„[...] so muß man sie erwurgen wye dye hunde.“? Über das Obrigkeitsverständnis und –verhältnis Thomas Müntzers


Seminararbeit, 2007

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Müntzers geistige Wurzeln

3. Entwicklungslinien der Beziehung Müntzers zur weltlichen Obrigkeit
3.1. Bis zu Müntzers Wirken in Allstedt
3.2. Von Allstedt bis zum Thüringer Bauernaufstand
3.3. Vom Thüringer Bauernaufstand bis zum Tod Müntzers

4. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In der Rückschau betrachtet mag das dem Titel dieser Arbeit vorangestellte Zitat[1] Thomas Müntzers, in welchem derselbe sich unmissverständlich auf Vertreter der weltlichen Obrigkeit bezieht, dem mit der Geschichte des Harzer Theologen oberflächlich Vertrauten als eine Grundkonstante des Müntzerschen Denkens erscheinen: Die radikale Ablehnung jeder bisherigen Form der Herrschaftsausübung, die kenn-zeichnend für die letzte, gewaltsam-revolutionäre Lebensphase Müntzers ist, sowie die sich hartnäckig haltenden tradierten Müntzerbilder verleiten nur allzu schnell zu der Annahme, das Obrigkeitsverständnis und –verhältnis des Reformators sei von vornherein ein deutlich ablehnendes gewesen.

Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es nun, die Beziehung Thomas Müntzers zur weltlichen Obrigkeit in ihrer theoretischen wie praktischen Komponente näher zu beleuchten und herauszuarbeiten, ob sie von Anfang an eher statisch negativ und damit entwicklungsarm gewesen ist, oder aber dynamischen Veränderungen unterworfen war. Die Erarbeitung des Gegenstandes wird in den folgenden Schritten durchgeführt:

Zunächst erhält eine auf zentrale Aspekte begrenzte Darstellung der geistigen Wurzeln Müntzers Raum, verbunden mit der Frage, ob ihnen bereits negative Obrigkeits-vorstellungen, die ja markant für das Denken und Handeln des späten Müntzer sind, zu Grunde liegen. Hierauf folgt ein sich auf die wesentlichen Züge beschränkender Überblick über die theoretische und praktische Relation des Theologen zu den weltlichen Potentaten im Laufe seiner historisch bedeutsamen Lebensabschnitte.

Eine Zusammenfassung der Ergebnisse erfolgt im Fazit.

Auf Grund des knapp bemessenen Umfangs der Arbeit verzichtet der Verfasser in der Darstellung zugunsten ausgewählter und repräsentativer Quellenbeispiele auf die umfangreiche Analyse und Interpretation von Primärtexten. Ebenso sei betont, dass sich die Fragestellung der Arbeit lediglich auf die weltlichen, nicht aber auf geistliche Autoritäten bezieht, deren Bewertung durch Müntzer eine eindeutige ist.

Die naturgemäß in der Hauptsache deutschsprachige Literatur zum Thema „Thomas Müntzer“ ist vielfältig[2] und deckt die wesentlichen Aspekte zu Leben und Werk des Mannes aus Stolberg ab. Kennzeichnend für die Müntzerforschung ist das letztlich fruchtbare jahrelange Neben- und zu einem Großteil Gegeneinander des ostdeutsch-marxistischen und westdeutsch-kirchengeschichtlichen Lagers. Während ersteres Müntzer zu einem Vorreiter der sog. „frühbürgerlichen Revolution“ stilisierte und ihn so für die eigene Ideologie vereinnahmte, sah letzteres in ihm, gerade im Gegensatz zum verehrten Luther, zumeist einen fehlgeleiteten, schwärmerischen Theologen ohne sozialrevolutionäre Ambitionen. Seit den 70er Jahren kam es zu einer Annäherung der Positionen: Auf marxistischer Seite würdigte man zunehmend Müntzers Eigenschaft als Theologe, auf westdeutscher Seite gerieten die revolutionären Aspekte seines Denkens und Handelns stärker ins Blickfeld.[3] Heutzutage gilt es weitgehend als wissenschaftlicher Konsens, in Thomas Müntzer sowohl einen Theologen als auch einen Revolutionär zu sehen.

2. Müntzers geistige Wurzeln

Das Fundament, auf welchem Thomas Müntzers theologisches Denken beruht, setzt sich im Wesentlichen aus Elementen der drei geistigen Strömungen Antiklerikalismus, Apokalyptik und Mystik zusammen.

Ersteres Phänomen war am Ende des Spätmittelalters allgegenwärtig, sei es auf Grund tatsächlich oder aber vermeintlich zunehmender Verfehlungen verschiedenster Art seitens der Vertreter des Klerus. Theologen wie Martin Luther warfen der alten Kirche vor, sie hätte sich u. a. durch Einrichtungen wie den Ablasshandel von ihrer biblischen Grundlage allzu weit entfernt und sei nur noch ein Zerrbild bzw. sogar das Gegenteil dessen, was sie von ihrem Ursprung her sein sollte. Auch der hochgebildete Geistliche Thomas Müntzer teilte diese Kritik und begann, leidenschaftlich wie polemisch im Lager Luthers gegen Kirche und Klerus zu agitieren. Dies ist erstmalig für das Jahr 1519 bezeugt: Der Jüterboger Franziskaner Bernhard Dappen äußert in einem Brief an seinen Bischof Besorgnis über die sich in der Stadt verbreitende „[...] Lehre und [...] Predigten des Doktor Martinus und anderer Prediger der Sekte desselben Doktors [...].“[4] Zu letzteren zählt er Thomas Müntzer.[5] Lassen sich nun aus Müntzers antiklerikalistischem Denken und Handeln bzw. seiner anfänglichen Zugehörigkeit zur Anhängerschaft Luthers Rückschlüsse auf seine Einstellung zur weltlichen Obrigkeit ziehen? In diesem Zusammenhang sind zwei Feststellungen für die Überlegung maßgeblich:

Was Luther und Müntzer im Jahre 1519, also einer sehr frühen Phase der Reformation, verband, war einzig der ohnehin weit verbreitete Antiklerikalismus, was anhand des späteren, auf massive theologische Differenzen zurück-zuführenden Bruchs der beiden Reformatoren offenbar wird. Von daher ist es haltlos, Müntzer für seine Frühzeit eine Loyalität zur weltlichen Obrigkeit zu unterstellen, wie sie in den folgenden Jahren signifikant für Luthers Wirken werden sollte.

Die Tatsache wiederum, dass der (zumindest später) obrigkeitsfreundliche Luther und der zukünftige Fürstenfeind Müntzer für einige Zeit durch das Band der Kirchen- und Kleruskritik verbunden waren, macht deutlich, dass der Antiklerikalismus Müntzer nicht zwangsläufig gegen die weltlichen Machthaber aufbringen musste.

Es ist also festzuhalten, dass Thomas Müntzers spätere radikale Ablehnung überkommener Herrschaftsverhältnisse wahrscheinlich nicht in seiner oppositionellen Haltung zur alten Kirche und ihren Vertretern angelegt war, wenngleich es sicherlich richtig ist, mit Hans-Jürgen Goertz zu sagen, die Kritik am teilweise auch weltliche Macht ausübenden Klerus konnte „in der spannungsvollen antiklerikalen Situation [...] auch einen sozialen Sinn entfalten.“[6]

Eine weitere geistige Strömung, in welche Müntzer gleichsam hineingeboren wurde, war die Apokalyptik[7]: Zwar wähnte sich die Christenheit seit den Tagen Jesu von Nazareth in unmittelbarer Nähe des in der Bibel angekündigten Weltendes, jedoch steigerte sich dieses Bewusstsein im späten Mittelalter bzw. dem Vorfeld der Reformation, da gerade die Verfallserscheinungen der alten Kirche vielfach als offenkundige Merkmale der Endzeit interpretiert wurden. Auch Thomas Müntzer konnte sich diesem Gedankengut nicht entziehen. Erste klare der Apokalyptik zuzuordnende Aussagen sind seiner ersten umfangreichen programmatischen Schrift, dem sog. „Prager Manifest“ von 1521, zu entnehmen. Hierin kennzeichnet Müntzer die eigene Gegenwart als „[...] unser zceit, in welcher Got will absundern den weussen von unkrauth [...].“[8] Dieses im Christentum geläufige und, für sich betrachtet, obrigkeitsunkritische endzeitliche Bild vermittelt die Vorstellung einer finalen Auslese, im Zuge derer Gott die Frommen und die Gottlosen voneinander sondert, um einen jeden von ihnen die Konsequenzen seines bisherigen Lebenswandels tragen zu lassen. Es steht außer Frage, dass Müntzer in der letzten Phase seines Lebens die weltlichen Machthaber mit dem obengenannten „unkrauth“ gleichsetzte, jedoch fehlen die Indizien, solches bereits für die Entstehungszeit des Manifests oder gar die nur lückenhaft erforschte Zeit davor zu postulieren. Noch richtete sich die Agitation des Theologen aus Stolberg vornehmlich gegen den altkirchlichen Klerus.

[...]


[1] Müntzer in einem Brief an den Schösser Hans Zeiß vom 22. Juli 1524, entnommen aus: Thomas Müntzer. Schriften und Briefe. Kritische Gesamtausgabe, hg. von Günther Franz, Gütersloh 1968, S. 417, Z. 13 (fortan: MSB).

[2] Der Großteil der Literatur zur Müntzerforschung stammt aus den 70er und 80er Jahren, maßgeblich motiviert durch die Jubiläumsjahre 1975 (450. Jahrestag des Bauernkriegsendes) und 1989 (500. Geburtstag Thomas Müntzers).

[3] Ein ausführlicher Überblick über die Müntzerforschung bis zum Jahre 1990 ist zu finden bei Lohse, Bernhard: Thomas Müntzer in neuer Sicht. Müntzer im Licht der neueren Forschung und die Frage nach dem Ansatz seiner Theologie; vorgelegt in der Sitzung vom 24. November 1989, Göttingen 1991 (= Berichte aus den Sitzungen der Joachim-Jungius-Gesellschaft der Wissenschaften e.V., Hamburg; 9,2), S. 13-80.

[4] Der Lutheraner Müntzer. Erster Bericht über sein Auftreten in Jüterbog. Verfaßt von Franziskanern anno 1519, hg. von Gerhard Brendler, Berlin 1989, S. 34.

[5] Vgl. ebd.

[6] Goertz, Hans-Jürgen: Thomas Müntzer. Mystiker. Apokalyptiker. Revolutionär, Frankfurt a. M. 1989, S. 77f.

[7] Ausführlich zur Rolle der Apokalyptik in Müntzers Denken vgl. Quilisch, Tobias: Das Widerstands-recht und die Idee des religiösen Bundes bei Thomas Müntzer. Ein Beitrag zur politischen Theologie, Berlin 1999 (= Beiträge zur politischen Wissenschaft; 113), S. 115-126.

[8] MSB, S. 504, Z. 14f.

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Details

Titel
„[...] so muß man sie erwurgen wye dye hunde.“? Über das Obrigkeitsverständnis und –verhältnis Thomas Müntzers
Hochschule
Universität Potsdam
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
17
Katalognummer
V80576
ISBN (eBook)
9783638897914
ISBN (Buch)
9783638904247
Dateigröße
446 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Obrigkeitsverständnis, Thomas, Müntzers, Bauernkrieg
Arbeit zitieren
Sören Schlueter (Autor:in), 2007, „[...] so muß man sie erwurgen wye dye hunde.“? Über das Obrigkeitsverständnis und –verhältnis Thomas Müntzers, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80576

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