den UÈÚlÍs die Autorität ab, als Stellvertreter des Verborgenen Imam zu fungieren. Die UÈÚlÍs hingegen lehnten nicht nur die ausschließliche Autorität der wörtlichen Überlieferung ab, sondern ersetzten sogar deren alleinige Gültigkeit durch die Autorität lebender Rechtsgelehrter, die ihrer Auffassung nach zu einer eigenständigen Rechtsfindung befähigt seien. Mit anderen Worten: bei den UÈÚlÍs überwog zu jener Zeit die Bedeutung des Verstandes gegenüber der religiösen Überlieferung. Cole beschreibt den geographischen Wirkungskreis von UÈÚlÍs und A¿bÁrÍs so: „Under the Safavids the high ulama establishment in the center had favored the Usuli School of jurisprudence, which legitimated an activist role for the clergy as legal scholars in society. The Iraqi shrine cities, laboring under Sunni Ottoman rule, had remained centers of the more conservative Akhbari School.”[49] Unter dem einflussreichen Mo½ammad BÁqir MaºlesÍ (gest. 1700/1111 A.H.) – er übte in IÈfahÁn, der damaligen Hauptstadt der Æafaviden-Dynastie, das Amt des šai¿ al-islÁm aus – entwickelte sich der Gelehrtenstand schiitischer Juristen letztlich zum Klerus.

Im Verlauf der Herrschaft durch die QÁºÁren-Dynastie (1794-1925) leisteten die schiitischen Gelehrten ÀqÁ Mo½ammad BÁqir VÁ½ed BehbehÁnÍ (gest. 1793/1208 A.H.) und Šay¿ Murta±Á AnÈÁrÍ (gest. 1864-65/1281 A.H.) einen maßgeblichen Beitrag zur endgültigen Ausprägung und Vervollkommnung der Prinzipienlehre der islamischen Rechtswissenschaft (arab. uÈÚl al-fiqh). BehbehÁnÍ, der vornehmlich an dem Sieg der UÈÚlÍs gegen die A¿bÁrÍs beteiligt war, gilt darüber hinaus als der Begründer der schiitischen Orthodoxie, so Halm.[50] Im 18. und 19. Jahrhundert avancierten die UÈÚlÍs endgültig zur einzigen oppositionellen Kraft gegenüber dem Schah-Regime: „Der Einfluß der MollÁs wuchs nicht nur mit dem ständig sich vermehrenden Stiftungsland, das sie verwalteten, sondern auch infolge ihrer engen verwandtschaftlichen Beziehungen zur lokalen Grundbesitzerschicht und zum handwerklich-gewerblichen Mittelstand der Städte, den bÁzÁrÍs, deren Interessen sie gegen die ferne Zentralmacht und ihre Steuerbeamten vertraten […].”[51] Cole widmet ganze Abschnitte seines Sacred Space and Holy War der Erforschung verwandtschaftlicher Beziehungen zwischen þulamÁÿ und bÁzÁrÍs.[52] Gegen sämtliche heterodoxe Erscheinungsformen der Schia, die der schiitisch orthodoxe Klerus als Widersacher empfand, wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter Fat½ þAlÍ ŠÁh (1797-1834) verstärkt die „Anklage wegen Unglauben” (arab. takfÍr) ausgesprochen.[53] Davon waren die A¿bÁrÍs, die Sufis, die Gnostiker und Theosophen und schließlich die extremen MahdÍ-Bewegungen betroffen. Die „Waffe” des takfÍr wurde freilich auch gegen konkurrierende þulamÁÿ eingesetzt. Inwiefern dieses Mittel hilfreich war, um die genannten Gruppierungen zu schwächen oder gar aus dem Weg zu schaffen, hing vorrangig von der politischen und gesellschaftlichen Anerkennung des Anklägers ab.[54] Die institutionelle Ausgestaltung des schiitischen Klerus wurde nun auch sichtbar anhand der Hierarchie, die sich innerhalb der þulamÁÿ herausbildete. An deren Spitze etablierte sich der ranghöchste unter den schiitischen Religions- und Rechtsgelehrten (pers. marºaþ-e taqlÍd) als „bevollmächtigte maßgebliche Instanz”. Als oberste Autorität war er zum einen zuständig für die Erhebung und Verwaltung des Fünften (pers. ¿oms; arab. ¿ums), eine Art Einkommenssteuer, die diejenigen Gläubigen zu entrichten hatten, die sich seiner Autorität unterwarfen. Die Einnahmen des Fünften halfen dem marºaþ-e taqlÍd, seine Unabhängigkeit gegenüber dem Schah weiter auszubauen. Eine weitere – bereits von þAllÁma al-¼illÍ im 14. Jahrhundert befürwortete – Aufgabe des schiitischen Klerus in dessen Funktion als Stellvertreter al-MahdÍs war seit der Zeit des Èafavidischen Reiches die Vollstreckung derjenigen körperlichen Strafen (pers. ½odÚd; arab. ½udÚd, sing. ½add), die im Koran für bestimmte Strafdelikte vorgesehen sind.[55] Darüber hinaus wurde die Ausrufung des Heiligen Krieges (arab. ºihÁd) gegen Ungläubige seit dem Zeitalter der QÁºÁren-Dynastie als eine religiöse Pflicht angesehen, die ebenfalls vom Klerus in Stellvertretung für den MahdÍ seit dem 19. Jahrhundert übernommen wurde.[56]

Die kulturelle und religiöse Identität Irans wurde im Zuge des Kontakts mit der westlichen Kultur tief erschüttert: „Iran’s defeat by czarist Russia during the two rounds of Russo-Iranian wars (1804-1808 and 1814-1828), the loss of the Transcaucasian provinces, and the imposition of the regime of capitulation, followed by British enroachments in the Persian Gulf and on Iran’s eastern front, forced the Iranians to acknowledge a new, profound, and irreversible shift in the balance of forces […].”[57] Darüber, wie den Ursachen der offensichtlichen militärischen, industriellen und wissenschaftlichen Unterlegenheit Irans insbesondere gegenüber Westeuropa und Russland zu begegnen sei, herrschte grundsätzliche Meinungsverschiedenheit zwischen dem Schah und dessen Anhängern einerseits und den þulamÁÿ andererseits.[58] Säkularistische Kräfte formulierten in dieser Periode Ideen und Ansätze, die denen der islamischen Kräfte widersprachen.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verstärkte sich das ohnehin tief verwurzelte Misstrauen der þulamÁÿ gegenüber der weltlichen Macht des Schahs wegen dessen willkürlicher und sozial ungerechter Reformvorhaben – er nahm dabei europäische Hilfe in Anspruch – in vielerlei Bereichen, wie dem Militär oder der Justiz, die allesamt den Einflussbereich der þulamÁÿ betrafen. „The late nineteenth century witnessed the beginnings of a serious and long-term breach between ulama and state, as the weak Qajars increasingly acquiesced to foreign economic and diplomatic influences.”[59] Aufgrund der ideologischen Auffassung der þulamÁÿ, die alleinige legitime Stellvertretung al-MahdÍs während der Zeit seiner Verborgenheit zu repräsentieren, scheint deren Abneigung gegen jegliche externe Unterstützung bei den Bestrebungen von NÁÈer od-DÍn ŠÁh (1848-1896), den Staat zu reformieren, durchaus plausibel. Halm bemerkt hierzu: „NÁÈer od-DÍn ŠÁh, der selbst dreimal nach Europa reiste, holte nicht nur fremde Berater und Instrukteure ins Land, sondern lockte auch ausländische Unternehmen durch Konzessionen und Privilegien, in Iran zu investieren; so erhielt der britische Baron Julius de Reuter 1872 weitgehende Konzessionen zum Bau von Eisenbahnen und Straßen, zur Ausbeutung von Wäldern und Bergwerken und zur Errichtung einer Nationalbank.”[60] Am 8. März 1890 vergab NÁÈer od-DÍn ŠÁh das Monopol für die Kontrolle des Tabakanbaus und für den Verkauf und Export iranischen Tabaks an den Briten Gerald Talbot, wobei der Staat finanziell entschädigt werden sollte. Diese Entscheidung führte zu einer ernsthaften Machtprobe zwischen dem Schah und den þulamÁÿ, in der sich letztlich die þulamÁÿ dank ihres gesellschaftlichen Ansehens durchsetzen sollten. Im folgenden Jahr wurde in Teheran ein Rechtsgutachten (pers. fatvÁ) verbreitet, in dem zum allgemeinen Tabakboykott aufgerufen wurde mit der Begründung, der Genuss von Tabak sei gesetzeswidrig. Jene fatvÁ wurde dem damaligen marºaþ-e taqlÍd MÍrzÁ ¼asan ŠÍrÁzÍ (gest. 1895/1313 A.H.) zugeschrieben, dessen Wirkungskreis in SÁmarrÁÿ war.[61] Der Boykottaufruf wurde weitestgehend beherzigt, woraufhin sich die Regierung gezwungen sah, die Vergabe des Tabakmonopols rückgängig zu machen. In diesem Zusammenhang sei auf die engen Beziehungen zwischen þulamÁÿ und bÁzÁrÍs hingewiesen, die ihre Einkünfte bedroht sahen und Hand in Hand mit den þulamÁÿ erfolgreich politischen Druck auf den Schah ausübten.

2.2. Schiitischer Revivalismus in Iran im Zeitalter der Moderne

Allzu häufig wird der Begriff des islamischen Fundamentalismus insbesondere in den Medien beansprucht. Dabei wird nicht selten ein Bild vermittelt, das religiösen Fundamentalisten ein Erstarren im glorifizierten „goldenen Zeitalter des Islam”, wortwörtliche Koranauslegung, althergebrachte Moralvorstellungen – speziell was die Rolle der Geschlechter betrifft – und fehlende Toleranz unterstellt. Seit dem 11. September 2001 wird der islamische Fundamentalismus zudem in unkritischer Art und Weise mit Terror und Gewaltanwendung gleichgesetzt. Im Zuge der zumeist negativ geführten und klischeehaften Auseinandersetzung mit dem als gesamtislamisches Phänomen betrachteten islamischen Fundamentalismus („Achse des Bösen”) und der damit einhergehenden Debatte um die weltweite Terrorbekämpfung ist auch die IRI in das Interesse der Weltöffentlichkeit gerückt worden.[62] Eine tiefer gehend reflektierte und differenzierte Untersuchung der von Khomeini geforderten Re-Islamisierung und deren Protest gegen die westliche Moderne (½adÁÝa) kann meiner Auffassung nach zu einem besseren Verständnis der politischen Theorie des geistlichen Establishments in der IRI beitragen.

Die 1960er Jahre brachten sowohl in den sunnitischen als auch in den schiitischen Regionen der islamischen Welt eine neue Generation von Ideologen hervor, die eine Re-Islamisierung von Staat und Gesellschaft forderten: „If Islam was to provide the identity and unity of the state, so, Islamic revivalists and reformers concluded, the panacea for failed states must be a return to Islam and its „proper or correct” implementation in state and society.”[63] Der charismatische Ayatollah Khomeini, allgemein als Anführer der Islamischen Revolution in Iran anerkannt, ist zweifelsohne der berühmteste Vertreter jener Strömung, die Fürtig als vierte Generation religiöser Fundamentalisten bezeichnet.[64] Hassan al-Banna (1906/1324 A.H.-1949/1368 A.H.), der im Jahr 1928 die Muslimbrüderschaft begründete und die beiden Ideologen Sayyid Qutb (1906/1324 A.H.-1966/1386) und Maulana Abu’l Ala Maududi (1903/1321 A.H.-1979/1399 A.H.), deren Schriften in den 1950er und 1960er Jahren in großen Teilen der islamischen Welt verbreitet waren und daher enorme Beachtung fanden, seien stellvertretend für die früheren Generationen religiöser Fundamentalisten erwähnt.[65] Für die Bezeichnung des islamischen Fundamentalismus hat sich in der arabischen Sprache der Begriff uÈÚlÍyya durchgesetzt. Wie auch die Bezeichnung UÈÚlÍ leitet sich der Begriff aus dem Wort aÈl (Wurzel, Ursprung, Quelle, Herkunft, Prinzip) ab. Die Verfechter des Fundamentalismus, die UÈÚlÍyyÚn, vertreten verschieden akzentuierte Varianten des politischen Islams. Ihre allgemeine Zielsetzung besteht allerdings darin, ihr Verständnis des Islams – das keinesfalls einheitlich ist – in Staat und Gesellschaft durchzusetzen, um dem so verstandenen Islam wieder den Platz zu verschaffen, den er ihrer Auffassung nach im „goldenen Zeitalter” innehatte. Sie füllten insbesondere seit den 1960er Jahren das Vakuum aus, das die gescheiterten säkularen Bewegungen und Regimes in der arabischen Welt hinterlassen haben.[66]

Riesebrodt führt den manichäischen und absolutistischen Aspekt des religiösen Fundamentalismus vor Augen: demzufolge sehen sich die UÈÚlÍyyÚn in einem mehrdimensionalen Kampf zwischen Gut und Böse verwickelt. Wer nicht Partei für ihre Dogmen ergreife sei ihr Gegner, so Riesebrodt.[67] Eine weitere Eigenart des religiösen Fundamentalismus ist seine Neigung zu Verschwörungstheorien: „Most Islamic fundamentalists accept the prevalent conspiracy theories that see the Christian West, Jewish Zionism, and secularism as three forces combining to corrupt, divide and destroy Islam. Rulers in Muslim states are viewed as puppets of these forces, betraying their countries into dependence and secularization.”[68] Esposito zufolge sei der Verlust islamischer Identität und Souveränität in der Tat auf die Rolle des europäischen Kolonialismus und Imperialismus zurückzuführen: „In the Islamic world, Western colonial rule precipitated a religious as well as a political crisis.”[69] Im 20. Jahrhundert stellte sich also nicht erst Khomeini, sondern bereits die früheren Generationen der Vertreter des politischen Islam die Fragen: Worin ist der Islam gescheitert? Wie können Muslime den Willen Gottes in einem Staat erkennen, in dem Nichtmuslime regieren und weltliche Gesetze herrschen? Wie können Muslime auf die Herausforderungen der Moderne reagieren?[70] Es bleibt festzuhalten, dass das Hauptanliegen der Ideologen des politischen Islam darin bestand, durch soziopolitische Einflussnahme eine islamische Identität heraufzubeschwören. Der Islam wurde dargestellt als Gegenkonzept zu dem als gescheitert betrachteten Kapitalismus (Säkularismus und Materialismus) und Kommunismus (Sozialismus und Atheismus): „Muslims were told to remember that they possessed a third way or alternative to foreign models and systems – Islam. Thus, the true path for Muslims was the creation of an Islamic state, implementation of Islamic law, and the re-Islamization of society.”[71] Es ist offensichtlich, dass Khomeini in der Tradition der UÈÚlÍs steht: auch er argumentiert mit rationalen Erkenntnissen, zu denen er vermutlich aufgrund der geistigen Anstrengung (pers. eºtehÁd; arab. iºtihÁd) seines Verstandes (arab. und pers. þaql) gelangt ist. Das Prinzip des eºtehÁd fungiert bei Khomeini nicht nur als Mittel einer flexiblen, sich erneuernden und modernisierenden Rechtsfindung, sondern auch als modernistische Legitimationsgrundlage für die politische Herrschaft der Geistlichkeit.

Die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufkommende islamisch-revolutionäre und dogmatische Ideologie erfuhr einen erheblichen Aufschwung und gewann in einer Zeit sozio-ökonomischer und politischer Wandlungsprozesse, die in Teilen der islamischen Welt einmal mehr als Krise empfunden wurden, an Attraktivität. Bestimmte Entwicklungen und Erfahrungen haben die revivalistische und zugleich fortschrittliche Ideologie Khomeinis – seine Re-Interpretation der islamischen Tradition und die Ausdehnung der Machtbefugnisse der ranghöchsten Rechtsgelehrten auf die Sphäre politischer Herrschaft – zweifelsohne geprägt: zum einen der Coup d’ État gegen den säkularistisch-liberalen iranischen Premierminister Dr. Mohammed Mosaddeq (gest. 1967/1387 A.H.) am 19. August 1953, unterstützt von der CIA und dem britischen Geheimdienst. Mosaddeq befürwortete die Nationalisierung des iranischen Erdöls und griff in seinen enthusiastischen Reden vor dem Parlament die britische Kontrolle der iranischen Erdölindustrie an. Ob Mosaddeq die spätere Polarisierung der säkularistischen und religiösen Bevölkerungsschichten und Gruppierungen Irans hätte verhindern können ist jedoch umstritten. Cottam vertritt dennoch folgende bemerkenswerte These, der ich mich anschließe: „The conclusion is defensible that had Musaddiq not been overturned by a foreign-sponsored coup, the Khomeini regime would never have appeared.”[72] Zum anderen die antiklerikale Politik und die 1963 lancierte „Weiße Revolution” des Schah Mohammed Reza Pahlavi (1941-1979) – einem engen Verbündeten der USA –, durch die in den Bereichen Frauenwahlrecht, Bildungs- und Sozialwesen, sowie Landbesitz eine Modernisierung nach westlichem Vorbild erreicht werden sollte.[73] So wurde 1967 ein Family Protection Law verabschiedet, wodurch die überlieferten Quellen des islamischen Rechts, die Scharia, auf dem Gebiet des Familienrechts durch ein unislamisches Gesetz ersetzt wurden.[74]

Diese Entwicklung, von der in erster Linie die Modernisierungseliten profitierten, bedeutete für die schiitische Geistlichkeit, deren traditionelle Einflussbereiche auf diese Weise vom Schah beschnitten wurden, eine Provokation. Nachdem der Schah den Klerus in einer Rede am 23. Januar in Qom als „reaktionäre Parasiten” beschimpfte, hielt Khomeini anlässlich des þÀšÚrÁÿ-Festtags am 3. Juni 1963 in derselben Stadt eine Predigt, in der er den Schah heftig angriff:[75] „And those who have filled foreign banks with the wealth produced by the oil of our poverty-stricken people, who have erected towering palaces but still will not leave the people in peace, wishing to fill their own pockets and those of Israel with our resources – they are not parasites? Let the world judge, let the nation judge who the parasites are!”[76]

Wenige Tage später wurden der damals 63-jährige Khomeini und 14 weitere Geistliche verhaftet, worauf tagelange Proteste von Arbeitern, bÁzÁrÍs, sympathisierenden Religions- und Rechtsgelehrten und Studenten folgten.[77] Bei Straßenschlachten am 5. Juni 1963 in Teheran ging das Militär grausam gegen die Demonstranten vor und tötete mehrere Hundert Menschen.[78] Dieses Vorgehen besiegelte den endgültigen Bruch zwischen den þulamÁÿ und dem Schah in einer langen Epoche schwieriger gegenseitiger Beziehungen seit der Gründung der Æafaviden-Dynastie im Jahr 1501. „The tyrannical regime imagines that […] it can deflect us from our aim, which is none other than the great aim of Islam – to prevent oppression, arbitrary rule, and the violation of the law; to preserve the rights of Islam and the nation; and to establish social justice”, so Khomeini.[79] Die Kritik am Schahregime bedeutete zugleich eine Aufforderung an die iranische Gesellschaft und die Geistlichkeit zu einem „Islamic revival” und eine Rückkehr zum alle Lebensbereiche umfassenden Islam, die in der Implementierung einer vagen islamischen Ordnung (pers. neãÁm-e eslÁmÍ) münden sollte. Der Geistlichkeit komme in einem zukünftigen islamischen Staat neben anderen Aufgaben, wie der Auslegung der Scharia, insbesondere die Rolle politischer Herrschaftsgewalt (pers. velÁya) zu. Meyer, der die Ideologie Khomeinis als fundamentalistisch bezeichnet, sieht die größte Gefahr ihrer politischen Realisierung in ihrer Ungewissheit und darin, dass sie aufgrund ihrer opportunistischen Haltung gegenüber den Errungenschaften der Moderne zur Unvernunft neigt und sich aufgrund ihrer religiösen Legitimation als a priori unantastbar und nicht diskutabel erklärt: „Die fundamentalistische Reise ist letztlich immer eine Fahrt ins Blaue. Wo sie ans Ziel gelangt, erleben die Mitreisenden ihr blaues Wunder.”[80] Die schiitische Geistlichkeit, deren Gesamtzahl in den 1960er und 1970er Jahren auf zwischen 150.000 und 180.000 Personen geschätzt wird, zeigte sich in Bezug auf die Ereignisse gespalten.[81] Die in den 1970er Jahren an der Spitze des hierarchisch organisierten Klerus stehenden marÁºaþ-e taqlÍd, die auch als Großayatollahs bezeichnet werden, teilten allesamt nicht die sozialrevolutionäre Ideologie Khomeinis. „[…] unter den sechs Groß-Ayatollahs lehnen alle fünf Khomeini an Rechtsgelehrtheit ebenbürtigen dessen politische Deutung des Islam ab.”[82]

Der Protest Khomeinis gegen den Schah lässt vermuten, dass seine Ideologie ein Gegenkonzept nicht nur zur Politik von Schah Reza Pahlavi, sondern auch der damit einhergehenden westlichen Moderne darstellte, wie sie sich im vorrevolutionären Iran der 1960er und 1970er Jahre äußerte. „The revival […] is in part a reaction against Western power in the Muslim world, of which Israel is seen as an important part. The West is blamed, among other things, for a breakdown in morality via its free social practices.”[83] Jenen Schlagworten Khomeinis, die gezielt die Emotionen der schiitischen Bevölkerung ansprachen und seit seiner Rede The Afternoon of ‘Ashura am 2. Juni 1963 mehr denn je anzusprechen versuchten, folgte der Theoriebildungsprozess einer „gerechten” islamischen Herrschaft. Khomeinis Ideologisierung äußerte sich im vorrevolutionären Iran als populistischer Revivalismus, der Lösungen und Antworten für eine mehrheitlich schiitische Bevölkerung anbot, die von der Politik des säkularen Nationalismus des Schahs enttäuscht und desillusioniert war.[84] „Die meisten Iraner darbten auf dem Land und in den wachsenden Slums der Vorstädte, während der Schah und seine Getreuen in Gold und Prunk ein mondänes Luxusleben genossen. Sie jetteten durch die Welt, gaben sich mal als „Modernisierer” und Manager, mal als Hüter altpersischer Herrschaftstradition […].”[85] Der offenen Auflehnung gegen den Schah folgte wenige Jahre später die Forderung Khomeinis nach einem islamischen Wiedererwachen. Sie ging einher mit einer themenübergreifenden Debatte über die islamische Herrschaft, den Staat und die Gesellschaft.

Riesebrodt analysiert die Weltanschauung Khomeinis aus der heilsgeschichtlichen und der gesellschaftskritischen Dimension: „Untersucht man die heilsgeschichtliche Dimension, so befaßt man sich mit seinen Vorstellungen über die theologische Bedeutung der Gesellschaftskrise der Gegenwart im Spannungshorizont zwischen Offenbarung und islamischer Urgemeinde als dem „goldenen Zeitalter” auf der einen Seite und künftiger Heilserwartung durch die Rückkehr des 12. Imam aus der Verborgenheit (pers. ™eybat) und der Verwirklichung der göttlichen Ordnung auf der anderen Seite. So betrachtet, erscheint der Fundamentalismus vor allem als mythischer Regreß und Nativismus, als Millenarismus und Messianismus, als charismatische Bewegung mit dem Anspruch, Instrument des göttlichen Handelns in der Welt zu sein.”[86] Auf gesellschaftskritischer Ebene benenne der Fundamentalismus darüber hinaus „[…] diejenigen Phänomene, sozialen Gruppen und Mächte, die in seiner Sicht das Wesen der gegenwärtigen Verderbnis der Gesellschaft ausmachen und die Schuld an dieser Entwicklung tragen.”, so Riesebrodt.[87] Der Protest Khomeinis entzünde sich erstens am moralischen Verfall der Bevölkerung, zweitens an der Säkularisierungspolitik des Schahs, drittens an dem Einfluss fremder Mächte – womit vor allen Dingen die USA, Großbritannien, Israel und Russland gemeint waren – und viertens an der sozialen und ökonomischen Ungerechtigkeit.[88]

Diese Themenbereiche betreffen allesamt diejenigen Einflusssphären, in denen die þulamÁÿ im Verlauf der geschichtlichen Entwicklungen der Schia gewisse Kompetenzen errungen hatten. Auf Modernisierungsmaßnahmen des Schahs, die mit einer zunehmenden Beschneidung ihrer Kompetenzen als Stellvertreter des Verborgenen Imam in der religiösen und der rechtlichen Sphäre einher gingen, reagierten sie bereits in der Vergangenheit revivalistisch, aber nicht fundamentalistisch und gleichzeitig aufgrund ihrer Befähigung zum eºtehÁd zu Neuerungen bereit. Andernfalls wäre der allmähliche Ausbau ihrer Kompetenzen gar nicht erst möglich gewesen. Bereits das Entschwinden des MahdÍ in die Verborgenheit im Jahr 873/874 (260 A.H.), das innerhalb der Schia eine zentrale Herrschaftskrise auslöste, warf die Frage nach würdigen Stellvertretern des Verborgenen Imam auf, die das entstandene Machtvakuum füllen konnten, das die bisher als religiöse und politische Autoritäten fungierenden rechtgeleiteten Imame hinterließen. Antworten auf Legitimationsfragen religiöser und rechtlicher Autorität wurden seither von den þulamÁÿ speziell im Koran und der Sunna gesucht und auch gefunden. Formen und Wege einer legitimen Stellvertretung al-MahdÍs wurden bis in die Gegenwart debattiert. Diese Debatten fanden in Iran durch Khomeinis revolutionäre Doktrin der velÁyat-e faqÍh vorerst ihren Abschluss.[89]

Riesebrodt und Meyer vernachlässigen die Bedeutung des traditionell religiösen und rechtlichen Anspruchs der UÈÚlÍs – in deren Tradition Khomeini steht –, während der Zeit der Verborgenheit des MahdÍ dessen allumfassende Autorität stellvertretend auszuüben, um so das Fortbestehen einer idealisierten islamischen Ordnung bis zur erwarteten Rückkehr des MahdÍ sicherzustellen. Die verstärkte Rückbesinnung der þulamÁÿ – in bestimmten Situationen, die von ihnen als Krise empfunden wurden – auf die Inhalte der religiösen Überlieferung stellt kein Phänomen der Moderne per se dar. Folglich kann die Berufung Khomeinis auf die Quellen der islamischen Überlieferung nicht schlicht mit dem Begriff des religiösen Fundamentalismus gleichgesetzt werden, der eine moderne Form des Protests gegen die negativen Manifestationsformen der säkularen Gestalt westlicher Moderne ist.[90] Khomeini lediglich als religiösen Fundamentalisten zu bezeichnen verstellt meiner Meinung nach die Sicht auf die Bedeutung der historisch gewachsenen Autoritätserweiterung der UÈÚlÍs und der Befähigung des marºaþ-e taqlÍd zum iºtihÁd, sowie der sich daraus ergebenden Konsequenzen. Im folgenden Kapitel wird daher der Versuch einer Differenzierung der Perspektiven der Weltanschauung Khomeinis vorgenommen, um schließlich zu einem genaueren Verständnis seines Anspruchs gelangen zu können.

[...]


[1] Renger, Populärer Journalismus, S. 27 f.

[2] Die Auswanderung (arab. hiºra) des Propheten Mohammed von Mekka nach Medina erfolgte im Jahr 622 christlicher Zeitrechnung (arab. sana masͽÍya). Die Auswanderung Mohammeds markiert den Beginn der medinischen Phase. Mit diesem Jahr beginnt die islamische Zeitrechnung (arab. sana hiºrÍya); im Folgenden mit A.H. (Anno Hiºra) bezeichnet. Arabische bzw. persische Begriffe werden im Folgenden mit den Abkürzungen „arab.” bzw. „pers.” versehen.

[3] So etwa bei Steinbach, Die „Zweite Islamische Republik”. Der Gottesstaat auf dem Weg in die Normalität, Halm, Die Schia, S. 158-166 oder bei Nirumand, Iran-Report, Januar und Februar 2006.

[4] Auf die Ereignisse und die Bedeutung der Islamischen Revolution wird im Rahmen der Arbeit lediglich eingegangen, insofern sie in Bezug zur Thematik der Arbeit stehen. Stellvertretend für die umfassende Literatur zur Islamischen Revolution in Iran seien an dieser Stelle folgende Autoren erwähnt: Cottam, The Iranian Revolution; Kamrava, Revolution in Iran; Milani, The Making of Iran’s Islamic Revolution; Naficy, Klerus, Basar und die iranische Revolution und Parsa, Social Origins of the Iranian Revolution.

[5] Gemäß Habermas sind die Herausforderungen der Moderne erstens die Tatsache des religiösen Pluralismus, zweitens der Aufstieg der modernen Wissenschaften und drittens die Durchsetzung von positivem Recht und profaner Gesellschaftsmoral. Habermas, Zwischen Naturalismus und Religion, S. 143.

[6] Diese beiden Staaten sind das Sultanat Oman und die Union der Komoren. Bezüglich der Mitgliedstaaten der OIC siehe die offizielle Homepage der OIC: http://www.oic-oci.org/english/main/member-States.html.

[7] Mauretanien und Pakistan sind die beiden anderen Islamischen Republiken. Die Islamische Republik Mauretanien wurde bereits am 28.11.1958 als autonomer Staat innerhalb der Communaute Francaise proklamiert, d.h. die Kolonialmacht Frankreich hat auf diese Weise dem Druck innerer mauretanischer Kräfte nachgegeben. „[...] Am 2.11.1953 erklärte die „Verfassungsgebende Versammlung“ in Karachi (Pakistan) das Land zur „Islamischen Republik Pakistan“ und prägte so diesen Terminus.” Ebert, Staat, Verfassung und Islam, S. 118.

[8] So bei Abrahamian, Khomeinism, Introduction, S. 1-12.

[9] Dem Begriff velÁyat-e faqÍh folgend, spreche ich von der Herrschaft des (ranghöchsten) Rechtsgelehrten. Die Singularität des Begriffs wurde von Khomeini nicht explizit erklärt. Ich gehe jedoch davon aus, dass Khomeini die Herrschaft des (ranghöchsten) Rechtsgelehrten als Stellvertreter des Verborgenen Imam als eine von nur einem Rechtsgelehrten stellvertretend übernommene Herrschaft deklariert, um dessen Charisma in seiner Funktion hervorzuheben. Vermutlich geschah dies in Anlehnung an die Tatsache, dass auch die rechtgeleiteten Imame das souveräne Herrschaftsrecht ausschließlich allein ausübten.

[10] Das arab. Verbalnomen faqÍh wird aus dem Verb faqiha/faqÁha (verstehen, begreifen/Rechtskenntnis besitzen) abgeleitet.

[11] Auf die Begriffe Eschatologie und Chiliasmus wird in Kapitel 2.1. näher eingegangen.

[12] Ross; Ulrich, Die neuste Weltordnung, in: Die Zeit, 09.02.2006.

[13] In der vorliegenden Magisterarbeit beziehe ich mich auf die im Iran bedeutende Gruppe der Schia, die offiziell mit „Zwölfer-Schia“ (arab. IÝnÁ þašarÍya) bezeichnet wird. Siehe hierzu den Artikel „ IÝnÁ þašarÍya “ in EI², Bd. 4, S. 277-279.

[14] Der Begriff „Schiiten“ bezieht sich auf die so genannten zwölfer-Schiiten, die eine Folge von insgesamt zwölf Imamen akzeptieren. Diese sind in ihrer Reihenfolge 1. þAlÍ ibn AbÍ TÁlib, 2. al-¼asan ibn þAlÍ, 3. al-¼usain ibn þAlÍ, 4. þAlÍ ibn al-¼usain (Zayn al-þÀbidÍn), 5. Mu½ammad al-BÁÅir, 6. ¹aþfar aÈ-ÆÁdiÅ, 7. MÚsÁ al-KÁãim, 8. þAlÍ ar-Ri±Á, 9. Mu½ammad ¹awÁd at-TaÅÍ, 10. þAlÍ an-NaÅÍ, 11. al-¼asan al-þAskarÍ und 12. Mu½ammad al-MahdÍ (WalÍ al-þAÈr). Zu den Anfängen der Schia siehe insbesondere Halm, Die Schia, S. 1-33 und Artikel „ IÝnÁ þašarÍya” in EI², Bd. 4, S. 277-279. Die Eigenheiten der Schia als religiöse Bewegung sind „[…] ein besonderes Verhältnis zu ihren eigenen Autoritäten, den Imamen, eine auf diese sich berufende eigene Rechtsüberlieferung, Eigenarten des Kultus, eigene Feste und Wallfahrtsstätten, ein besonderes religiöses Klima, das durch Passionsfreudigkeit gekennzeichnet ist, und schließlich sogar so etwas wie einen eigenen Klerus.” Halm, Die Schia, S. 2. Halm betont jedoch, dass die Unterschiede zwischen Schiiten und Sunniten in erster Linie nicht theologisch-dogmatischer Natur seien, sondern vielmehr durch die Anhängerschaft und Loyalität gegenüber einem bestimmten Oberhaupt entsprungen sind. Halm, Die Schia, S. 2.

[15] In einer Rede, die der Prophet Mohammed im Jahr 632 (10 A.H.) an einem Ort namens ³adÍr-e ¾umm hielt, erklärte er den Koran und seine Nachkommenschaft als zwei wertvolle Dinge, die er hinterlassen werde, und er sprach: „Wahrlich, Gott ist mein Herr und ich bin der Führer der Gläubigen. Wessen Führer ich bin, dessen Führer ist þAlÍ.” Khamehi, Grundlagen des politischen Systems der Islamischen Republik Iran, S. 59.

[16] Vom Jahr 873 oder 874 (260 A.H.) bis zum Jahr 941 (329 A.H.) lebte al-MahdÍ in der „kleinen Verborgenheit” (arab. al-™aiba aÈ-ÈugrÁ), in der er noch mit vier Botschaftern (arab. sufarÁÿ, sing. safÍr) in Verbindung stand. Seitdem lebt er in der „großen Verborgenheit” (arab. al-™aiba al-kubrÁ). Zu den Epochen der „kleinen Verborgenheit” und der „großen Verborgenheit” siehe Halm, Die Schia, S. 41-47, sowie Keddie; Cole, Shi’ism and Social Protest, Introduction, S. 6.

[17] Cole, Sacred Space and Holy War, S. 10.

[18] EI², Bd. 4, S. 277.

[19] Zu al-¼asan aÔ-ÓÚsÍ siehe Sachedina, Islamic Messianism, S. 36 ff.

[20] Keddie; Cole, Shi’ism and Social Protest, Introduction, S. 7.

[21] Arjomand, The Shadow of God and the Hidden Imam, S. 64

[22] Arjomand, The Shadow of God and the Hidden Imam, S. 54.

[23] Imam Khomeini, WilÁyat FaqÍh, S. 104.

[24] Halm, Die Schia, S. 53.

[25] Zu den juristischen Ausführungen þAllÁma al-¼illÍs in seinem Werk MahÁdiÿ al-wuÈÚl ilÁ þilm al-uÈÚl („Die Ausgangspunkte von denen man zur Wissenschaft der Prinzipien gelangt) siehe Halm, Die Schia, S. 87 ff.

[26] Arjomand, The Shadow of God and the Hidden Imam, S. 29.

[27] Halm, Die Schia, S. 85.

[28] Im letzten Kapitel des Buches MahÁdiÿ al-wuÈÚl ilÁ þilm al-uÈÚl („Die Ausgangspunkte von denen man zur Wissenschaft der Prinzipien gelangt”) definiert þAllÁma al-¼illÍ iºtihÁd als „äußerste Anstrengung der Fähigkeit, über diejenigen Fragen des Gesetzes zu spekulieren (naãar), die der Vermutung unterliegen (ãannÍya).” Halm, Die Schia, S. 86.

[29] Halm, Die Schia, S. 89.

[30] EI², Bd. 4, S. 278.

[31] Arjomand, The Shadow of God and the Hidden Imam, S. 67.

[32] Sachedina, Islamic Messianism, S. 1.

[33] Arjomand, The Shadow of God and the Hidden Imam, S. 71-84 und Halm, Die Schia, S. 98-107.

Unter dem Begriff Eschatologie (griech. τ ὰ έσχατα, ta eschata, „die äußersten/letzten/schlimmsten Dinge”) wird heute die Lehre von den sich aus dem Glauben ergebenden Hoffnungen auf Vollendung des Einzelnen (individuelle Eschatologie) und der gesamten Schöpfung (universale Eschatologie) verstanden. Artikel „Eschatologie” unter http://www.wikipedia.org/wiki/eschatologie.

[34] Arjomand, The Shadow of God and the Hidden Imam, S. 76.

[35] Arjomand, The Shadow of God and the Hidden Imam, S. 76.

[36] Siehe den Artikel „Millenarismus” unter http://www.wikipedia.org/wiki/millenarismus.

[37] Sachedina, Islamic Messianism, S. 181.

[38] Sachedina, Islamic Messianism, S. 9.

[39] Arjomand, The Shadow of God and the Hidden Imam, S. 79.

[40] Halm, Die Schia, S. 103.

[41] Halm, Die Schia, S. 101.

[42] Halm, Die Schia, S. 110.

[43] Arjomand, The Shadow of God and the Hidden Imam, S. 133 f., Halm, Die Schia, S. 112 und S. 117, sowie Keddie; Cole, Shi’ism and Social Protest, Introduction, S. 7 f.

[44] Der Begriff UÈÚlÍ leitet sich aus dem Nomen aÈl (arab. „Wurzel”, „Ursprung”, „Quelle”; plur. uÈÚl = „Prinzipien”) ab. Ein UÈÚlÍ richtet sich also sinngemäß nach den Prinzipien des iºtihÁd und taqlÍd.

[45] Arjomand, The Shadow of God and the Hidden Imam, Kap. 4.1. The Suppression of Millenarian Extremism among the QizilbÁsh, Kap. 4.2 The Suppression of Sufism und Halm, Die Schia, S. 111 und S. 113.

[46] Halm, Die Schia, S. 113.

[47] Die Bezeichnung A¿bÁrÍ leitet sich aus dem Nomen ¿abar (arab. „Überlieferung“; pl. a¿bÁr) ab. Die A¿bÁrÍs unter den þulamÁÿ vertraten eine Lehrmeinung, die sich eng an den Inhalten der wortwörtlichen Überlieferungen (arab. naql) des Korans sowie den Aussagen und Handlungen des Propheten und der Imame orientierte.

[48] Das Prinzip des taqlÍd bedeutet, dass derjenige, der nicht zum iºtihÁd befähigt ist, sich der rechtlichen Autorität eines lebenden Rechtsgelehrten unterwirft, ihn also zur Rechtsfindung bevollmächtigt (arab. qallada).

Die Methode des rationalistischen Argumentierens (arab. kalÁm) war bereits innerhalb der theologischen und philosophischen Disziplinen im 8. Jahrhundert entwickelt und später in die schiitische Jurisprudenz übernommen worden. Halm, Die Schia, S. 62 f. Zu den Prinzipien iºtihÁd und taqlÍd siehe Halm, Die Schia, Kap. Die Schule von ¼illa und die Grundlagen des schiitischen Rechts: IºtihÁd und TaqlÍd, S. 84-90.

[49] Cole, Sacred Space and Holy War, S. 60.

[50] Halm, Die Schia, S. 131.

[51] Halm, Die Schia, S. 125.

[52] Cole, Sacred Space and Holy War, S. 63 f.

[53] Der arab. Begriff takfÍr ist das Verbalnomen zu dem Verb kaffara („jemanden des Unglaubens anklagen“). Das Aussprechen des takfÍr bedeutet, den Angeklagten in diesem Zusammenhang im Sinne des schiitisch orthodoxen Klerus dem Unglauben zu bezichtigen und ihm so seinen Status als Muslim abzusprechen.

[54] Siehe hierzu auch Arjomand, The Shadow of God and the Hidden Imam, S. 243 f. und Halm, Die Schia, S. 139.

[55] Halm, Die Schia, S. 137.

[56] Keddie; Cole, Shi’ism and Social Protest, Introduction, S. 10.

[57] Hunter, Iran after Khomeini, S. 9.

[58] Bezüglich der Rüclständigkeit Irans im ausgehenden 19. Jahrhundert im Vergleich zu anderen Regionen bemerkt Cottam: „Iran entered the era of rapid change in the late 1800s. It was centuries behind Western Europe, a century behind Russia, a half century behind Turkey, but a half century ahead of Africa.” Cottam, The Iranian Revolution, S. 63.

[59] Keddie; Cole, Shi’ism and Social Protest, Introduction, S. 9.

[60] Halm, Die Schia, S. 144.

[61] Halm, Die Schia, S. 145. Das irakische SÁmarrÁÿ, 100 Kilometer nördlich von Bagdad gelegen, ist eine von mehreren Städten, die den Schiiten als geheiligt gelten, da sie die Schreine der Imame beherbergen. In einem der Schreine SÁmarrÁÿs, dessen goldene Kuppel interessanterweise im Jahr 1868-69/1285 A.H. von NÁÈer od-DÍn ŠÁh gestiftet wurde, liegen unter anderem der 10. Imam þAlÍ an-NaÅÍ, und der 11. Imam al-¼asan al-þAskarÍ begraben. In dem Keller eines anderen Schreins von SÁmarrÁÿ entschwand der Zwölfte Imam, der MahdÍ, in die Verborgenheit. Siehe hierzu auch den Artikel „SÁmarrÁ” in EI², Bd. 8, S. 1039-1041 und Sachedina, Islamic Messianism, S. 25.

[62] Seitdem sich die IRI dem Vorwurf ausgesetzt sieht, in ihren Urananreicherungsanlagen Mengen angereicherten Urans für den Bau der Atombombe herzustellen, beherrscht der Streit um das Atomprogramm in der IRI die Schlagzeilen in den Medien. Die Wahl des islamistisch-populistischen Präsidenten Ma½mÚd A½madÍ-NeõÁd und dessen antiisraelische Äußerungen ziehen zusätzlich die Aufmerksamkeit der Medien auf sich.

[63] Esposito, Islam and the State in Modern Islamic Political Thought, S. 237 f.

[64] Fürtig beschreibt diese Generation wie folgt: „Sie unterscheidet sich in Anspruch und Aufgabe, aus den abstrakten Theorien der dritten Generation funktionierende Praxis werden zu lassen. Mit ihrem Sieg formierten die iranischen Islamisten aus der Oppositions- eine machtausübende Bewegung. Ihr größtes Handicap besteht in ihrem schiitischen Charakter.” Fürtig, Islamismus: Entstehung, Wesen und Ziele, S. 9.

[65] Esposito, Islam and the State in Modern Islamic Political Thought, S. 244.

[66] „While Fundamentalists are a minority in most muslim societies and states, their insistent and vehement discourse has had much effect on the muslim world, moving into the vacuum left by the failure of secular regimes, redefining orthodoxy, reconstituting the boundaries of political power relations, limiting the borders of the permissible, resonating in the hearts of the impoverished masses, and appealing to a new strata of literate people with modern technical education.” Zeidan, The Islamic Fundamentalist View of Life, S. 27.

[67] Riesebrodt, Fundamentalismus als patriarchalische Protestbewegung, S. 170.

[68] Zeidan, The Islamic Fundamentalist View of Life, S. 34.

[69] Esposito, Islam and the State in Modern Islamic Political Thought, S. 238.

[70] Esposito, Islam and the State in Modern Islamic Political Thought, S. 238.

[71] Esposito, Islam and the State in Modern Islamic Political Thought, S. 244.

[72] Cottam, The Iranian Revolution, S. 74.

[73] Kamrava untersucht ausführlich die Auswirkungen der „Weißen Revolution” auf die gesellschaftlichen Veränderungen im vorrevolutionären Iran. Kamrava, Revolution in Iran, S. 97-102.

[74] Im Rahmen des Family Protection Law wurden das Familien-, das Ehe- und das Scheidungsrecht neu geregelt, wodurch die rechtliche Stellung der Frau gestärkt wurde. Riesebrodt, Fundamentalismus als patriarchalische Protestbewegung, S. 156.

[75] Algar, Islam and Revolution, S. 309. Anlässlich des þÀšÚrÁÿ-Festtags am 10. Mo½arram wird der Jahrestag des Märtyrertods des Dritten Imam al-¼usain ibn þAlÍ im Jahr 680/60 A.H. gefeiert. Zum Martyrium al-¼usains, dem „Fürst der Märtyrer“ (arab. sayyid aš-šuhadÁÿ), siehe Halm, Die Schia, S. 18-21.

[76] Algar, Islam and Revolution, S. 178.

[77] Halm, Die Schia, S. 157 und Martin, Creating an Islamic State, S. 63. Jene gesellschaftlichen Gruppen bezeichnet Riesebrodt als „Teilgruppen des fundamentalistischen Milieus”. Riesebrodt, Fundamentalismus als patriarchalische Protestbewegung, S. 181. Zur Bedeutung der Studenten als Mobilisierungspotential für die Islamische Revolution siehe Milani, The Making of Iran’s Islamic Revolution, S. 113-115.

[78] Halm, Die Schia, S. 157. Wie Riesebrodt feststellt, schwanken die Zahlenangaben der getöteten Demonstranten zwischen 56 und 20.000. Während die Opposition von 15.000 oder sogar 20.000 Toten sprach, wurden von der Regierung Angaben zwischen 56 und 200 getöteten Demonstranten gemacht. Riesebrodt, Fundamentalismus als patriarchalische Protestbewegung, S. 143 und Martin, Creating an Islamic State, S. 63.

[79] Algar, Islam and Revolution, S. 176.

[80] Meyer, Fundamentalismus, S. 174.

[81] Riesebrodt, Fundamentalismus als patriarchalische Protestbewegung, S. 182.

[82] Riesebrodt, Fundamentalismus als patriarchalische Protestbewegung, S. 184.

[83] Keddie; Cole, Shi’ism and Social Protest, Introduction, S. 26.

[84] Zu dem Begriff Populismus im Zusammenhang mit der Staatsideologie Khomeinis siehe Kapitel 2.4. Politische Theorie: islamische Ordnung und die Konzeption der Staatsideologie der Islamischen Republik Iran (IRI).

[85] Martschukat, Ein Kaiser gibt auf, in: Die Zeit, 08.01.2004.

[86] Riesebrodt, Fundamentalismus als patriarchalische Protestbewegung, S. 152.

[87] Riesebrodt, Fundamentalismus als patriarchalische Protestbewegung, S. 152.

[88] Riesebrodt, Fundamentalismus als patriarchalische Protestbewegung, S. 154.

[89] Zu dieser Schlussfolgerung gelangt auch Halm: „[…] tatsächlich sind aber in der Islamischen Republik die Provisorien, mit denen die imamitische Schia seit der ™aiba des zwölften Imams experimentiert hatte, erstmals durch die definitive, unmittelbare Theokratie ersetzt; zugleich wird die Stellvertreterrolle der þulamÁÿ, die im Verlauf von mehreren Jahrhunderten ausgebaut worden war, durch die Übernahme der direkten politischen Regierungsgewalt vollendet.” Halm, Die Schia, S. 164.

[90] Siehe hierzu die interessanten Ausführungen Meyers zum Aufstand des Fundamnetalismus gegen die Moderne in Meyer, Fundamentalismus, S. 65-154.

Final del extracto de 125 páginas

Detalles

Título
Die Islamische Republik Iran als Gottesstaat
Subtítulo
Anspruch und Wirklichkeit der Staatsideologie Khomeinis
Universidad
University of Hamburg  (Asien Afrika Institut)
Calificación
1
Autor
Año
2006
Páginas
125
No. de catálogo
V73806
ISBN (Ebook)
9783638685634
ISBN (Libro)
9783638725583
Tamaño de fichero
2061 KB
Idioma
Alemán
Notas
Einer der bekanntesten Wortführer des politischen Islam in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist Ayatollah Khomeini. Er gab eine Antwort auf die zentrale Frage der Schiiten, wer den legitimen Anspruch erheben darf, während der Zeit der Verborgenheit des Zwölften Imams als dessen rechtmäßiger Stellvertreter aufzutreten. Mit der Gründung der IRI ist es erstmals einem Fürsprecher des politischen Islam gelungen, seine Ideologie als offizielle Staatsideologie zu etablieren.
Palabras clave
Islamische, Republik, Iran, Gottesstaat
Citar trabajo
Oliver Borszik (Autor), 2006, Die Islamische Republik Iran als Gottesstaat, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/73806

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