Die kulturelle und sprachliche Vielfalt in Senegal unter dem Aspekt der Sprachenpolitik


Dossier / Travail, 2007

21 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Sprachpolitik in Senegal
2.1 Die Bedeutung der kolonialen Vergangenheit des Senegal
2.2 Sprachpolitische Richtung nach 1960

3. Die heutige sprachliche Situation in Senegal
3.1 Das Französische im Verhältnis zu den einheimischen Sprachen
3.2 Die Bedeutung der Vernakularsprachen in Senegal

4. Soziale Abgrenzung durch Sprache
4.1 Das Bildungssystem
4.2 Zugang zu den Medien

5. Abschließende Bemerkungen

Bibliographie

1. Einleitung

„Die Ansiedlung einer Untersuchung über das Feld kultureller Kommunikation in Senegal im Bereich der Romanistik hängt mit institutionellen Vorgaben zusammen, die einen literatur- oder kulturwissenschaftlichen Zugang zu einem afrikanischen Land – unter nichtethnologischer Perspektive – nur in einem durch die früheren Kolonialsprachen vorgegebenen Rahmen erlaubt.“[1] Mit dieser Aussage versucht Manfred Prinz in seiner Studie Frankophone Literatur Senegals und die Kultur der schweigenden Mehrheit die sprachlich-kulturelle Realität des Senegal zu verdeutlichen, welche sich seiner Meinung nach in ihrer Komplexität und Vielfalt nicht über den Sammelbegriff „Frankophonie“ erschließen lässt.

Die historische und - selbstverständlich darauf basierend - die aktuelle Realität des Senegal, die innerhalb der frankophonen Literatur dargestellt wird, ist nur ein kleiner, dem Europäer zugänglicher Teil und muss somit zu seiner Vervollständigung um viele bisher im Verborgenen gebliebene kulturelle Aspekte erweitert werden. Prinz behauptet in seinem Werk, dass „ein Zugang zu der Alltagskultur und kulturellen Verhaltensformen der Masse der Bevölkerung über Literatur und Schriftlichkeit nur begrenzt möglich sei“,[2] was bedeutet, dass das Französische seiner Meinung nach nicht auf allen Ebenen in der einheimischen Gesellschaft verankert ist bzw. nicht fähig zu sein scheint, in alle sozialen und kulturellen Bereiche einzudringen und ein umfassendes Bild des Senegal zu vermitteln.

Hier stellt sich nun die Frage nach den historischen und politischen Faktoren, welche die Kolonialsprache zu einem bestimmten Zeitpunkt mit - zumindest Teilen - der senegalesischen Gesellschaft verknüpften. Wichtig ist es dabei vor allem, die Art des ‚französischen Umgangs’ mit den vorgefundenen afrikanischen Traditionen und kulturellen Reichtümern zu beschreiben, um eine Annäherung an die heutige sprachliche Situation zu erzielen.

Ziel dieser Arbeit soll es ein, die sprachliche und soziokulturelle Entwicklung im Land deutlich zu machen und somit kritisch die damalige und auch aktuelle Sprachpolitik des Landes zu beleuchten. Die Arbeit wird von der These geleitet, dass die französische Kolonialpolitik - und damit verbundene Sprachpolitik - wesentliche Eingriffe in der senegalesischen Gesellschaft vorgenommen hat und diese Gegebenheiten nun bis zur heutigen Zeit vorherrschen.

2. Sprachpolitik in Senegal

2.1 Die Bedeutung der kolonialen Vergangenheit des Senegal

Wenn man von Sprachpolitik spricht, so ist es sinnvoll, sich in diesem Zusammenhang eine wissenschaftliche Begriffsbestimmung vor Augen zu führen, um damit eine konkrete Anwendung auf das jeweilige Sprachgebiet zu ermöglichen. Eine dieser möglichen Definitionen liefern Dorothee Gahlen und Birgit Geisel bei ihrer Analyse des Sprachbewusstseins in Senegal, die als Grundlage der vorliegenden Ausarbeitung dienen soll:

Sprachpolitik bezeichnet das geplante Eingreifen in Sprachenverhältnisse. Dieser Eingriff kann sowohl direkt - etwa durch Sprachgesetzgebung- wie auch indirekt - durch nicht explizit als sprachpolitisch ausgewiesene Maßnahmen - stattfinden. Sprachpolitik ist eingebunden in einen historisch konkreten gesellschaftlichen Zusammenhang. Zweck und Ziel von Sprachpolitik, nämlich die Veränderung von Sprachenverhältnissen, sind außersprachlichen Intentionen untergeordnet. Entsprechend liegen ihre Konsequenzen nicht nur im sprachlichen sondern auch im außersprachlichen Bereich.[3]

Was den außersprachlichen Bereich betrifft, so sollen im Rahmen dieser Arbeit gesellschaftliche Phänomene angesprochen werden, die sich aus den sprachpolitischen Vorgehensweisen ergeben beziehungsweise die aktuellen Sprachenverhältnisse bestimmen. So stand historisch betrachtet im Kolonialreich Senegal die französische „Politik der Assimilation“ dem politischen Führungsstil und den Herrschaftsstrukturen anderer europäischer Kolonialmächte gegenüber.[4] Diese Form der französischen Führung auf dem afrikanischen Kontinent, die in der allgemeinen Literatur oftmals auch als „Zeichen einer zivilisatorischen Mission“ bezeichnet wird, führte also zunächst dazu, dass die existierenden Kulturen und damit auch Sprachen in den betroffenen Ländern im politischen wie sozialen Bereich nicht berücksichtigt wurden, sondern man lediglich versuchte, Werte des „Mutterlandes“ in die Gesellschaft einfließen zu lassen. Somit könnte man den Vorwurf formulieren, dass die Kolonialmächte (und in unserem konkreten Fall die damalige französische Regierung) den Afrikanern ihre Kultur und somit auch die Sprache übermitteln wollten, um mit dieser erwähnten Assimilationspolitik, die zwischen 1830 und 1860 durchgeführt wurde, einen entscheidenden Einschnitt in der senegalesischen Gesellschaft zu erreichen.

Hubert Jules Deschamps, der in seiner Analyse Historical Problems of Imperial Africa ebenfalls auf den sprachlichen Einfluss der damaligen Unterwerfung aufmerksam macht, behauptet in diesem Zusammenhang, dass „education, wherever it existed, was carried on in French, but was due more on the multiplicity of languages, and to the desire from useful clerks than to a pronounced desire for assimilation“[5]. Seiner hier dargestellten Einschätzung des damaligen Bildungssystems zufolge, scheint also lediglich die Elite des Landes Zugang zur Bildung wie auch zur französischen Sprache gehabt zu haben, und genau diese Elite wuchs unter der Kontrolle der Machtinhaber, bis eine regelrechte Spaltung innerhalb der Gesellschaft entstand. Nach Gahlen und Geisel wird die Situation in ähnlicher Weise beschrieben: « En fait, l’administration coloniale n’a jamais cherché à répandre la langue française dans toute la population … Elle n’a scolarisé que les élites: fils de notables, de fontionnaires de l’administration, d’employés du commerce colonial, d’anciens tirailleurs sénégalais. »[6] Der bewusste Eingriff in Verwaltung und Politik hat also den Autoren zufolge eine Umverteilung der Sprachenverhältnisse oder zumindest eine neue Gewichtung von Sprache bewirkt.

Die Frage, die sich nun aufdrängt, ist die nach einer etwaigen Spaltung der senegalesischen Gesellschaft, die innerhalb der Periode der Kolonialzeit stattgefunden haben soll und somit offensichtlich den ursprünglichen gesellschaftlichen Zusammen-hang verändert hat. Wenn man kritisch argumentiert, so bemerkt man den von außen auf das System wirkenden Eingriff der Europäer, der in irgendeiner Weise die dauerhafte und natürliche Entwicklung der afrikanischen Bevölkerung verhindert hat und traditionelle Strukturen verschwinden lässt.

Somit scheint offensichtlich, dass man mit Blick auf die Unabhängigkeit nicht erwarten darf, von einem auf den anderen Moment die Staatsstrukturen beziehungsweise die kulturelle Realität in integrierter Form rekonstruieren zu können. Mit integrierter Form ist gemeint, dass die vielfältige Kultur des Senegal wieder auf die gleiche Weise aufblühen kann, wie sie einmal existiert hat (in der jedoch alle kulturellen Subgruppen der Bevölkerung auf gleiche Art und Weise integriert sind) und dass gleichzeitig eine stabile Regierung durch die über lange Jahre herangezogene „französische“ Elite gewährleistet werden kann.

Idealtypischerweise sollten sich nach der Unabhängigkeit die betroffenen Nationen, laut Gerald Braun und Jakob Rösel, „auf der Grundlage einer Rückbesinnung auf ihre Kultur, Religion und Geschichte erneuern“[7]. Ihrer Meinung nach erhält im Moment der Unabhängigkeit das neue Bild der traditionellen Kultur eine weit reichende praktische und politische Bedeutung. So „muss die Frage beantwortet werden, welche einheimische Sprache - oder Sprachen - künftig an die Stelle der kolonialen Herrschaftssprache treten werden“[8]. Wie dies am Beispiel des Senegal umgesetzt wurde, wird deutlich anhand der Entwicklungen während der postkolonialen Phase dieses Landes und den sprachpolitischen Gegebenheiten, wie sie im Folgenden dargestellt werden.

2.2 Sprachpolitische Richtung nach 1960

Die sprachliche Situation hat es den afrikanischen politischen Entscheidungs-trägern nach der Unabhängigkeit des Senegals nicht leicht gemacht, einen stabilen Staat zu gewährleisten, da man versuchen musste, sämtliche Ethnien und sprachliche Gruppen gleichwertig in den politischen Prozess im Lande mit einzubinden. Laut der Wissenschaftlerin Stefanie Rau baute der weitaus größte Teil der ehemals von Frankreich kolonisierten Staaten die von den Franzosen geschaffenen Bildungs- und Wirtschaftsstrukturen aus, um eine Identifikations-basis innerhalb der neugeschaffenen sozio-politischen Einheit zu erreichen.[9] So war zum Beispiel der Wille nach einer nationalen Selbständigkeit nicht vorzufinden, sondern man beschränkte sich darauf, die politischen Institutionen und Verfassungen des „Mutterlandes“ zu übernehmen, was wiederum im institutionellen Bereich eine Beschränkung auf die französische Sprache darstellte. Inwieweit man - allgemein gesprochen - ein „nationales“ Ziel vor Augen gehabt haben könnte, sei an dieser Stelle dahingestellt, denn in der Fachliteratur gehen diesbezüglich die Meinungen sehr weit auseinander, vor allem im Hinblick auf die Wiederherstellung der vorkolonialen Konstellation in den betroffenen Ländern.[10]

Es ist generell schwierig, von einer vorkolonialen nationalen Identität zu sprechen, da die damaligen gesellschaftlichen und politischen Konstellationen keinesfalls mit der europäischen Vorstellung vom Nationalstaat koinzidierten. Somit erweist es sich als problematisch, unterschiedliche Volksgruppen unter dem Begriff der „Nation“ mit einer kulturellen und sprachlichen Einheit zusammenzufassen, wenn man davon ausgehen muss, dass die territoriale Situation vor der von den Europäern durchgeführten Kolonialisierungswelle im Land eben keinerlei Homogenität aufwies.

[...]


[1] Prinz, Manfred: Frankophone Literatur Senegals und die Kultur der schweigenden Mehrheit. S.18.

[2] Ebd. S.21.

[3] vgl. dazu Gahlen, Dorothee; Geisel, Birgit: Französische Sprachpolitik und Sprachbewusstsein in Senegal. S. 35

[4] Den Unterschied zwischen dem Paternalismus Großbritanniens auf dem afrikanischen Kontinent wird im Werk „Das Afrika der Vaterländer“ der Politik Frankreichs gegenübergestellt. S. 67

[5] Deschamps, Hubert Jule: Association and Indirect Rule, In: Historical Problems of Colonial Africa. S. 170

[6] Gahlen, Dorothee; Geisel, Birgit: Französische Sprachpolitik und Sprachbewusstsein in Senegal. S. 79.

[7] vgl. Gerald Braun und Jakob Rösel: Kultur und Entwicklung in: Handbuch der Dritten Welt. Grundprobleme, Theorien, Strategien. S. 261.

[8] Ebd.

[9] Rau, Stefanie: Die französische Sprache als potentieller Integrationsfaktor in den Staaten Senegal, Mali und Elfenbeinküste. S. 16 ff

[10] vgl. dazu Trutz von Trotha: Was war der Kolonialismus? Einige zusammenfassende Befunde zur Soziologie und Geschichte des Kolonialismus und der Kolonialherrschaft, S. 49-95

Fin de l'extrait de 21 pages

Résumé des informations

Titre
Die kulturelle und sprachliche Vielfalt in Senegal unter dem Aspekt der Sprachenpolitik
Université
University of Freiburg  (Romanisches Seminar)
Cours
Proseminar II
Note
1,7
Auteur
Année
2007
Pages
21
N° de catalogue
V77924
ISBN (ebook)
9783638827515
ISBN (Livre)
9783638833967
Taille d'un fichier
519 KB
Langue
allemand
Mots clés
Vielfalt, Senegal, Aspekt, Sprachenpolitik, Proseminar
Citation du texte
Alexandra Duppé (Auteur), 2007, Die kulturelle und sprachliche Vielfalt in Senegal unter dem Aspekt der Sprachenpolitik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/77924

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