Das Motiv der Langeweile bei Schnitzler


Term Paper, 2006

17 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. ,Langeweile’ als Begriff
2.1 Definition(en)
2.2 Die Entstehung des Wortes und dessen Gebrauch

3. Aspekte der ,Langeweile’ im Anatol
3.1 Aspekt der Passivität
3.2 Aspekt der wechselnden Beziehungen
3.3 Aspekt der Austauschbarkeit
3.4 Aspekt der verdrängten Vergangenheit
3.5 Aspekt der Unehrlichkeit

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

"Nichts ist so unerträglich für den Menschen, als sich in einer vollkommenen Ruhe zu befinden, ohne Leidenschaft, ohne Geschäfte, ohne Zerstreuung, ohne Beschäftigung. Er wird dann sein Nichts fühlen, seine Preisgegebenheit, seine Unzulänglichkeit, seine Abhängigkeit, seine Ohnmacht, seine Leere. Unaufhörlich wird aus dem Grund seiner Seele der Ennui aufsteigen, die Schwärze, die Traurigkeit, der Kummer, der Verzicht, die Verzweiflung"[1] – so definierte Blaise Pascal einmal das Wesen der Langeweile. Bereits dieses kürzere Zitat lässt erahnen, in welch vielfältiger Weise das Motiv der Langeweile in vielen Lebens- und Wissenschaftsbereichen seinen Platz gefunden hat.

In dieser Arbeit möchte ich das literarische Motiv der ,Langeweile' näher bestimmen. Dazu habe ich ein Werk Arthur Schnitzlers, das "Episodendrama"[2] "Anatol"[3], ausgewählt. Dieser Einakterzyklus erscheint mir im Zusammenhang mit der Untersuchung der ,Langeweile' als besonders interessant, da "[...] im Einakter aus der – meist nur noch rudimentären – Handlung so gut wie nichts mehr [folgt], vielmehr konzentriert sich in ihm alles auf die psychologische Analyse der vorgegebenen, im wesentlichen nicht mehr veränderbaren Situation"[4]. Diese vorgegebene Situation ist im "Anatol" wesentlich durch die ,Langeweile' geprägt, aus der der Protagonist Anatol – wie ich im Laufe meiner Arbeit zeigen werde – bis zuletzt keinen Ausweg findet, vielleicht sogar aus noch zu untersuchenden Gründen nicht finden kann.

Ich werde im Folgenden thematisch so vorgehen, dass ich zunächst in den Begriff ,Langeweile' mit Erläuterung der verschiedenen Definitionen und der Entstehung des Wortes und dessen Gebrauch einführe.

Daran anschließend untersuche ich im Hauptteil meiner Arbeit die im "Anatol" mit der ,Langeweile' verbundenen Symptome genauer und unterteile sie in folgende Aspekte:

1. Aspekt der Passivität
2. Aspekt der wechselnden Beziehungen
3. Aspekt der Austauschbarkeit
4. Aspekt der verdrängten Vergangenheit
5. Aspekt der Unehrlichkeit

Ich werde mich dabei ausführlich mit der Rolle der ,Langeweile' innerhalb dieser Aspekte beschäftigen und bedeutende Befunde immer wieder am Primärtext belegen. Um die psychologische Komponente der ,Langeweile' nicht zu vernachlässigen, werde ich auch psychologische Befunde zur ,Langeweile' mit einbeziehen.

Im Fazit meiner Arbeit werde ich die Ergebnisse meiner Arbeit zusammenstellen und dabei die wichtigsten Aspekte noch einmal hervorheben.

2. ,Langeweile’ als Begriff

2.1 Definition(en)

Langeweile ist ein "[...] als negativ erlebter Zustand, der durch Eintönigkeit, Interessenverlust und geringe Konzentration charakterisiert ist. [...] Langeweile wurzelt oft in einem Konflikt zwischen realen Möglichkeiten und Wünschen: Was der Gelangweilte haben kann, interessiert ihn nicht; was ihn interessiert, kann er nicht haben, oft weil er die kleinen Schritte entwertet, die schließlich zu dem begehrten Ziel führen können [...]"[5] – so wird ,Langeweile' zum Beispiel in einem der vielen Lexika definiert.

Wertet man mehrere Definitionen von ,Langeweile’ in Lexika und Handbüchern aus, so fällt schnell auf, dass daraus eine brauchbare, also verbindliche Definition, mit der der Begriff in der Vielzahl seiner Erscheinungen endgültig bestimmt werden könnte, nicht abgeleitet werden kann. Zu vielfältig sind die Spielarten der Langeweile und viel zu sehr hängen die Definitionen vom Kontext der jeweiligen Situation ab. Auf diese Art und Weise ist es folglich recht schwierig, sich der Bedeutung von ,Langeweile' zu nähern. Um dennoch die Bedeutung dieses Begriffs genauer erschließen zu können, untersuche ich im nächsten Abschnitt dessen Entstehung und der Entwicklung seines Gebrauchs.

2.2 Die Entstehung des Wortes und dessen Gebrauch

Der Begriff ,Langeweile’ wird erstmals im Jahre 1537 in einem deutsch-lateinischen Wörterbuch verzeichnet: Langweil vertreiben/ Tempus fallere, Tempus fallere/ die lang weil vertreiben.[6] Bis Ende des 18. Jahrhunderts tragen ,lange Weile’ und ,Langeweile’ dieselbe Bedeutung, da nicht zwischen Getrennt- und Zusammenschreibung unterschieden wird. In dieser Zeitspanne wird ,Lang(e)weile’ primär temporal definiert, als ,lange Zeit’, also „[…] im Sinne von schlicht lang werdender Zeit, mit Kurzweil als dem wichtigsten Gegenbegriff vom 14. bis zum 18. Jahrhundert"[7]. Denn die Stimmung der langen Weile/ Langeweile kann mit ,Kurzweil’, also mit Singen, Spielen, Spazierengehen usw., vertrieben werden. Andererseits „[…] erscheint Langweil als unmittelbare Folge des Nichtstuns, und entsprechend wird Arbeit als Gegenmittel gegen die Langweil empfohlen.“[8] Es gibt in dieser Zeit vor allem zwei Arten von ,Langeweile': Die Langeweile, die aus dem Nichtstun resultiert, und die Langweile, die auf fehlende Unterhaltung zurückzuführen ist. Beide „[…] verbinden sich in der der Melancholey nahe stehenden Lang(e)weil(e) […]“.[9] Mit der Epoche der Aufklärung beginnt sich der ,Langeweile'-Begriff zu verändern. Das gegensätzliche Begriffspaar ,Kurzweile' – ,Langeweile' löst sich auf und der Begriff nimmt ein vielfältigeres Bedeutungsfeld ein. ,Langeweile' wird nicht mehr als eine aus dem Nichtstun oder aus der fehlenden Unterhaltung resultierende Gemütsstimmung empfunden. Im 18. Jahrhundert ist die ,Kurzweile' nicht mehr der positive Gegensatz zur ,Langeweile', sondern genügt nicht mehr, um Langeweile zu vermeiden. Die ,Kurzweile' entwickelt sich sogar zu einer wesentlichen Ursache der ,Langeweile', die eine „[…] Langeweile des Überdrusses, der Ersättigung und Üppigkeit […]“[10] ist. Die neuen Gegenbegriffe lauten nun Reiz, Interesse und Abwechslung. Das Gegensatzpaar ,Langeweile' – Tätigkeit hat weiterhin Bestand. Tätigkeit wird zur Zeit der Aufklärung vor allem als geistige Tätigkeit sehr geschätzt und ist eine Möglichkeit, den Zustand der ,Langeweile' zu vertreiben. Die ,Langeweile' kann ab dem 18. Jahrhundert auch den Mangel an Interesse bedeuten. Eine wichtige Veränderung ist zudem, dass die ,Langeweile' subjektiviert wird. Nicht mehr die Umgebung des Menschen, sondern seine individuelle Reaktion auf seine Umgebung moduliert ,Langeweile'.[11] Damit sind vor allem die Begriffe „[…] Verdruß, Ekel, Überdruß, […], Missvergnügen, Unmut, Übellaunigkeit, Unwille, Widerwille, Ärgernis […]“[12] verbunden. Langeweile ist einerseits das Erleben von nicht sinnvoll genutzter Zeit, zugleich gibt es seit dieser Zeit auch „[…] die Langeweile der Liebessehnsucht […]“[13]. Alle genannten Bedeutungsaspekte, die sich im 18. Jahrhundert herausbildeten, sind bis heute mit dem Begriff der Langeweile verbunden. Es ist also festzustellen, dass die im 18. Jahrhundert herausgebildete Semantik der Langeweile bis heute in dieser Form gültig ist.

[...]


[1] Zitat von Blaise Pascal, gefunden am 6.6.2006 bei www.wikipedia.org/wiki/Langeweile#Langeweile_in_Literatur_und_Philosophie

[2] So bezeichnet bei Selling, Gunter: Die Einakterzyklen Schnitzlers, S. 139.

[3] Schnitzler, Arthur: Anatol. Anatols Größenwahn. Der grüne Kakadu. Stuttgart 2002. S. 5 – 88.

[4] Scheible, Hartmut: Liebe und Liberalismus, S. 132.

[5] Der Brockhaus. Psychologie. Fühlen, Denken und Verhalten verstehen. Artikel "Langeweile", S. 330.

[6] Vgl. Völker, Ludwig: Langeweile, S. 28.

[7] Kessel, Martina: Langeweile, S. 19.

[8] Völker, Ludwig: Langeweile, S. 86.

[9] Ebd., S. 87.

[10] Ebd., S. 88.

[11] Ebd., S. 89.

[12] Ebd., S. 89.

[13] Ebd., S. 89.

Excerpt out of 17 pages

Details

Title
Das Motiv der Langeweile bei Schnitzler
College
University of Bonn
Grade
1,3
Author
Year
2006
Pages
17
Catalog Number
V80364
ISBN (eBook)
9783638897891
File size
378 KB
Language
German
Keywords
Motiv, Langeweile, Schnitzler
Quote paper
Britta Krümpelmann (Author), 2006, Das Motiv der Langeweile bei Schnitzler, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80364

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