Islamic Tourism - kulturelle Aufwertung in der arabischen Welt nach dem 11. September?


Term Paper, 2005

20 Pages, Grade: 1,3


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die arabischen Tourismusmärkte nach dem 11. September

3. Intra-arabische Kooperation als Tourismusstrategie
3.1 Ökonomisches Konzept
3.2 Kulturelles Konzept
3.3 Religiöses Konzept

4. Exkurs: Islamisches Reiseverhalten in den 70er Jahren

5. Erklärungsansätze für Islamic tourism
5.1 Erklärungsansatz von Huntington
5.2 Erklärungsansatz von Al-Harmaneh und Steiner
5.2.1 Anti-arabischer und anti-westlicher Diskurs
5.2.2 Islamic tourism im ökonomischen und kulturellen Kontext

6. Schluss

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center und das Pentagon am 11. September 2001versuchte Wesley Clark, ehemaliger NATO-Oberbefehlshaber, die möglichen Konsequenzen des Anschlages in Worte zu fassen: <Unser Land wird nicht mehr so sein wie früher>“[1].

Nicht nur Amerika sollte durch die Anschläge des 11.Septembers verändert werden, sondern die ganze Welt. „Ob das New Yorker World Trade Center oder eine Discothek auf Bali, ob kulturelle Zentren in Casablanca, ein Bankgebäude und eine Synagoge in Istanbul, Busse in Jerusalem, Wohnkomplexe in Riad oder die U-Bahn in Moskau – die blutige Spur zieht sich über die ganze Welt“[2]

Terroranschläge und deren Bekämpfung haben die „Wirklichkeitskonstruktionen der Menschen in Europa und der Arabischen Welt“[3] verändert.

Es ist nicht Ziel dieser Arbeit, diese These weiter zu hinterfragen. Im Rahmen des Seminars „Tourismus in der Spätmoderne“ kam jedoch die Frage auf, ob sich durch die Anschläge des 11.Septembers die Ziele der Touristen und dementsprechend die Touristenmärkte verändert haben „Der 11.September...habe die Welt verändert, gilt dies auch für die <World of TUI>“?[4]

Diese Arbeit setzt sich mit dem Islamic tourism auseinander, einer Tourismusentwicklung in arabischen und islamischen Ländern. Diese Entwicklung gab es zwar bereits vor dem 11.September, sie wurde aber danach intensiver vorangetrieben und vermarktet. Meiner Kenntnis nach befassten sich bisher im deutsch- englisch- und französischsprachigen Raum nur Geographen, insbesondere Kulturgeographen mit diesem Thema. Aus ethnologischer Sicht ist daher meinem Wissen nach zu diesem Thema nach noch nichts veröffentlicht.

In dieser Arbeit wird versucht, Islamic tourism aus kulturwissenschaftlicher Sicht zu beleuchten: Welches Kulturverständnis liegt diesem Konzept zu Grunde und welche Bedürfnisse soll die Kultur darin befriedigen? In welchen größeren Kontext kann solch eine Entwicklung eingeordnet werden?

Dabei soll es nach Möglichkeit nicht um eine Bewertung des Islamic tourism gehen.

Von Meyer, Al-Harmaneh und Steiner habe ich die Formulierungen arabischer Kulturraum, arabische Welt und arabisch-islamische Kultur übernommen.[5] Auf Fragen, was die arabisch-islamische Kultur ausmache, ob nicht auch persische Länder oder die Türkei dazuzuzählen wären, soll nur verwiesen werden.

Die Arbeit gliedert sich in folgende Teile: Zunächst wird ein kurzer Einblick in die arabischen Tourismusmärkte nach dem 11. September gegeben. Anschließend werden die drei Konzepte innerhalb der Entwicklung eines Islamic tourism dargestellt. Das vierte Kapitel umfasst einen Exkurs zum islamischen Reiseverhalten in den 70er Jahren, der für die folgende Betrachtung des Islamic tourism wichtig ist. Der Hauptbestandteil der Arbeit befasst sich mit zwei Erklärungsansätzen für die Entwicklung des Islamic tourism: Zum einen Huntingtons These vom Kampf der Kulturen, zum anderen Al-Harmanehs und Steiners Ansicht einer kulturelle Aufwertungspraxis im Zuge von Globalisierung und negativen Images.

2. Die arabischen Tourismusmärkte nach dem 11. September

Der Tourismus ging in den letzten vier Monaten des Jahres 2001 weltweit um 11% und in der Nah- und Mittelostregion um 30% zurück. Das Jahr 2001 war für den Welttourismus das schlechteste seit 1982, er verzeichnete ein Minuswachstum von 0,6%.[6]

„Während die nordafrikanischen Staaten 2002 einen Rückgang der Besucherzahlen von 4% hinnehmen mussten, erfuhren die subsaharischen afrikanischen Länder einen durchschnittlichen Zuwachs von 8,5%. Der Mittlere Osten, der 2001 Einbußen von 4% verbucht hatte, konnte ein hohes Wachstum von 11% für das Folgejahr verzeichnen“[7]. Die unterschiedlichen Zahlen machen deutlich, dass nicht von einem homogenen arabischen Tourismusmarkt gesprochen werden kann, sondern dass sich die Märkte in diesen Ländern differenziert darstellen.

Der unterschiedliche Verlauf der Reisebewegungen in den arabischen Ländern hängt mit den verschiedenen implementierten Tourismuskonzepten vor dem 11.September zusammen. Die vier wichtigsten Tourismuskonzepte in der arabischen Welt, charakterisiert nach den Aktivitäten der Touristen, werden im Folgenden kurz skizziert.

Tunesien z.B. konzentrierte sich in seinen touristischen Bemühungen vor allem auf Vergnügungs- und Badetouristen aus Europa und Nordamerika. 2002 besuchten im Vergleich zu 2001 38% weniger Touristen das nordafrikanische Land, vor allem deutsche und französische Urlauber, die wichtigsten für den tunesischen Markt, bevorzugten andere Ziele. Neben dem Anschlag auf das World Trade Center fügen Steiner und Al-Harmaneh als weiteren Grund für den Rückgang der Touristen die tunesische Unterstützung der Al-Quaeda an, was in den europäischen Massenmedien besonders hervorgehoben wurde. Zu einer zusätzlichen Meidung des nordafrikanischen Landes trug der Anschlag auf Djerba (April 2002) bei.[8] Nicht nur die Sicherheitssituation ist für die Wahl der Urlaubsziele bedeutend, sondern auch die internationale Medienberichterstattung, da sie entscheidend an der an der Entwicklung eines Destinationsimages mitwirkt.[9]

Marokko ist von einer ähnlich negativen Entwicklung wie Tunesien betroffen, wenn auch weniger stark.

Die libanesische Tourismusindustrie richtete ihr Augenmerk hauptsächlich auf arabische Vergnügungstouristen, die vor allem in der Hauptstadt Beirut auf ihre Kosten kommen sollten. Ein multi-ethnischer Tourismus ist überwiegend in Jordanien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, in Marokko und in Ägypten zu finden. Diesem Tourismussegment eine kulturelle und religiöse Orientierung zu geben ist das Ziel der saudi-arabischen, jemenitischen, syrischen und palästinensischen Tourismusindustrie.[10]

Langfristige Verluste in den Touristeneinnahmen nach dem 11. September mussten vor allem Tunesien und Marokko mit einer einseitig nach Westen hin orientierten Tourismusstrategie hinnehmen. Besucherzahlen aus westlichen Ländern gingen stark zurück.

Trotz alledem kam es nicht, wie anfangs vermutet, zum Zusammenbruch der arabischen Tourismusindustrie. Steiner und Al-Harmaneh begründen dies mit der Reaktion arabischer Touristen, Ziele in Europa zu meiden und stattdessen den eigenen Kulturraum zu bereisen.[11] Al-Harmaneh, Steiner und die Ghorfa interpretieren den zunehmenden arabischen Binnentourismus und die Tendenz zu einem islamisch geprägten Tourismus als Reaktion auf den 11.September. „These positive local changes have taken place in a larger global context of externally manipulated violence and instability, as well as anti-Arab, anti-Muslim racism“[12]. Von der Entwicklung eines Islamic tourism profitieren insbesondere der Libanon („Lebanon prospers while world tourism suffers“[13]) und Ägypten, etwas weniger stark aber auch Syrien, Jordanien und das Emirat Dubai. Der arabische Binnentourismus in den oben genannten Ländern habe zu beigetragen, dass Verluste aus abnehmenden westlichen Touristenströmen nicht so stark ins Gewicht fielen.

Dennoch sollten diese Zahlen nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die arabische Tourismusbranche in einer strukturellen Krise befindet, die einer Lösung bedarf. Die Krise ist bedingt durch kürzere Touristenaufenthalte, niedrige Preise, die Abkehr vom Kulturtourismus und die Hinwendung zum Vergnügungstourismus und nicht zuletzt durch Existenzkämpfe von Mittelklassehotels.

3. Intra-arabische Kooperation als Tourismusstrategie

Der Entschluss arabischer Länder, sich nicht ausschließlich auf westliche Touristen zu konzentrieren, ist ein Grund für die intensivierte Kooperation zwischen den arabischen Ländern, wie sie bisher nur in Zusammenhang mit der religiösen Pilgerfahrt stattfand. Die Zusammenarbeit umfasst u.a. Marketingstrategien, zugeschnitten auf eine muslimische Zielgruppe (die von einer Koordinationsstelle aus entwickelt werden), finanzielle Unterstützung von Investitionen in den Tourismus durch die „Islamic Bank for Development“, die Erleichterung des Reiseverkehrs und des cash-flows, einer verbesserten Reiseinfrastruktur, und die Einführung eines „code of behavior“ für muslimische Touristen.

„Islamic tourism“[14] sollte ein neues Marktsegment öffnen, für das es nach Meinung Al-Harmanehs in der arabischen Welt ein großes Potential gebe: Geographische, ethnisch-kulturelle, architektonische, sozioökonomische und historische Unterschiede sowie sprachliche und religiösen Gemeinsamkeiten.[15]

Innerhalb der Entwicklung eines islamischen Tourismus lassen sich drei Konzepte unterscheiden:

3.1 Ökonomisches Konzept

Das ökonomische oder intra-regionale Konzept zielt auf die quantitative Erhöhung der Touristenzahlen und einer damit verbundenen Ertragserhöhung ab. Die Implementierung eines solchen Konzeptes erfolgte entweder als neues Marktsegment, das in die bisherige Tourismusstrategie integriert wurde, oder als Ersatz für den krisenanfälligen europäischen und amerikanischen Touristenmarkt. Der Libanon ist ein Beispiel für eine Tourismusentwicklung, die in diese Richtung geht. Arabische Touristen, vor allem aus Kuweit und Saudi-Arabien, schätzen an der Hauptstadt Beirut den europäischen Charakter, seine Luxushotels und sein im Vergleich zu anderen arabischen Ländern freizügigeres Nacht- und Freizeitleben.[16]

[...]


[1] Eine Nation, erstarrt im Schock., SZ 12.09.2001.

[2] Terror: Der Krieg des 21. Jahrhundert, S. 6.

[3] Steiner: Terror, Krieg und Badeurlaub, S. 1.

[4] Steiner: Terror, Krieg und Badeurlaub, S. 1.

[5] Die Bezeichnung umfasst folgende Länder: Ägypten, Algerien, Bahrein, Jemen, Jordanien, Katar, Kuweit, Libanon, Libyen, Marokko, Oman, Saudi-Arabien, Sudan, Syrien, Tunesien, V.A.E.

[6] Vgl. www.ghorfa.net/Aufschwug_BinnenTO.php

[7] WTO-Neueste Zahlen zum Tourismus. Vgl. www.ghorfa.net/Aufschwug_BinnenTO.php.

[8] Vgl. Al-Harmaneh, Steiner: Islamic tourism, S. 178.

[9] Vgl. Meyer, Steiner, Al-Harmaneh: Krisen, Kriege, Katastrophen, S. 1.

[10] Al-Harmaneh, Steiner: Islamic tourism, S. 177.

[11] Ebd., S. 175.

[12] Ebd.

[13] Glasze, S. 346.

[14] Al-Harmaneh und Steiner verwenden den Begriff in Anlehnung an das Tourismusmagazin Islamic tourism, das in arabischer und englischer Sprache erscheint und Tourismus in Verbindung mit islamischer Kultur thematisiert.

[15] Al-Harmaneh: Islamischer Tourismus, S. 343.

[16] Vgl.Glasze, S.348.

Excerpt out of 20 pages

Details

Title
Islamic Tourism - kulturelle Aufwertung in der arabischen Welt nach dem 11. September?
College
University of Marburg
Grade
1,3
Author
Year
2005
Pages
20
Catalog Number
V78600
ISBN (eBook)
9783638838368
File size
470 KB
Language
German
Keywords
Islamic, Tourism, Aufwertung, Welt, September
Quote paper
Katrin Jullien (Author), 2005, Islamic Tourism - kulturelle Aufwertung in der arabischen Welt nach dem 11. September?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78600

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