Regimewandel oder Kontinuität? Die Arbeitsmarktpolitik der Regierung Schröder 1998-2005


Thesis (M.A.), 2007

106 Pages, Grade: 1,00


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Problemaufriss und Fragestellung
1.2 Begriffsexplikationen und Abgrenzung des Politikfeldes
1.3 Weiteres Vorgehen
1.4 Stand der Literatur

2. Die typologische Verortung des deutschen Arbeitsmarktregimes
2.1 Die drei Welten des Wohlfahrtskapitalismus
2.1.1 Grundzüge der Typologie
2.1.2 Implikationen der ‚drei Welten’ für das Arbeitsmarktregime
2.2 Kritik der Typologie und Schlussfolgerungen für das Vorgehen
2.3 Entwicklung und Verortung des deutschen Arbeitsmarktregimes

3. Herausforderungen für das deutsche Arbeitsmarktregime
3.1 Globalisierung
3.2 Produktivitätssteigerung und Tertiarisierung der Wirtschaft
3.3 Europäische Union
3.4 Deutsche Wiedervereinigung
3.5 Gesellschaftlicher Strukturwandel

4. Die Arbeitsmarktpolitik der rot-grünen Bundesregierung
4.1 Makroökonomische Beschäftigungsstrategie
4.1.1 Die erste Legislaturperiode: Das Bündnis für Arbeit
4.1.2 Die zweite Legislaturperiode: Die ‚Agenda 2010’
4.2 Veränderungen des Arbeitsrechts
4.3 Arbeitslosenversicherung und Arbeitsförderung
4.4 Beeinflussung der Größe des Arbeitsangebots

5. Fazit
5.1 Zusammenführung der Ergebnisse
5.2 Bewertung und Ausblick
5.3 Weiterer Forschungsbedarf

Anhang
I Literaturverzeichnis
II Abkürzungsverzeichnis
III Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

1.1 Problemaufriss und Fragestellung

Die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit war in den vergangenen Jahren ohne jeden Zweifel eines der zentralen Themen auf der politischen Agenda und wird es voraussichtlich auch bleiben. Insbesondere das Handeln der rot-grünen Bundesregierung zwischen 1998 und 2005 durchzog dieses Thema wie ein roter Faden. Vor allem die SPD war 1998 zur Bundestagswahl mit dem Versprechen angetreten, die Bekämpfung der hohen Arbeitslosigkeit zum Mittelpunkt ihrer Politik zu machen (vgl. SPD 1998: 6). Auch in der ersten Regierungserklärung des neu gewählten Bundeskanzlers Schröder taucht das Thema an prominenter Stelle auf:

Unser drängendstes und auch schmerzhaftestes Problem bleibt die Massenarbeitslosigkeit. Sie führt zu psychischen Zerstörungen, zum Zusammenbruch von Sozialstrukturen. Den einen nimmt sie die Hoffnung, und den anderen macht sie Angst. Sie belastet unser Gemeinwesen derzeit mit Kosten von jährlich 170 Milliarden DM. (Bundesregierung 1998: 9)

In den Regierungsjahren zwischen 1998 und 2005 folgten zahlreiche Reformbemühungen im Bereich der Arbeitsmarktpolitik. Angefangen vom ‚Bündnis für Arbeit’, über die Zusammenlegung des Wirtschafts- und Arbeitsministeriums bis zu den umstrittenen ‚Hartz-Gesetzen’ setzte die Regierung Schröder etliche Akzente (vgl. Schmidt 2005: 112-124). Ohne jeden Zweifel hatte das Thema in der Regierung Schröder höchste Priorität. Es bestand aber, wie Abbildung 1 zeigt, aufgrund der schon zu Beginn der Regierungszeit hohen und während der Jahre 1998 bis 2005 tendenziell weiter steigenden Arbeitslosigkeit auch erheblicher Handlungsbedarf:

Abbildung 1: Registrierte Arbeitslose in der Bundesrepublik Deutschland

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Eigene Darstellung; Daten: BA 2006: 81

Die Gründe für die hohe Arbeitslosigkeit sind in der wissenschaftlichen Debatte umstritten. Weitgehend unstrittig ist aber, dass die europäischen Arbeitsmärkte im Allgemeinen und der deutsche Arbeitsmarkt im Besonderen mit verschiedenen externen Herausforderungen konfrontiert sind, die der politischen Bearbeitung des Themas eine hohe Priorität verleihen. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang etwa die zunehmende globale wirtschaftliche Verflechtung, ein gesellschaftlicher Strukturwandel, die voranschreitende Europäisierung der Arbeitsmärkte sowie die Folgen der deutschen Wiedervereinigung (vgl. etwa Esping-Andersen 1999; Kaufmann 1997; Bofinger 2005). Mit der Feststellung, dass der deutsche Arbeitsmarkt mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert war und ist und die rot-grüne Bundesregierung etliche Maßnahmen im Bereich der Arbeitsmarktpolitik ergriff, ist aber noch keine Aussage darüber getroffen, welchen Weg sie dazu wählte. Diese Frage erscheint aber relevant. Aufbauend auf die Typologisierung verschiedener Wohlfahrtsstaats- und damit zusammenhängend auch Arbeitsmarktregime Esping-Andersens (vgl. 1990) wurde Deutschland in der vergleichenden Wohlfahrtsstaatsforschung zumindest bis zum Ende der 90er Jahre als konservatives Regime eingeordnet (vgl. Kohl 2000: 129-141; Esping-Andersen 1996: 66). Die konservative Ausprägung des deutschen Arbeitsmarktregimes kann dabei auf die Dominanz der konservativen Parteien CDU und CSU in der Regierungstätigkeit der Bundesrepublik Deutschland – sie stellten zwischen 1948 und 1998 während immerhin 37 Jahren den Bundeskanzler – zurückgeführt werden. In der Theorie Esping-Andersens nämlich ist die Stärke der Linksparteien einer der entscheidenden Einflussfaktoren für die Ausprägung eines Regimes (vgl. 1990: 29-32). Oder, anders herum und auf den deutschen Fall bezogen: Die Schwäche der Linksparteien und die Dominanz der konservativen Parteien war entscheidend für die Ausprägung des konservativen Typs.

Mit der rot-grünen Bundesregierung entstand in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland erstmals eine Koalition zweier Parteien ‚links von der Mitte’. Denn zwar war die SPD auch zwischen 1966 und 1982 mit der CDU/CSU bzw. der FDP an der Bundesregierung beteiligt, es handelte sich dabei aber eben nicht um Regierungen, die allein von Linksparteien dominiert waren, so dass konservative bzw. liberale Einflüsse des jeweiligen Koalitionspartners das politische Handeln mitbestimmten. Mit der Wahl der Regierung Schröder war deshalb in der Öffentlichkeit die Erwartung eines grundsätzlichen Politikwechsels verknüpft (Vgl. Egle 2006: 154). Ein solcher Kurswechsel hätte theoretisch auch erwartet werden können. Denn wenngleich Esping-Andersen im Rahmen seiner Typologie nur die Entstehungsfaktoren der Regimetypen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt analysieren konnte und er den einmal herausgebildeten Typen eine hohe Stabilität bzw. Pfadabhängigkeit zuspricht (vgl. 1999: 172), lässt sich annehmen, dass Veränderungen der politischen Mehrheiten zumindest partielle Reformen ermöglichen (vgl. Kohl 1993: 78). Dafür spricht auch der bisherige Forschungsstand der Parteiendifferenztheorie. Demnach ist die parteienpolitische Zusammensetzung der Regierungen einer der wichtigen Einflussfaktoren für festzustellende Richtungswechsel in der Staatstätigkeit (vgl. Schmidt 2001: 550). Klingemann et al. weisen zum Beispiel nach, dass insbesondere in Deutschland infolge der beiden ‚großen’ Machtwechsel der Bundesregierungen jeweils eine veränderte Regierungspolitik einherging (vgl. 1994: 203-204). Eines der Felder, in denen hierbei ein besonders großer Unterschied zwischen konservativen, liberalen und linken Parteien festzustellen ist, ist der Bereich der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik (vgl. Schmidt 2001: 537). Selbstverständlich hängt die Staatstätigkeit nicht allein von der parteipolitischen Zusammensetzung ab, vielmehr müssen auch Faktoren wie die institutionellen Handlungsmöglichkeiten sowie der bereits oben erwähnte Handlungskontext berücksichtigt werden (vgl. Schmidt 2001: 550). Es hätte aber erwartet werden können, dass die Regierungstätigkeit zweier linker Parteien zumindest gewisse Spuren im Regierungshandeln hinterlässt. Oder anders: Mit der Regierungsübernahme durch die rot-grüne Koalition wäre zu erwarten gewesen, dass insbesondere im Bereich der Arbeitsmarktpolitik eine Strategie gewählt wird, die das konservative Arbeitsmarktregime in einem sozialdemokratischen Sinne verändert.

In der öffentlichen wie wissenschaftlichen Debatte wird die Bewertung der Arbeitsmarktpolitik der rot-grünen Bundesregierung häufig allein auf die Reformen der Arbeitsvermittlung sowie der Arbeitslosenversicherung im Zuge der so genannten ‚Hartz-Gesetze’ bezogen. Insbesondere die unter dem Titel ‚Hartz IV’ erfolgte Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe auf dem niedrigeren Niveau der Sozialhilfe wird dabei als Entscheidung aufgefasst, die der oben aufgestellten Erwartung, eine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung würde insbesondere im Bereich der Arbeitsmarktpolitik auch eine sozialdemokratische Strategie verfolgen, widerspricht (vgl. etwa Schmidt 2005: 119-120; Butterwegge 2005: 192-202). Jedoch erscheint eine allein auf die Reform der Arbeitsvermittlung sowie Arbeitslosenversicherung fokussierte Bewertung der rot-grünen Entscheidungen in diesem Politikfeld zu eng, um den eingeschlagenen Weg in der Arbeitsmarktpolitik hinreichend bewerten zu können. Denn so würden andere wichtige Bereiche, wie etwa die Reform des Arbeitsrechts (vgl. Schmidt 2005: 121; Egle 2006: 182) vernachlässigt.

Aus diesem Grund soll in dieser Arbeit untersucht werden, ob es durch die Entscheidungen der rot-grünen Bundesregierung insgesamt zu einem Wandel des Arbeitsmarktregimes gekommen ist. Dabei soll ausdrücklich die arbeitsmarktpolitische Gesamtstrategie der Bundesregierung vor dem Hintergrund veränderter Rahmenbedingungen aufgezeigt werden. Erst durch diese Gesamtbetrachtung kann dann festgestellt werden, ob es erstens zu einer Abwendung von den konservativen Prinzipien der deutschen Arbeitsmarktpolitik gekommen ist und – falls dies der Fall ist – ob sich zweitens das deutsche Arbeitsmarktregime – wie es sich durch die ‚Hartz-Reformen’ mutmaßen lässt - dem liberalen oder insgesamt eher doch dem sozialdemokratischen Typ genähert hat.

1.2 Begriffsexplikationen und Abgrenzung des Politikfeldes

Bevor das konkrete Vorgehen zur Untersuchung der aufgeworfenen Fragen dargestellt werden kann, sollen zunächst einige Begriffsexplikationen sowie eine Abgrenzung des Forschungsgegenstands erfolgen.

Der Arbeitsmarkt kann als „[…] Ort des Aufeinandertreffens von Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage […]“ (Zerche et al. 2000: 2) definiert werden. Jedoch weist der Arbeitsmarkt aufgrund der unlösbaren Verbundenheit des Gutes Arbeitsleistung mit der entsprechenden Person starke Besonderheiten im Vergleich zu anderen Märkten auf (vgl. Brinkmann 1999: 8; Zerche et al. 2000: 2). Während der Arbeitnehmer zur Sicherung seines Lebensunterhalts prinzipiell auf den erfolgreichen ‚Verkauf’ seiner Arbeitsleistung angewiesen ist, also ein Angebotszwang vorliegt, haben die nachfragenden Unternehmen größere Ausweichmöglichkeiten. So können sie einerseits in bestimmtem Umfang durch Rationalisierungsmaßnahmen den Faktor Arbeit durch den Faktor Kapital ersetzen und andererseits ihr Kapital räumlich mobiler einsetzen, sich also vom Zwang der Nachfrage bestimmter Arbeitnehmer in einer bestimmten Region entziehen (Vgl. Bäcker et al. 2000: 283). „Kennzeichen des Arbeitsmarktes ist deshalb ein strukturelles Machtungleichgewicht, sowohl in bezug auf die Situation des/der einzelnen Beschäftigten als auch in bezug auf die ArbeitnehmerInnen generell“ (Bäcker et al. 2000: 283-284).

Der Begriff des ‚Arbeitsmarktregimes’ wird hier angelehnt an den Begriff des ‚Wohlfahrtsstaatsregimes’ Esping-Andersens, auf dessen Typologie verschiedener Regime in dieser Arbeit eingegangen wird, verwendet. Esping-Andersen begründet die Wahl des Regime-Begriffs wie folgt: „To talk of ‚a regime’ is to denote the fact that in the relation between state and economy a complex of legal and organizational features are systematically interwoven“ (1990: 2). Er folgt damit dem Ansatz der politischen Ökonomie und möchte das spezifische Verhältnis zwischen Staat und Ökonomie in den Blick nehmen. Damit kann unter einem Arbeitsmarktregime ein spezifisches Arrangement zwischen Staat und Ökonomie im Bereich des Arbeitsmarkts verstanden werden.

Damit kann nun eine begriffliche Klärung der Arbeitsmarktpolitik erfolgen. Schmidt definiert diese wie folgt:

Arbeitsmarktpolitik im weiteren Sinne – meist deckungsgleich mit ‚Beschäftigungspolitik’ verwendet – bezeichnet die institutionellen, prozessualen und entscheidungsinhaltlichen Dimensionen gesamtwirtschaftlicher politischer Steuerung des Arbeitsangebots und der Arbeitsnachfrage. (2000: 11)

Er grenzt diese Definition damit von der Arbeitsmarktpolitik im engeren Sinne, der Arbeitsmarktförderung, ab (vgl. 2000: 11). Dabei ist diese Steuerung in Deutschland durch das ‚Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums’ mit dem Ziel eines hohen Beschäftigungsstandes, also der Vermeidung von Arbeitslosigkeit verknüpft (vgl. Henneberger 2005: 32). Engelen-Kefer et al. unterscheiden im Gegensatz zu Schmidt explizit zwischen Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik. Während die erstere „[…] hauptsächlich eine Hilfs- und Brückenfunktion [hat], sie selbst [.] aber nicht in der Lage [ist], reguläre, dauerhafte Arbeitsplätze zu schaffen[…] (1995: 64)“, wird unter Beschäftigungspolitik die Gesamtheit aller Maßnahmen verstanden, die versuchen „[…] Höhe und Struktur der Beschäftigung in Einklang mit dem Erwerbspersonenpotential zu bringen und zu halten […] (1995: 63)“. Lampert plädiert für einen umfassenden Begriff der Arbeitsmarktpolitik und bezieht damit implizit den Bereich der Beschäftigungspolitik ein:

„Die Arbeitsmarktpolitik lässt sich (für im Prinzip marktwirtschaftliche Ordnungen) definieren als die Gesamtheit der Maßnahmen, die das Ziel haben, den Arbeitsmarkt als den für die Beschäftigungsmöglichkeiten und die Beschäftigungsbedingungen der Arbeitnehmer entscheidenden Markt so zu beeinflussen, dass für alle Arbeitsfähigen und Arbeitswilligen eine ununterbrochene, ihren Neigungen und Fähigkeiten entsprechende Beschäftigung zu bestmöglichen Bedingungen, insbesondere in bezug auf das Arbeitsentgelt und die Arbeitszeit gesichert wird.“ (1998: 179)

Mit dieser Erweiterung um normative Ziele der Arbeitsbedingungen wird deutlich, dass ein hoher Beschäftigungsstand nur ein Ziel der Arbeitsmarktpolitik ist, neben dem andere gleich oder unterschiedlich gewichtete Faktoren zu berücksichtigen sind (vgl. Zerche et al. 2000: 45). Um eine begriffliche Klarheit zu gewährleisten, wird im Folgenden ein umfassender Begriff der Arbeitsmarktpolitik zu Grunde gelegt, der Elemente der Beschäftigungspolitik mit einbezieht. Zusammenfassend kann Arbeitsmarktpolitik damit als die Gesamtheit aller politischen Entscheidungen verstanden werden, die das Ziel haben, die Arbeitsnachfrage und das Arbeitsangebot unter der Berücksichtigung weiterer Ziele so zu steuern, dass Vollbeschäftigung möglich wird.

Als Handlungsmöglichkeiten können in der so verstandenen Arbeitsmarktpolitik vier Ebenen unterschieden werden. Erstens kann die Ausgestaltung der Arbeitsbeziehungen ordnungspolitisch über das Arbeitsrecht geregelt werden, zweitens kann die Höhe der Arbeitsnachfrage beeinflusst werden, drittens kann das Angebot an Arbeitskräften vergrößert oder verringert werden und viertens kann ein struktureller Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage gefördert werden.

Die Regulierung des Arbeitsmarktes über das Arbeitsrecht dient primär dazu, das oben beschriebene Ungleichgewicht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu verringern. Im Rahmen des individuellen Arbeitsrechts kann der Staat Mindeststandards etwa hinsichtlich Arbeitszeitvorschriften oder Kündigungsschutzregelungen benennen, von denen in den Arbeitsverträgen nicht abgewichen werden kann. Insofern hat das individuelle Arbeitsrecht eine Schutzfunktion für die Arbeitnehmer. Im Rahmen des kollektiven Arbeitsrechts kann der Staat sowohl auf der überbetrieblichen wie auf der betrieblichen Ebene verbindliche Verhandlungsstrukturen und Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer regeln (Vgl. Bäcker et al. 2000: 284-287). Gleichwohl kann das Arbeitsrecht auch Auswirkungen auf die Nachfrage nach Arbeitskräften haben. Die grundlegende Argumentation lautet hierbei, dass durch die hohe Regulierung der Arbeitsbeziehungen die Schaffung neuer Arbeitsplätze verhindert werde, da diese zu hohen Kosten der Unternehmen führten (Vgl. Trampusch 2003: 18).

Zur Steuerung der Nachfrage nach Arbeit kann der Staat zum einen selbst tätig werden, indem er als Arbeitgeber seine eigene Beschäftigtenzahl in den von ihm verantworteten Bereichen erhöht oder senkt (vgl. Bäcker et al. 2000: 357). Zum anderen aber kann er das Beschäftigungsniveau indirekt erhöhen, in dem er ein beschäftigungsförderndes Umfeld für die Unternehmen schafft. Hierbei lassen sich zwei Strategien unterscheiden, die auf unterschiedliche ökonomische Denkschulen[1] zurückzuführen sind. Nach den Vertretern der angebotsorientierten, durch die Neoklassik begründeten Strategie verhält sich der Arbeitsmarkt wie alle anderen Märkte. Wenn es zu wenig Nachfrage nach Arbeitskräften gibt, liegt das an einem zu hohen Preis bzw. zu hohen Kosten für die Unternehmen (Vgl. Zerche et al. 2000: 142-144). „Beschäftigungspolitische Konsequenz kann ihrer Ansicht nach nur eine Senkung der Produktionskosten und insbesondere der Kosten des Faktors Arbeit sein“ (Zerche et al. 2000: 144). Mögliche Instrumente können in diesem Zusammenhang neben der bereits oben erwähnten Deregulierung des Arbeitsrechts unter anderem die Senkung der ‚Lohnnebenkosten’ oder die Förderung von niedrigen Lohnabschlüssen sein (vgl. Henneberger 2005: 33). Vertreter der nachfrageorientierten Position, die auf das Modell von Keynes zurückgeht, erwarten dagegen dann zusätzliche Arbeitsplätze, wenn die Unternehmen höhere Gewinne in Folge einer gestiegenen Nachfrage erwarten. Sie sehen eine Interdependenz zwischen der Einkommensverteilung und der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage, da gerade untere Einkommensgruppen dazu neigen, ihr gesamtes verfügbares Einkommen zu Konsumzwecken zu verwenden, während höhere Einkommensgruppen eine höhere Sparquote aufweisen. Eine einfache Lohnsenkung insbesondere in den unteren Einkommensgruppen führe damit zu einem Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage und c.p. zu einem Rückgang der Nachfrage nach Arbeit. Überdies betonen ‚Keynesianer’ eine stärkere Rolle des Staates hinsichtlich der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Da Güter- und Arbeitsmärkte nicht automatisch zum Gleichgewicht tendierten, bestehe die Aufgabe des Staates darin, gerade in konjunkturell schwachen Phasen qualitative Wachstumsimpulse zu setzen (Vgl. Zerche et al. 2000: 144-146). Instrumente einer solchen Strategie sind daher u.a. die (zeitweilige) Erhöhung der Staatsausgaben, die Entlastung unterer Einkommensgruppen sowie die Förderung von höheren Tarifabschlüssen (vgl. Henneberger 2005: 33). Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass sich beide Ansätze nicht diametral gegenüber stehen müssen, vielmehr kann der Einsatz der aufgezeigten Instrumente von der Analyse der jeweiligen Problemlage abhängig sein (vgl. Zerche et al. 2000: 147). Hinsichtlich der möglichen Steuerung des Arbeitskräfteangebots muss zunächst dargestellt werden, welche gesellschaftlichen Teilbereiche für die (potentiellen) Arbeitnehmer eine Alternative zum Arbeitsmarkt darstellen:

Abbildung 2: Mögliche Steuerung des Arbeitsangebots

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Eigene Darstellung, angelehnt an: Schmid 1994: 10; Franz 2003: 9

Abbildung 2 zeigt dabei auf, dass eine Zuwanderung zum bzw. eine Abwanderung aus dem Arbeitsmarkt prinzipiell aus den privaten Haushalten, dem Ausland, dem Rentensystem, dem Bildungssystem sowie der formellen Arbeitslosigkeit erfolgen kann. Dabei handelt es sich bezüglich der Steuerung der ersten drei Bereiche um rein quantitative Veränderungsmöglichkeiten. Beim Rentensystem ergibt sich diese etwa durch ein früheres oder späteres Renteneinstiegsalter bzw. die Höhe der Rente, die Auswirkungen auf die Attraktivität eines früheren Ausscheidens aus dem Erwerbsleben hat (vgl. Rhein-Kress 1996: 60). Im Bereich der privaten Haushalte, beziehungsweise der Familien, kann zum Beispiel Familienarbeit in Form von Elternurlaub oder familienbedingter Teilzeit staatlich gefördert werden, so dass ein (vorübergehender) Ausstieg aus dem Arbeitsmarkt attraktiv wird (vgl. Franz 2003: 9). In diesem Zusammenhang sind insbesondere auch Maßnahmen und Mechanismen, die zu einer höheren oder niedrigeren Erwerbsbeteiligung von Frauen führen zu berücksichtigen (vgl. Rhein-Kress 1996: 101). Schließlich ergeben sich Handlungsmöglichkeiten durch die politische Steuerung der Zu- und Abwanderung aus bzw. ins Ausland (vgl. Jochem 1998: 27; Henneberger 2005: 33). Demgegenüber sind die Steuerungsmöglichkeiten bezüglich der beiden anderen in Abbildung 2 aufgezeigten Bereiche eher unter den Bereich des strukturellen Ausgleichs zwischen Arbeitsangebot und –nachfrage zu fassen (vgl. Henneberger 2005: 33). Denn zwar kann im Bildungssystem über eine Verlängerung oder Verkürzung der Ausbildungszeiten eine quantitative Veränderung des Arbeitsangebots erfolgen (vgl. Franz 2003: 9). Primär dient die (Erst)-Ausbildung aber dazu, Jugendliche und junge Erwachsene so zu qualifizieren, dass ihr Qualifikationsprofil mit den Anforderungen der Arbeitsnachfrage korrespondiert (vgl. Bäcker et al. 2000: 308). Eine gleiche Funktion hat der Bereich der Weiterbildung. Im Bereich der formellen Arbeitslosigkeit kann schließlich die Arbeitsmarktpolitik im engeren Sinne ansetzen. Dabei kann die Form der Arbeitslosenversicherung, die als passive Arbeitsmarktpolitik im engeren Sinne bezeichnet wird (vgl. Schmidt 2000: 11), zwar Einfluss auf die Höhe des Arbeitsangebots haben – je nachdem, wie die Leistungen und die Anspruchsvoraussetzungen ausgestaltet sind, kann der Weg in die formelle Arbeitslosigkeit bzw. der Weg zurück auf den Arbeitsmarkt mehr oder weniger attraktiv sein (vgl. Jochem 1998: 26). Jedoch ist das eigentliche Ziel der Arbeitsmarktpolitik im engeren Sinne einen strukturellen Ausgleich zwischen Arbeitsangebot und –nachfrage zu schaffen (vgl. Bäcker et al. 2000: 356). Dazu stehen im Rahmen der als aktiv bezeichneten Arbeitsmarktpolitik (vgl. Schmidt 2000: 11) etwa die Vermittlung von Arbeitslosen in offene Stellen, die Qualifizierung von Arbeitslosen oder die Zahlung von Zuschüssen an Arbeitgeber als Instrumente zur Verfügung (vgl. Henneberger 2005: 33).

Wenn also Arbeitsmarktpolitik wie hier verwendet in einem weiteren Sinne definiert wird, ergeben sich daraus zahlreiche Handlungsmöglichkeiten und –ebenen, die dazu dienen können, Arbeitsangebot und –nachfrage so aufeinander abzustimmen, dass unter der Berücksichtigung anderer Ziele Vollbeschäftigung möglich wird. Zugleich ist deutlich geworden, dass bei einer solchen Definition hohe Interdependenzen mit anderen Politikfeldern bestehen. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang insbesondere die Geld- und Fiskalpolitik, die Bildungspolitik, die Familienpolitik, die Zuwanderungspolitik sowie die Sozialpolitik.

1.3 Weiteres Vorgehen

Nach der erfolgten Abgrenzung des Politikfeldes kann nun das Vorgehen zur Beantwortung der in Abschnitt 1.1 aufgeworfenen Fragen dargestellt werden.

In Abschnitt 1.4 erfolgt zunächst eine Zusammenfassung des bisherigen Forschungsstands. Daran anschließend werden in Kapitel 2 die Typologie verschiedener Wohlfahrtsstaaten Esping-Andersens sowie die Implikationen für die jeweiligen Arbeitsmarktregime dargestellt. Aufbauend auf die Rückschlüsse aus einer notwendigen Kritik dieser Typologie erfolgt dann ein kurzer Abriss über die historische Entwicklung der deutschen Arbeitsmarktpolitik sowie die Einordnung Deutschlands innerhalb der Typologie.

In Kapitel 3 werden die externen Herausforderungen für das deutsche Arbeitsmarktregime, die den Handlungskontext für die Regierung Schröder darstellen, skizziert. Dieser Zwischenschritt erscheint notwendig, um die Entscheidungen der Regierung Schröder einordnen zu können. Dabei wird erstens auf die Auswirkungen der zunehmenden internationalen wirtschaftlichen Verflechtung auf den deutschen Arbeitsmarkt sowie die veränderten Rahmenbedingungen staatlichen Handelns im Zuge der wirtschaftlichen Globalisierung eingegangen. Zweitens wird die für Deutschland spezifische Problematik der Verschiebung der Beschäftigtenstruktur in den Dienstleistungssektor dargestellt. Drittens wird auf die Folgen der Europäischen Union eingegangen und zwar sowohl in Bezug auf die direkten Auswirkungen der Wirtschafts- und Währungsunion auf den deutschen Arbeitsmarkt als auch auf die veränderten politischen Handlungsmöglichkeiten. Viertens wird die für Deutschland spezifische Herausforderung der Deutschen Einheit und deren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt dargestellt. Fünftens schließlich werden mögliche Veränderungen des Arbeitsangebots in Folge eines gesellschaftlichen Strukturwandels analysiert.

In Kapitel 4, dem Hauptteil dieser Arbeit, soll die Arbeitsmarktpolitik der Regierungen Schröder zwischen 1998 und 2005, untergliedert nach verschiedenen Aspekten, erörtert werden. In Bezugnahme auf die erfolgte Abgrenzung wird daher in einem ersten Teil die Strategie in Bezug auf die Steigerung der Nachfrage nach Arbeit untersucht. In einem zweiten Teil sollen Veränderungen des Arbeitsrechts sowohl auf der individuellen als auch auf der kollektiven Ebene aufgezeigt werden. Der dritte Abschnitt widmet sich der Arbeitsmarktpolitik im engeren Sinne, also der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitsförderung. Im vierten und letzten Abschnitt werden Entscheidungen, die eine quantitative Beeinflussung des Arbeitsangebots darstellen, aufgezeigt. Dabei wird auf die Bereiche des Rentensystems, familienpolitische Entscheidungen sowie Neuregelungen in Zuwanderungsfragen eingegangen. Der Bereich der Bildungspolitik wird in keinem gesonderten Abschnitt analysiert. Denn erstens ist aufgrund der deutschen föderalen Strukturen der Bund für den größten Teil der Bildungspolitik nicht zuständig (vgl. etwa Anweiler 2000). Zweitens erscheint für die Bereiche, die in den Zuständigkeitsbereich des Bundes fallen, die betriebliche Ausbildung sowie die Weiterbildung, eine Zuordnung zu anderen Abschnitten sinnvoll. Fragen, die die Anzahl der Ausbildungsplätze betreffen, werden dabei im ersten Abschnitt mitbehandelt. Abschnitt 1.2 hat darüber hinaus ergeben, dass Qualifizierungsmaßnahmen ein bedeutender Teil der Arbeitsförderung sind, deshalb sollen diese Entscheidungen auch im Abschnitt Arbeitsförderung mitbehandelt werden. In Kapitel 5 schließlich erfolgt eine Zusammenfassung und Bewertung der Ergebnisse, darauf aufbauend wird der sich aus den Ergebnissen ergebende weitere Forschungsbedarf skizziert.

1.4 Stand der Literatur

Rund eineinhalb Jahre nach der Abwahl der rot-grünen Bundesregierung liegen nur wenige Arbeiten vor, die das hier behandelte Politikfeld im angesprochenen Zeitraum umfassend behandeln. Schmidt geht im Rahmen einer Beschreibung der historischen Entwicklung des deutschen Sozialstaats auf einige der zentralen arbeitsmarktpolitischen Entscheidungen ein. Unter diesem sozialpolitischen Blickwinkel kommt er zu einem gemischten Fazit: So habe die Bundesregierung einige erwartungstreue Entscheidungen getroffen, einiges beim Alten belassen, aber in einigen Bereichen auch Reformen auf den Weg gebracht, die von einer sozialdemokratisch geführten Regierung nicht hätten erwartet werden können, hier führt er insbesondere die ‚Hartz-Reformen’ an (Vgl. 2005: 112-124). Offen bleibt hier zumindest, ob es insgesamt zu einem Wandel des Arbeitsmarktregimes gekommen ist. Ähnlich wie Schmidt analysiert Butterwegge unter einem sozialpolitischen Blickwinkel (auch) die arbeitsmarktpolitischen Entscheidungen der rot-grünen Bundesregierung. Er kommt für das gesamte Feld der Sozialpolitik zu dem Ergebnis, dass unter rot-grün die (neo)liberale Strategie der Vorgängerregierung fortgesetzt und verschärft wurde (Vgl. 2005: 159-231), insofern kann geschlussfolgert werden, dass aus seiner Sicht ein Wandel zum liberalen Regime stattgefunden hat. Egle untersucht in einer international vergleichenden Studie die ‚Reformfähigkeit der deutschen Sozialdemokratie’. Anhand seitens der Autoren der Studie festgelegten ‚objektiven’ Problemen stellt er ihr in den Politikfeldern der Fiskalpolitik, der Beschäftigungspolitik sowie der Sozialpolitik insgesamt ein negatives Zeugnis aus. Die Bundesregierung habe es versäumt die notwendigen Reformen auf den Weg zu bringen (Vgl. 2006: 154-196). Da es sich hier aber eben um eine problemlösungsbezogene Analyse handelt, bleibt letztlich offen, ob es zu einem Regimewandel gekommen ist. Für den Zeitraum zwischen 1998 und Mitte 2003 untersuchen verschiedene Autoren in einem Sammelband von Gohr / Seeleib-Kaiser einzelne Politikfelder der rot-grünen Bundesregierung (vgl. 2003). Darin finden sich unter anderem Analysen der Finanzpolitik, der Arbeitsrechtspolitik sowie der Arbeitsmarktpolitik – hier im engeren Sinne. Seeleib-Kaiser konstatiert in diesem Band in einer Bilanz, dass es in der Arbeitsmarktpolitik zu keiner neuen strategischen Ausrichtung, sondern eher eine Anknüpfung an die Entscheidungen der Vorgängerregierung gekommen ist (vgl. 2003: 355). In einem weiteren Sammelband von Egle et al. werden unter anderem die Finanzpolitik sowie die Arbeitsmarktpolitik in engerem Sinne der ersten Legislaturperiode zwischen 1998 und 2002 untersucht (vgl. 2003). Zohlnhöfer kommt in seinem ‚Versuch einer Zwischenbilanz’ der ersten Amtsperiode der rot-grünen Bundesregierung zu dem Ergebnis, dass die rot-grüne Strategie zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit eher von einer Inkonsistenz geprägt war (vgl. 2003a: 402-403), was mithin für diese Periode nicht für einen Regimewandel sprechen würde. Ein weiterer Sammelband, in dem die rot-grüne Regierungspolitik der zweiten Amtsperiode zwischen 2002 und 2005 untersucht wird (vgl. Egle / Zohlnhöfer 2007), erschien erst kurz vor Abschluss dieser Arbeit und konnte daher nicht mehr berücksichtigt werden.

Darüber hinaus sind einzelne Reformkomplexe sowie Prozesse der Arbeitsmarktpolitik der rot-grünen Bundesregierung Gegenstand der wissenschaftlichen Auseinandersetzung. Besonders umfassend wird der Bereich der ‚Hartz-Reformen’ aus verschiedenen Perspektiven aufgegriffen. Gerntke et al. (vgl. 2002) sowie Peschke (vgl. 2005) stellen dabei das Konzept der Hartz-Kommission hinsichtlich seiner möglichen Beschäftigungswirkungen auf den Prüfstand, Jann / Schmid überprüfen die Umsetzung des Konzepts im politischen Prozess (vgl. 2004). Auch das Bündnis für Arbeit ist Gegenstand der wissenschaftlichen Auseinandersetzung. Hervorzuheben ist hier insbesondere Fickinger der den Prozess umfassend analysiert und Gründe für dessen Scheitern erörtert (vgl. 2005). In einem Sammelband von Arlt / Nehls sind darüber hinaus verschiedene Perspektiven des Bündnisses ein Jahr nach dessen Gründung zusammengestellt (vgl. 1999).

Insgesamt zeigt sich, dass bislang eine integrierte Analyse der arbeitsmarktpolitischen Entscheidungen der rot-grünen Bundesregierung in den Jahren 1998 bis 2005 mit dem Fokus auf einen möglichen Regimewandel noch nicht erfolgt ist.

2. Die typologische Verortung des deutschen Arbeitsmarktregimes

Zur Untersuchung eines möglichen Regimewandels bedarf es zunächst einer Verortung des deutschen Arbeitsmarktregimes zu Beginn der Amtszeit der rot-grünen Bundesregierung. Grundlage hierfür soll die Typologie von Wohlfahrtsstaaten Esping-Andersens sein. Diese wird im ersten Abschnitt vorgestellt, im zweiten Abschnitt werden die grundsätzlichen Kritikpunkte an der Typologie sowie mögliche Rückschlüsse für das weitere Vorgehen erörtert, im Anschluss daran erfolgt eine Einordnung Deutschlands innerhalb dieser Typologie.

2.1 Die drei Welten des Wohlfahrtskapitalismus

In den folgenden beiden Abschnitten wird zunächst die Typologie verschiedener Wohlfahrtsstaaten, die Esping-Andersen unter dem Titel ‚Die drei Welten des Wohlfahrtskapitalismus’ veröffentlicht hat, skizziert, anschließend werden die Implikationen dieser Typologie für die Arbeitsmarktregime dargestellt.

2.1.1 Grundzüge der Typologie

Der Ausgangspunkt seiner Typologie ist für Esping-Andersen eine Kritik an früheren Theorien zum Vergleich verschiedener Wohlfahrtsstaaten. Aus seiner Sicht orientieren sich diese zu stark an der Höhe der Ausgaben für Sozialpolitik, vernachlässigen dabei aber etwa die Frage, für welche sozialpolitischen Aufgaben diese getätigt werden (vgl. 1990: 19). Er schlägt dem entgegen eine andere Herangehensweise zur Verortung der verschiedenen Staaten innerhalb einer Typologie vor. Maßgeblich sind aus seiner Sicht drei Kriterien: Erstens das Ausmaß der ‚De-Kommodifizierung’, zweitens der Beitrag, den der Wohlfahrtsstaat zur gesellschaftlichen Schichtung leistet, sowie drittens das Zusammenspiel von Staat, Markt und Familie im Rahmen der Wohlfahrtsproduktion (vgl. 1990: 21).

Esping-Andersen sieht soziale Bürgerrechte, die zur De-Kommodifizierung, also zu einer Unabhängigkeit der Staatsbürger vom Markt führen, als das eigentliche Wesen von Sozialpolitik an (vgl. 1990: 3). Er definiert De-Kommodifizierung wie folgt: „A minimal definition [of de-commodification, SV] must entail that citizens can freely, and without potential loss of job, income, or general welfare, opt out of work when they themselves consider it necessary” (1990: 23). Zweitens ist für Esping-Andersen auch die durch Wohlfahrtsstaatlichkeit beeinflusste gesellschaftliche Schichtung als Indikator für die Typologisierung relevant: „The welfare state is not just a mechanism that intervenes in, and possibly corrects, the structure of inequality; it is, in its own right, a system of stratification. It is an active force in the ordering of social relations” (1990: 23). Auf Grundlage der Ausführungen zum Grad der Dekommodifizierung und des Einflusses des Wohlfahrtsstaates auf die gesellschaftliche Schichtung sowie in Bezugnahme auf die Frage des Verhältnisses zwischen Staat, Markt und Familie bildet Esping-Andersen drei unterschiedliche Typen von Wohlfahrtsstaatsregimen, er unterscheidet hierbei zwischen dem liberalen, dem konservativen und dem sozialdemokratischen Typ.

Das liberale Regime zeichnet sich vor allem durch eine starke Dominanz des freien Marktes mit einer einhergehenden schwachen Rolle des Staates aus: „Liberal welfare regimes in their contemporary form reflect a political commitment to minimize the state, to individualize risks, and to promote market solutions“ (Esping-Andersen 1999: 74-75). Soziale Leistungen werden auf niedrigem Niveau und mit rigiden Bedürftigkeitsüberprüfungen gewährt. Der Grad an Dekommodifizierung ist entsprechend gering. Vielmehr soll die ‚unsichtbare Hand’ des Marktes Wohlfahrt zu produzieren. Hinsichtlich der staatlichen Leistungen haben alle Bürger gleiche Anspruchsmöglichkeiten, es werden also keine gesellschaftlichen Gruppen bevorzugt oder benachteiligt. Da aber aufgrund der geringen staatlichen Leistungen ein großer privater ‚Wohlfahrtsmarkt’, also ein freier Markt, auf dem soziale Dienstleistungen erworben werden können, existiert, differiert die Höhe der Wohlfahrtsleistungen nach der Einkommenshöhe der Bürger. Der Staat greift mithin nicht in die gesellschaftliche Schichtung ein (Vgl. Esping-Andersen 1990: 26-27; 1999: 74-77).

Das konservative Regime zeichnet sich insbesondere durch zwei Merkmale aus: „The essence of a conservative regime lies in its blend of statuts segmentation and familialism“ (Esping-Andersen 1999: 81). Zum einen werden also Statusunterschiede durch den Wohlfahrtsstaat bewusst aufrechterhalten. Beispiele für diese konservative Ausprägung sind nach Esping-Andersen die Existenz beitragsfinanzierter und nach Statusgruppen differenzierter Versicherungssysteme oder die Privilegierung von Beamten (vgl. 1990: 24). In diesem Zusammenhang spricht Esping-Andersen auch von der stark korporatistischen[2] Ausprägung dieses Regimetypus (vgl. 1990: 27; 1999: 82). Zweitens ist die zentrale Institution im Rahmen der Wohlfahrtsproduktion die Familie, die zentrale Strategie in der Sozialpolitik ist daher die soziale Absicherung des zumeist männlichen Einzelverdieners. Damit aber sind die sozialen Leistungen für ‚atypische’ Haushalte bzw. Lebensformen, also z.B. bei alleinerziehenden Müttern gering (Vgl. 1990: 27; 1999: 83). Der Grad an Dekommodifizierung ist mittelgroß. Denn zwar sind die sozialen Leistungen hoch, durch das Beitragsfinanzierte Versicherungsprinzip werden diese Leistungen aber nicht allen Bürgern gleichermaßen gewährt, sondern sind an den Erwerbsstatus einer Person innerhalb der Familie gebunden (Vgl. 1990: 22).

Das sozialdemokratische Regime schließlich zeichnet sich durch universelle steuerfinanzierte Leistungen für alle Staatsbürger auf hohem Niveau aus, die Nivellierung gesellschaftlicher Schichten ist unmittelbares Ziel. Damit fällt dem Staat eine zentrale Rolle zu. Er trägt dafür Sorge, dass die Staatsbürger ein hohes Maß an Unabhängigkeit gegenüber dem Markt aber auch der Familie haben. Das Maß an De-Kommodifizierung ist also groß. Ein weiteres Merkmal ist für diesen Typ charakteristisch: Die Kombination zwischen den angesprochenen hohen Leistungen und dem Streben nach Vollbeschäftigung als integralem Bestandteil dieses Regimes. Dies zum einen, um das Einkommen der Bürger zu sichern, zum anderen aber auch, um die Finanzierung der hohen Leistungen sicherstellen zu können (Vgl. 1990: 27-28; 1999: 78-81).

Den drei verschiedenen Regimen ordnet Esping-Andersen anhand verschiedener Indikatoren, mit denen er das Ausmaß an Dekommodifizierung und den Einfluss des Regimes auf die gesellschaftliche Schichtung misst, entsprechende Länder zu. Während er das liberale Regime in den angelsächsischen Ländern und das sozialdemokratische Regime in den skandinavischen Ländern ausmacht, ist das konservative Regime in den kontinentaleuropäischen Ländern zu finden (Vgl. 1990: 51, 76-77). Er betont jedoch, dass keines der Länder einen ‚reinen Typ’ darstellt, vielmehr: „[…] every country today presents a system mix“ (1990: 49).

2.1.2 Implikationen der ‚drei Welten’ für das Arbeitsmarktregime

Die drei Typen unterscheiden sich nach Esping-Andersen auch durch ihre jeweiligen Arbeitsmarktregime, die Konzeption des jeweiligen Wohlfahrtsstaatsregimes hat aus seiner Sicht unmittelbare Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt: „[…] welfare-state structures are systematically relatet to labour market outcomes“ (1990: 159). Maßgeblich zur Unterscheidung der verschiedenen Arrangements sind für ihn folgende Faktoren: Die Beeinflussung der Größe des Arbeitsangebots durch den Wohlfahrtsstaat, der Grad der Dekommodifizierung innerhalb des Arbeitsvertrags, insbesondere in Form von bezahlten Fehlzeiten, die Eingriffe des Staats auf die Nachfrageseite des Arbeitsmarkts, insbesondere im Rahmen eines öffentlichen Beschäftigungssektors der sozialen Dienstleistungen, sowie die Ausgestaltung des Arbeitsrechts (vgl. 1990: 149-150; 1999: 122).

Das liberale Regime zeichnet sich wie oben beschrieben generell durch eine Dominanz des Marktes aus, die grundlegende politische Strategie in Bezug auf die Nachfrage nach Arbeitskräften besteht somit in einer Stärkung der Marktkräfte. Daher kommt dem Staat auch als Arbeitgeber keine bedeutende Rolle auf dem Arbeitsmarkt zu (vgl. 1990: 158). Ebenso ist der Arbeitsmarkt wenig reguliert, die Arbeitnehmer genießen also nur wenig Schutz (vgl. 1999: 122). Die Leistungen der Altersrente und auch die Anspruchsmöglichkeiten in Form von Frühverrentungsprogrammen sind gering, gleichzeitig sind aber auch wenige Elemente einer aktiven Arbeitsmarktpolitik zu finden. In der Folge ist zwar der Anreiz für ältere Arbeitnehmer aus dem Erwerbsleben in die Altersrente zu gehen wenig ausgeprägt, es finden aber staatlicherseits ebenso wenig Bemühungen statt diese Gruppe in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Der Staat nimmt also keinen Einfluss auf die Vergrößerung oder Verknappung des Arbeitskräfteangebots, sondern überlässt dies dem Markt (Vgl. 1990: 152; 159; 1999: 130). In Bezug auf bezahlte Fehlzeiten, also das Ausmaß an De-Kommodifizierung, zeichnet sich das liberale Regime durch nur wenige Programme und rigide Anspruchsmöglichkeiten aus (Vgl. 1990: 153-157; 1999: 127).

Im konservativen Regime spielt der Staat ebenso eine eher passive Rolle, jedoch in einem anderen Sinne als im liberalen Regime (vgl. 1999: 84). Er nimmt ebenso wenig Einfluss auf die Nachfrage nach Arbeitskräften, insbesondere ist der öffentliche Beschäftigungssektor im Bereich der sozialen Dienstleistungen gering ausgeprägt (Vgl. 1990: 158). Ähnlich dem liberalen Regime ist auch der Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik gering entwickelt, es bestehen also wenige Bemühungen staatlicherseits, Arbeitslose wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren (vgl. 1999: 83-84). Gegenüber dem liberalen zeichnet sich das konservative Regime durch zwei Unterschiede aus: Erstens kann als eine grundlegende Strategie die Sicherung des Erwerbsstatus des zumeist männlichen ‚Familienernährers’ ausgemacht werden. Dazu dienen zum einen vergleichsweise stark regulierte und damit weniger flexible Arbeitsmärkte (Vgl. 1999: 122-123) und zum anderen die finanzielle Absicherung des Familienernährers durch hohe Transferleistungen im Falle der Arbeitslosigkeit, damit sind diese Transferleistungen zugleich an den vorherigen Erwerbsstatus geknüpft (vgl. 1999: 83; 1990: 153-155). Zweitens ist eine grundlegende Strategie zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit eine Verringerung des Arbeitskräfteangebots. Hierzu sind zum einen die Leistungen der Altersrente so hoch bemessen, dass auch Familienmitglieder durch sie versorgt werden können, gleichzeitig werden zusätzliche Anreize in Form eines früheren Eintritts in die Rente gesetzt, so dass das Arbeitsangebot durch Ältere verringert wird (Vgl. 1990: 152; 1999: 130). Zum anderen wird auch durch das familienorientierte System der Transferzahlungen sowie durch nur wenig vorhandene Kinderbetreuungsmöglichkeiten das Arbeitsangebot von Frauen gering gehalten (vgl. 1990: 159). Insgesamt zeichnet sich das konservative Regime also durch eine passive Strategie aus: Nicht die Steigerung der Nachfrage nach Arbeitskräften etwa im Rahmen eines öffentlichen Beschäftigungssektors, sondern die Verringerung des Arbeitsangebots kann als ein zentrales Merkmal aufgefasst werden (Vgl. 1999: 84).

Im sozialdemokratischen Regime kommt dem Staat dagegen auch in der Steuerung der Nachfrage eine aktive Rolle zu, das Streben nach Vollbeschäftigung ist eben integraler Bestandteil dieses Typs. Esping-Andersen betont in diesem Zusammenhang insbesondere die Existenz eines großen öffentlichen Beschäftigungssektors im Bereich der sozialen Dienstleistungen, vor allem im Rahmen von Kinderbetreuung, so dass der Staat eine bedeutende Rolle als Arbeitgeber einnimmt (vgl. 1999: 79). Das sozialdemokratische Regime zeichnet sich darüber hinaus durch ein hohes Maß an Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt bei gleichzeitigen großzügigen und universalistisch geprägten sozialen Sicherungssystemen aus (vgl. 1999: 142). Die Arbeitnehmer genießen ein geringeres Maß an Kündigungsschutz, wodurch die Arbeitsmärkte flexibler bleiben. Jedoch sorgen im Falle von Arbeitslosigkeit vergleichsweise hohe Transferleistungen sowie eine aktive Arbeitsmarktpolitik dafür, dass diese meist nur kurzfristig währt und dann für die Betroffenen keine nennenswerte Minderung ihres Lebensstandards darstellt (Vgl. 1999: 122). ‚Aktive Arbeitsmarktpolitik’ lautet auch die Strategie im Umgang mit älteren Arbeitnehmern. Denn zwar sind die Leistungen der Alterssicherung vergleichsweise hoch, durch gezielte Qualifikation und Vermittlung sowie Möglichkeiten der Teilzeitarbeit (vgl. 1990: 152) zielt das sozialdemokratische Modell aber eben nicht darauf, das Angebot an Arbeitskräften zu mindern, sondern die Erwerbsbeteiligung zu maximieren (vgl. 1990: 159). Durch den universalistischen Anspruch auf Transferleistungen ist es dem Arbeitnehmer möglich bezahlte Fehlzeiten im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses zu organisieren, der Grad an Dekommodifizierung ist mithin hoch. Die Transferleistungen beziehen sich nicht nur auf den Fall der Krankheit, sondern maßgeblich auch auf Mutterschafts- und Erziehungsurlaub (Vgl. 1990: 153-157). In Folge dieser Transferleistungen sowie den Möglichkeiten von Kinderbetreuung ist eine vergleichsweise hohe Erwerbsbeteiligung von Frauen festzustellen (Vgl. 1990: 158).

2.2 Kritik der Typologie und Schlussfolgerungen für das Vorgehen

Die ‚Drei Welten-Studie’ Esping-Andersens gilt noch immer als wegweisend für die Vergleichende Wohlfahrtsstaatsforschung, zugleich und zum Teil aufgrund ihrer Prominenz hat sie auch viel Kritik erhalten (vgl. Schmidt 2005: 225, Schmid 2002: 89-92).

Einige Kritiker werfen Esping-Andersen vor, dass die Unterscheidung der Regime anhand ihres De-Kommodifizierungsgrades keine hinreichende Eingrenzung des Gegenstandsbereichs darstelle: „Problematisch und […] letztlich verhängnisvoll ist sein Missverständnis von De-Kommodifizierung als letztem Zweck und Ideal von Sozialpolitik“ (Rieger 1998: 65). Damit wird hervorgehoben, dass De-Kommodifizierung zwar ein mögliches Ziel von Sozialpolitik sein kann, aber eben nicht sein muss (vgl. Rieger 1998: 67). Vielmehr sei gerade der Bereich der Sozialpolitik ein prinzipiell von Konflikten aufgeladener Politikbereich, in dem die Werte und Ziele erst im Rahmen politischer Prozesse ausgehandelt würden (vgl. Rieger 1998: 69). „De-Kommodifizierung ist kein generalisierbares Objekt eines gesellschaftlich verallgemeinerungsfähigen Interesses, sondern ein vielfältige Interessenkonflikte verkörperndes und generierendes Verteilungsproblem“ (Lessenich 1998: 96). Esping-Andersen wird somit insgesamt vorgeworfen sich durch die Verengung des Zwecks von Sozialpolitik auf De-Kommodifizierung zu stark an den Zielen und Eigenarten des eigenen skandinavisch-sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaats zu orientieren (vgl. Kaufmann 2003: 30), so dass „[…] der Begriff der De-Kommodifizierung nicht mehr heuristisches Instrument der Beschreibung und Analyse wohlfahrtsstaatlicher Wirklichkeit ist, sondern zu einem Ideal gerät, aus dem die Realität wertend beurteilt wird“ (Rieger 1998: 75).

Ein zweiter, mit dem ersten zusammenhängender, Kritikpunkt betrifft die Frage, ob die Bildung von verschiedenen Typen von Wohlfahrtsstaatsregimen überhaupt ein adäquates Mittel zum Vergleich darstellt. Kaufmann lehnt die typologische Methode generell als solche ab, da diese „[…] bisher nicht zu einer stabilen Klassifikation von Staaten innerhalb einer allgemein anerkannten Typologie geführt [hat]“ (2003: 23). Diese Problematik sei vor allem darauf zurückzuführen, dass keine Einigkeit darüber herrsche, „[…] welche Aspekte der Wohlfahrtsstaatlichkeit der Klassifizierung zugrunde gelegt werden“ (2003: 23). Damit bezieht er sich auch auf die o.g. Problematik der Definition von De-Kommodifizierung als hauptsächliche Funktion von Wohlfahrtsstaatlichkeit. Vielmehr müsse die je spezifische historisch-nationalstaatliche Entwicklung stärker in den Blick genommen werden, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten herausstellen zu können (vgl. 2003: 34). Borchert wirft Esping-Andersen vor die Dynamik wohlfahrtsstaatlicher Entwicklung mit seiner Typologie nicht hinreichend zu erfassen (vgl. 1998: 143). So seien Wohlfahrtsstaaten einem stetigen historischen Wandel unterzogen, was in der Typologie keinen Niederschlag finde, da ihre Typenbildung zu einem bestimmten Zeitpunkt auf Grundlage der Daten zwischen 1946 und 1980 erfolge (vgl. 1998: 152-171). Somit entstehe der Eindruck, die einmal herausgebildeten Typen seien kaum veränderbar (vgl. auch Schmidt 1998: 181). „Wohlfahrtsstaaten werden in ihrer Formationsphase auf einen bestimmten Pfad gebracht und verlassen ihn dann nicht mehr, können ihn gar nicht verlassen“ (Borchert 1998: 144). Dem widerspricht Kohl, wenn er betont, dass die Typologie Esping-Andersens den Machtressourcen-Ansatz mit dem Ansatz der Pfadabhängigkeit verbinde und damit selbstverständlich auch Wandel der Regime möglich seien (vgl. Kohl 2000: 125). Ebenso wird kritisiert, dass der Unterschied zwischen den gebildeten Idealtypen und der Realität verschwimme:

[…] die Idealtypen der drei Regime [sind] gar keine solchen, sondern auf der Basis konkreter, raum-zeitlich genau zu verortender Fälle konstruiert. In der Folge werden die so konstruierten ‚Idealtypen’ schnell wieder in ihre ursprüngliche Gestalt zurück- und dann, derart materialisiert, der empirischen Analyse zugeführt, die schließlich zur allgemeinen Verblüffung die Existenz dreier voneinander zu unterscheidender Idealtypen nachweist. Dieses Verfahren mutet denn doch etwas tautologisch an. (Borchert 1998: 141)

Angesprochen ist hiermit insofern die Frage, ob die Bildung von Idealtypen auf Grundlage der Untersuchung von empirisch beobachtbaren Wohlfahrtsstaaten möglich ist. Kohl verweist in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen Max Webers zur Funktion von Idealtypen (vgl. Weber 1968: 43) und stellt heraus, dass diese gerade durch einseitige Steigerung bestimmter Gesichtspunkte, die aus der historischen Wirklichkeit entnommen werden, gebildet werden und demnach in ihrer Reinheit in der Realität nicht aufzufinden sind (vgl. Kohl 1993: 69; Kohl 2000: 119). „Die idealtypische Konstruktion bildet sozusagen das Koordinatensystem, im Rahmen dessen sich der Ort und die Bewegung des konkreten Objekts der Analyse abbilden und verfolgen lässt“ (Kohl 2000: 119). Kohl selbst versteht Esping-Andersens Typologie als eine solche idealtypische Konstruktion von Wohlfahrtsstaatsregimen. Dabei mögen einzelne Wohlfahrtsstaaten einem der drei Regime nahe kommen, es sei aber verfehlt anzunehmen, die real beobachtbare Ausprägung sei mit einem der Idealtypen identisch (Vgl. Kohl 1993: 69; 2000: 120).

Neben dieser grundlegenden Kritik wurde die Typologie Esping-Andersens auch von verschiedenen Seiten weiterentwickelt. Dabei wurden insbesondere Vorschläge für zusätzliche Typen unterbreitet. So schlägt zum Beispiel Leibfried einen zusätzlichen ‚Südeuropäischen Typ’ vor (vgl. 1993: 141f.); Deacon einen ‚Osteuropäischen’ (vgl. 1993) und Jones einen ‚Fern-Östlichen’ bzw. ‚Japanischen’ (vgl. 1993: 214). Diese Weiterentwicklungen mögen auf der oben angeführten Kritik der mangelnden Einigkeit über die grundlegenden Aspekte zur Klassifikation zurückzuführen sein (vgl. auch Kaufmann 2003: 22). Ohne das Für und Wider eines zusätzlichen vierten, fünften oder sechsten Regime-Typs an dieser Stelle diskutieren zu können[3], erscheint es aus einem generellen Blickwinkel fraglich, ob eine solche Erweiterung sinnvoll ist. Denn mit jedem zusätzlichen Typ wird der grundsätzliche Vorzug einer Typologie geringer, nämlich deren ‚Sparsamkeit’, also eben gerade die Zusammenführung und Hervorhebung einzelner wichtiger gemeinsamer Aspekte unter Vernachlässigung der spezifischen Besonderheiten. „Was damit [der Typologie, SV] gewonnen wird, ist gerade die Erkenntnis des ‚Typischen’, was verschiedene Fälle – ungeachtet ihrer Besonderheiten, ja Einzigartigkeit – miteinander verbindet“ (Kohl 2000: 117).

Was sind nun die Schlussfolgerungen der beschriebenen Kritikpunkte für die weiteren Schritte dieser Arbeit? Sicherlich mag es berechtigt erscheinen Esping-Andersen eine gewisse Nähe zu den Zielen der schwedischen Sozialdemokratie zu unterstellen, wenn er De-Kommodifizierung als das Ideal von Wohlfahrtsstaatlichkeit definiert. Gleichwohl mindert dieser Umstand den Wert der Typologie nicht, wenn erstens deutlich wird, dass zur Erstellung einer Typologie bestimmte Merkmale ausgewählt und einseitig gesteigert werden müssen, um einen Vergleich überhaupt zu ermöglichen. Und zweitens beruhen Esping-Andersens Regime nicht nur auf dem Merkmal der De-Kommodifizierung. Insgesamt ist es Esping-Andersen mit den drei genannten Kriterien gelungen, eine plausibel erscheinende Typologie aufzustellen. Er betont auch selbst, dass bei einer anderen Auswahl und Gewichtung der Merkmale die Typologie anders ausfallen könnte (vgl. 1999: 86). Von größerer Relevanz erscheint die Feststellung, dass es sich bei den drei Regimen um Idealtypen handelt, die in ihrer Reinform in der Realität nicht beobachtbar sind, sondern ein ‚Koordinatensystem’ darstellen, innerhalb dessen die empirisch beobachtbaren Fälle verortet werden können. Wenn also im nächsten Abschnitt eine Verortung des deutschen Arbeitsmarktregimes vorgenommen wird, bedeutet dies, dass es keineswegs identisch mit einem Typ sein muss, sondern bestenfalls einem der drei Typen nahe kommen mag. So verstanden kann auch der Kritikpunkt der fehlenden Berücksichtigung der Dynamik der Regime aufgegriffen werden. Denn wenn die Idealtypen ein ‚Koordinatensystem’ darstellen, machen sie es eben gerade möglich eine solche Dynamik oder eben einen Wandel empirisch beobachtbarer Fälle zu untersuchen. Dann erscheint es aber auch erforderlich die historische Entwicklung des deutschen Arbeitsmarktregimes zumindest kurz zu skizzieren. Denn nur so kann anschließend festgestellt werden, ob die arbeitsmarktpolitischen Entscheidungen der rot-grünen Bundesregierung auffällige Diskontinuitäten aufweisen und mithin ein Regimewandel festzustellen ist. Daher soll im folgenden Abschnitt zunächst die Entwicklung des deutschen Arbeitsmarktregimes kurz umrissen werden, darauf aufbauend kann dann eine Verortung innerhalb der hier verwendeten Typologie erfolgen.

2.3 Entwicklung und Verortung des deutschen Arbeitsmarktregimes

In der deutschen Arbeitsmarktpolitik können seit dem 2. Weltkrieg drei Phasen unterschieden werden[4]. Die erste Phase, die sich zwischen der Gründung der Bundesrepublik 1949 und dem Beginn der Amtszeit der ersten großen Koalition 1966 verorten lässt, ist von einer Anknüpfung an die Traditionen der Weimarer Republik verbunden mit einer partiellen Weiterentwicklung geprägt. Die 1927 als vorläufig letzter Zweig der Sozialversicherungen gegründete Arbeitslosenversicherung (vgl. Ritter 1991: 111-112) wurde zu Beginn der Bundesrepublik wieder eingeführt. Auch die Strukturen der Arbeitsverwaltung waren mit der Gründung der durch drittelparitätische Beteiligung von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und der öffentlichen Hand korporatistisch organisierten Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung[5] identisch mit denen der Weimarer Republik. Ihre Aufgaben lagen zunächst in der Verwaltung der Arbeitslosenversicherung, der Arbeitsvermittlung sowie der Berufsberatung, punktuell wurden sie in dieser ersten Phase auch auf Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ausgedehnt. Die Finanzierung dieser Aufgaben erfolgte hauptsächlich durch die paritätisch aufgebrachten Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, falls diese nicht ausreichten, finanzierte der Bund über eine ‚Defizithaftung’ mit (Vgl. Gottschall / Dingeldey 2000: 311; Schmidt 2005: 77; Schmid 2002: 376). Zugleich wurden in dieser Phase die Transferleistungen an Arbeitslose ausgebaut. Genannt seien in diesem Zusammenhang die Differenzierung der Arbeitslosenunterstützung in das beitragsfinanzierte Arbeitslosengeld und die steuerfinanzierte Arbeitslosenhilfe, deren Höhe jeweils am vorherigen Einkommen bemessen war (vgl. Gottschall / Dingeldey 2000: 311) sowie die Einführung der Sozialhilfe, die als Grundsicherung für alle diejenigen dienen sollte, die keine Leistungen nach der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nehmen konnten (vgl. Butterwegge 2005: 68). Auch im Bereich des Arbeitsrechts lässt sich die Anknüpfung an die Traditionen der Weimarer Republik beobachten (vgl. Ritter 1991: 163). Dabei sah man in ihm eine wichtige Grundlage, um eine „[…] demokratische und sozial befriedete politische und wirtschaftliche Ordnung“ (Horn 1983: 332) sicherzustellen. Um die Machtasymmetrie zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu verringern wurden etliche Mindeststandards im Bereich des individuellen Arbeitsrechts beschlossen, hervorzuheben ist hierbei sicherlich das Kündigungsschutzgesetz, das den Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses sicherstellen sollte (vgl. Horn 1983: 334-335). Der Gedanke des Ausgleichs und sozialen Friedens war auch bei der Ausgestaltung des kollektiven Arbeitsrechts prägend. So wurden etwa auf der überbetrieblichen Ebene durch das Tarifvertragsgesetz gesetzliche Normen für die Tarifverhandlungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften geschaffen und auf der betrieblichen Ebene die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Arbeitnehmer gesetzlich normiert (Vgl. Horn 1983: 335-337; Ritter 1991:163-165). Im Bereich der Steuerung des Arbeitskräfteangebots kam es etwa ab den 60er Jahren zu einer massiven Anwerbung von ausländischen Arbeitnehmern, da es in Deutschland an Arbeitskräften mangelte (vgl. Thränhardt 2000: 14), folglich bestand in dieser Phase nicht das Problem mangelnder Arbeitsplätze, so dass auch keine bedeutenden Eingriffe auf dieser Ebene festzustellen sind.

Die zweite Phase, die sich zwischen 1966 und der Mitte der 70er Jahre verorten lässt, ist auf der einen Seite durch einen weiteren Ausbau des Arbeitsrechts und der Transferleistungen geprägt und knüpft insofern an die vorherige Phase an. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang unter anderem die Einführung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall durch die Arbeitgeber (vgl. Butterwegge 2005: 68; Schmidt 2005: 90), eine Erweiterung des Kündigungsschutzes sowie ein Ausbau der Mitbestimmung der Arbeitnehmer (vgl. Butterwegge 2005: 70). Zugleich wurden die schon bestehenden Transferleistungen, wie das Arbeitslosengeld oder die Arbeitslosenhilfe, deutlich aufgestockt (vgl. Schmidt 2005: 91). Auf der anderen Seite lässt sich in dieser Phase in zwei zentralen Bereichen aber auch eine deutliche Neuorientierung feststellen. In Reaktion auf die erste Wirtschaftsrezession und der daraus folgenden einsetzenden Arbeitslosigkeit wurde durch das ‚Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft’ das Ziel der Vollbeschäftigung gesetzlich normiert. Um dieses Ziel zu erreichen, verfolgten die amtierende große Koalition sowie später die sozialliberale Koalition eine neo-keynesianische Strategie der koordinierten Einkommens-, Geld- und Fiskalpolitik zur Stimulierung der Nachfrage (Vgl. Seils 2004: 157; Gottschall / Dingeldey 2000: 312). Als ein zentrales Element sah das neue Gesetz die ‚Konzertierte Aktion’ vor: Bundesregierung, Bundesbank, Sachverständigenrat, Unternehmerverbände und Gewerkschaften koordinierten in diesem Rahmen die Lohn-, Wirtschafts- und Sozialpolitik um das Ziel der Vollbeschäftigung zu erreichen (vgl. Bleses / Rose 1998: 119; Butterwegge 2005: 70). Die Konzertierte Aktion gilt dabei als ein Paradebeispiel für die als neokorporatistisch bezeichnete[6] Einbindung von gesellschaftlichen Gruppen in politische Entscheidungsprozesse (vgl. Abromeit 1993: 166). Als zweite wichtige Neuerung ist die Erweiterung des Aufgabenkatalogs der Bundesanstalt für Arbeit zu betrachten:

Auf der Basis eines weitreichenden gesellschaftlichen Konsenses über das Vollbeschäftigungsziel wurde als vorrangiges Ziel der Bundesanstalt für Arbeit die Verhütung von Arbeitslosigkeit und von unterwertiger Beschäftigung definiert. Im Zentrum stand die präventive Qualifizierung und Mobilitätsförderung der einzelnen Arbeitnehmer, um diese in Hinblick auf den Strukturwandel der Erwerbsarbeit ‚krisensicher’ zu machen. (Gottschall / Dingeldey 2000: 312)

Die vorherige eher passiv auf die Gewährung von Transfereinkommen ausgerichtete Arbeitsmarktpolitik wurde durch das ‚Arbeitsförderungsgesetz’ somit um Komponenten der aktiven Arbeitsmarktpolitik, deren Kerninstrumente die der Fortbildung und Umschulung waren, erweitert (vgl. Bleses / Rose 1998: 119). Im Zuge der Ausweitung der Arbeitslosigkeit ab 1974 wurde dieses Instrumentenbündel um die Gewährung von Kurzarbeitergeld zur Überbrückung konjunktureller Schwankungen sowie der Zahlung von Lohnkostenzuschüssen an Arbeitgeber im Rahmen von ‚Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen’ erweitert (vgl. Bleses / Rose 1998: 129). Die grundsätzliche Neuorientierung ist also in einer stärkeren Rolle des Staates zu sehen, dem die Aufgabe zugeschrieben wurde, sowohl die gesamtwirtschaftliche Nachfrage, als auch das Arbeitskräfteangebot zu steuern. Im Lichte der oben ausgeführten Typologie handelt es sich hier um eine sozialdemokratische Strategie, die sicherlich auf die Regierungsbeteiligung der SPD in dieser Phase zurückgeführt werden kann.

Ab Mitte der 70er Jahre ist eine weitere grundlegende Wende in der deutschen Arbeitsmarktpolitik festzustellen. Als der durch die Weltwirtschaftskrise 1973/74 bedingte Anstieg der Arbeitslosigkeit durch die nachfrageorientierte makroökonomische Strategie nicht mehr verhindert werden konnte, sondern erhebliche Finanzierungsprobleme bereitete, leitete die sozialliberale Regierung eine angebotsorientierte Politik der Haushaltskonsolidierung ein (vgl. Gottschall / Dingeldey 2000: 318). In dieser Phase scheiterte offiziell am Streit zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften über die Erweiterung der Mitbestimmung der Arbeitnehmer[7] auch die Konzertierte Aktion (vgl. Butterwegge 2005: 71). Den angebotsorientierten Kurs setzte die schwarz-gelbe Nachfolgeregierung fort:

Makroökonomische Steuerung, gar gesamtwirtschaftliche Konzertierung nach neokorporatistischem Muster oder gezielte nachfrageseitige Steuerung kam für die Regierung Kohl nicht in Frage. Sie hatte sich angebotsseitiger Wirtschaftspolitik verschrieben – mit Ausnahme des unfreiwilligen Keynesianismus, den sie in der Boom-Phase der deutschen Einheit in Kauf nahm. Auch die Kanzlerrunden von Bundesregierung und Wirtschaftsverbänden, auf denen Möglichkeiten einer besseren Abstimmung zwischen Staat und Wirtschaftsverbänden sondiert werden sollten, änderten daran nichts Grundlegendes. (Schmidt 2005: 108)

Symptomatisch für diese Ausrichtung der Wirtschaftspolitik war eine starke Orientierung an den Zielen der Haushaltskonsolidierung und der Preisniveaustabilität durch die Bundesregierung und die Bundesbank (vgl. Manow / Seils 2000: 275-279).

Das Ziel der Haushaltskonsolidierung spiegelt sich auch in der Finanzierung der Bundesanstalt für Arbeit wider. Bereits in der Regierung Schmidt wurden die Bundeszuschüsse für den Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit erstmals gekürzt (vgl. Schmidt 2005: 96; Alber 1989: 294), die schwarz-gelbe Nachfolgeregierung setzte diesen Kurs zunächst fort (vgl. Schmidt 2005: 101). Aufgestockt wurden die Mittel der BA dagegen im Zuge der deutschen Wiedervereinigung und zwar sowohl durch eine deutliche Anhebung der Beitragssätze als auch durch einen höheren Bundeszuschuss (vgl. Schmidt 2005: 103). Angemerkt werden muss in diesem Zusammenhang jedoch die konjunkturelle Abhängigkeit der Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik. Da aus dem Haushalt der BA sowohl Transferleistungen für Arbeitslose als auch die Arbeitsförderung finanziert werden, die Transferleistungen aber privilegiert behandelt werden müssen, wurden die Instrumente aktiver Arbeitsmarktpolitik häufig genau dann zurückgefahren, wenn sie am dringendsten gebraucht wurden (Vgl. Bleses / Rose 1998: 124; Schmid 2002: 378). Neben den festzuhaltenden Diskontinuitäten in der Finanzierung der Arbeitsförderung erfolgte aber ein genereller Wechsel in deren Zielrichtung: Schon in den 70er Jahren wurden die Programme mehr und mehr auf die von Arbeitslosigkeit Betroffenen beschränkt und dienten weniger dazu Arbeitslosigkeit vorzubeugen. Diese Politik der selektiven Förderung setzte die schwarz-gelbe Regierung fort, so dass nur Arbeitslose mit einer ‚absehbaren Vermittlungschance’ eine Förderung erhielten. Insgesamt wurde also der ursprünglich intendierte präventive Charakter der aktiven Arbeitsmarktpolitik aufgegeben und durch ein reaktives Instrumentenbündel ersetzt, das auch dazu diente das Arbeitskräfteangebot in Phasen hoher Arbeitslosigkeit zu reduzieren (Vgl. Gottschall / Dingeldey 2000: 319).

[...]


[1] Die hinter den verschiedenen Strategien liegenden Theorien können hier zwar nur äußerst knapp umrissen werden, gleichwohl erscheint eine kurze Skizze sinnvoll, da in den nachfolgenden Kapiteln auf diese Begrifflichkeiten verwiesen wird.

[2] Unter Korporatismus wird in diesem Zusammenhang die nach Ständen gegliederte Übertragung von öffentlicher Gewalt auf gesellschaftliche Organisationen verstanden, so zum Beispiel die Selbstverwaltung von nach Berufsgruppen gegliederten Sozialversicherungssystemen (vgl. Voelzkow 2000: 404).

[3] Die Weiterentwicklung der Typologie Esping-Andersens soll hier nur kurz aus Gründen der Vollständigkeit skizziert werden, da diese in Bezug auf den Untersuchungsgegenstand, das deutsche Wohlfahrtsstaats- und Arbeitsmarktregime, nur von geringer Relevanz ist. Alle zusätzlichen Typen beziehen sich nämlich nicht auf die Einordnung Deutschlands innerhalb der Regime.

[4] Leisering sieht in Bezug auf die Entwicklung des Wohlfahrtsstaats vier Phasen, er sieht neben den im folgenden verwendeten insbesondere seit Mitte der 90er Jahre den deutschen Wohlfahrtsstaat in eine neue Phase, die der ‚schweren Krise’, getreten (vgl. 2004: 13). Butterwegge macht dagegen nur zwei Phasen aus und erkennt die eigentliche Bruchstelle Mitte der 70er Jahre (vgl. 2005: 64). Wie in den folgenden Ausführungen deutlich werden wird, erscheint aber zumindest für die deutsche Arbeitsmarktpolitik eine Einteilung in drei Phasen sinnvoll.

[5] 1969 wurde sie in Bundesanstalt für Arbeit (BA) umbenannt (vgl. Schmid 2002: 376).

[6] Unter dem Begriff Neokorporatismus wird die formelle oder informelle Einbindung organisierter Interessen (in Form von Verbänden etc.) in die Aushandlung, Formulierung und Ausführung von gesamtgesellschaftlichen Entscheidungen bezeichnet. Von zentraler Bedeutung ist es dabei, dass es dem Staat gelingt, die Verbände zu einem Handeln in gesamtgesellschaftlicher bzw. gesamtwirtschaftlicher Verantwortung zu bewegen (Vgl. Schubert 2004: 11; Abromeit 1993: 146-152; Voelzkow 2000: 404-405).

[7] Für das Scheitern der Konzertierten Aktion können bei näherer Betrachtung jedoch auch andere Gründe, wie das Fehlen einer Verpflichtungsfähigkeit der Verbände, vereinbarte Entscheidungen auch umzusetzen, oder die Machasymmetrie zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern angeführt werden (vgl. Abromeit 1993: 168-170).

Excerpt out of 106 pages

Details

Title
Regimewandel oder Kontinuität? Die Arbeitsmarktpolitik der Regierung Schröder 1998-2005
College
University of Münster  (Institut für Politikwissenschaft)
Grade
1,00
Author
Year
2007
Pages
106
Catalog Number
V79722
ISBN (eBook)
9783638785983
File size
822 KB
Language
German
Keywords
Regimewandel, Kontinuität, Arbeitsmarktpolitik, Regierung, Schröder
Quote paper
Magister Artium Sascha Vogt (Author), 2007, Regimewandel oder Kontinuität? Die Arbeitsmarktpolitik der Regierung Schröder 1998-2005, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79722

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