Die Familienpolitik der USA


Dossier / Travail, 2007

15 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Einführung

I/ Eine implizite Familienpolitik, die vor dem Hintergrund einer bestimmten politischen Kultur zu verstehen ist
A/ Der sozio-politischer Hintergrund in den USA
B/ Eine unexplizite Familienpolitik
C/ Familienpolitische Maßnahmen, die sich in erster Linie auf einkommensschwachen Bevölkerungsgruppen richten

II/ Die Antwort der Familien: private Lösungen
A/ Eine Kinderbetreuung, die vorwiegend dem Markt überlassen wird
B/ Trotzdem eine kinderfreundliche Gesellschaft?
C/ Die Probleme, die mit der mangelnden staatlichen Unterstützung verbunden sind

Schluss

Einführung

Die USA gehören zu den Ländern, die keine explizite und umfangreiche Familienpolitik haben. Sie sind kein Sonderfall, denn Länder wie Israel, Kanada und Großbritannien gehören auch zu dieser Gruppe.[1] Sie gelten im Klassifizierungsmodell von Esping-Andersen als liberale Wohlfahrtstaaten; der Staat hält sich dort auch familienpolitisch zurück.[2] Zwar wäre es falsch zu behaupten, dass er sich überhaupt nicht um die Familien kümmere, aber eine Familienpolitik im eigentlichen Sinne kennen die USA jedenfalls nicht.

In vielerlei Hinsicht spielt das amerikanische Wohlfahrtsregime eine bedeutende Rolle für die Familienpolitik. Der Staat sorgt lediglich für eine niedrige Grundsicherung, abgesehen von familiären Beihilfen und einer nationalen Gesundheitsversicherung. Generell werden ältere Leute und Behinderte gut geschützt, während im Vergleich dazu, Kinder und Familien mit Kindern kein Recht auf eine universelle Sozialversicherung, kein nationales Minimaleinkommen, und keine universelle gesundheitliche Versorgung haben.[3]

Trotz dieser scheinbaren Vernachlässigung der Familie ist die Geburtsrate in den USA mit rund 2,07 Kindern pro Frau trotzdem höher als in jedem europäischen Land[4], mit der Ausnahme von Frankreich in den letzten Jahren. Innerhalb der OECD werden die USA nur von Mexiko und der Türkei übertroffen.[5]

In dieser Arbeit wird versucht zu zeigen, wie diese etwas widersprüchliche Tatsache sich erklären lässt. Dafür werde ich zuerst auf den bestimmten Kontext der Familienpolitik in den USA eingehen, und werde einige familienpolitische Maßnahmen vorstellen. Anschließend werde ich im zweiten Teil der Arbeit zeigen, wie die Familien die fehlende staatliche Unterstützung mit privaten Lösungen kompensieren, und welche Probleme damit verbunden sind.

I/ Eine implizite Familienpolitik, die vor dem Hintergrund einer bestimmten politischen Kultur zu verstehen ist

A/ Der sozio-politische Hintergrund in den USA

Um die Familienpolitik in den USA zu verstehen, sollte man zunächst die amerikanische politische Kultur berücksichtigen. Die amerikanischen politisch-kulturellen Traditionen wirken sich nämlich auf die familiären Verhaltensweisen aus.

Im amerikanischen Verständnis ist individuelle Freiheit von großer Bedeutung, und dieses Prinzip der Freiheit ist sehr eng mit individueller Selbstverantwortung verbunden.[6] Vom Individuum wird erwartet, dass es sich auf sich selber verlässt, und nicht auf den Staat. Dieser Fokus auf die individuellen Leistungen hat sich in den sozio-politischen und ökonomischen Realitäten des Landes verankert.[7] Aus diesem Grund ist man gegenüber staatlichen Eingriffen generell sehr skeptisch und befürchtet, sie könnten zu einer Beeinträchtigung der individuellen Autonomie führen. Im amerikanischen Verständnis wird deswegen die Familie als extrem abgeschottete Privatsphäre angesehen. Vor diesem Hintergrund ist das Fehlen universeller familienpolitischer Programme zu sehen.[8]

Darüber hinaus gibt es Erklärungsfaktoren, die mit der Geschichte der USA zusammenhängen. In den ersten Jahren der amerikanischen Geschichte lehnte bereits die laissez-faire Demokratie öffentliche Beteiligung in privaten Sachen, u.a. im Familienleben, ab.[9] Zu dieser Zeit war die Sozialpolitik natürlich sehr beschränkt, was allerdings durch die Herausbildung von zahlreichen Wohlfahrtsverbänden kompensiert wurde, welche von der Mittelklasse organisiert wurden, um den bedürftigsten Menschen zu helfen.[10] Einige Elemente von dem, was man als persönliche soziale Leistungen bezeichnen kann, haben sich in den USA historisch im Bereich von Kirchen und karitativen Verbände entwickelt.[11] Hier wurde immer persönlicher Voluntarismus im Verhältnis zur staatlichen Gesetzgebung bevorzugt, was auch mit der Ausprägung des Protestantismus in der amerikanischen Gesellschaft erklärt werden kann: Puritanismus und Protestantismus betonen nämlich, dass das „Gute“ freiwillig gemacht werden muss.[12] Als öffentliche Programme im 19. Jahrhundert entwickelt wurden, bestand das Ziel darin, staatliche Unterstützung dort anzubieten, wo diese ehrenamtliche Beteiligung nicht oder ungenügend vorhanden war.[13] An dieser Stelle kann man schon sehen, dass private Initiativen im Bereich der amerikanischen Sozialpolitik eine große Rolle spielen.

Hinzu kommt auch, dass in den USA die liberale Ideologie herrscht. Infolgedessen wird betont, dass Wachstum und Wohlstand in erster Linie durch den Markt gebracht werden müssen.[14] Außer der kostenlosen und verpflichtenden öffentlichen Ausbildung, bei der die USA international zu den Vorreitern gehörten, war die Herausbildung von nationalen Sozialpolitiken in den USA generell gesehen recht langsam (nationale Sozialversicherungsprogramme wurden erst zwischen 30 und 50 Jahre später als in den meisten der europäischen Ländern eingeführt). Erst die Verabschiedung des Social Security Act im Jahre 1935 bedeutete den Beginn einer sozialen Rolle für die föderale Regierung.[15]

Schließlich sollte in diesem Zusammenhang auch die Rolle des Föderalismus betont werden. In den USA gibt es keine nationale Familienpolitik, sondern dieses Politikfeld ist zu einem erheblichen Teil Sache der einzelnen Bundesstaaten.[16] Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts hatte der föderale Staat fast überhaupt keine Zuständigkeit im sozialen Bereich, vielmehr war dies eine Domäne der Bundesstaaten.[17] Das zehnte Amendement (der zehnte Zusatz der Verfassung) gesteht ihnen den Hauptteil der Zuständigkeit im Bereich von Familiengesetzen (Gesetze über Heirat, Scheidung, Abtreibung, Adoption, Kindmissbrauch, Emanzipierung von Minderjährigen…) zu, was einer der Gründe dafür ist, warum die USA keine kohärente und einheitliche Familienpolitik kennen. Sehr oft gibt es nämlich erhebliche Unterschiede zwischen den Staaten, und es wird nicht nach umfassender politischer Kohärenz oder Harmonisierung gestrebt. In einigen Staaten wird auf bestimmte Themen stärker Wert gelegt, z.B. auf die Heiligkeit der ehelichen Bindung und die Abneigung, ihre einfache Auflösung zu fördern, was natürlich Auswirkungen auf die Familien hat.[18]

[...]


[1] Vgl. Kamerman, Sheila B. and Kahn, Alfred J. (editors) (1978): The United States, in: Family Policy. Government and families in fourteen countries. Columbia University Press, New York, S. 428. Im Folgenden zitiert als: Kamerman / Kahn: Government and families in fourteen countries.

[2] Vgl. Gauthier, Anne H (2002): Family policies in industrialized countries: is there convergence? Im Internet unter: http://depts.washington.edu/ crfam/Symposium1/Gauthier.pdf, S.12 (zuletzt abgerufen am 01.02.2007).

[3] Vgl. The Clearinghouse on international development in child, youth and family policy at Columbia University (2003): United States. Im Internet unter: http://www.childpolicyintl.org/countries/us.pdf, S.4 (zuletzt abgerufen am 01.02.2007). Im Folgenden zitiert als: The Clearinghouse, United States.

[4] Vgl. Brinck, Christine (2004): Kinder – ein amerikanischer Traum, in: Die Zeit vom 19.02.04. Im Interner unter: http://www.zeit.de/2004/09/Kinder_USA (zuletzt abgerufen am 01.02.2007). Im Folgenden zitiert als: Brinck, ein amerikanischer Traum.

[5] Vgl. The Clearinghouse, United States, S.3.

[6] Vgl. Spieß, C. Katharina (1998): Staatliche Eingriffe in Märkte für Kinderbetreuung. Theorie und Empirie im deutsch-amerikanischen Vergleich. Campus Verlag, Frankfurt/New York, S.118. Im Folgenden zitiert als: Spieß, Staatliche Eingriffe.

[7] Vgl. Kamerman / Kahn: Government and families in fourteen countries, S. 431.

[8] Vgl. Spieß, Staatliche Eingriffe, S. 118-119.

[9] Vgl. Kamerman / Kahn: Government and families in fourteen countries, S. 431.

[10] Vgl. The Clearinghouse, United States, S.2.

[11] Vgl. Kamerman / Kahn: Government and families in fourteen countries, S. 453.

[12] Vgl. The Clearinghouse, United States, S.1.

[13] Vgl. Kamerman / Kahn: Government and families in fourteen countries, S.453.

[14] Vgl. The Clearinghouse, United States, S. 2.

[15] Vgl. The Clearinghouse, United States, S. 4.

[16] Vgl. Bolderson, Helen und Mabbett, Deborah (1991): Social Policy and Social Security in Australia, Britain and the USA. Avebury, Aldershot u.a., S. 47. Im Folgenden zitiert als: Bolderson / Mabbett, Social Policy.

[17] Vgl. The Clearinghouse, United States, S. 2.

[18] Vgl. Kamerman / Kahn: Government and families in fourteen countries, S.432-433.

Fin de l'extrait de 15 pages

Résumé des informations

Titre
Die Familienpolitik der USA
Université
University of Münster  (Institut für Politikwissenschaft)
Cours
Familienpolitik im Vergleich
Note
1,7
Auteur
Année
2007
Pages
15
N° de catalogue
V78170
ISBN (ebook)
9783638836562
Taille d'un fichier
422 KB
Langue
allemand
Mots clés
Familienpolitik, Vergleich
Citation du texte
Adeline Defer (Auteur), 2007, Die Familienpolitik der USA, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78170

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