Frankreichs Mitwirkung bei der Entschärfung des Balkan-Konflikts – nur ein Element „kollektiver Unentschlossenheit“?


Hausarbeit, 2006

20 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Gliederung

I. Abkürzungsverzeichnis

II. Einleitung

III. Chronologische Einordnung des Jugoslawien-Konflikts
1. Titos Erbe: Die politische Situation auf dem Balkan vor 1990
2. Milosevics „Bruch des nationalen Konsens“
3. Der Konflikt-Verlauf ab 1990 in drei Phasen

IV. Das theoretische Konzept des Intergouvernementalismus nach Keohane

V. Auswirkungen des außenpolitischen Verhalten Frankreichs auf den Konfliktverlauf
1. Der Staatszerfall Jugoslawiens – Die EG in der ersten Konfliktphase
2. Der Krieg in Bosnien – Die humanitären Leistungen der UN
3. „Das Stiefkind von Dayton“ – Der militärische NATO-Einsatz im Kosovo

VI. Fazit

VII. Literaturverzeichnis

I. Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einleitung

In meiner Hausarbeit möchte ich auf die Rolle Frankreichs während des Jugoslawienkriegs eingehen. Dabei werde ich intergouvernemental vorgehen, d.h. Frankreichs Außenpolitik durch seine Einbindung in internationale Organisationen hervorheben. In diesem Zusammenhang versuche ich, auf die Interessenkonstellationen der anderen Mitgliedsstaaten und ihre Bedeutung für den Konflikt-Verlauf auf dem Balkan einzugehen.

Vor diesem Hintergrund nähere ich mich meiner Fragestellung: Frankreichs Mitwirkung bei der Entschärfung des Balkan-Konflikts – nur ein Element „kollektiver Unentschlossenheit“?[1] Dabei stehen die Auswirkungen auf den weiteren Konfliktverlauf der Balkan-Kriege im Mittelpunkt. Angesichts der drei Konfliktphasen dominieren bestimmte Organisationen im zeitlichen Kontext. Ihre Ziele haben sie mit sehr ambivalenten Ergebnissen durchgesetzt..

Ich beginne mit dem geschichtlichen Überblick über die Entwicklung des ehemaligen Jugoslawiens. Demgegenüber stelle ich die Außenpolitik Frankreichs vor, unter Einbeziehung der theoretischen Konzeption des Intergouvernementalismus nach Keohane und der nationalen Zielstellungen. Dabei versuche ich den Erfolg der verschiedenen Mittel hervorzuheben, die während der Konflikt-Phasen sowohl von Frankreich als auch von internationalen Organisationen eingesetzt wurden. In meinem Fazit gehe ich näher auf eine Bewertung sowohl des Verhaltens internationaler Organisationen als auch Frankreichs ein.

Aufgrund der Komplexität des Balkan-Konflikts beschränkt sich meine Hausarbeit geografisch nur auf folgende Länder: Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Serbien und Montenegro sowie den Kosovo als ein teilautonomes Gebiet Serbiens. Slowenien wird nur im geschichtlichen Abspann eine kurze Rolle spielen, da das Land relativ früh und unproblematisch seine Unabhängigkeit deklariert hat und aus dem Staatenbund ausgetreten ist, so dass es für den weiteren Konflikt-Verlauf eine eher untergeordnete Rolle spielt. Auf Mazedonien gehe ich nicht ausführlicher ein, da es für meine Arbeit nicht relevant ist. Slowenien wird mein Einstieg in das Thema sein – mit dessen Unabhängigkeit beginnt die chronologische Abhandlung. Zuvor gehe ich noch kurz und überblicksartig auf die Zeit vor 1990 ein, um hier auch eine knappe Gegenüberstellung Titos und Milosevics einzubringen.

II. Chronologische Einordnung des Jugoslawien-Konflikts

1. Titos Erbe: Die politische Situation auf dem Balkan vor 1990

Eine prägende Rolle im historischen Verlauf nahm Josip Broz-Tito ein. Der Machtpolitiker war seit 1953 jugoslawischer Staaspräsident und prägte das Land einerseits durch seine zentalistische Führung, andererseits vor allem durch seine persönliche Autorität. Innenpolitisch verfolgte er einerseits einen repressiven Kurs, gestand den einzelnen Regionen und Republiken andererseits Autonomierechte zu.[2] Bereits 1974 erhielt Jugoslawien eine neue Verfassung[3], die von der „Politik des Konsensus“ geprägt war.

2. Milosevics „Bruch des nationalen Konsens“

Mit Titos Tod 1980 entstand zunächst Leere um das „jugoslawische Bewußtsein“[4][5]. 1988 übernimmt Milosevic die Führung Serbiens. Ein Jahr später oktroyiert er eine Verfassungsnovelle, nach der die bis dahin autonomen Provinzen Kosovo und Vojvodina ihren Autonomie-Status vollständig verlieren.[6] Diese Ereignisse mögen ebenfalls die Gründung der UÇK[7] begünstigt haben, die ab 1996 mit ins Geschehen rückt. Unter Milosevic kommt es zu einem verstärkten serbischen Nationalismus, der auf seinem politischen Ziel eines „Großserbiens“ gründete. Durch verstärkte Propaganda putscht er die serbischen Nationalgefühle auf.[8] Darüber hinaus sieht sich der jugoslawische Staat seit den 1980ern mit schweren ökonomischen Problemen konfrontiert. Besonders die Hyperinflation trifft die angeschlagene Volkswirtschaft sehr.[9] Auch die Entwicklung der Europäischen Union im Westen schürt die Angst der Republiken, den Anschluss zu verlieren: Jugoslawien strebte nie nach einem EG-Beitrtt. Nicht zuletzt hat auch der Fall der Berliner Mauer 1989 und damit das Ende des DDR-Regimes die Ereignisse beeinflusst.

3. Der Konflikt-Verlauf ab 1990 in drei Phasen

Ab 1990 einigt sich die gängige Literatur[10] auf eine Unterteilung des Konflikt-Verlaufs in drei Phasen. Ich möchte diese hier kurz vorstellen und dabei auch die Perzeptionen des Konflikts von Seiten der internationalen Gemeinschaft berücksichtigen.

Die erste Phase dauerte von 1990 bis 1992. In diesen Zeitraum fallen hauptsächlich Ereignisse, die zum Staatszerfall Jugoslawiens führen. Im April 1990 führen Slowenien und Kroation ihre ersten demokratischen Wahlen durch.[11] Als sich Slowenien und Kroatien im Juni 1991 unabhängig erklären, kommt es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen in Slowenien, kurze Zeit später verschiebt sich das Kriegsgeschehen nach Kroatien, wo die serbische Bevölkerung um ihre Rechte fürchtet.

Schon die erste Phase ist von Uneinigkeiten zwischen den europäischen Staaten in der Konfliktauffassung geprägt. Von besonderer Bedeutung, weil auch am widersprüchlisten, sind die Differenzen zwischen Frankreich und Deutschland. Während Frankreich eine serbienfreundliche Haltung vertritt, sah Deutschland in Belgrads machterweiterndem Verhalten den Aggressor. Daraus ergab sich für Deutschland die Konfliktlösung in der Anerkennung der slowenischen und kroatischen Teilrepubliken. Jene sezessionistischen Bestrebungen Sloweniens und Kroatiens waren nach französischer Auffassung aber die Ursache des Konfliktes.[12] Frankreich sah in der Erhaltung des jugoslawischen Einheitsstaates den einizig möglichen stabilisierenden Faktor in der Region.[13] Ohne sich an den europäischen „Fahrplan“ zu halten, erkannte Deutschland unter Kohl schon im Dezember 1991 vorschnell die Unabhängigkeit Sloweniens und Kroatiens unter Berufung auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker an.[14] Anfang 1992 folgt die EG Deutschland Milosevic zieht seine Truppen noch im Januar 1992 aus Kroatien ab unter dem Verweis, dass die Minderheitenrechte seiner Landsleute nun durch UN-Beobachter geschützt seien.[15]

[...]


[1] Canivez, Patrice (1997): Widersprüche und Defizite der französischen Jugoslawien-Politik, in: Maull, Hanns W. et al. (Hrsg.): Die verhinderte Großmacht. Frankreichs Sicherheitspolitik nach dem Ende des Ost-West-Konflikts, Opladen, S. 187f.

[2] So suchte er auch während des „kroatischen Frühlings“ 1971 die nationalen Identitäten der jugoslawischen Völker, hier Kroatiens, zu unterdrücken, die nach mehr kroatischer Nationalität und Autonomie forderten. Einige ihrer Forderungen fanden Anwendung in der Verfassung von 1974, die die Regionen Kosovo und Vojvodina in Bezug auf ihr Mitspracherecht den anderen Republiken gleichstellte. Die Ämterrotation war ebenfalls in der Bundesverfassung von 1974 festgelegt. Ebenso das „Prinzip der kollektiven Verantwortlichkeit“, welches auf dem Veto-Recht der Regionen und Teilrepubliken basierte. Vgl. Meier 1995, S. 20.

[3] Meier bezeichnet sie als „jugoslawische Ausnahme“, da sie einen Kompromiss zwischen Föderation und Konföderation darstellt. Diese Verfassung enthielt kein Austrittsrecht der Republiken, und schon gar nicht der Regionen festgelegt. Sie beinhaltete dafür ein Recht auf Lostrennung für Völker, welches damit faktisch nur für Slowenien galt. Nur Slowenien besaß aufgrund seiner homogenen ethnischen Bevölkerungszusammensetzung weitgehend übereinstimmende Grenzen – sowohl zwischen den politischen Nationen als auch zwischen den Bevölkerungsgruppen. Vgl. Meier 1995, S. 20f.

[4] Ders.

[5] Durch die persönliche Bedeutung und Autorität Titos konnte seine Nachfolge nicht einfach personell ersetzt werden; das erkannte man auch bereits zum damaligen Zeitpunkt. So siegte stattdessen das „Prinzip der kollektiven Führung“, wobei die einzelnen Staaten im Rotationsprinzip die Regierung übernahmen. Meier spricht auch von einen „Vakuum an Autorität“ nach Titos Tod. Vgl.: Meier, Viktor 1995: Wie Jugoslawien verspielt wurde, München, S. 15.

[6] Dieser „Bruch des nationalen Konsens“ hat weitreichende Folgen: Wenige Monate später erklärt das Kosovo seine Unabhängigkeit, was zu erneuten Unruhen in der Region führt. Milosevic löst daraufhin das Parlament der Kosovo-Albaner auf und in der Region existiert fortan ein Schattenstaat. Der kosovo-albanische Schattenstaat besaß einen eigenen, geheim gewählten Präsidenten, den Schriftsteller Ibrahim Rugova.

[7] Die UÇK war die Befreiungsarmee des Kosovo (Ushtria Çlirimtare e Kosovës), die sich für die Unabhängigkeit des Kosovo und der Errichtunng eines Großalbaniens einsetzte.

[8] Dazu sollten die angrenzenden Republiken in Serbien eingegliedert werden. Kritisch wird es in den anderen Teilrepubliken, in denen jeder vierte Serbe lebt. Ungefähr zwei Mio. Serben leben damit außerhalb des eigentlich serbischen Staates. Als Konsequenz nehmen diese sich nicht als Minderheit im eigentlichen Sinne wahr. Außerdem löst Milosevic damit eine nationalistische Gegenbewegung vor allem der Kroaten unter Franjo Tudman aus. Hummer, Waldemar 2000: Balkankonflikt, in: Woyke, Wichard (Hrsg.): Handwörterbuch Internationale Politik, Opladen, S. 11.

[9] Mit der staatsinternen Verteilung der finanziellen Mittel zwischen den Republiken, ähnlich dem deutschen Länderfinanzausgleich, spüren schon bald auch Slowenien und Kroatien als die wohlhabenderen Staaten den wirtschaftlichen Druck auf ihre nationalen Volkswirtschaften.

[10] Vgl.: Diot 2003, Maull/Stahl 2001 sowie Schild 2003.

[11] Bei der serbischen Minderheit in den betreffenden Ländern stoßen diese Ereignisse auf große Proteste, die massiv von Belgrad aus unterstützt werden. Vgl. dazu Hummer in Woyke 2000, S. 11.

[12] Mitterrand bezeichnete diesen auch als „Stammeskrieg“ – also zwischen den Ethnien. Vgl.: Maull/Stahl 2001, S. 251.

[13] Maull/Stahl 2001, S. 251.

[14] Die Europäische Gemeinschaft hatte zuvor jedoch eine Anerkennung an den Schutz der Minderheitsrechte der serbischen Bevölkerung in Kroatien festgemacht. Zu diesem Zeitpunkt war dieser noch nicht ausreichend geklärt.

[15] Hummer 2000, S. 13.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Frankreichs Mitwirkung bei der Entschärfung des Balkan-Konflikts – nur ein Element „kollektiver Unentschlossenheit“?
Hochschule
Universität Trier
Note
2,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
20
Katalognummer
V78089
ISBN (eBook)
9783638829557
ISBN (Buch)
9783656839132
Dateigröße
509 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Frankreichs, Mitwirkung, Entschärfung, Balkan-Konflikts, Element, Unentschlossenheit“
Arbeit zitieren
Sandra Diekhoff (Autor:in), 2006, Frankreichs Mitwirkung bei der Entschärfung des Balkan-Konflikts – nur ein Element „kollektiver Unentschlossenheit“?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78089

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