Entwicklung des Wortschatzes vom Mittelhochdeutschen bis zum Gegenwartsdeutsch


Trabajo, 2005

38 Páginas, Calificación: 1,0


Extracto


Inhalt

I. Einleitung

II. Erbgut
1. Wortbildung
1.1 Wortbildung durch Zusammensetzung
1.1.1 Im Mittelhochdeutschen
1.1.2 Im Frühneuhochdeutschen
1.1.3 Im Neuhochdeutschen
1.2 Wortbildung durch Ableitung
1.2.1 Wortableitung durch Präfigierung
1.2.2 Wortableitung durch Suffigierung
1.3 Nominale Umschreibungen
2. Lehnprägung oder der innere Lehneinfluss
2.1 Lehnbildung
2.1.1 Lehnübersetzung
2.1.2 Lehnübertragung
2.1.3 Lehnschöpfung
2.2 Lehnbedeutung
3. Bedeutungswandel
3.1 Bedeutungsverengung und -ausweitung
3.2 Bedeutungsübertragung
3.3. Bedeutungswandel infolge von Sachwandel
3.4 Worttausch
3.5. Semantische Verschiebungen im Variantenabbau
3.6 Inhaltliche Auf- und Abwertung
4. Wortersatz, Wortschwund
4.1 Im Mittelhochdeutschen
4.2. Im Frühneuhochdeutschen
4.3 Im Neuhochdeutschen
5. Wiederbelebung untergegangener Wörter

III. Lehngut
1. Wortentlehnung
1.1 Im Mittelhochdeutschen
1.2 Im Frühneuhochdeutschen
1.3 Im Neuhochdeutschen
2. Lehnwortbildung
3. Sprachreinigungsbewegung

IV. Vereinheitlichung des deutschen Wortschatzes
1. Die mittelhochdeutsche Dichtersprache
2. Entstehung eines frühneuhochdeutschen Standardwortschatzes
3. Ausbildung der neuhochdeutschen Einheitssprache

V. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Dass der Wortschatz natürlicher Sprachen - im Vergleich zum geschlossenen Laut- und Schreibsystem, zur Morphologie und zur Syntax - einem schnellen Wandel unterliegt, gehört zum Alltagswissen der Sprachteilhaber und zu den Selbstverständlichkeiten sprach- und wortgeschichtlicher Darstellungen. Welches sind aber die Gründe für diesen Wort-schatzwandel, für seine Vermehrung, seine Veränderungen und seine Verluste?

Im Folgenden werde ich versuchen, diese Fragen weitgehend in einem diachronen Ver-fahren zu beantworten, wobei ich im Rahmen dieser Arbeit allerdings auf viele interessante Einzelheiten verzichten muss.

Den Bereich der Onomastik werde ich ebenfalls außer Acht lassen, da es sich auf diesem Gebiet größtenteils nicht um sprachliche Zeichen, sondern lediglich um Namen mit Markierungsfunktion handelt.

II. Erbgut

1. Wortbildung

„Die Fähigkeit [zur Wortbildung] war schon in der indogermanischen Grundsprache vorhanden, und sie hat sich durch alle Zeiten hindurch bis in die Gegenwart hinein erhalten.“[1] Diese Fähigkeit, so Hirt, sei so groß, dass Tag für Tag neue Zusammen-setzungen gebildet würden. Manche von ihnen blieben bestehen, andere, und zwar die meisten, vergingen wieder.

1.1 Wortbildung durch Zusammensetzung

1.1.1 Im Mittelhochdeutschen

Eigentliche Komposition, die Kopplung eines selbständigen Nomens ohne Flexionsendung als Erstglied mit einem ebensolchen Zweitglied, das die vom Satzzusammenhang her erforderliche Kasusendung aufweist, sind im Althochdeutschen noch wenig zahlreich. In mittelhochdeutscher Zeit weitet sich diese Art der Wortbildung stetig aus: âbent-stern, wirbel-wint, turtel-tûbe, bû-man, frî-wîp, hant-werc, îsen-smit, schrîb-wîse, heide-krût.

An einigen Stellen werden bereits Simplizia durch neue Zusammensetzungen verdrängt, z.B. hand-tuch statt ahd. dwahila, mhd. twehele; sprich-wort statt ahd./mhd. bîspel; schaf-herde statt ahd. ewit; apfel-boum statt affoltra. Ein ursprünglich als einheitlich erfahrener Sinneseindruck, so Tschirch, werde nun als komplex erkannt und sprachlich in zwei Komponenten geteilt, er werde demnach „assoziativ mit zwei anderen Aussageinhalten in Beziehung gesetzt, während das einfache Wort ohne solche Stütze für sich allein stand“[2].
Die uneigentliche Komposition ist entstanden aus der syntaktischen Verbindung eines Substantivs mit einem davon abhängigen und im Mhd. regelmäßig vorangestellten Genitiv. In einem langwierigen Prozess wuchs nun diese Ausgangsverbindung zu einer uneigentlichen Komposition zusammen, wie beispielsweise in mînes vater hûs>das Vaterhaus, sîner muoter lîbe>die Mutterliebe. Beide Formen existierten lange Zeit parallel. Weitere Beispiele dieser Kategorie sind êrencrône, hurengeld, kleiderkamer oder tôdisnôt.
Dass der Bereich der Komposition während des Hoch- und Spätmittelalters mächtig in Bewegung geriet, erweist sich auch daran, dass bereits hie und da dreigliedrige Komposita auftauchten, wie kar-frî-tac, âbent-sunnen-schîn, mit-tages-zît oder sunn-âbendes-tac.

1.1.2 Im Frühneuhochdeutschen

„Das im Zeitalter der Entdeckungen als Folge der Erweiterung des äußeren wie des inneren Weltbildes mächtig zunehmende Bedürfnis nach entsprechender Erweiterung des Wortschatzes wird, wie schon im Mittelalter, in vorderster Reihe durch Zusammensetzung von Simplizia befriedigt“[3].

Die eigentlichen Komposita sind noch äußerst produktiv: Geburttag, Jahrzeit, Blutfreund, Amtknecht; Weynacht-liedt, Hochzeitlied, doch aufs Ganze gesehen wird ihre Zahl jetzt durch die uneigentlichen Komposita immer stärker in den Schatten gestellt. Titel einiger Bücher aus dem 16. Jh. zeigen noch immer die ursprünglich syntaktische Form mit vorangestelltem Genitiv: Der Schelmen Zunft oder Der jungen Knaben Spiegel. In anderen Titeln etwa zur gleichen Zeit liegen bereits zweigliedrige Komposita vor: Das Narrenschiff[4]. Indem Luther selbst seine Wendung an der stadt thor seit der zweiten Ausgabe des NT von 1526 in an das stadt thor modernisiert, gibt er ein weiteres Beispiel für diesen Übergang. Beispiele wie der stand es person oder der sonn en schein lassen erkennen, dass -(e)s bzw. -(e)n als Endung des Genitivs in der Kompositionsfuge auf ihren Charakter als ursprüngliche Zusammenrückungen hinweisen. Im Sprachbewusstsein der Sprecher ist dieser spezifische Charakter allerdings verloren gegangen und hat sich zur lautlichen Füllung umfunktionalisiert, so beispielsweise bei Aug en licht, Drach en blut, Frau en haar, Gott es dienst, Rat s herr, Tag es zeit etc.

Wie schon im Mhd. treten neu gebildete Komposita an die Stelle alter Simplizia: erbermde>Barmherzigkeit, maid>Jungfrau, kone>Ehefrau, hiefe>Hagebutte, wuofen>
wehklagen, iterücken>wiederkäuen
. Jedes dieser Beispiele macht deutlich, wie gefährdet etymologisch vereinzelte Wörter in ihrem Bestand sind. Aussicht zu überleben hätten sie oft nur, so Tschirch, wenn ihnen der Anschluss an eine lebendige Wortsippe gelinge. So trügen die Komposita Kebsweib, Schalksknecht, Lindwurm, Walfisch, Murmeltier, Maulesel, Windhund, Aulamm, Habergeiß, Schmeißfliege oder Lebkuchen in ihren ersten Bestandteilen längst sinndunkel gewordene Erbwörter versteinert weiter.
Luther hat die Möglichkeit der Wortbildung durch Zusammensetzung besonders vielfältig und zukunftsweisend genutzt. Für die weitere Entwicklung sind nicht wenige Komposita bedeutsam geworden, wie Kainszeichen, Sündenbock, Hiobspost, Jubeljahr, Feuertaufe, Gewissensbiss, Dachrinne, Fleischtopf, Machtwort, geistreich, kleingläubig. Auch formelhafte Wendungen wie der Sand am Meer, der Dorn im Auge, der verlorene Sohn oder der barmherzige Samariter haben sich derart tief in die deutsche Sprache eingelebt, dass kaum ein Sprecher von der Herkunft aus Luthers Bibel weiß.

1.1.3 Im Neuhochdeutschen

Aufgrund von Industrialisierung und zunehmender Technisierung erhielten zahlreiche neue Zusammensetzungen Einzug in den neuhochdeutschen Wortschatz: Großindustrie, Arbeitnehmer und -geber, Eisenbahn, Auto(mobil), Flugzeug, Reißver-schluss, Drehbuch, Fahrstuhl, Fernseher, Klassenkampf, Plattenspieler, Dampfheizung, Kassettenrekorder, Kunststoff. Ganze Wortfamilien haben sich z.B. auch um die Wörter Film und Rundfunk, Rakete und Atom gebildet: Kurzfilm, Stumm- und Sprechfilm, Filmindustrie; Rundfunk-deutsch, Funkreportage, Funkindustrie, Rundfunkempfänger; Raketenantrieb, -geschoss,
-flugzeug; Atomkern, -kraft, -kraftwerk, -zertrümmerung
.

Bereits seit dem 19. Jh. nehmen die dreigliedrigen Komposita stark zu (Oberbürger-meister, Hauptbahnhof), und neuerdings in weitem Umfang vier- oder mehrgliedrige derart (z.B. Vizegeneralstaatsanwalt, Lichtbildaufnahmegerät, Energieversorgungsunternehmen, Lehrerausbildungskommisionsvorsitzender, Hauszinssteuerabzahlungsdarlehen), dass man schon von einem „Wörterbäckerdeutsch“[5] spricht. Viele davon sind spontan- oder Ad-hoc-Bildungen, die graphisch oft mit Bindestrich realisiert werden: U-Bahn-Tunnelsystem, Flachdach-Deckenkonstruktion, Über-den-Dingen-Stehen, Komm-ich-heut-nicht-komm-ich-morgen-Typ.

Eine gegenteilige Tendenz zur Verkürzung lässt sich schon seit dem 18. Jh. beobachten. Damals wurde Bewegungsgrund zu Beweggrund, in neuerer Zeit Klavierspiellehrerin zu Klavierlehrerin verkürzt. Besonders stark greifen nun auch die Abkürzungen um sich, vgl. Kopfwörter wie Ober(kellner), Uni(versität), Schwanzwörter wie (Eisenbahn)Zug, (Atom)Kernspaltung, oder Klammerwörter wie Motel (Mo torho tel) oder Eurovision (Euro päische Tele vision). Einen besonderen Status haben Initialwörter, die entweder nach dem Lautwert ihrer einzelnen Buchstaben (z.B. LKW, BMW) oder phonetisch gebunden, also orthoepisch (z.B. TÜV, AIDS, NATO) ausgesprochen werden. Diese Tendenz zur Verkürzung betrifft fast ausschließlich häufig gebrauchte Substantive.

1.2 Wortbildung durch Ableitung

Neben der Zusammensetzung stellt die Wortbildung durch Ableitung bis heute das zweite unerschöpfliche Reservoir zur Deckung des unaufhörlich anschwellenden Wortbedarfs im Deutschen dar.

1.2.1 Wortableitung durch Präfigierung

Zur Wortableitung durch Präfigierung standen im Mhd. die unselbständigen Präfixe ga-/ge-, bi-/be-, za-/ze-, ur-/er-, ant-/ent-, fur-/ver-, zur-/zer- und die selbständigen Präpositionen ab, an, auf, bei, durch, gegen, in, mit, hinter, über, unter, vor, wider zur Verfügung, wobei die Präpositionen als Erstglied der Ableitung ihre Selbständigkeit beibehielten, was ihre Fähigkeit, die neu gewonnene Einheit in bestimmten Wortstellungen im Satzzusammenhang wieder zu lösen, beweist (z.B. aufstehen / ich stehe auf; mitteilen / ich teile mit etc).

Präfixbildungen treten schon im Ahd. in großer Zahl auf, im Mhd. wächst diese Zahl stetig, insbesondere zur Bezeichnung neuer, differenzierter Verbinhalte: verdiezen,verhallen’ , erreizen,aufreizen’ , bemeistern,meisterlich gestalten’ , missedienen,einen schlechten Dienst leisten, beleidigen’, abgrunt, Hölle’.

Wie die Komposita treten auch Präfixableitungen an die Stelle alter Simplizia, so z.B. bot>gebot, fâr>Gefahr, rûch<Geruch, schenk>Geschenk, weinen/beweinen, klagen/beklagen, leugnen/verleugnen. Nun stehen auch negierende Derivate mit -un neben den Simplizia, beispielsweise un-gesund neben kranc, un-triuwe neben valsch oder un-loben neben tadelen.

Bei der Präfigierung von Verben sind im Nhd. besonders produktiv: ver- (verarschen, veräppeln), er- (errechnen, erschließen), be- (begrünen, befummeln), ent- (entpflichten, entfristen), ab- (abstellen, abstauben), über- (überarbeiten, überfragen). Zusätzlich breiten sich deutsche und lateinische Verneinungsformen aus: nichtamtlich, unsachlich, unschön, unrichtig, nichtöffentlich, amoralisch, inkompetent, insuffizient.

1.2.2 Wortableitung durch Suffigierung

Die meisten Ableitungssuffixe sind als ursprüngliche Nomina nachzuweisen, die infolge häufigen Gebrauchs und ihrer Nebentonigkeit als zweites Kompositionsglied zu unselbständigen Nachsilben verkümmerten. So sind hiu tagu zu heute, ein-bar zu Eimer oder wint-brâ zu Wimper abgemagert.

Bei der Wortableitung durch Suffigierung war im Mhd. die Kopplung von Substantiven mit dem Adjektiv lôs, wie in ende-lôs, boden-lôs, name-lôs, wille-lôs oder grunde-lôs,unergründlich’ sehr beliebt. Gängig ist auch bereits die Derivation mit -heit bzw. -keit (ursprünglich selbständiges Femininum in der Bedeutung ,Gestalt, Art und Weise’), wie die Beispiele gotheit, cristenheit und menschheit bezeugen. Ihre Gängigkeit macht sie handlich für die Gewinnung von Abstrakta aus Adjektiven wie kiuschheit, schœnheit, stætecheit, vernünfteheit, mugelicheit oder trunkenheit.

Das germanische Suffix -nissi findet sich im Mhd. in Derivaten wie bekantnisse,Erkenntnis’, ziugnüsse,Zeugnis’ oder geheimnus wieder.

Bevor das ebenfalls germanische Bildungssuffix -unga auf Abstrakta oder Begriffe wie anschouwunge,Anschauung’ oder mitelîdunge,Mitleid’ angewandt wird, bestimmt es die Zugehörigkeit, gibt es bei Personen ihre Herkunft oder Sippenzusammenhänge an (vgl. ahd. sunu-fatar-ungo im Hildebrandslied oder mhd. Nibel-unge). Später und heute ist dieses Suffix -ung sehr produktiv, was z.B. der Artikel 18,6 der Weimarer Verfassung von 1919 „Nach Feststell ung der Zustimm ung des Bevölker ung hat die Reichsregier ung dem Reichstag ein entsprechendes Gesetz zur Beschlussfass ung vorzulegen[6] oder Beispiele wie Spezialisierung oder Verringerung zeigen.

Des Weiteren dienen die traditionellen Wortbildungsmittel -heit/-keit (Neuheit, Bezogen-heit), -ion (Emanzipation, Kommunikation), -ismus (Perfektionismus, Aktionismus), -er (Auftraggeber, Blinker), -ler (Arbeitsrechtler, Abweichler),- ei (Wäscherei, Raserei),- bar (essbar, zahlbar) - mäßig (fahrplanmäßig, wohnungsmäßig), - weise (massenweise, ver-tretungsweise) und – falls (gegebenenfalls, notfalls) zur Derivation durch Suffigierung, worunter allerdings einige fremdländischer Herkunft sind (s. III.2).

In Werbung, Politik, Technik und Wissenschaft werden zunehmend eigentlich freie Morpheme (Adjektive) reihenbildend verwendet: kalorien arm, nikotin arm, wetter fest, trink fest, atmungs aktiv, stoffwechsel aktiv, lohnintensiv, kosten intensiv, funktions tüchtig, gebrauchs tüchtig, umwelt freundlich, arbeitnehmer freundlich.

Zunehmend mehr Abstrakta werden durch Substantivierung gebildet. Aus dem Partizip der Vergangenheit entstehen neue Bildungen auf -heit: Bezogenheit, Zugeordnetheit, aus Adjektiven solche auf -heit und -keit: Differenziertheit, Durchgängigkeit, Bearbeitbarkeit. Immer zahlreicher werden die Ableitungen mit -ung: Bevorratung, Begradigung, Land-postverkraftung, Außerachtlassung, Instandsetzung, Zutageförderung, Aufrechterhaltung, Inrechnungstellung.

1.3 Nominale Umschreibungen

Eine oft kritisierte Erscheinungsform der Gegenwartssprache ist das Vordringen nominaler Umschreibungen auf Kosten der einfachen Verben in der Weise, dass der Inhalt eines Vollverbs durch ein meist zugehöriges Substantiv ausgedrückt wird, während ein inhaltsschwaches „Allerweltsverbum“[7] von sehr weitem und allgemeinem Begriffsumfang als Verb fungiert. Diese Funktionsverben (haben, sein, werden, geben, (be)kommen, nehmen, bringen, stehen) werden zum bloßen Träger der grammatischen Funktion, ohne eigene Aussagekraft. Auf diese Weise entstehen für gewöhnlich dreigliedrige Bildungen aus (Präposition oder Artikel +) Substantiv + Funktionsverb wie die Absicht haben, in Frage stellen, einen Rat geben.

Anstelle der Vollverben sich verabschieden, antworten, flüchten, schreien, bekreuzigen, angreifen, verfügen, (ge)brauchen werden oft die nominalen Umschreibungen vorgezogen: Abschied nehmen, zur Antwort geben oder bekommen, die Flucht ergreifen, ein Geschrei erheben, das Kreuz schlagen, in Angriff nehmen, zur Verfügung stehen, von etwas Gebrauch machen. Oft wurde auch kaum ein einfaches Verb gebraucht, wie für in Obhut nehmen, Beifall finden oder spenden, Unterschlupf suchen, Beihilfe leisten, zur Verfügung stellen.
Diese „Hauptwortseuche“[8] ermöglicht jedoch eine größere Möglichkeit zur Hervorhebung inhaltlicher Nuancen: in Brand setzen ist nicht dasselbe wie brennen, in Fahrt kommen nicht dasselbe wie fahren, in Betreib nehmen nicht dasselbe wie betreiben.
Wie stark dieser nominale Ausbau bereits die Struktur des heutigen Deutsch bestimmt, zeigt sich auch in den beliebten Weiterbildungen der Umschreibungen zu formalen Substantiven: Inbetriebnahme, Außerachtlassung Instandsetzung, Zutageförderung, Aufrechterhaltung, Inrechnungstellung, oder in Form der Substantivierung des Infinitivs durch Voransetzung des Artikels: das Inkrafttreten, das Außerachtlassen.

2. Lehnprägung oder der innere Lehneinfluss

Neben den unmittelbaren Einschüssen ausländischen Sprachguts (s. III.1) ist die Lehnprägung oder der innere Lehneinfluss, den das heimische Wortgut seit dem 13. Jh. erfährt, in Wortschatz und Wortbildung des Deutschen sehr wirksam geworden.

Lehnprägung[9]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Lehnbildung Lehnbedeutung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Lehnformung Lehnschöpfung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Lehnübersetzung Lehnübertragung

2.1 Lehnbildung

Lehnbildungen, wie auch Lehnübersetzungen, -übertragungen oder -schöpfungen bieten das Problem, dass fremdsprachlicher Einfluss nur latent vorliegt, da zwar nach fremdem Vorbild, aber unter Benutzung indigener Wortschatzbestandteile gebildet wird. Sie verraten ihre Herkunft jedoch oft dadurch, dass sie erstmals in Übersetzungen oder Berichten über auswärtige Angelegenheiten vorkommen, neben das Fremdwort gesetzt werden oder auch dadurch, dass sie durch Anführungszeichen als Neologismen hervorgehoben werden.

[...]


[1] Hirt, S. 120

[2] Tschirch, S. 73

[3] Tschirch, S.144

[4] Thomas Murners (1512), Jörg Wickram (1554) und Sebastian Brant (1494)

[5] Wolff, S. 238

[6] zit. nach Tschirch, S. 241

[7] Tschirch, S. 240

[8] Tschirch, S. 238

[9] aus: von Polenz, S. 43, nach Werner Betz

Final del extracto de 38 páginas

Detalles

Título
Entwicklung des Wortschatzes vom Mittelhochdeutschen bis zum Gegenwartsdeutsch
Universidad
University of Wuppertal
Curso
Hauptseminar "Etymologie"
Calificación
1,0
Autor
Año
2005
Páginas
38
No. de catálogo
V74254
ISBN (Ebook)
9783638690195
Tamaño de fichero
558 KB
Idioma
Alemán
Notas
Die Arbeit umfasst Änderungen im deutschen Wortschatz sowohl in Erbgut wie auch in Lehngut. Wortbildung/Komposition, Ableitung/Derivation,Lehnprägung, Bedeutungswandel, Wortersatz, Wortentlehnung, Lehnwortbildung, Sprachpurismus, Vereinheitlichung des deutschen Wortschatzes.
Palabras clave
Entwicklung, Wortschatzes, Mittelhochdeutschen, Gegenwartsdeutsch, Hauptseminar, Etymologie
Citar trabajo
Davina Ruthmann (Autor), 2005, Entwicklung des Wortschatzes vom Mittelhochdeutschen bis zum Gegenwartsdeutsch, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/74254

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