Internationaler Klimaschutz - Interessenkonflikte zwischen Industrie- und Schwellenländern


Trabajo de Seminario, 2007

49 Páginas, Calificación: 1,7


Extracto


INHALTSVERZEICHNIS

1 EINLEITUNG

2 DER KLIMAWANDEL UND INTERNATIONALER KLIMASCHUTZ
2.1 Der Klimawandel und Reaktionsstrategien
2.1.1 Entstehung, Ursachen und Schäden
2.1.2 Klimaschutzstrategien: Vermeidung und Adaption
2.1.3 Positive Externalitäten
2.2 Transnationale öffentliche Güter und internationale Externalitäten

3 ZWISCHEN WACHSTUM, WETTBEWERB UND VERANTWORTUNG
3.1 Die Situation der Schwellenländer
3.1.1 Die Environmental Kuznets Curve (EKC) und der Klimawandel
3.1.2 Die Rolle der Energieeffizienz am Beispiel der Volksrepublik China
3.1.3 Politikimplikationen
3.2 Die Situation der Industrieländer
3.2.1 Unilaterale Reduktionsziele im internationlen Wettbewerb
3.2.2 Die Rolle des Urheber- und Patentrechts
3.2.3 Politikimplikationen
3.3 Konflikte in internationalen Klimaschutzverhandlungen
3.3.1 Der Weg zur UN Rahmenkonvention
3.3.2 Der Weg zum Kyoto-Protokoll
3.3.3 Jüngste Verhandlungen und Gespräche ausserhalb der UN-Institutionen

4 SCHLUSSWORT UND AUSBLICK

5 LITERATURVERZEICHNIS

ANHANG
A1 Vertiefungen und Ergänzungen
A1.1 Die Abgrenzung von Industrie- und Schwellenländern
A1.2 Der Treibhauseffekt
A1.3 Verbindungen zwischen Wirtschaft und Umwelt
A2 Tabellen und Abbildungen
Tabelle 1: Schwellenländer mit relevanten Indikatoren
Tabelle 2: Blick über die vergangenen und kommenden COP
Tabelle 3: Blick über die vergangenen und kommenden CSD-Meetings
Tabelle 4: Blick über die INC-Meetings vor der UNCED
A3 Definitionen, Begriffe, Maßeinheiten
A3.1 Ökonomische und statistische Begriffe und Definitionen
A3.2 Naturwissenschaftliche Begriffe und Definitionen
A3.3 Organisationen, Institutionen und Abkommen
A3.4 Chemische Verbindungen
A3.5 Technische und physikalische Maßeinheiten

Hinweis:

Alle im folgenden Aufsatz verwendeten, nicht allgemein gängigen, ökonomischen, statistischen und naturwissenschaftlichen Begriffe, Maßeinheiten und Bezeichnungen sind im Anhang A3, sofern nicht schon im Haupttext geschehen, definiert. Ein Abkürzungsverzeichnis folgt auf der nächsten Seite.

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

„I oppose the Kyoto Protocol because it exempts 80 percent of the world, including major population centers such as China and India.“

George W. Bush, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika

BAUMERT & KETE (2001), S. 1

1. EINLEITUNG

Der Klimawandel und dessen mögliche Folgen hat in der Weltöffentlichkeit jüngst stark an Bedeutung gewonnen. Auf fast allen politischen Ebenen wird der Klimawandel diskutiert und Al GORE, ehemaliger US-amerikanischer Vizepräsident und Präsidentschaftskandidat, erreichte mit seinem Dokumentarfilm „An Inconvenient Truth“ ein großes Publikum mit einem Thema für das der durchschnittliche Amerikaner bis vor einigen Jahren wenig sensibilisiert schien.1

Die aktuellen Berichte der britischen Regierung und des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) machen unmissverständlich auf die Risiken des Klimawandels aufmerksam und betonen einen sofortigen und durchgreifenden Handlungsbedarf.2 Trotz allgemeiner Anerkennung des Problems durch alle Vertragsparteien der UN Rahmenkonvention zum Klimawandel (UNFCCC) wechseln sich seit deren Gründung 1992 Fortschritte und Stillstand regelmäßig ab. Von einem wirksamen und effizienten Klimaschutz scheint die Weltgemeinschaft weit entfernt. Eine Vielzahl von unterschiedlichen Auffassungen wie ein vernünftiger Klimaschutz zu gestalten sei, treffen in der internationalen Klimapolitik aufeinander. Ein Konfliktfeld geriet in der Ratifizierungsphase des Kyoto-Protokolls besonders in den Vordergrund: Die US-amerikanische Regierung um Präsident George W. BUSH wird die Vereinigten Staaten solange nicht an Klimaschutzziele binden, bis dies auch Schwellenländer wie China, Indien, Mexiko, Südafrika und Brasilien tun. Seitdem suchen die Industrieländer besonders den Dialog mit diesen Ländern, die den Handlungsbedarf ihrerseits bei den Industriestaaten sehen. In diesem Aufsatz werde ich mich mit diesem Konfliktfeld zwischen Industrie- und Schwellenländern näher beschäftigen. Nachdem ich in Kapitel 2 ausgewählte Grundlagen zum Klimawandel und der internationalen Klimapolitik dargelegt habe, werde ich in Kapitel 3 zunächst die ökonomischen Hintergründe der jeweiligen Anliegen und Positionen herausarbeiten. Dabei werde ich in Abschnitt 3.1 auf die Implikationen des primären Begehrens der Schwellenländer nach Wachstum und Entwicklung eingehen und zeigen weshalb der Energiesektor in diesen Ländern ein Schlüsselsektor zur Vereinbarung von Entwicklungs- und Klimaschutzzielen darstellt. Da die gesamten CO2-Emissionen Chinas im Jahre 2003 allein so hoch waren wie die aller anderen vier Länder zusammen, setze ich dabei einen besonderen Schwerpunkt auf die Rolle der Volksrepublik China. Aber auch Indien, das nach Prognosen3 um das Jahr 2050 China als bevölkerungsreichstes Land der Erde abgelöst haben wird, verdient in diesem Zusammenhang besondere Beachtung.4 In Abschnitt 3.2 zeige ich auf, weshalb auf der Seite der Industriestaaten Bedenken bezüglich der Wettbewerbsfähigkeit ihrer Industrien bei einseitigen Klimaschutzverpflichtungen bestehen und aus welchen Gründen Probleme bei Transfers klimafreundlicher Technologien entstehen können. Wie sich diese grundlegenden Anliegen in seit fast 16 Jahren nahezu unveränderten Positionen manifestieren zeigt sich Anhand eines Blickes über die internationale Klimapolitik seit den Verhandlungen zur UNFCCC 1991 bis zum G8-Gipfel im Juni dieses Jahres in Abschnitt 3.3. Kapitel 4 fasst die zentralen Thesen zusammen und gibt einen Ausblick auf mögliche Lösungsansätze und kommende Ereignisse.

2. DER KLIMAWANDEL UND INTERNATIONALER KLIMASCHUTZ

2.1 Der Klimawandel und Reaktionsstrategien

2.1.1 Entstehung, Ursachen und Schäden

Die zentrale Einflussgröße auf das durch Sonnenenergie betriebene Klimasystem der Erde ist der so genannte Treibhauseffekt. Bestimmte atmosphärische Gase (Treibhausgase, THG)5 sind in der Lage die von der Erdoberfläche ausgehende Infrarotstrahlung zu reflektieren und damit die Erde zu erwärmen.6 Ohne Treibhauseffekt wäre die Erde zu kalt um Leben in der uns bekannten Form hervorzubringen und zu beherbergen.7 Auf der anderen Seite lässt sich auf dieser Basis vermuten, dass sich mit einer erhöhten Konzentration an THG in der Atmosphäre auch ein Strahlungsgleichgewicht mit einer höheren Temperatur einstellen wird. Die Prognose des Klimawandels ist aufgrund der langen Analysezeiträume, unüberschaubarer Feedbackeffekte und Schwierigkeiten in der Übersetzung von Temperaturänderungen in Klimaeffekte nach wie vor schwierig. Einige wichtige Klimaforscher stehen dem in Medien und Politik verbreiteten Bild bezüglich Existenz, Form und Ausmaß des Klimawandels sehr kritisch gegenüber. Die Kritiker bemängeln insbesondere dass die Resultate des IPCC auf unvollständigen und unsicheren Daten bezüglich negativer Feedbackeffekte und unrealistischen Modellen basieren, dass sie den Einfluss der menschlichen Emissionen auf das globale Klimasystem weit überschätzen und dass die Bewertungen mehr durch politische Interessen als wissenschaftliche Argumente getroffen werden.8 Diese Gründe nahm die chinesische Delegation bei der sechsten Sitzung des Intergovernmental Negotiating Committee (INC) 1992 auch zum Anlass, die Folgerungen der IPCC auf das Schärfste zu kritisieren und argumentierte, dass „Regierungen ihre Politikentscheidungen nicht auf Basis solcher Unsicherheiten treffen können“.9 Nichtsdestotrotz gilt es Folgendes zu beachten: Die wissenschaftliche Unsicherheit ist zwar nicht vollständig eliminiert, das wird wahrscheinlich auch nie möglich sein. Jedoch können die IPCC-Wissenschaftler heute mit einem sehr hohen Grad an Sicherheit sagen, dass es einen signifikanten Anstieg der THG-Emissionen gibt, dass es eine historische Korrelation zwischen atmosphärischen Konzentration von CO2 und der globalen Durchschnittstemperatur gibt und dass es Jahrzehnte dauern kann, bis sich der Effekt von THG-Emissionen im globalen Klimasystem manifestiert.10 Es besteht somit ein objektives Risiko, dass die prognostizierten sozioökonomischen Schäden eintreten könnten. Und wenn der Klimawandel tatsächlich stattfinden sollte, wird er irreversibel sein. Viele Wissenschaftler und Politiker haben daher auch hier das Vorsichtsprinzip vorgeschlagen, das bereits bei vielen umweltpolitischen Fragen angewendet wird. In Artikel 15 der Rio- Erklärung über Umwelt und Entwicklung der UNCED wurde das wie folgt ausgedrückt: „[…] Wo es die Bedrohung durch schwerwiegende und/oder irreversible Schäden gibt, sollte ein Fehlen an vollkommener wissenschaftlicher Sicherheit nicht für den Zweck des Hinauszögerns kosteneffektiver Maßnahmen zur Verhinderung von Umweltdegeneration benutzt werden.“11 Dieser Grundsatz wurde nahezu wörtlich in die UNFCCC übernommen.12

Es gibt zahllose Studien und Veröffentlichungen die auf verschiedene Art und Weise und in unterschiedlichem Umfang die ökonomischen Schäden des Klimawandels zu schätzen versuchten. Die aktuellsten und umfangreichsten zusammenfassenden Reports sind der, von der britischen Regierung in Auftrag gegebene und vom ehemaligen Chefökonomen der Weltbank, Sir Nicholas STERN, herausgegebene sog. „Stern Review“ und der aktuelle vierte Assessment Report (AR4) des IPCC. Der rund 650 Seiten starke STERN-Bericht wurde am 30. Oktober 2006 vorgestellt, der dreiteilige AR4 wird offiziell im November 2007 veröffentlicht, jedoch wurden bereits die Zusammenfassungen für Entscheidungsträger präsentiert. Beide Reports kommen zu ähnlichen Schlussfolgerungen:13

- Dass ein Klimawandel stattfindet, ist nun eindeutig feststellbar, die wissenschaftliche Sicherheit, dass menschliche Aktivitäten dafür (mit)verantwortlich sind, ist sehr hoch.
- Der Klimawandel könnte sehr schwere Folgen für die physikalischen und biologischen Systeme haben sowie Wachstum und Entwicklung stark und nachhaltig schädigen.
- Der Beginn des Klimawandels in den nächsten Jahrzehnten ist inzwischen unvermeidbar, es ist jedoch noch Zeit die schlimmsten Folgen zu verhindern und sich auf bevorstehende vorzubereiten, wenn umgehend durchgreifende Maßnahmen ergriffen werden.
- Es existiert bereits eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Adaption und Emissionsreduktion. Durchgreifende, wohl durchdachte politische Maßnahmen sind nötig um deren Aufnahme zu initiieren. Die Kosten einer Stabilisierung des Klimas sind signifikant aber tragbar. Weitere Verzögerungen können gefährlich und viel teurer werden. Wachstumsaspirationen müssen nicht zwangsläufig beeinträchtigt werden.
- Klimawandel erfordert eine internationale Antwort, Handlungsbedarf besteht in allen Ländern. Der Rahmen für Maßnahmen muss dabei auf einem gemeinsamen Verständnis der langfristigen Ziele basieren.

Klar wurde auch gemacht, dass die heute am wenigsten entwickelten Länder, besonders wegen ihrer Abhängigkeit vom Agrarsektor, am stärksten unter dem Klimawandel leiden werden. Industriestaaten haben eher geringe Schäden zu befürchten, sind aber „weit von Immunität entfernt“.14 Die Schwellenländer liegen auch hier zwischen IL und EL. Indiens Wirtschaft reagiert sehr sensibel auf selbst kleine Veränderungen des Monsuns. Der Norden zehrt in der Trockenzeit stark vom Schmelzwasser der Gletscher und der Schneefelder im Himalaja. Veränderungen dieser Systeme durch den Klimawandel werden starken Einfluss auf die Wasserversorgung und damit die landwirtschaftlichen Erträge haben. Auch in China ist allgemeine Wasserknappheit bereits gegenwärtig ein Problem. Besonders die landwirtschaftlich geprägten nördlichen Provinzen Chinas werden daher stark unter dem Klimawandel zu leiden haben.15

2.1.2 Klimaschutzstrategien: Emissionsvermeidung und Adaption

Der Klimawandel ist ein sehr langfristiger Prozess und daher werden Reduktionen heutiger THG-Emissionen erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts zum Tragen kommen. Ein Teil des Klimawandels ist bereits unumkehrbar, das heißt in den nächsten Jahrzehnten werden schon Effekte zu spüren sein. Neben der Frage der Emissionsvermeidung muss Adaption, also die Vorbereitung und Einstellung auf diese Effekte um deren Schäden zu minimieren, als zweite Säule des Klimaschutzes gesehen werden. Dies gilt besonders für weniger entwickelte Länder, da der Klimawandel diese am schwersten treffen wird. Ökonomisch gesehen gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen Adaptions- und Vermeidungsmaßnahmen: Während Emissionsvermeidung ein globales öffentliches Gut darstellt (s. Abschnitt 2.2), hat Adaption meist Eigenschaften eines Clubgutes oder eines öffentlichen Gutes auf regionaler Ebene.16 Dies impliziert geringere Free-Riding-Anreize. Vermeidungs- und Adaptionsstrategien sind im Allgemeinen nicht komplementär: Ressourcen für Adaption aufzuwenden bedeutet in der Regel diese nicht für Emissionsreduktion mehr zur Verfügung zu haben.17 Jedes Land muss daher einen spezifischen Mix aus Adaptions- und Vermeidungsmaßnahmen, entsprechend der jeweiligen zu erwartenden Schäden und Möglichkeiten, ergreifen. Axel MICHAELOWA (2001) zeigt anhand eines Public-Choice- Modells, dass Industriestaaten Emissionsvermeidungsstrategien bevorzugen. Länder mit hohen Schäden werden Adaptionsstrategien bevorzugen.

2.1.3 Positive Externalitäten

Bei der Abwägung von Nutzen und Kosten von Klimaschutzmaßnahmen sind positive Externalitäten insbesondere in den von weiteren lokalen Umweltbeeinträchtigungen geplagten Schwellenländern eine relevante Größe. Klimaschutzmaßnahmen können auch auf diese entspannenden Einfluss haben. So haben effizientere Kraftwerke nicht nur eine THGEinsparung zur Folge, sondern auch eine Reduktion von weiteren lokalen Verschmutzungsstoffen wie zum Beispiel Schwefeldioxid und Feinstaub. Diese Effekte könnten sogar mitunter so stark sein, dass sich die Maßnahmen selbst bei hypothetischem Nichteintreten des Klimawandels lohnen würden.

2.2 Transnationale öffentliche Güter und internationale Externalitäten

Der Klimawandel ist das „größte Marktversagen das die Welt je gesehen hat“18 und eine Folge „globaler Umweltexternalitäten“19. Was meinen STERN und der COUNCIL OF ECONOMIC ADVISERS mit dieser Feststellung? Mit der Beantwortung dieser Frage zeige ich, dass ein wirksamer Klimaschutz international koordiniert sein muss.

Umweltprobleme unterscheiden sich wesentlich anhand ihrer räumlichen Dimension. Einige sind lokal (z.B. Müll), einige regional (z.B. Strahlung), manche sind national (z.B. Bleibeimischung im Benzin), andere international (z.B. Schwefeldioxid) und einige sind global (z.B. Kohlenstoffdioxid, Fluorkohlenwasserstoffe). Diese Tatsache hat entscheidende Implikationen für das Management und die Regulierung dieser Probleme: Bei globalen Umweltproblemen, wie das des Klimawandels, sind alle Länder sowohl Verursacher als auch Betroffene. „Jene die THG-Emissionen produzieren, […] und dabei der Menschheit und zukünftigen Generationen Kosten verursachen, tragen nicht, weder über Märkte noch auf sonstigem Wege, die vollständigen Konsequenzen ihrer Handlungen.“20 Die Reduktion von Treibhausgasen ist also ein globales öffentliches Gut, der Klimawandel ist ein globales öffentliches Bad.

Nationale öffentliche Güter werden zum größten Teil durch den Staat bereitgestellt, da dieser die einzige Institution mit der Autorität ist Zwang auszuüben, eine Autorität die gewöhnlich nötig ist um öffentliche Güter in effizientem Umfang bereit zu stellen.21 Die private Bereitstellung im NASH-Gleichgewicht ist Aufgrund des klassischen Free-Rider-Problems PARETO-ineffizient.22 Über Steuern und Abgaben zwingt der Staat daher seine Bürger zu ihrem Wohle zur Beteiligung an der Finanzierung öffentlicher Güter. Genau in dieser institutionellen Reaktion liegt der Unterschied zwischen nationalen und transnationalen öffentlichen Gütern: Es gibt keine „Weltregierung“ mit der Autorität Nationalstaaten zum Beitrag transnationaler öffentlicher Güter zu zwingen. Nationalstaaten sind souverän, sie können zwar unter Druck gesetzt werden aber letztendlich nicht gezwungen werden sich an der Bereitstellung transnationaler öffentlicher Güter zu beteiligen.23 Die Bereitstellung transnationaler öffentlicher Güter ist also zwangsläufig freiwillig.24 Die einzige Möglichkeit in Richtung eines effizienten Ergebnisses sind internationale Abkommen, in denen sich die Parteien selbst verpflichten.

3 ZWISCHEN WACHSTUM, WETTBEWERB UND

VERANTWORTUNG: KONFLIKTE ZWISCHEN INDUSTRIE- UND SCHWELLENLÄNDERN

Es wurde gezeigt, dass das Problem identifiziert ist, die möglichen Konsequenzen bekannt sind und die nötigen Maßnahmen zur Bekämpfung und Vorbereitung definiert sind. Dennoch wechseln sich nun seit Gründung der UNFCCC 1992 Fortschritte und Stillstand regelmäßig ab. Die Streitpunkte sind 15 Jahre danach noch immer dieselben. Sowohl in der Präambel als auch in Artikel 3 der UNFCCC wurde formuliert, dass alle Länder „entsprechend ihrer gemeinsamen aber differenzierten Verantwortung und entsprechenden Möglichkeiten“ Maßnahmen zum Schutz des globalen Klimas einleiten müssen. Artikel 3(4) ruft zur „nachhaltigen Entwicklung“ auf, nach der die Klimaschutzmaßnahmen an die „besonderen Umstände jeder Vertragspartei“ angepasst werden sollten. So gut diese Formulierungen gemeint sind, so unbestimmt sind sie zugleich. Wie soll die Verantwortung differenziert werden? Wie stellt man die Möglichkeiten eines Landes fest Klimaschutz zu betreiben und wie definiert man die „besonderen Umstände“? Genau hier liegen die Wurzeln der meisten Konflikte in den internationalen Klimaschutzverhandlungen. Wer erkennt wie viel Verantwortung an? Wer unternimmt den ersten Schritt? Wer ist am fähigsten Maßnahmen zu betreiben, wer benötigt Hilfe und welche? Ist die jeweilige nationale Nutzen-Kosten- Rechnung letztendlich positiv?

3.1 Die Situation der Schwellenländer

Das zentrale Begehren der Schwellenländer ist Entwicklung und ein Lebensstandard nach dem Vorbild der Industriestaaten.25 Die Entwicklung der heutigen Industriestaaten wurde jedoch begleitet durch eine erhebliche Belastung der Umwelt und nicht zuletzt die Verursachung des Klimawandels. Dies wirft unmittelbar die Frage auf, ob der Entwicklungsprozess der heutigen Schwellenländer die selben Folgen haben muss (Abschnitt 3.1.1), oder ob es Möglichkeiten gibt, Entwicklung und Klimaschutz zu integrieren (Abschnitt 3.1.2 und 3.1.3).

3.1.1 Die Environmental Kuznets Curve (EKC) und der Klimawandel

Die Literatur zur Interaktion zwischen wirtschaftlichem Wachstum und Umweltverschmutzung deutet auf einen viel zitierten Zusammenhang hin, der Environmental Kuznets Curve (EKC)26 genannt wird.27 Gene GROSSMAN und Alan KRUEGER (1993) fanden in ihrer wegweisenden Arbeit Hinweise auf einen invertiert U-förmigen Zusammenhang zwischen einigen Maßen der Umweltqualität und dem Pro-Kopf-Einkommen, der zeigt, dass der Zustand der Umwelt in frühen Phasen der Industrialisierung zur Verschlechterung tendiert, sich dann jedoch, nachdem eine gewisse Einkommensschwelle überschritten wurde, mit weiterem Wachstum verbessert.28 Wäre dieser Zusammenhang deterministisch, würde das bedeuten, dass man eine Strategie des „Grow Out“29 von Umweltproblemen verfolgen könnte. Wachstum und Entwicklung wäre somit gleichzeitig eine Klimaschutzstrategie.

Abgesehen davon, dass die EKC nach wie vor sehr kontrovers diskutiert wird,30 ist die Prognose der EKC für Treibhausgase höchstwahrscheinlich so nicht anwendbar. Der Effekt wirtschaftlichen Wachstums auf die Umwelt lässt sich theoretisch in die folgenden drei Teilkomponenten zerlegen: Skaleneffekt, Struktureffekt und Technologieeffekt.31 Die theoretischen Erklärungsansätze der EKC bauen alle auf deren relativem Verhältnis im Zeitablauf auf.32 Der populärste Ansatz ist der, dass Umweltqualität ein normales Gut ist, dessen Nachfrage bei steigendem Einkommen zunimmt. Unter der Annahme dass der Regulator stets eine optimale Umweltpolitik betreibt, erhöht dieser daher mit steigendem Einkommen die Regulierungsstringenz und der Technologieeffekt wirkt dem Skaleneffekt entgegen bis er ihn schließlich vollständig einholt. Die kritische Annahme ist hierbei die optimale Regulierung: Diese ist nur bei Nichtexistenz jeglicher räumlicher und zeitlicher Externalitäten zu erwarten; offensichtlich verursachen Treibhausgase beide Arten von externen Effekten, sodass die Annahme der optimalen Regulierung hier nicht haltbar ist. Der Technologieeffekt ist somit zu gering um den Skaleneffekt einzuholen. Dies deutet eher auf eine monoton steigende Kurve hin und wenn sie doch irgendwann fallen sollte, dann wird die Schwelle vermutlich bei einem THG-Konzentrationsniveau liegen das bereits irreversible Schäden verursacht hat.33 Dies wird auch von den (bisher wenigen) empirischen Studien bestätigt.34

Was bedeutet das für den Klimaschutz in Schwellenländern? Beim Klimaschutz ist keine Zielharmonie zwischen Entwicklung und Umweltschutz zu erwarten, wie es bei anderen Umweltproblemen der Fall sein könnte. Es besteht also im Allgemeinen ein Tradeoff zwischen Entwicklung und Klimaschutz. Allerdings ist in der Praxis (in der keine Effizienz herrscht) in einigen Bereichen eine Entkopplung dieser beiden Ziele möglich: Wachstum durch Effizienzsteigerung. Wie das möglich ist, zeige ich im folgenden Abschnitt am Beispiel des chinesischen Energiesektors.

3.1.2 Die Rolle der Energieeffizienz am Beispiel der Volksrepublik China

Weltweit entstehen 61% der THG durch Energiekonsum, davon wiederum 40% bei Elektrizität und Heizung.35 „Ausschweifende […] Nutzung von Energie ist zu einem Synonym der Zugehörigkeit zur industrialisierten Welt geworden“.36 Nahezu jeder Sektor fortgeschrittener Volkswirtschaften hängt von einer ausgiebigen und verlässlichen Energieversorgung ab. Die Energienutzung in den Schwellenländern hat noch nicht das Niveau der Industrienationen erreicht, jedoch streben die Menschen dort „mit besonderer Eile nach ökonomischem und sozialem Fortschritt […] sowie einem Lebensstandard nach Vorbild der Industrieländer.“37 Entsprechend unterliegt China als Schwellenland derzeit einem bedeutsamen Transformationsprozess. Dies führte zu spektakulären Wachstumsraten der chinesischen Wirtschaft von durchschnittlich 9,4% des BIP zwischen 1978 und 2002.38 Die CO2-Emissionen stiegen von 358,6 Millionen Tonnen 1980 auf 4.497,1 Millionen Tonnen in 2003 an.39 China ist damit gegenwärtig nach den Vereinigten Staaten von Amerika der zweitgrößte CO2-Emittent.40 Prognosen schätzen den Anstieg von Chinas Beitrag an den weltweiten CO2-Emissionen vermutlich von 11% im Jahre 1990 auf 17% 2050 und auf 28% im Jahre 2100.41 Gleichzeitig wird prognostiziert, dass China innerhalb der nächsten 25 Jahre zum größten Energiekonsumenten weltweit wird.42 Insgesamt wird erwartet, dass die Energienachfrage der sich entwickelnden Länder die der heute entwickelten Länder in den kommenden zwei bis drei Jahrzehnten einholt, was besonders im Kontext des Klimaschutzes eine besondere Herausforderung für die gesamte internationale Gemeinschaft darstellt.43

Die chinesische Wirtschaft basiert fast vollständig auf einheimischen Energieressourcen. Die Energieproduktion ist dominiert von fossilen Brennstoffen, besonders stark von Kohle.44 Der Energiekonsum pro Einwohner ist mit 1,1 toe pro Jahr relativ gering, die Energieintensität ist mit 220 toe pro Millionen PPP$ des Bruttoinlandsproduktes etwa weltweiter Durchschnitt. Chinas Problem ist die hohe CO2-Intensität insbesondere in der Stromerzeugung.45 Mit 707 Gramm CO2 pro kWh lag China im Jahre 2003 84% über dem Durchschnitt der EU-25.46 Die Gründe dafür sind historischer Art: Zwischen 1958 und 1979 brachte China, unter dessen Zentralplanwirtschaft vom Rest der Welt nahezu vollkommen isoliert, ihr eigenes Industrialisierungsprogramm auf den Weg, getragen von Technologie aus der Sowjetunion und hoch subventionierter inländischer Kohle. Heute, nach über drei Jahrzehnten der öffnenden Reformen in China hat sich an der kohleintensiven und ineffizienten Energiestruktur nur wenig verändert.47 Zwar hat es in den letzten Jahrzehnten ein steigendes Bewusstsein bezüglich der Umweltkosten des Energiekonsums gegeben, was entsprechende Reformen nach sich zog.48

1. Die Vereinigten Staaten von Amerika waren im Jahr 2003 mit 23% Anteil am weltweiten CO2 -Ausstoß der mit Abstand größte CO2-Emittent der Welt, und hatten mit knapp 20 Tonnen Ausstoß je Einwohner ein vielfaches des weltweiten Durchschnitts von 4 Tonnen. Zum Vergleich brachte es die EU-25 im Jahr 2000 auf 8,5 Tonnen, die Volksrepublik China auf 2,7 Tonnen und Indien auf gerade einmal eine Tonne. BAUMERT et al. (2005), S. 22 und WORLD RESOURCES INSTITUTE (2007), CAIT 4.0.

2. G UPTA (1998), S. 9, STERN (2007), IPCC (2007a), (2007b), (2007c).

3.D EUTSCHE STIFTUNG WELTBEVÖLKERUNG (2007), S. 12.

4 Eine genaue Erläuterung wie ich Industrie- und Schwellenländer in diesem Aufsatz abgrenze findet sich in Anhang A1.1. In Tabelle 1 sind die wichtigsten Schwellenländer mit relevanten Indikatoren aufgeführt.

5 Zu den Treibhausgasen zählen Wasserdampf, Kohlenstoffdioxid (CO2), Methan (CH4), Stickoxid (N2O), Fluorkohlenwasserstoffe (FCKW), Schwefelhexafluorid (SF6 ) und Ozon (O 3). GUPTA (1997), S. 3, SCHELLING (1992), S. 1, ZHANG (1998), S. 1, UNITED NATIONS (1998), S. 19.

6 Eine detaillierte Beschreibung des Treibhauseffekts findet sich in Anhang A1.2.

7 GUPTA (1997), S. 3.

8 G UPTA (1997), S. 7-9.

9 Zitat der chinesischen INC Delegation 1995 in CHAYES, KIM (1998), S. 524.

10 GUPTA (1997), S. 8 und IPCC (2007a).

11 UNCED (1992), Principle 15.

12 UNITED NATIONS (1992).

13 Zusammenfassung von STERN (2007), IPCC (2007a), (2007b) und (2007c).

14 STERN (2007), S. 139.

15 NAJAM et al. (2003), S. 224, STERN (2007), S. 65-160. WINTERS et al. (1998), S. 2.

16 MENDELSOHN (2000), S. 591-594, MICHAELOWA (2001), S. 6.

17 MICHAELOWA (2001), S. 7.

18 STERN (2007), S. 27.

19 COUNCIL OF ECONOMIC ADVISERS (1998), S. 190.

20 STERN (2007), S. 27.

21 BARRETT (2002), S. 308.

22 Mit dem LINDAHL-Mechanismus existiert zwar eine theoretische Möglichkeit das PARETO-Optimum als N ASH-Gleichgewicht zu implementieren, in der Praxis ist dieser jedoch aus Gründen der Informationsanforderungen nicht durchführbar. Siehe dazu EICHBERGER (2004), S. 216-218.

23 Das internationale Image kann jedoch ein disziplinierender Faktor sein. Je größer ceteris paribus die „Imagekosten“ schwacher Zugeständnisse sind, desto wahrscheinlicher sind kooperative Maßnahmen. JOHNSTON (1998).

24 BARRETT (2002), S. 309.

25 NI, SZE (1998) S. 67.

26 Die Bezeichnung ist an die ursprüngliche Kuznets-Kurve angelehnt. Simon KUZNETS (1955) fand einen invertiert-U-förmigen Zusammenhang zwischen Einkommenswachstum und Einkommensungleichheit.

27 ESTY (2001), S. 115.

28 GROSSMANs und KRUEGERs empirische Arbeit basierte auf Daten eines Cross-Country-Panels von 42 Ländern. Zahlreiche weitere Studien mit verschiedenen erklärenden Variablen, die oft als EKC-Literatur zusammengefasst wird, folgten. In der frühen Phase kam es jedoch zu Problemen in der Interpretation, da die grundlegende Erkenntnis mit mehreren Erklärungen kompatibel war. Daraufhin wurden einige vollständige Theorien zur Untermauerung der EKC entwickelt.

29 BECKERMAN (1992), S. 481.

30 Siehe dazu BORGHESI (1999), PANAYOTOU (2000) und GALEOTTI (2006). HAYWARD (2005) bezeichnet China als eine „ideale Test-Fallstudie“ die Idee der EKC zu überprüfen und zu beobachten of es China schafft einen abgekürzten Weg entlang der ersten EKC-Phase zu realisieren.

31 PANAYOTOU (2000), S. 35-42, COPELAND & TAYLOR (2003), S. 45-66, COPELAND & TAYLOR (2004), S. 10- 15. Der Skaleneffekt ist stets positiv (steigende Produktion führt ceteris paribus zu mehr Emissionen), der Struktureffekt ist unbestimmt (er hängt vom Wachstumsmuster und Faktorausstattung ab), der Verfahrenseffekt ist stets negativ (steigendes Einkommen führt zu stringenterer Regulierung, besseren Technologien und mehr Vermeidung). Eine vertiefende und formale Darstellung der Effekte ist in Anhang A1.3 zusammengestellt.

32 Siehe dazu u. a. PANAYOTOU (2000), S. 35-42, COPELAND & TAYLOR (2003), S. 67-106, COPELAND & TAYLOR (2004), S. 15-23.

33 STERN (2007), S. 216.

34 COLE, RAYNER & BATES (1997) fanden eine EKC für CO2 mit einer Schwelle bei 62.700 US-Dollar, SHAFIK (1994) eine monoton steigende Kurve.

35 BAUMERT et al. (2005), S. 4-6.

36 NI, SZE (1998) S. 67.

37 vgl. ebd.

38 LIN (2004), S. 1.

39 ZHANG (1998) S. 3 und WORLD RESOURCES INSTITUTE (2007) CAIT 4.0.

40 WORLD RESOURCES INSTITUTE (2007) CAIT 4.0.

41 MANNE (1992) S. 6-8 und S. 19.

42 WORLD E NERGY COUNCIL (2006), S. 39.

43 COUNCIL OF ECONOMIC ADVISERS (1998), S. 193.

44 China ist der größte Kohleproduzent und -konsument weltweit. WORLD ENERGY COUNCIL (2004), Kapitel 1

45 Die hohe CO2-Intensität in der Stromerzeugung ist dabei nicht nur ein chinesisches, sondern ein Problem der meisten Schwellenländer, insbesondere derer, die eher zentral verwaltete Wirtschaftssysteme haben oder hatten.

46 WORLD RESOURCES INSTITUTE (2007) CAIT 4.0, HERZOG et al. (2006), S. 5-7.

47 NI, SZE (1998), S. 68, 69.

48 So hat China seit den 1980er Jahren tief greifende Energiepreisreformen (hauptsächlich Subventionsreduktionen) eingeleitet. Indien, Mexiko, Südafrika, Saudi Arabien und Brasilien folgten kurze Zeit später. Diese Reformen hatten signifikante THG-Emissionsreduktionen zur Folge. REID & GOLDEMBERG (1998), S. 235.

Final del extracto de 49 páginas

Detalles

Título
Internationaler Klimaschutz - Interessenkonflikte zwischen Industrie- und Schwellenländern
Universidad
University of Heidelberg  (Südasien Institut (SAI))
Curso
Seminar Internationale Wirtschaftspolitik
Calificación
1,7
Autor
Año
2007
Páginas
49
No. de catálogo
V78644
ISBN (Ebook)
9783638846523
ISBN (Libro)
9783638845403
Tamaño de fichero
907 KB
Idioma
Alemán
Notas
Die Gesamtnote beinhaltete auch eine Präsentation. Die schriftliche Arbeit ohne Präsentation bewegte sich zwischen 1,0 und 1,3.
Palabras clave
Internationaler, Klimaschutz, Interessenkonflikte, Industrie-, Schwellenländern, Seminar, Internationale, Wirtschaftspolitik
Citar trabajo
Johannes Jarke (Autor), 2007, Internationaler Klimaschutz - Interessenkonflikte zwischen Industrie- und Schwellenländern, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78644

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