Das Lesetagebuch als Unterrichtsmethode

Ein Vergleich der eigenen Lektürebiographie mit der lektürebiographischen Forschung und Konsequenzen daraus für den Literaturunterricht


Dossier / Travail, 2005

25 Pages, Note: 2,2


Extrait


Gliederung

1 Einleitung

2 Eigene Lektürebiographie

3 Vergleich der eigenen Lektürebiographie mit der lektürebiographischen Forschung

4 Konsequenzen für den Unterricht
4.1 Einbeziehung von handlungs- und produktionsorientierten Verfahren in das Unterrichtsgeschehen
4.2 Das Lesetagebuch als Unterrichtsmethode
4.2.1 Entwicklung des Lesetagebuchs vom Forschungsmittel zur Unterrichtsmethode
4.2.2 Darstellung der Methode
4.2.3 Begründung der Methode

5 Fazit

6 Literaturangaben

7 Anhang: Lektüreliste

1. Einleitung

Der Deutschunterricht der Grundschule wie auch jener der weiterführenden Schulen hat u.a. die Aufgabe, den Schülern Literatur näher zu bringen und diese zu Lesern zu machen. Der Unterricht hat nicht nur das Ziel, die Kulturtechniken Lesen und Schreiben zu vermitteln, sondern auch den Umgang mit und die Freude an Literatur.

In der heutigen Zeit gibt es viele Erwachsene, die im Freizeitbereich gänzlich auf das Lesen verzichten. Dies kann zahlreiche Gründe haben, wie die fehlenden Lesevorbilder im Elternhaus, ein die Freude am Lesen nehmender Deutschunterricht und andere Interessen. Anhand von Lektürebiographien kann versucht werden, Ursachen von Leseunlust bzw. -lust aufzuspüren, um diesen dann im Deutschunterricht begegnen zu können.

In dieser Hausarbeit werde ich zunächst meine eigene Lektürebiographie erstellen, wobei ich einige Fragen des Interviewleitfadens zur Erstellung von Lektürebiographien von Dagmar Grenz als Anregung genommen habe. Im Anhang befindet sich eine Liste von Büchern, die von mir gelesen wurden. Es muss hinzugefügt werden, dass diese Liste nicht vollständig ist, da einige Bücher sicher in Vergessenheit geraten sind.

An die eigene Lektürebiographie schließt sich ein Vergleich mit der lektürebiographischen Forschung an. Daraus ergeben sich zahlreiche Konsequenzen für den Unterricht, welche ich in Punkt 4 behandeln werde. Dabei interessieren mich vor allem handlungs- und produktionsorientierte Unterrichtsverfahren, die in meinem Unterricht am Gymnasium kaum eine Rolle spielten. Ich werde mich speziell mit der Methode des Lesetagebuchs auseinandersetzen, welche als Methode des handlungs- und produktionsorientierten Literaturunterrichts eine Fülle von Möglichkeiten des Umgangs mit Literatur bietet.

2. Eigene Lektürebiographie

Ich bin in einem Haushalt mit meinen Eltern und drei älteren Geschwistern, Pflegekindern von meinen Eltern, aufgewachsen. Ich hatte viele Personen um mich herum, die mit mir Bilderbücher angesehen bzw. mir Bücher vorgelesen haben. Meine Eltern sind beide Lehrer und lesen gerne und relativ häufig, wobei mein Vater vor allem Zeitungen und meine Mutter eher Romane oder Biographien liest. Meine älteren Geschwister lesen auch viel, so dass ich in einem Umfeld mit vielen Büchern und leseinteressierten Menschen groß werden konnte.

Bevor ich schreiben und lesen konnte, habe ich schon gerne Geschichten erfunden. Ich bat dann immer meine Mutter, schnell alles aufzuschreiben, wobei sie immer eine Seite frei ließ, auf die ich ein Bild zu dem jeweiligen Text malen konnte. Ich freute mich schon auf das Lesen- und Schreibenlernen in der Schule, weil ich selbst Geschichten lesen und aufschreiben wollte.

Der sprachliche Anfangsunterricht wurde bei mir mit der "Fu-Fibel" durchgeführt. Den von meiner Mutter gestrickten Fu liebte ich abgöttisch, und meine erfundenen Geschichten dieser Zeit handelten alle von Fu und seinen Abenteuern. Obwohl ich die "Fu-Fibel" aus heutiger Sicht als recht langweilig und wenig abwechslungsreich einstufe, kann ich mich erinnern, dass ich sie damals sehr gerne und auch oft zur Hand genommen habe, was dazu führte, dass ich die meisten Texte auswendig konnte.

Meine liebsten Kinderbücher waren die von Astrid Lindgren, die auch immer noch meine Lieblingsschriftstellerin ist. Besonders gefallen haben mir neben "Lotta aus der Krachmacherstraße", "Madita", "Michel", "Karlsson vom Dach" und "Pippi Langstrumpf", die "Kinder aus Bullerbü". Ich dachte immer, dass es doch irgendwo in Schweden einen Ort namens "Bullerbü" geben müsse, wo Lisa und die anderen Kinder lebten, und eines Tages, da war ich mir sicher, würde ich sie besuchen fahren. Ich wollte diese Geschichten immer wieder hören. Besonders gern mochte ich auch die "Nesthäkchen"-Bücher von Else Ury, was auch mit der dazugehörigen Fernsehserie zusammenhing. Ich wollte gern so sein wie Nesthäkchen, was dazu führte, dass ich meine Eltern darum bat, mich Annemarie zu nennen und dass ich in sämtliche Kinderbücher diesen Namen schrieb. Ein anderer Favorit war das Buch "Milly Molly Mandy" von Joyce Lankester Brisley, das meine Mutter mir auf englisch vorlas. Besonders gut gefielen mir auch die "Famous Five" von Enid Blyton, die ich auch als deutsche Hörspielkassetten gerne hörte. Meine Vorliebe für Blytons "Hanni und Nanni" prägte meine Vorstellung über das Leben in Internaten für lange Zeit. Es gibt so viele Kinderbücher, an die ich schöne Erinnerungen habe, dass es schwierig ist, hier nur ein paar herauszugreifen.

Ich kann mich nur an zwei Bücher erinnern, die, neben dem Lesebuch, im Deutschunterricht der Grundschule gelesen wurden. Das eine war Preußlers "die kleine Hexe", welches ich schon vorher kannte, und das andere war "Schnüpperle" von Barbara Bartos-Höppner, welches in der Weihnachtszeit gelesen wurde. Beide Bücher gefielen mir gut, und an den Deutschunterricht der Grundschulzeit habe ich fast nur positive Erinnerungen. Spaß gemacht hat mir vor allem das Schreiben von Aufsätzen.

Am Gymnasium lasen wir die Jugendbücher "Die Rolltreppe abwärts" von Hans-Georg Noack, "Ben liebt Anna" von Peter Härtling und "The Wave" von Morton Rhue. Die drei Bücher habe ich gern gelesen, und der Deutschunterricht zu Beginn der Gymnasiumszeit gefiel mir auch noch ganz gut.

Wenn ich mich zurückerinnere, habe ich immer viel gelesen. In der Pubertät verlagerte sich das Lesen von Büchern im Freizeitbereich aber auf das Lesen von Jugend- und Mädchenzeitschriften, wie "Bravo", "Popcorn", "Pop-Rocky", "Bravo Girl", "Mädchen" und "Biggi". Ich verbrachte viel Zeit mit dem Lesen dieser Zeitschriften. Im Unterschied zu dem Lesen von Büchern, was eher im Vorlesealter mit anderen Menschen verbunden war und später fast ausschließlich allein geschah, war das Lesen von Zeitschriften eine Beschäftigung, der ich gemeinsam mit meinen Freundinnen nachging. Mit meiner damals besten Freundin hatte ich zum Beispiel ein Donnerstagsritual: Jeden Donnerstag gingen wir nachmittags gemeinsam zum Supermarkt, um uns die neue Bravo, die immer an diesem Tag herauskam, und eine Tüte Chips zu kaufen. In meinem Zimmer legten wir uns dann auf den Boden und lasen gemeinsam, Chips essend, in der Bravo. Das Geld dafür teilten wir uns und hatten viel Spaß dabei, uns über die damals angesagten Stars auszutauschen. In dieser Zeit bildeten wir auch mehrere Fanclubs, wobei wir große Ordner anlegten und jeden Schnipsel, den wir über unsere Stars in Zeitschriften finden konnten, hineinklebten.

Auch sahen wir recht viel Fernsehen, wobei vor allem bestimmte Fernsehserien, wie "Beverly Hills, 90210", "Alf" oder "21 Jump Street" beliebt und auch am nächsten Tag Gesprächsthema auf dem Schulhof waren.

In der Mittelstufe hatte ich nicht viel Interesse an der Schule, so dass mir der Deutschunterricht genau wie der Unterricht in jedem anderen Fach nicht gefiel. Gleichzeitig musste ich so viel für die Schule lesen, dass ich keine Lust mehr hatte, zu Hause noch Bücher zu lesen. Es ist nicht leicht zu sagen, ob das gehäufte Lesen von Büchern für die Schule die Unlust am Lesen von Büchern im Freizeitbereich verursacht hat, oder ob diese Unlust schon vorher da war. Auf jeden Fall hat dieser starke Lesezwang sich nicht positiv auf den Freizeitbereich ausgewirkt. Zum Teil waren die Bücher auch schwierig für mich zu verstehen, wie z.B. "Antigone" oder "Don Carlos".

Daher fühlte ich mich stark überfordert und konnte die Schullektüre nur mit Hilfe von Erläuterungsbüchern verstehen, die sich damals alle aus der Klasse, die es sich leisten konnten, kauften. Ich hatte das Gefühl, dass der Lehrer sich schon eine bestimmte Interpretation zurechtgelegt hatte, die er im Unterricht aus uns herausholen wollte. Ein freies Diskutieren über die Lektüre fand im Grunde nicht statt. Es kam nicht darauf an, zu sagen, was einem zu dem Text einfiel, sondern was man dachte, was der Lehrer hören wollte. Es war auch nicht möglich, offen zu sagen, dass man mit einem in der Schule gelesenen Buch wenig anfangen konnte, da es sich ja um bewährte Klassiker handelte. Ich denke, dass wir viele Bücher in einem Alter gelesen haben, indem wir dazu noch nicht bereit waren. Wenn ich Bücher, die ich damals überhaupt nicht leiden konnte, jetzt zur Hand nehme, verstehe ich meine damaligen Reaktionen nicht mehr. Es wäre wohl besser gewesen, auf dem Gymnasium noch länger Jugendbücher zu lesen oder den Unterricht ganz anders zu gestalten. Der Unterricht lief meist nach demselben Schema ab: Einzelne Kapitel wurden zu Hause gelesen und in der Schule zusammengefasst. Die Art des Erzählers wurde bestimmt, Stilmittel wurden gesucht und gefunden usw. Auch wenn mir der Unterricht nicht besonders gefallen hat, war Deutsch immerhin noch eins meiner Lieblingsfächer, so dass ich es als Leistungskurs wählte.

Der Unterricht in der Oberstufe unterschied sich kaum von dem in der Mittelstufe, mit der Ausnahme, dass noch mehr gelesen werden musste. In der Freizeit las ich keine Bücher und nur wenige Zeitschriften.

Nach dem Abitur machte ich eine Ausbildung zur Erzieherin. Ich las in dieser Zeit vor allem Fachbücher, die mit Erziehung zu tun hatten, aber auch einige Romane.

Nach der abgeschlossenen Ausbildung zur Erzieherin begann ich das Studium der Fächer "Englisch" und "Deutsch" auf Lehramt Grund- und Mittelstufe, mit dem Wunsch, diese Fächer später in der Grundschule zu unterrichten. In einem meiner ersten Englischseminare an der Universität gab es eine Professorin, deren Unterricht ich sehr mochte. In ihrem Seminar ging es darum, englischsprachige Romane der Gegenwart zu lesen und sie mit Verfilmungen zu vergleichen, woran ich viel Freude hatte. Die Professorin sagte einmal etwas wie: "Lest alle Bücher, die Euch gefallen, egal ob sie als "anspruchsvoll" bezeichnet werden und auf der Literaturliste stehen, oder nicht. Euer Englisch wird sich dadurch verbessern und ihr macht gleichzeitig etwas, was euch Spaß macht". Diesen Rat habe ich befolgt und seitdem viele englischsprachige Autoren für mich entdeckt. Seitdem lese ich wieder viel, allerdings fast nur englische Bücher, weil ich dann dabei das Gefühl habe, noch etwas für meine Sprache zu tun. Es gibt Phasen, in denen ich durch das Studium gezwungen bin, so viel zu lesen, dass ich das Gefühl habe, meine Augen entspannen zu müssen. Zu dem Zweck höre ich auch oft Hörbücher. Ich sehe auch gerne Filme, vor allem auf englisch.

Meine letzten fünf Bücher, die nicht mit dem Studium in Verbindung stehen, waren "About a Boy" von Nick Hornby, "The Wedding" von Nicholas Sparks, "Sushi for Beginners" von Marian Keyes, "Bridget Jones - The Edge of Reason" von Helen Fielding und "The Nanny Diaries" von Nicola Kraus und Emma McLaughlin.

Meine Freizeitlektüre lese ich vor allem im Bett, etwa eine halbe Stunde pro Tag in der Woche und etwa eine Stunde pro Tag am Wochenende, und in der Bahn, wobei ich circa drei Stunden pro Woche in der Bahn verbringe. In den Ferien komme ich auch mal dazu, tagsüber zu lesen. Hörbücher höre ich manchmal zum Einschlafen oder bei verschiedenen Tätigkeiten, z.B. dem Abwaschen oder Aufhängen von Wäsche.

Wenn ich auf das Lesen von Büchern für eine längere Zeit verzichten müsste, wäre es für mich ein Verlust. Ich würde vermutlich ganz auf Hörbücher und Filme umsteigen. Ich glaube jedoch, dass es mir schwerer fallen würde, auf Filme zu verzichten als auf Bücher, weil das gemeinsame Sehen von Filmen auch eine soziale Tätigkeit ist, während ich das Lesen in der Regel alleine mache. Es kommt manchmal vor, dass ich mit anderen über gelesene Bücher rede, aber Gespräche über Filme werden häufiger geführt.

Insgesamt, kann ich feststellen, dass das Lesen für mich in meinem Leben eine große Rolle spielt, und es eine Tätigkeit darstellt, die ich nicht missen möchte.

3. Vergleich der eigenen Lektürebiographie mit der lektürebiographischen Forschung

Die große Faszination des Gedruckten vor dem Erreichen der Lesefähigkeit, die ich im Vorschulalter empfunden habe, wird von Erich Schön (1989) als eine gemeinsame Erfahrung vieler späteren Vielleser beschrieben.

"Das Geschriebene, genauer das Gedruckte übt bereits deutlich vor dem

eigenen Lesenkönnen eine große Faszination aus; es ist ein Bereich, der

zunächst nur den Erwachsenen zugänglich ist. Neidvoll sieht man

Bezugspersonen im Umgang damit; Lesenkönnen erscheint als Schlüssel zu

einem Erlebnisbereich, zu dem der Zugang einstweilen verwehrt, nur

(positiv gesehen) Erwachsenen erlaubt ist." (Schön, 1989, S.26)

Allerdings erwähnt Schön auch, dass dieser Wunsch, lesen zu können und somit auch zu etwas fähig zu sein, wozu die Erwachsenen oder älteren Geschwister in der Lage sind, meistens nur entsteht, wenn auch positive Lesevorbilder in dem Haushalt des Kindes vorhanden sind. Auch Bettina Hurrelmann spricht von einer "entscheidenden Rolle der Familie für die spätere Lesekarriere" (Hurrelmann, 1994, S.32). Sie betont, dass vor allem die Rolle der Mutter als Lesevorbild wichtig ist. Wer das Lesen als eine lustbetonte Aktivität im Elternhaus erleben kann und somit eine anregende Leseumwelt hat, wird in späteren Jahren eher zu Büchern greifen, als jemand, dessen Eltern das Lesen nicht als eine wichtige Tätigkeit erachten, obwohl erwähnt werden muss, dass es auch sogenannte "unerwartete" Leser gibt, die trotz einer nicht leseanregenden Umgebung in späteren Jahren zu Viellesern werden. In meinem Falle kann von einer Umgebung mit zahlreichen Lesevorbildern gesprochen werden, so dass ich die Tätigkeit des Lesens schon als etwas Erstrebenswertess ansah, bevor ich lesen konnte.

[...]

Fin de l'extrait de 25 pages

Résumé des informations

Titre
Das Lesetagebuch als Unterrichtsmethode
Sous-titre
Ein Vergleich der eigenen Lektürebiographie mit der lektürebiographischen Forschung und Konsequenzen daraus für den Literaturunterricht
Université
University of Hamburg
Note
2,2
Auteur
Année
2005
Pages
25
N° de catalogue
V76035
ISBN (ebook)
9783638867313
ISBN (Livre)
9783638867368
Taille d'un fichier
448 KB
Langue
allemand
Mots clés
Lesetagebuch, Unterrichtsmethode
Citation du texte
Jennifer Reuter (Auteur), 2005, Das Lesetagebuch als Unterrichtsmethode, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76035

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