Max Weber - Die Entdeckung des Menschen aus dem Licht der Ökonomie


Hausarbeit, 2006

19 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Die Entdeckung des Menschen aus dem Licht der Ökonomie
1. Max Weber und die historische Schule der Nationalökonomie
1.1. Der Nationalstaat und die Volkswirtschaft
1.2. Die anthropozentrische Wende
1.2.1. Webers Reflexion über Georg Friedrich Wilhelm Roscher
1.2.2. Webers Reflexion über Karl Gustav Adolf Knies
1.3. Zwischenfazit
2. Objektivität als Zentrum wissenschaftlicher Erkenntnis
2.1. Rickert und Weber – Die Nationalökonomie im Zeichen der Philosophie
2.2. Weber – Eine Frage der Objektivität?

III. Die Hinwendung an den Menschen. Begleiterscheinung Weberscher methodologischer Kritik? (Schlussbetrachtung)

IV. Literaturverzeichnis
Primärquellen
Zeitschriftenaufsätze
Sekundärliteratur
Allgemeine Nachschlagewerke

In wiefern ein Handwerk leiblich und geistig deformiert: ebenso Wissenschaftlichkeit an sich, ebenso Gelderwerb, ebenso jede Kunst – der Spezialist ist nothwendig, aber gehört in die Klasse der Werkzeuge.[1]

Die Welt der Wirklichkeit, des ewigen Werdens und Vergehens, kann gar nicht wahr sein. Sie ist Schein (Maya), ein Trugbild, welches von einem dämonischen Scheinwesen, dem Demiurg (Isvara), der Erkenntnis vorgezaubert wird.[2]

I. Einleitung

Die Wertfreiheit innerhalb der Wissenschaften ist heute selbstverständlich und untrennbar mit dem Namen Max Weber verbunden. Diese verteidigte er vehement gegen die Methodologie des universitären Lehrbetriebes des frühen 20. Jahrhunderts. Erstaunlich ist dies insofern, da Weber so als Nationalökonom den Grundstein für die Eigenständigkeit der Sozialwissenschaften gelegt und sie aus dem Leib einer nomothetisch orientierten Wirklichkeitserfassung gelöst hat. Ziel dieser Hausarbeit ist es, folgender Frage nachzugehen: Wie kann in einer an ökonomischen Prozessen geleiteten Wissenschaft die Wurzel und die Begründung einer Forschung entspringen, die am sozialen Handeln der Menschen ausgerichtet ist.

Um sich diesem scheinbaren Widerspruch zu nähern, wird Webers Denken hinsichtlich der damaligen Wissenschaftstheorien in der Nationalökonomie nachgezeichnet. Die Komplexität seines Werkes erfordert es allerdings, selektiv der Fragestellung zu begegnen. Daher wird der Schwerpunkt auf den wissenschaftstheoretischen Schriften Webers liegen. Beginnend mit seiner akademischen Antrittsrede[3], werden seine Voraussetzungen und Ansprüche an die Nationalökonomie vorgestellt. Darauf aufbauend wird seine theoretische Auseinandersetzung mit der älteren historischen Schule der Nationalökonomie aufgezeigt, um seine methodologische Kritik nachvollziehbar zu machen. Eine Zwischenbilanz ermöglicht es, die erarbeiteten Erkenntnisse anhand der Arbeiten des Politologen Wilhelm Hennis[4] und des Sozialwissenschaftlers Pietro Rossi[5] zu überprüfen und die These der anthropozentrischen Wende ins Licht der Forschungsliteratur zu stellen.

Der zweite Teil widmet sich den philosophischen und erkenntnistheoretischen Hintergründen, die das Denken Webers leiteten. Im Fokus stehen sowohl der Kulturwissenschaftler Heinrich Rickert als auch die auf Weber Einfluss nehmenden, zeitgeschichtlichen Theorieansätze der Nationalökonomie. Dafür wird sich die Arbeit auf Gottfried Eisermann[6] und Peter-Ulrich Merz[7] stützen. Es wird aber darauf verzichtet, die Nationalökonomen Gustav von Schmoller und Carl Menger in einem eigenständigen Kapitel zu behandeln – dies würde den Rahmen der Arbeit sprengen. Vielmehr werden sie kontinuierlich die Fragestellung der Arbeit begleiten. So wird aufgezeigt, inwiefern sie für die Entwicklung Webers wichtig waren.

Im letzten Kapitel wird auf den Werturteilsstreit eingegangen. Dieser veranlasste Weber, die Schrift „Der Sinn der ‚Wertfreiheit’ der soziologischen und ökonomischen Wissenschaften“[8] zu verfassen. Sie kann als Ausdruck des Streits und als Positionierung Webers zwischen den wissenschaftstheoretischen Denkschulen verstanden werden. Hierfür wird auf die Forschungsergebnisse Dirk Käslers[9] und Hennis´ verwiesen. Zur Einführung in die Problematik der Weberschen Fragestellung haben Volker Heins[10] und Gregor Fitzi[11] gedient.

Im Schlusskapitel werden die gewonnen Erkenntnisse erneut zusammengetragen und gegenübergestellt. Daraus leitet sich das Fazit ab, dass Weber zwar keine systematische Anthropologie verfasst hat und auch in seinen wissenschaftstheoretischen Ansätzen unsystematisch blieb, aber dennoch eine klare Linie in seiner methodologischen Argumentation aufweist, die letztlich die Frage nach der Entdeckung des Menschen aus dem Licht der Ökonomie beantwortet.

II. Die Entdeckung des Menschen
aus dem Licht der Ökonomie

1. Max Weber und die historische Schule der Nationalökonomie

1.1. Der Nationalstaat und die Volkswirtschaft

Max Weber sorgte vor seiner Habilitationsschrift „Die römische Agrargeschichte in ihrer Bedeutung für das Staats- und Privatrecht“ von 1893 durch seine Arbeit in der „Landarbeiterenquete“ für Aufsehen. Diese beschäftigte sich mit der Lage der Landarbeiter an der deutsch-polnischen Grenze. Die darin veröffentlichten Forschungsergebnisse und seine Arbeit in der „Börsenenquete“ begründeten seinen Ruf als Wissenschaftler und brachten ihm den Lehrstuhl für Nationalökonomie in Freiburg 1894 ein. Dort begegnete er der süddeutschen Schule des Neokantianismus[12] und stellte sich gegen die historische Schule in den Rechts- und Staatswissenschaften.[13]

Programmatisch für seine Abwendung von der methodologischen Herangehensweise der historischen Schule ist seine Freiburger Antrittsrede „Der Nationalstaat und die Volkswirtschaft“ zu sehen. Anhand des westpreußischen Grenzlandes konstruierte er ein idealtypisches Modell. Durch seine soziale Schichtung, die sich aus katholischen Polen und evangelischen Deutschen zusammensetzte, sowie seine geografischen Bedingungen, besaß die Gegend eine exponierte volkswirtschaftliche Stellung.[14] Weber nutzt diese Untersuchung, um seine Forderung nach einer wertfreien Analyse zu postulieren, indem er nach dem eigentlichen Erkenntnisinteresse der Nationalökonomie fragte: „Wie verhält sich aber die volkswirtschaftspolitische Betrachtung dazu? [...] Und welches ist dieser eigene Wertmaßstab der Volkswirtschaftspolitik?“[15] Er machte weiter deutlich, dass keine implizierten Werturteile, sondern eine Tatsachenforschung die Perzeption leiten sollte, in der eine Explikation der Wertmaßstäbe, die der Forschung vorausgingen, präzise artikuliert worden ist. Alle tatsächlich wirksamen Voraussetzungen und Auswahlprinzipien müssten dazu erwähnt werden. Letztlich bleibt jedoch der Leitgedanke, dass „[...] die Volkswirtschaftslehre, vor allem nach der Qualität der Menschen fragt, welche durch jene ökonomischen und sozialen Daseinsbedingungen herangezüchtet werden.[16]

Weber kennzeichnet die Nationalökonomie somit als eine Wissenschaft, in deren Zentrum die wertfreie Analyse steht und die voraussetzungslos an die zu untersuchende Materie herangeht. Auch sieht er diese nicht im Zusammenhang einer universalgeschichtlichen und apodiktischen Folge. Es ist der Idealtypus, der konstruiert und durch Implikation und Deduktion jeweils dem Forschungsinteresse angepasst wird. Denn entweder nimmt man die Volkswirtschaft als eine „Verwaltungsgeschichte großer deutscher Staaten [...], deren Verwaltung und Verhalten in ökonomischen und sozialen Dingen wir in seiner Genesis verfolgen “ oder, „wie aus dem Chaos ökonomischer Interessenkonflikte sich die Emanzipationskämpfe aufsteigender Klassen abheben.[17] Diese martialische Darstellung spiegelt die grundsätzliche Anschauung Webers wider. Sie zeigt sein Forschungsinteresse an einer genealogischen Analyse des in einem historischen Prozess Gewordenseins.[18]

1.2. Die anthropozentrische Wende

1.2.1. Webers Reflexion über Georg Friedrich Wilhelm Roscher

Zur Festigung seiner in der Antrittsvorlesung vorgestellten Wissenschaftsmethodologie setzte sich Weber kritisch mit den Begründern der historischen Schule auseinander. Grundlegend hierfür ist der Aufsatz „Roscher und Knies und die logischen Probleme der historischen Nationalökonomie“[19]. Darin machte er bei dem Nationalökonomen Roscher[20] zwei Arten der wissenschaftlichen Verarbeitung der Wirklichkeit aus. Einerseits eine „begriffliche Erfassung [...] unter Eliminierung der Zufälligkeiten “ und „andererseits schildernde Wiedergabe der Wirklichkeit in ihrer vollen Realität.“[21] Diese Dichotomie – Wissenschaft als ordnungsstiftendes Begriffsrepertoire allgemein gültiger Gesetze und als Möglichkeit zur Wirklichkeitsbeschreibung – zwingt sie zur Konstruktion sich nur der Wirklichkeit annähernder Begriffe. Für Weber ist es fraglich, inwiefern sich diese Methode auf empirische Wissenschaften übertragen lässt, deren Erkenntnis auf „oft zufälligen Momenten beruht[22] und sich somit der Wirklichkeitsverarbeitung nach Roscher widersetzt und dessen Definition unterminiert.[23]

[...]


[1] Friedrich Nietzsche, Der Nachlass der Jahre 1885 bis 1889, 1. Herbst 1885 bis Frühjahr 1886, in: Giorgio Colli / Mazzino Montinari (Hrsg.), Kritische Gesamtausgabe der Werke Nietzsches in 15 Bänden, Bd. 8, Berlin 1974, S. 58.

[2] Max Weber, Hinduismus und Buddhismus, in: Marianne Weber (Hrsg.), Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie II, Tübingen 1921, S. 182.

[3] Max Weber, Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik, Akademische Antrittsrede, Tübingen 1895, in: Johannes Winckelmann (Hrsg.), Gesammelte politische Schriften, zweite und erweiterte Auflage, Tübingen 1958, S. 1-25.

[4] Wilhelm Hennis, Max Webers Wissenschaft vom Menschen, Neue Studien zur Biografie des Werks, Tübingen 1996.

[5] Pietro Rossi, Vom Historismus zur historischen Sozialwissenschaft, Heidelberger Max Weber-Vorlesung 1985, Frankfurt am Main 1987.

[6] Gottfried Eisermann, Max Weber und die Nationalökonomie, Marburg 1993.

[7] Peter-Urich Merz, Max Weber und Heinrich Rickert, Die erkenntniskritischen Grundlagen der verstehenden Soziologie, Würzburg 1990.

[8] Max Weber, Der Sinn der "Wertfreiheit" der soziologischen und ökonomischen Wissenschaften, in: Logos. Internationale Zeitschrift für Philosophie der Kultur, Band VII (1917), S. 40-88.

[9] Dirk Käsler, Einführung in das Studium Max Webers, München 1979, S. 15.

[10] Volker Heins, Max Weber zur Einführung, dritte, vollständig überarbeitete Auflage, Hamburg 2004.

[11] Gregor Fitzi, Max Webers politisches Denken, Konstanz 2004.

[12] Im Zentrum der süddeutschen Schule des Neukantianismus stand die Frage, unter welchen subjektiven und formalen Bedingungen Geschichte zum Gegenstand der Erkenntnis werden kann. Hierfür wurde der Versuch von Johann Droysen, Wilhelm Dilthey und Rickert unternommen, der Geschichte eine eigene Form der Erkenntnisgewinnung zuzuschreiben. Vgl. Merz, Max Weber und Heinrich Rickert, S. 70-76.

[13] Rolf Hocevar/ Kurt Lenk, Max Weber, in: Horst Denzer / Hans Maier / Heinz Rausch (Hrsg.), Klassiker des politischen Denkens, zweiter Band, von Locke bis Max.Weber, zweite, durchgesehene und erweiterte Auflage, München 1974, S. 344-368.

[14] Weber, Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik, S. 1-25.

[15] Weber, Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik, S. 13.

[16] Weber, Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik, S. 13.

[17] Weber, Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik, S. 25.

[18] Vgl. Eisermann, Max Weber und die Nationalökonomie, S. 46-60.

[19] Max Weber, Roscher und Knies und die logischen Probleme der historischen Nationalökonomie, in: Johannes Winckelmann (Hrsg.), Gesammelten Aufsätze zur Wissenschaftslehre, dritte, erweiterte und verbesserte Auflage, Tübingen 1968, S. 146-214.

[20] Georg Friedrich Wilhelm Roscher war 1843 Professor für Nationalökonomie in Göttingen. Er gilt als Mitbegründer der älteren historischen Schule der deutschen Nationalökonomie. Seine Hauptwerk sind „Systeme der Volkswirtschaft“ in fünf Bänden von 1854-1894 und „Die Geschichte der Nationalökonomik in Deutschland“ von 1874. Vgl. Brockhaus´ Kleines Konversations-Lexikon, fünfte, vollständig neubearbeitete Auflage in zwei Bänden, Leipzig 1906, Bd. 2, S. 556.

[21] Weber, Roscher und Knies, S. 3.

[22] Weber, Roscher und Knies, S. 6.

[23] Eisermann, Max Weber und die Nationalökonomie, S. 56-58.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Max Weber - Die Entdeckung des Menschen aus dem Licht der Ökonomie
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn  (Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie)
Veranstaltung
„Max Webers politisches Denken“
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
19
Katalognummer
V80288
ISBN (eBook)
9783638875059
ISBN (Buch)
9783638875103
Dateigröße
502 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Weber, Entdeckung, Menschen, Licht, Webers, Denken“
Arbeit zitieren
Alexander Brehm (Autor:in), 2006, Max Weber - Die Entdeckung des Menschen aus dem Licht der Ökonomie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80288

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Max Weber - Die Entdeckung des Menschen aus dem Licht der Ökonomie



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden