Frauen im Erwerbsleben - Ein Überblick über die Wirkung von Sozialisationsprozessen und Bildungsexpansion auf das Geschlechterverhältnis im Erwerbsleben


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

25 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Abstract

II. Melvin Kohn: Studien zu Arbeit und Persönlichkeit
1) Allgemeiner Überblick
2) Geschlechtsspezifische Befunde

III. Die Bildungsexpansion und ihre Folgen
1) Allgemeiner Überblick
2) Geschlechtsspezifische Befunde

IV. Drei Felder der Doppelbenachteiligung und –belastung von Frauen
1) Doppelcharakter der Vergesellschaftung
2) Zweifache Sozialisation der Frauen
3) Doppelte ‘Verberuflichung‘
4) Konsequenz: Vielfache Belastung und Benachteiligung

V. Der Beruf als Medium gesellschaftlicher Teilhabe

VI. Veränderungstendenzen im Geschlechterverhältnis

VII. Bibliographie

I. Abstract

Ein zentrales Thema in derzeitigen soziologischen, pädagogischen und psychologischen Dis­kussionen und auch Forschungsarbeiten ist das der Genderproblematik: es geht häufig um die Benachteiligung und Belastung der Frauen, was deren Erwerbsarbeit, Karrieren und Alltags­gestaltung betrifft. Diese strukturellen Nachteile bestehen nach wie vor, obwohl in Unter­suchungen zur Wechselwirkung von Beruf und Persönlichkeit keine nennenswerten geschlechtsspezifischen Unterschiede festgestellt wurden und auch das Bildungsniveau der Frauen gleichwertig dem der Männer ist.

Der folgende Text beschreibt zunächst die Studien von Melvin Kohn zur reziproken Wirkung von Beruf und Persönlichkeit sowie darauffolgend die Auswirkungen der Bildungsexpansion. In beiden Themenbereichen wird zu Beginn ein allgemeiner Überblick gegeben, abschließend wird der Fokus auf Differenzen beziehungsweise Gemeinsamkeiten zwischen den Geschlechtern gelegt. Im weiteren Verlauf meines Aufsatzes werden die drei Felder der zwei­fachen Benachteiligung und Belastung der Frauen erläutert – zum Teil lassen sich deren schlechte Bildungsrenditen daraus erklären. Trotz erheblicher Nachteile und Belastungen ist es für Frauen wichtig, am Erwerbsarbeitsleben teilzunehmen, dies wird in Kapitel V. deutlich, dort geht es um den Beruf als das Medium der gesellschaftlichen Teilhabe. Abschließend wird ein Ausblick auf Veränderungstendenzen im Geschlechterverhältnis gegeben und ein Resumée gezogen.

II. Melvin Kohn: Studien zu Arbeit und Persönlichkeit

1) Allgemeiner Überblick

Melvin Kohn versucht in seiner Analyse von Persönlichkeit, Beruf und sozialer Schichtung die reziproken Prozesse, die dort wirken, zu erklären. „Melvin Kohns zentrale These lautet, daß der Beruf in merklicher Weise auf den Menschen einwirkt. Das findet seinen Nieder­schlag in deren Denken, Orientierungen und Verhaltensweisen“ (Kohn 1981, S. 9). Das Hauptinteresse von Kohn liegt vor allem darauf, die Dimensionen der sozialen Struktur –das heisst des Berufs- zu ermitteln, welche die Persönlichkeit und Persönlichkeitsentwicklung von Menschen auch noch im Erwachsenenalter beeinflussen. Er konzentriert sich dabei zunächst auf die Erforschung des Berufs des Mannes, bezieht dann aber auch die weibliche Erwerbs­tätigkeit und die Hausarbeit mit ein und hinterfragt den wechselseitigen Einfluss der Berufs­tätigkeit von Mann und Frau (vgl. Kohn, 1981, S. 11). Im folgenden Textabschnitt soll jedoch geschlechtsunspezifisch erläutert werden, welche Einflüsse der Beruf auf die Persönlichkeit beziehungsweise die Persönlichkeit auf die Ausübung des Berufs hat; im zweiten Abschnitt wird dann auf die Erkenntnisse über Frauen und deren Arbeit eingegangen. Auf die empi­rischen Messtechniken und Methoden werde ich nur am Rande eingehen, der Schwerpunkt liegt auf den Ergebnissen der Studien. Bei Melvin Kohns Forschungsarbeit handelt es sich um eine Langzeitstudie – eine wichtige Tatsache, da die untersuchten Prozesse in Querschnitt­studien zwar ansatzweise untersucht werden konnten jedoch die Richtung und Zeitform der Kausalitäten erst durch den Längsschnitt sichtbar wurde. Kohn begann 1964 mit einer Stich­probe von ca. 3000 Männern, von denen zehn Jahre später noch einmal knapp 700 Personen befragt wurden. Im weiteren wurden Messmodelle entwickelt, eines um die inhaltliche Kom­plexität der Arbeitstätigkeit zu messen, ein zweites um die geistige Beweglichkeit der Per­sonen zu ermitteln. Dies war nötig da man ja Informationen darüber gewinnen wollte, wie sich die inhaltliche Komplexität, also der ‘Anspruch‘ einer Arbeit auf die geistige Beweg­lichkeit derer, die diese Arbeit ausüben, auswirkt. Auch Drittvariablen, die eventuell einen Einfluss ausüben könnten, wurden akribisch kontrolliert. Um schließlich die Richtung der Kausalitäten bestimmen zu können, wurden Kovarianzen zwischen den 1964 und 1974 erho­benen Variablen berechnet. An dieser Stelle der Forschungsarbeit wurde sichtbar, dass sich die reziproken Beziehungen durch den Faktor Zeit unterscheiden: sie ergeben sich zum einen gleichzeitig, zum anderen aber erst über einen gewissen Zeitraum hin betrachtet.

Knapp zusammengefasst lassen sich als Hauptergebnisse folgende festhalten: „Gegenwärtige Anforderungen des Arbeitsplatzes beeinflussen die gegenwärtigen Denkprozesse. Im Gegen­satz dazu hat die geistige Beweglichkeit einen zurückliegenden Einfluß auf die inhaltliche Komplexität: Die gegenwärtige geistige Beweglichkeit hat einen geringen Einfluß auf die gegenwärtigen Anforderungen des Berufs, aber sie hat einen beträchtlichen Einfluss auf den weiteren Verlauf der Laufbahn“ (Kohn 1981, S. 191). Es besteht also eine Wechselwirkung zwischen inhaltlicher Komplexität der Arbeit und geistiger Beweglichkeit der Person die die Tätigkeit ausübt, die jedoch nicht gleichzeitig stattfindet sondern zeitlich versetzt abläuft. „Die Berufsbedingungen der Leute beeinflussen deren Denken und werden ebenso von diesem beeinflusst“ (Kohn 1981, S. 196), diese Feststellung lässt sich trotz einiger Ein­schränkungen des Modells beibehalten. Aus dieser Tatsache folgen drei weitere, ent­scheidende Konsequenzen: Erstens wird gezeigt, „daß kognitive Prozesse nach der Adoles­zenz oder dem frühen Erwachsenenalter gegenüber Umwelteinflüssen nicht immun sind, son­dern das ganze Leben lang fortwährend ‘gestaltungsfähig‘ bleiben“ (Kohn 1981, S. 196). Zum zweiten „scheint die bemerkenswerte Stabilität der geistigen Beweglichkeit, zumindest teil­weise, die Stabilität der Lebensumstände der Menschen widerzuspiegeln“ (Kohn 1981, S. 196). Eine dritte entscheidende Schlußfolgerung ist, dass, kurzfristig gesehen, nur ungern eine Veränderung der Berufsbedingungen in Kauf genommen werden, um diese den Fähigkeiten des einzelnen Arbeitnehmers anzupassen. Langfristig betrachtet jedoch „wandeln viele Män­ner ihre berufliche Tätigkeit ab oder sie wechseln in andere Berufe über, die ihrer geistigen Leistung eher entsprechen“ (Kohn 1981, S. 197).

2) Geschlechtsspezifische Befunde

Die in obigem Abschnitt erläuterten Befunde beziehen sich ausschließlich auf männliche Arbeitnehmer, da in der Stichprobe nur Männer befragt wurden. Es stellt sich nun die Frage, ob die Berufsbedingungen die gleichen oder zumindest ähnliche Wirkungen auf Frauen aus­üben und ob deren geistige Beweglichkeit auf den Beruf in derselben Weise wirkt wie bei den Männern. Um dies zu erforschen, wurden in einer der zahlreichen Folgestudien die Ehefrauen der Männer, die in der zweiten Untersuchung 1974 interviewt worden waren, befragt. Es wur­den dieselben Messmodelle und multivariaten Analysearten wie in der Hauptuntersuchung verwendet. Wie erwartet zeigte sich, dass die psychologischen Prozesse die bei Männern und Frauen ablaufen, ähnlich sind. Erwähnenswert und wichtig ist zudem, dass die Resultate nicht „durch die sozialen Begleitumstände der Frauen oder durch deren persönliche Vorlieben“ (Kohn1981, S. 228) bedingt sind. Dies bedeutet, dass eine Berufstätigkeit der Frauen, unab­hängig davon, wie engagiert und karriereorientiert diese dort sind, in ihrer reziproken Wir­kung der der Männer ähnelt. Frauen werden also durch die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht weniger in Anspruch genommen und belastet als Männer – auch wenn hinsichtlich der Stärke der Karriereorientierung Differenzen bestehen mögen.

Es zeigte sich also in Kohns Studien, dass sich die Wechselwirkungen zwischen Beruf und Persönlichkeit von Männern und Frauen kaum unterscheiden. Ein weiteres interessantes und bedeutendes Themengebiet, das in die Genderforschung einfließen sollte, ist das der Bil­dungsexpansion und deren Wirkung auf die früher bestehenden extremen Differenzen zwi­schen den Geschlechtern bezüglich des Bildungsniveaus. Im folgenden Kapitel wird ein Überblick darüber gegeben.

III. Die Bildungsexpansion und ihre Folgen

1) Allgemeiner Überblick

Vor und unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg fand man in allen west- und mitteleuro­päischen Ländern ähnliche Bildungssysteme, die durch geringe „Quanten und Quoten von Mittelschülern und Gymnasiasten, Abiturienten, Studierenden und Hochschulabgängern“ (Lutz 1979, S. 635) gekennzeichnet waren. Nach dem zweiten Weltkrieg setzte in Europa die sogenannte Bildungsexpansion ein, die nach Lutz im wesentlichen durch vier Merkmale geprägt ist: Durch ein beschleunigtes quantitatives Wachstum wie beispielsweise eine erhöhte Anzahl der Studienanfänger, durch Strukturveränderungen im Bildungs- und Ausbildungs­system - ein Beispiel hierfür wäre ein erleichterter Zugang zu höheren Bildungsinstitutionen - sowie im Weiteren durch ihre spezifische Verlaufsform und gravierende Beschäftigungs­probleme. Diese zeigen sich in verschiedenen Ausprägungen, zum einen der Arbeitslosigkeit von Hochschulabgängern, zum zweiten der Forderung nach vermehrter Praxisorientierung sowie der Verschärfung der Selektion im Hochschulbereich und schließlich der Verschlech­terung des Angebots an Nachwuchskräften mit einer eher praxisorientierten Ausbildung (vgl. Lutz 1979, S. 644f). Lutzs Argumentation folgt dabei der meritokratischen Logik, der die Veränderung der Beschäftigungsstrukturen als die Ursache der Entstehung von erneutem Bil­dungsdruck ansieht. Er geht davon aus, dass das Bildungsniveau die allgemeine und beruf­liche Lebenslage bestimmt und deshalb ein Ansturm auf höhere Bildungsabschlüsse statt­findet, im weiteren führt dieser Ansturm dann zu einer Selektionsverschärfung in der Aus­bildung. Dies wiederum wirkt sich auf die Qualifikationsstruktur und die Nachwuchsströme aus – es kommt zu einer Anpassung der betrieblichen Organisationen an das erhöhte Bil­dungsniveau der Bewerber und somit zu erneutem, noch höheren Bildungsdruck. Dieser Logik zu folgen würde bedeuten zu akzeptieren, dass das Bildungssystem an Bedeutung ver­liert was die Zuteilung von Positionen mit hohem Status betrifft – wenn ein hohes Bildungs­niveau in großen Teilen der Bevölkerung vorherrscht gibt es folglich keine Garantie mehr, automatisch eine berufliche Position mit hohem Status zu erreichen. Ein weiterer Punkt ist, dass in dieser Argumentation die erhöhte Arbeitslosigkeit als Konsequenz der Bildungs­expansion gesehen wird. Müller warnt jedoch davor, dies zu propagieren, seiner Meinung nach sind diese Phänomene „nicht Folgen der Bildungsexpansion, sondern [sie] sind von ihr zu trennen. Wenn der Forschungsstand zum Verhältnis von Bildung und Arbeitslosigkeit eines deutlich macht, dann ist es der immer wieder bestätigte Befund einer starken Verrin­gerung, wenn auch nicht völligen Vermeidung des Arbeitslosigkeitsrisikos durch Bildung“ (Müller 1998, S. 95). Zu dieser offensichtlich sehr strittigen Frage des Zusammenhangs von Arbeitslosigkeit und Bildungsexpansion stellt sich nun zusätzlich die Frage nach der Verrin­gerung der sozialen Ungleichheit – das heisst Ungleichheit bei der Bildungsbeteiligung – durch die Bildungsexpansion. Nach Peisert 1967 existieren vier Merkmale der unterpropor­tionalen Bildungsbeteiligung: Arbeiterkind, Mädchen, ländliche Region und katholische Kon­fession (vgl. Müller 1998, S. 86). Da für meine Arbeit vor allem interessant ist, ob nach wie vor gravierende Differenzen in der Bildungsbeteilgung und dem Bildungsniveau von Jungen und Mädchen existieren oder ob sich die geschlechtsspezifischen Unterschiede mittlerweile relativiert haben, möchte ich mich im folgenden Textabschnitt vor allem darauf beschränken und weiter Ungleichheiten außer Betracht lassen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Frauen im Erwerbsleben - Ein Überblick über die Wirkung von Sozialisationsprozessen und Bildungsexpansion auf das Geschlechterverhältnis im Erwerbsleben
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Institut für Psychologie und Pädagogik)
Veranstaltung
Hauptseminar
Note
1,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
25
Katalognummer
V78772
ISBN (eBook)
9783638852425
ISBN (Buch)
9783638851831
Dateigröße
479 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Frauen, Erwerbsleben, Wirkung, Sozialisationsprozessen, Bildungsexpansion, Geschlechterverhältnis, Erwerbsleben, Hauptseminar
Arbeit zitieren
Dipl.-Soziologin Andrea Wagner (Autor:in), 2003, Frauen im Erwerbsleben - Ein Überblick über die Wirkung von Sozialisationsprozessen und Bildungsexpansion auf das Geschlechterverhältnis im Erwerbsleben, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78772

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