Ursachen und stadtgeographische Erscheinungsformen von Segregation in Johannesburg nach 1994


Trabajo Escrito, 2007

25 Páginas


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Stadtgeographie Johannesburgs vor 1994
2.1 Die Gründungsjahre
2.2 Die Stadtentwicklung von 1910 bis 1948
2.3 Johannesburg nach 1948 bis zum Ende der Apartheid

3. Die stadtgeographische Entwicklung Johannesburgs seit Ende der Apartheid
3.1 Grundlegende Post-Apartheid Veränderungen
3.2 Änderungen im Stadtbild Johannesburgs
3.2.1 Niedergang der Johannesburger City
3.2.2 Gentrifizierung
3.2.3 Kriminalität, gated communites und Zersiedlung

4. Aussichten

5. Fazit

6. Literatur- und Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Was nach dem Ende der Apartheid kommen würde, konnte Anfang der 90er Jahre kein Südafrikaner mit Sicherheit prophezeien. Würde ein Blutbad ausbrechen oder der Übergang von einem tyrannischen Regime zu einer Demokratie friedlich verlaufen? Würde jahrelang eine Stimmung von Missgunst und Rachsucht über das Land herrschen oder würden sich Schwarze und Weiße von einem Tag zum anderen in die Arme fallen? Trotz viel Unsicherheit konnte man zumindest auf geographischer Ebene schon ahnen, was folgen würde. Wie erwartet zogen nach der Abschaffung des Group Areas Act[1] unzählige Schwarze aus den ehemaligen homelands[2] in die städtischen Ballungsräume und viele schon ansässige Gastarbeiter zogen aus den Townships in andere Stadtteile, die zuvor ausschließlich von Weißen bewohnt waren. Die Großstädte Johannesburg, Kapstadt und Durban erlebten also gleichzeitig sowohl eine demographische Umstrukturierung also auch eine Massenzuwanderung aus umliegenden und weiter entfernten ländlichen Räumen.

Während die ehemaligen homelands (v.a. Transkei, Kwazulu und Lebowa) durch den Exodus v.a. viele junge Schwarze verloren, wuchs der Bedarf an Wohnmöglichkeiten in den Städten rasant an. Die abgelegenen Townships und innerstädtischen Gebiete konnten (und können bis jetzt) nicht alle Zugezogenen und deren Nachwuchs beherbergen, sodass an den Peripherien der Städte so genannte informal settlements (auch shanty towns oder squatter camps, größtenteils Marginalsiedlungen) entstanden, in denen die Lebensbedingungen v.a. aufgrund mangelnder Infrastruktur, Armut und Kriminalität erschwert sind.

Parallel hierzu siedelten sich im Laufe der Zeit viele weiße Südafrikaner, die es sich leisten konnten, aus den innerstädtischen Bereichen und unbegehrten Bezirken in die wohlhabenden suburbs und gated communities um. Vor allem an dem rural-urban-fringe (Stadt-Umland-Bereich) entstanden ummauerte Siedlungen, die fast autonom von der restlichen Stadt existieren und eine markante Zersiedlung des Stadt-Umland-Bereiches verursacht haben. Mit einer oft höchstentwickelten Infrastruktur (Schule, Einkaufszentrum, Banken, Sport- und Freizeiteinrichtungen) sind fast alle Daseinsgrundfunktionen des Gutverdieners innerhalb diesen bewachten Festungen abgedeckt.

Obwohl in solchen gated communities heutzutage fast alle Rassen vertreten sind, kann man wegen der sozialen Segregation der sich stark unterscheidenden Einkommensklassen in den Großstädten beinahe von einer „Neo-Apartheid“ sprechen. Auch wenn Rasse nicht mehr unbedingt eine Rolle bei der Wohnungsstandortwahl spielt, gehören die meisten Schwarzen oft immer noch der unprivilegierten Bevölkerungsgruppe an, die das Innere einer gated community nur als Haushaltsgehilfe oder Gärtner kennen gelernt haben.

In Johannesburg, der größten und meistbevölkerten Metropole Südafrikas, sind u.a. die Prozesse der Segregation [die „räumliche Trennung und Abgrenzung von sozialen Gruppen gegeneinander“ (Leser 2005, S. 831)] und der Zersiedlung des Stadt-Umland-Bereichs (auch urban sprawl) sehr deutlich erkennbar. Nicht nur gibt es in Johannesburg mehr gated communities als in jeder anderen südafrikanischen Stadt, sondern hier leben die Ärmsten und Reichsten des Landes meist gleich nebeneinander – die einen in einer fast europäischen „Oase“, die anderen in instabilen Baracken aus Wellblech und Pappe.

In dieser Hausarbeit werde ich mich vor allem auf die o.g. Prozesse und deren Auswirkungen auf die räumliche Struktur der Stadt Johannesburg konzentrieren. Zuerst werde ich kurz die historische Entwicklung bis zum Ende der Apartheid skizzieren und daraufhin auf die stadtgeographischen Prozesse seit 1994 (als Beginn der Post-Apartheid-Ära) eingehen. Anhand konkreter Beispiele und mithilfe auserwählter Literatur und Statistiken werde ich versuchen, die genannten strukturellen Transformationsprozesse in Johannesburg zu schildern und zu begründen.

2. Die Stadtgeographie Johannesburgs vor

2.1 Die Gründungsjahre

Obwohl der Raum, um dem sich Johannesburg entwickelte, keine außerordentlich günstigen Faktoren für die Entstehung einer Stadt aufwies (z.B. keine Nähe zu einem größeren Fluss), bildete sich hauptsächlich wegen der Entdeckung von Gold hier die Grundlage für einen Siedlungsstandort. Der Goldfund zog nicht nur Englisch und Afrikaans sprechende Weiße in den Norden des Landes, sondern auch viele Franzosen, Niederländer, Deutsche und Briten „kolonisierten“ das Highveld[3], das zuvor noch ausschließlich den wohnhaften (mittellosen) Schwarzen gehörte. Die erste Voraussetzung für soziale und ethnische Segregation war gegeben: verschiedene Kulturen, Sprachen und sozioökonomische Gruppen.

Kurz nach der Gründung der Stadt 1886 zeigte die Stadt schon eine zersplitterte Bevölkerung auf. Während sich v.a. die Englisch und Afrikaans sprechenden Weiße auf bestimmte Standorte fixierten, bildeten viele Europäer eigene Inselgemeinschaften, um möglichst den Kontakt zur Heimat und Kultur nicht zu verlieren (bereits 1890 wurde die Deutsche Schule zu Johannesburg gegründet). Gleichzeitig wuchs die Stadt rasant weiter und hatte 1895, neun Jahre nach der Gründung, „mehr als 100 000 Einwohner und [hatte] dabei das 243 Jahre ältere Kapstadt als größte und wirtschaftlich bedeutendste Stadt im südlichen Afrika abgelöst“ (zit. nach: Gnad 2002, S. 28). Um den weißen Zugewanderten und den schwarzen Minenarbeiter Unterkunft zu gewähren, musste zügig gebaut werden. Die Stadtentwicklung erfolgte schachbrettartig und der Market Square, heute mitten in der Innenstadt zwischen der City Hall und der Stadtbibliothek, wurde funktionaler Mittelpunkt für Gewerbe und Handel (vgl. Gnad 2002, S. 28).

Es zeigte sich im Laufe der Stadtentwicklung, dass die höheren sozialen Schichten sich eher nördlich des Market Square ansiedelten. Noch heute werden die northern suburbs (nördlichen Vororte) mit besser verdienenden Johannesburger verbunden. Südlich des Market Square befanden sich die Wohnorte der schwarzen Minenarbeiter – die locations –, die den Beginn einer stadtgeographischen Apartheid einläuteten.

2.2 Die Stadtentwicklung von 1910 bis 1948

Da der Import vieler Güter aus Europa durch die beiden Weltkriege weitgehend behindert wurde, musste Südafrika sich zunehmend der Selbstversorgung zuwenden. So wandelt sich auch Johannesburg gezwungenermaßen von einer dem primären Sektor gewidmeten Bergbaustadt „zu einer multifunktionalen Handels- und Industriestadt“ (Gnad 2002, S. 35). Ein hoher Bedarf an Arbeitskräften ließ weitere Europäer (v.a. Juden, Italiener, Portugiesen, Griechen) und Afrikaans sprechende Farmer („Buren“) in die Stadt ziehen.

Zwischen den Afrikaandern mit eigener Sprache und Kultur und den Englisch sprechenden Weißen herrschte nicht zuletzt wegen der Anglo-Buren-Kriege (1880-1881; 1899-1902) ein angespanntes und eher feindseliges Verhältnis, welches sich deutlich auf das Stadtbild niederschlug. Nichtsdestotrotz waren die weniger ausgebildeten Afrikaander, auch als poor whites oder arme blankes (arme Weiße) bezeichnet, nie gezwungen, sich wohnräumlich mit der sozioökonomisch schwachen nicht-weißen Bevölkerung zu vermischen. Eine Richtlinie der Regierung setzte nämlich für weiße Südafrikaner einen Mindestlohn fest, das ihnen „einen ‚zivilisierten’ Lebensstandard sichern würde“ (Gnad 2002, S. 36). So waren schließlich die ärmsten Afrikaander noch lange nicht so arm wie die Nicht-Weißen.

Um a) „rassische“ Überfremdung (black peril), b) bestimmte wirtschaftliche Nachteile, z.B. Bodenpreisverfall oder Kundenverlust und c) Krankheiten und Kulturverfall der weißen Bevölkerung zu vermeiden (vgl. Gnad 2002, S. 37), wurden den Schwarzen neben der räumlichen Trennung in den Städten einige ländliche Gebiete (native reserves, Vorläufer der homelands) zugewiesen, in denen sie, wenn sie nicht gerade in der Stadt arbeiteten, wohnen sollten. Dieses führte oftmals zu Zwangsumsiedlungen, weil viele Schwarze in für Weiße designierte Stadtbezirke wohnhaft gewesen waren. Während den native reserves wegen der mangelhaften Infrastruktur und fehlendem Know-how der Bewohner über Landwirtschaft und Viehzucht zunehmend wirtschaftlicher Ruin drohte, verwandelten sich die städtischen locations in regelrechte Slums. Immer mehr Schwarze verließen also die „Reservate“, wo es ihnen ohnehin schlecht ging, um sich in den von miserablen Lebensbedingungen geprägten locations niederzulassen, in der Hoffnung irgendwo in der Stadt Arbeit zu finden, ob in den Minen oder in den Haushalten der „reichen Weißen“.

2.3 Johannesburg nach 1948 bis zum Ende der Apartheid

Nachdem 1948 die National Party[4] an die Macht gekommen und die Apartheid legislativ in Kraft getreten war, verloren Nicht-Weiße jeglichen Anspruch, in den Städten zu leben. Neben Schwarze wurden auch Inder und Coloureds (Mischlinge) in Townships umgesiedelt und durften sich nur mit gültiger Aufenthaltserlaubnis (Pässen) im Stadtgebiet aufhalten. In besonderen Fällen durften Nicht-Weiße in den Städten wohnen, und zwar wenn sie Angestellte für einen weißen Haushalt waren und in einem für sie eingerichtetem servant quarter (Bediensteten-Unterkunft) untergebracht werden konnten. Noch heute befindet sich auf den meisten „weißen“ Grundstücken in Johannesburg ein abgetrenntes Häuschen, das entweder immer noch einem Bediensteten (Putzfrau, Gärtner) zur Verfügung steht oder den älteren Kindern der weißen Familie als eigene Wohneinheit dient.

[...]


[1] Eine Gesetzgebung der Apartheid-Regierung, die den verschiedenen Rassengruppen bestimmte Wohn- und Arbeitsgebiete in urbanen Räumen zuwies.

[2] Als homelands wurden während der Apartheid die Stammesgebiete der Schwarzen in Südafrika bezeichnet. Sie enthielten 72 % der Gesamtbevölkerung, aber beanspruchten nur 13 % der Gesamtfläche Südafrikas.

(Waugh 2002, S. 373)

[3] Als Highveld bezeichnet man das Hochland im NO Südafrikas. Johannesburg liegt fast 1800 m ü. NN.

[4] Eine von Afrikaans sprechenden Nationalisten gegründete Partei. Heute als New National Party bekannt.

Final del extracto de 25 páginas

Detalles

Título
Ursachen und stadtgeographische Erscheinungsformen von Segregation in Johannesburg nach 1994
Universidad
University of Potsdam
Autor
Año
2007
Páginas
25
No. de catálogo
V74486
ISBN (Ebook)
9783638720786
ISBN (Libro)
9783638721837
Tamaño de fichero
531 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Ursachen, Erscheinungsformen, Segregation, Johannesburg
Citar trabajo
Andreas Mittag (Autor), 2007, Ursachen und stadtgeographische Erscheinungsformen von Segregation in Johannesburg nach 1994, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/74486

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