Die Arbeit versucht zunächst, Parteienmarketing theoretisch zu umreißen und identifiziert bestehende Möglichkeiten und Grenzen von Parteienmarketing. Zusätzlich wird das Marketing der Volksparteien in Deutschland und der Schweiz verglichen. Dabei werden insbesondere im Konzept des Customer Relationship Marketing große Potenziale für die Parteiarbeit entdeckt. Die Informationen stammen aus Experteninterviews aus Beratung und Politik, unter anderem mit Rudolf Scharping.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung und theoretische Vorbemerkungen
1.1. Marketing aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive
1.2. Theoretische Bezugspunkte aus der Politikwissenschaft
2. Parteienmarketing als Disziplin
2.1. Entwicklung
2.2. Forschungsstand
2.3. Möglichkeiten und Grenzen von Parteienmarketing
2.4. Ein Resümee: Systematisierungsversuch
3. Die Empirie: Möglichkeiten und Grenzen von Parteienmarketing in Deutschland und der Schweiz
3.1. Grenzen von Parteienmarketing
3.1.1. Grenzen von Parteienmarketing in Deutschland
3.1.2. Grenzen von Parteienmarketing in der Schweiz
3.2. Möglichkeiten von Parteienmarketing
3.2.1. Möglichkeiten von Parteienmarketing in Deutschland
3.2.2. Möglichkeiten von Parteienmarketing in der Schweiz
3.2.3. Citizen Relationship Marketing: „Anleihen“ aus der BWL?
3.3. Ein Resümee: Ähnlichkeiten und Unterschiede
4. Das Fazit
Anhang
1- Darstellung: Der politische Markt
2- Darstellung: Kausaltrichter der Wahlforschung
3- Tab.: Gesellschaftliche Rahmenbedingungen
4- Tab.: Volksparteien in Deutschland
5- Tab.: Volksparteien in der Schweiz
6- Interview-Leitfaden (Beispiel)
7- Transkriptionsregeln in Anlehnung an GAT
Literaturverzeichnis
Quellenverzeichnis
Darstellungsverzeichnis
Darst. 1: Gegensatzpaar Transaktions- und Relationship-Marketing
Darst. 2: Transaktions- und Relationship-Marketing in der Politik (hypothetische Darstellung)
Darst. 3: Marketing und Parteienmarketing: Versuch einer Abgrenzung
Darst. 4: Austauschbeziehung im politischen Marketing
Darst. 5: Marketingrelevante Charakteristika nach Parteientypen
Darst. 6: Entwicklungsstufen des Politikmarketings
Darst. 7: Zustandekommen der Wahlentscheidung
Darst. 8: Möglichkeiten und Grenzen von Parteienmarketing: Theorie
Darst. 9: Möglichkeiten und Grenzen von Parteienmarketing: Soziologie
Darst. 10: Möglichkeiten und Grenzen von Parteienmarketing: Empirie
Darst. 11: Möglichkeiten und Grenzen von Parteienmarketing: System
Darst. 12: Möglichkeiten und Grenzen von Parteienmarketing: Marketing
Darst. 13: Systematisierung von Möglichkeiten und Grenzen von PM i.w.S
Darst. 14: Wählertypen in Deutschland
Darst. 15: Finanzierung der deutschen Volksparteien
Darst. 16: Wählertypen in Deutschland und der Schweiz
Darst. 17: Finanzierung der schweizerischen Volksparteien
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
„Wir sind doch keine Seifenfabrik: Wenn den Leuten die eine Seife nicht gefällt, stellen wir nicht eine andere her.“
Roland Koch (CDU)
1. Einleitung und theoretische Vorbemerkungen
Mit obigem Zitat begegnete Roland Koch 2005 Forderungen, die Politik deutlicher an den Bürgern auszurichten. Jedoch gibt es nicht nur Diskussionen um die Anpassung an die Bürgerwünsche. Besonders in Wahlkampfzeiten scheinen sich die politischen Parteien im Kampf um die Gunst der Wähler verschiedener Mittel zu bedienen, um sie zu überzeugen, das Kreuz an der „richtigen“ Stelle zu setzen. Nicht anders sieht es bei den einzelnen Politikern aus: wenn Gerhard Schröder im Jahr 2002 in Gummistiefeln und Regenjacke des Bundesgrenzschutzes aktive Hilfe bei der Elbe-Flut leistet, oder wenn Sigmar Gabriel die Patenschaft für das Eisbären-Baby Knut übernimmt, dann sind das alles Versuche, Erfolg als Politiker zu haben. Und das heißt für diese über kurz oder lang: Stimmenmaximierung bei der kommenden Wahl.
Während dem Forschungsbereich des Political Marketing in den USA bereits seit längerer Zeit beträchtliche Beachtung geschenkt wird, stellt diese Thematik im deutschsprachigen Raum noch eine recht junge Unterdisziplin von Wirtschaftswissenschaft und Politikwissenschaft dar. Trotzdem reicht die Relevanz dieser Thematik weit über den Expertenkreis von Wahlkampfmanagern, Berufspolitikern oder Parteichefs hinaus. So dürfte dieses Thema zum Beispiel auch Journalisten interessieren, kommt diesen in der täglichen Politik doch eine besondere Rolle zu. Auch für jeden einzelnen Staatsbürger einer Demokratie sollte es jedoch von Interesse sein, ob und wie er beeinflusst wird und ob bzw. wie man als Bürger die Politik vielleicht sogar selbst beeinflussen kann.
In der Wirtschaft konnte sich der Marketing-Ansatz als marktorientierte Unternehmensführung in den letzten Dekaden durchsetzen. Wieso also nicht ein solches markterprobtes Erfolgsrezept einfach in den Bereich der Politik übernehmen? In Zeiten von Politikverdrossenheit und einer sinkenden Wahlbeteiligung gewinnt diese Frage immer mehr an Bedeutung. Politiker sind gezwungen, nach Auswegen aus einer zuschnappenden Modernisierungsfalle zu suchen, die sich aus dem sozialen Wandel heraus entwickelt: so sinkt der Anteil der Stammwähler in westlichen Demokratien zunehmend, während es immer mehr Partei-ungebundene Wähler gibt (Wiesendahl 1992). Außerdem verlieren alte Konfliktlinien, an deren Grenzen entlang sich die Parteien einst gebildet hatten, immer mehr an Bedeutung. Gleichzeitig sinken die Parteipräferenz und die Parteienbindung (Vowe/Wolling 2000: 66). Der mündige Bürger wird also scheinbar unabhängiger in seiner Entscheidung, welche bei steigender Bedeutung der Massenmedien (Karp 2004: 7) immer weniger durch Faktoren wie Klassenzugehörigkeit, Religion oder Ideologie beeinflusst wird (Scammell 1999: 726). Doch kann man ein Konzept aus der Wirtschaft ohne weiteres übertragen? Und kann ein solches echte Lösungsansätze bieten? Gibt es in einem politischen System doch völlig andere Rahmenbedingungen als in der Marktwirtschaft. Wo also liegen hier die systembedingten Grenzen der Übertragbarkeit des Konzeptes, und was bedeutet Parteienmarketing eigentlich für die Akteure selbst? Welche Möglichkeiten bietet ein solches Konzept den Akteuren auf dem politischen Markt? Außerdem könnte interessant sein, welche Unterschiede sich bei dem Parteienmarketing zwischen kompetitiven (Deutschland) und weniger kompetitiven Parteiensystemen (Schweiz) feststellen lassen. Lassen sich neueste Erkenntnisse der Marketingforschung vielleicht von Parteien nutzen? Theoretisch stellt sich dabei die Frage, ob Parteienmarketing (im Folgenden: PM) zu einer schlechteren oder zu einer besseren Politik führen kann.
Um diesen Fragen nachgehen zu können, muss zunächst ein theoretischer Rahmen gegeben werden. Hierbei werden zunächst das Marketing-Konzept sowie verschiedene Marketing-Theorien aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive vorgestellt, um gegebenenfalls Vorurteile auszuräumen und Verständnis für den Begriff Marketing zu schaffen (Kap. 1.1.). Anschließend sollen die relevanten theoretischen Aspekte der Politikwissenschaft skizziert werden (Kap. 1.2.). Dies soll eine Basis bieten, um im Folgenden auf das eigentliche Parteienmarketing einzugehen (Kap. 2.). Um diesen in der Politikwissenschaft noch relativ jungen Begriff zu umreißen, wird dabei zunächst versucht, ihn von anderen, oft synonym gebrauchten, Begriffen abzugrenzen und zu definieren. Da es im Diskurs zwar eine Vielzahl verwandter Begriffe gibt, jedoch noch keine Einigkeit darüber besteht, was PM überhaupt ist (Seidel 2005), erscheint diese Annäherung an diesen Begriff angemessen. Danach wird kurz die zeitgeschichtliche Entwicklung des Marketings von Parteien aufgezeigt (Kap. 2.1.). In Kapitel 2 soll also versucht werden, das noch relativ amorphe und komplexe Paradigma des Parteienmarketings zu beschreiben. Hierbei ist es das vorrangige Ziel, eine Art Grundkonsens für die in der Literatur befindlichen Ansätze von Parteienmarketing zu finden. Anschließend sollen dann die wichtigsten Möglichkeiten und Grenzen von Parteienmarketing gefunden und hervorgehoben werden, welche in der Literatur eine bedeutende Rolle spielen (Kap. 2.3.). Das zweite Kapitel schließt mit einem kurzen Resümee. In diesem sollen auf Grundlage der Theorie Kriterien für den folgenden empirischen Teil der Arbeit aufgestellt werden.
Im empirischen Teil soll das Marketing von Volksparteien in Deutschland und der Schweiz dargestellt werden. Nicht zuletzt die viel diskutierte Amerikanisierungsthese[1] lässt dabei die Frage aufkommen, wie weit Parteienmarketing in der alltäglichen Parteipolitik (bewusst oder unbewusst) in den beiden Nationen bereits implementiert ist. Hierzu müssen zunächst die Unterschiede der Rahmenbedingungen herausgearbeitet werden. In Kapitel 3 werden also die Marketing-Strategien der Volksparteien in Deutschland und der Schweiz dargestellt.[2] Die relevanten Informationen hierzu sollen nicht nur aus der einschlägigen Literatur sondern vornehmlich aus Gesprächen mit wichtigen Akteuren stammen. Hierbei soll auch untersucht werden, ob der Einsatz aktueller Marketing-Ansätze, die sich im theoretischen Teil der Arbeit als potenziell interessant erwiesen haben und in der einschlägigen Literatur bisher wenig Berücksichtigung fanden, in der politischen Praxis tatsächlich sinnvoll eingesetzt werden können.
Aus den bisherigen Bemerkungen ergeben sich folgende Ziele für diese Arbeit: Die Darstellung des Begriffs PM in Theorie und Empirie (aus Sicht der Akteure), das Aufzeigen von Möglichkeiten und von Grenzen des PM, und die Untersuchung von Möglichkeiten und Grenzen (beispielhaft) von PM in tendenziell kompetitiven und nicht-kompetitiven politischen Systemen (Deutschland/Schweiz) im Vergleich und die Identifikation von Potentialen für die Parteiarbeit;
Dieses Thema ist sehr komplex und amorph, was eine schrittweise Eingrenzung im Verlauf der Arbeit notwendig macht. Wesentliche Bereiche wie zum Beispiel das Wählerverhalten, demokratietheoretische Aspekte oder Parteienmarketing aus Sicht der Wähler und der Parteibasis werden zwar behandelt, jedoch kann aus Platzgründen auf diese nicht mit der ihnen gebührenden Ausführlichkeit eingegangen werden. Außerdem wird sich im empirischen Teil der Arbeit auf die Bundesebene konzentriert. Das PM auf Landes- oder Kommunalebene mit seinen Interdependenzen zum PM auf Bundesebene soll dabei jedoch am Rande behandelt werden. Auch findet nur das Marketing der Volksparteien Berücksichtigung, welche noch genauer definiert werden sollen. Hierbei ist von besonderem Interesse, ob diese Parteien Marketing-Strategien besonders gut verfolgen können,[3] oder ob es vielleicht einen Zielkonflikt zwischen dem Paradigma der „Partei für alle“ und einer marketinggemäßen zielgruppenspezifischen Ansprache der potentiellen Wähler gibt. Obwohl auch das Marketing kleinerer Parteien interessant und relevant ist, bleibt dieses jier aus Platzgründen unberücksichtigt, um besser auf landesspezifische Unterschiede eingehen zu können.
Im folgenden Kapitel wird zunächst ein kurzer Überblick über für diese Arbeit relevante Teildisziplinen des Bereiches Marketing gegeben. Dies ist jedoch fundamental wichtig für das Verständnis der Thematik, nicht zuletzt um dem (auch in der Politikwissenschaft (Scammell 1999: 719)) oft zitierten Vorurteil entgegenzutreten, bei Marketing handele es sich lediglich um Werbung oder Propaganda, welche im Zusammenhang mit Politik als „unethische Form der Beeinflussung“ (Seidel 2005: 49) gelte und eine Gefahr für den demokratischen Entscheidungsprozess darstelle. Viel wichtiger als die tiefgehende Behandlung der betriebswirtschaftlichen Teilkonzepte ist jedoch das zeitgemäße Verständnis des Wesens vom Marketing als „marktorientierte Unternehmensführung“ (Meffert 2000: 8).[4]
1.1. Marketing aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive
Marketing (aus dem Englischen „marketing“: auf den Markt bringen, Vermarktung) kann als eine zentrale Funktion der Betriebswirtschaftslehre eingestuft werden. Es bietet Unternehmen und anderen Organisationen einen systematischen Ansatz, um Entscheidungen markt- und kundenorientiert treffen zu können. So lässt sich Marketing als Arbeitsbegriff als „bewußt marktorientierte Führung des gesamten Unternehmens oder marktorientiertes Entscheidungsverhalten in der Unternehmung“ (Meffert 2000: 8) definieren. Marketing bedeutet also „die Planung, Koordination und Kontrolle aller auf die aktuellen und potentiellen Märkte ausgerichteten Unternehmensaktivitäten. Durch eine dauerhafte Befriedigung der Kundenbedürfnisse sollen die Unternehmensziele verwirklicht werden.“ (Meffert 2000: 8). Die Denkweise des marktorientierten Entscheiders lässt sich durch drei von Meffert ausgearbeitete Leitprinzipien verdeutlichen (Meffert 2000: 4):
- „Die konsequente Ausrichtung aller Entscheidungen an den Erfordernissen und Bedürfnissen der Abnehmer beziehungsweise Käufer (Marketing als Maxime).“
- „Der koordinierte Einsatz marktbeeinflussender Instrumente zur Schaffung dauerhafter Präferenzen und Wettbewerbsvorteile (Marketing als Mittel).“
- „Die systematische, moderne Techniken nutzende Entscheidungsfindung (Marketing als Methode).“
Scammell bezeichnet das Marketing Konzept als Schlüssel zum Verständnis von politischem Marketing. Ohne dieses Verständnis behalte PM den Charakter von Propaganda (Scammell 1999: 726).
Bezüglich des Themas dieser Arbeit soll an dieser Stelle auch die „moderne, generische und zugleich weiteste Interpretation“ (Meffert 2000: 9) des Marketings vorgestellt werden. So bezieht Meffert (2000: 9) das Marketing „auf jegliche Form des Austausches zwischen zwei Kontrahenten, bei dem beide Parteien ihre Bedürfnisse befriedigen möchten.“ Diese Interpretation lässt neben der Vermarktung von Produkten, Ideen und Diensten auch Austauschprozesse (Transaktionen) zwischen nicht-kommerziellen Organisationen zu. So definieren Hasitschka und Hruschka (1982: 10) in Anlehnung an Kotler und Levy (1969) Marketing als „zielfunktionales, plandeterminiertes Herbeiführen von Tauschrelationen“ und öffneten das Marketing theoretisch auch nicht-betriebswirtschaftlichen Bereichen.
Im Marketing haben sich drei theoretische Denkrichtungen entwickelt, welche im Verlauf der Arbeit als Schablone für das Marketing-Verständnis von Akteuren dienen werden. Während die Produktorientierung in einer überzeugenden Argumentation für das bereits vorhandene Produkt besteht, konzentriert sich die Verkaufsorientierung auf den Einsatz von Kommunikationsstrategien und Verkaufstechniken. Schwerpunkt der marktorientierten Sichtweise ist hingegen die Ausrichtung und Anpassung des Produktes entsprechend den Bedürfnissen der Konsumenten (Karp 2004: 9). Auch wenn in der Betriebswirtschaft heute weitgehend Einigkeit darüber besteht, dass die marktorientierte Sichtweise dominiert, müssen sich diese drei Orientierungen keinesfalls gegenseitig ausschließen. Sie legen jedoch unterschiedliche Schwerpunkte.
Diese hier aufgeführten unterschiedlichen Orientierungen und Leitlinien entwickelten sich in Anbetracht sich verändernder Märkte. Marketing wurde in den 50er Jahren noch primär als Distributionsfunktion betrachtet, da ein so genannter Verkäufermarkt[5] vorherrschte, in welchem die produzierten Waren lediglich zu dem Kunden gebracht werden mussten. In den 60ern rückte vor dem Hintergrund einer deutlicheren Käufermarktsituation[6] der Verbraucher in den Mittelpunkt des Interesses. Zu Beginn dieser Zeit wurde Marketing noch vorwiegend als „operative Beeinflussungstechnik“ (Meffert 2000: 7) verstanden, was sich mit der Entwicklung des Marketing-Mix als Instrumentarium von Unternehmen relativierte. Dieser erweiterte das bestehende Marketing (Marketing als „Werbung“ und „Verkauf“) um ein umfassenderes Verständnis der Marketingaktivitäten, was in den so genannten 4 Ps systematisiert wurde: Produktpolitik (Product), Preispolitik (Price), Kommunikationspolitik (Promotion) und Distributionspolitik (Place). Diese Marketinginstrumente sind die Stellhebel, durch welche die Unternehmensführung versuchen kann, im Rahmen einer Gesamtstrategie den Markt zu beeinflussen und sich dem Markt anzupassen. Bis heute haben sie ihre Bedeutung im operativen Marketing-Management und bei der Umsetzung der Marketingstrategien behalten, auch wenn es verschiedene Ansätze zur Ergänzung gab (Homburg/Krohmer 2003: 8). In den Siebzigern etablierte sich Marketing als Führungsfunktion (Meffert 2000: 5), bei der die Marketingorientierung des gesamten Unternehmens und somit auch aller Mitarbeiter in den Fokus rückte.
Nun sollen insbesondere jene Entwicklungen im Marketing aufgezeigt werden, welche für den Forschungsgegenstand und somit den weiteren Verlauf dieser Arbeit von besonderem Interesse sind. Dabei spielen zunächst die Eigenheiten von Dienstleistungsmarketing eine Rolle, da ein Vergleich zwischen diesem Sektor der Wirtschaft und der Politik naheliegt. Anschließend wird die Entwicklung vom Transaktions- zum Relationship-Marketing dargestellt, um abschließend kurz die aktuellen (und oft interdependenten) Trends zu skizzieren.
Das Dienstleistungsmarketing setzt andere Schwerpunkte als beispielsweise das Marketing für Konsumgüter. So wird hier der „Consumer“ eher als „Prosumer“ betrachtet, er ist also eine Mischung aus Produzent und Konsument. Dies bedeutet, dass eine „Integration des externen Faktors“ (= Integration des Kunden in den Leistungserbringungsprozess) stattfindet (Wimmer 2005).[7] Die Qualität der Leistungserbringung ist also nicht zuletzt abhängig von der Art der Beteiligung des Konsumenten.
Durch die Immaterialität und Intangibilität der Leistungserbringung wird eine ex ante Bewertung und Prüfung der Leistung durch die Kunden erschwert, was zu einer hohen Bedeutung von so genannten Indikatoren als Ersatzinformation für den Konsumenten führt. Hierbei wird von einem Merkmal auf ein anderes bzw. auf die Leistungserbringung als solche geschlossen. So richten (potentielle) Kunden ihre Erwartungen bezüglich der Qualität der Leistungserbringung beispielsweise nach dem Erscheinungsbild eines Unternehmens, oder, etwas konkreter, nach dessen Bürogebäude oder Büroeinrichtungen. Ebenso bedingt das Dienstleistungsattribut der Intangibilität - insbesondere in der Anbahnungsphase eines Geschäfts - die besondere Rolle des Vertrauens zwischen Anbieter und Nachfrager (Schulze 1991: 48). Dies resultiert aus der Tatsache, dass sich Dienstleistungen im Gegensatz zu anfassbaren Konsumgütern relativ schwer prüfen lassen. Hierbei sind zuvor gesammelte Erfahrungen entscheidende Variable. In der BWL spricht man von zwei Handlungsoptionen der Akteure (= Auftraggeber und Auftragnehmer): „Screening“ und „Signaling“.[8] Übertragen auf Parteien würde dies bedeuten, dass der Aufbau von Vertrauen und Transparenz zu den grundsätzlichen strategischen Voraussetzungen für Erfolg zählen.
Es wurde deutlich, dass speziell die Qualität einer Dienstleistung sich durch die Partnerschaft zwischen Auftraggeber und -nehmer verbessert. Dies lenkt den Fokus auf Möglichkeiten, wie diese Beziehung zu verbessern ist. Damit beschäftigt sich das Customer Relationship Marketing.
Insbesondere bei Dienstleistungen spielt das so genannte Customer Relationship Marketing (im Folgenden: CRM) eine herausgehobene Rolle, obwohl dies (wegen der Komplexität der Produkte und des enormen relativen Kundenwertes) eigentlich aus dem Investitionsgütermarketing stammt. Die Entwicklung der letzten Zeit vom so genannten Transaktions-Marketing zum Customer Relationship Marketing umfasst jedoch fast alle institutionellen Marketing-Bereiche. Die wichtigsten Unterschiede dieser zwei im weiteren Verlauf dieser Arbeit überaus wichtigen Marketing-Philosophien sollen in folgender Tabelle verdeutlicht werden:
Darst. 1: Gegensatzpaar Transaktions- und Relationship-Marketing
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Wimmer (2005) und Meffert (2000: 25).
Das CRM kam Ende der Neunziger auf („Nordische Schule“) und definierte Marketing nicht mehr instrumentell, sondern als Funktion, die alle Prozesse und Mitglieder einer Organisation einbezieht (Johansen 2005: 88). Es handelt sich dabei also um eine kundenorientierte Unternehmensphilosophie, die mit Hilfe moderner Informations- und Kommunikationstechnologien versucht, durch ganzheitlich gestaltete und individuell ausgerichtete Marketing-, Vertriebs- und Servicekonzepte profitable Kundenbeziehungen aufzubauen und zu festigen (Hippner 2004). Der Kunde wird hierbei, wie im Dienstleistungsmarketing, zum aktiven Bestandteil des Wertschöpfungsprozesses (vom Consumer zum Prosumer = Simultaneität zwischen Produktion und Konsumption). Die steigende Bedeutung einer fruchtbaren Kundenbeziehung gilt derzeit als eine der größten Herausforderungen an das Marketing. Es wird generell als leichter erachtet, einen Kunden zu halten, als einen Kunden zu gewinnen.
Ein weiterer Unterschied zwischen Transaktionsmarketing und CRM könnte für den politischen Bereich relevant sein: die Unterscheidung zwischen Wünschen und Bedürfnissen. Während das Transaktionsmarketing auf die Wünsche der Kunden eingeht, sucht das CRM in einem langfristigen partnerschaftlichen Prozess nach den latenten Bedürfnissen der Kunden und entwickelt diese zusammen mit dem Kunden. Dies ist ein für diese Arbeit überaus wichtiger Punkt, denn es wird dabei vorausgesetzt, dass sich die Kunden ihrer Bedürfnisse nicht immer bewusst sind. Dieses Bewusstsein entstehe erst in dem Kooperationsprozess der Marktpartner (Johansen 2005: 87). Im Folgenden soll auf die konkreten Instrumente des CRM eingegangen werden und Potenziale für die Politik gesucht werden.
Während das CRM-Konzept den Dialog fördern könnte, bringe die Übertragung des (transaktionsorientierten) Marketing-Mix auf die Politik eine Vergrößerung der Lücke zwischen Wählern und Gewählten mit sich (Johansen 2005: 100). Ein entscheidender Vorteil des CRM liegt dabei auch in der Distanzierung von klassischen Marktforschungsmethoden (welche viel kritisiert wurden „Poll Driven Policy“), hin zu der Aufnahme und gleichzeitigen Weiterentwicklung von Informationen im Dialog ( der Bürger wird zum „Prosumer“). Es ist deswegen durchaus von Interesse und Relevanz, dieses Konzept auf seine Übertragbarkeit auf die Politik hin zu überprüfen und zu untersuchen, welche Teile des CRM-Konzepts vielleicht schon in der Politik installiert sind. Bisher wurde dieser Ansatz in der Literatur kaum erwähnt.[9] In der nebenstehenden Skizze wurde versucht hypothetisch darzustellen, wie eine zweigleisige Strategie aussehen könnte. Dabei wird über die gesamte Legislaturperiode hinweg CRM, vorrangig mit Meinungsführern, betrieben. Parallel dazu läuft eine Strategie der Public Relations und der politischen Kommunikation, welche zusätzlich (und im zeitlichen Verlauf zum Wahltermin zunehmend) die uninteressierte oder weniger interessierte Masse (also hauptsächlich Wechselwähler) ansprechen soll. Diese dem Transaktionsmarketing zuzuordnende Strategie wird mit Näherrücken des Wahltages immer wichtiger, während die CRM Strategie ihren Schwerpunkt eher im Vorfeld, nämlich bei der Entwicklung des Wahlprogramms (oder bei der Vorauswahl des Kandidaten) hat.
Darst. 2: Transaktions- und Relationship-Marketing in der Politik (hypothetische Darstellung)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung
Die zwei Wölbungen in der Skizze symbolisieren dabei beispielhaft die Ausnutzung von Synergieeffekten auf anderen föderalen Ebenen, z.B. von siegreichen Landtagswahlkämpfen oder besondere Ereignisse. Im nächsten Teil dieser Arbeit soll also geprüft werden, ob diese Aspekte neue Möglichkeiten für das Marketing von Parteien bieten. Im Zusammenhang mit CRM spielen auch das Internet und das Database Marketing eine wichtige Rolle. Aus den hier aufgeführten Gründen soll CRM zunächst in seiner instrumentellen Ebene dargestellt werden, um diese Instrumente dann im empirischen Teil auf die Möglichkeit einer sinnvollen Übertragung auf die Politik zu prüfen.
Ein CRM Projekt lässt sich in drei Phasen unterteilen: erstens das Finden von Zielkunden, zweitens die Bedürfnisbefriedigung von Zielkunden und drittens die Bindung von Zielkunden (Kotler 2002: 145). Im CRM ist weiterhin das so genannte 3R-Konzept relevant, welches Instrumente zur Kundengewinnung, -bewahrung und -wiedergewinnung bietet: Recruitment, Retention und Recovery (Wimmer 2005). Um die Zielgruppen zu finden, müssen die Zielmärkte definiert werden. Dies ist mit der Beschränkung dieser Arbeit auf Volksparteien gewährleistet, weil Volksparteien grundsätzlich versuchen, alle Volksgruppen zu repräsentieren, wie später verdeutlicht wird. Weitere Ziele sind der Aufbau einer lernenden Kundenbeziehung und die Einbindung der Kunden. Die Basis für diese Ziele bildet eine entsprechende Software (Datenbankanwendung). Die hier gespeicherten personenbezogenen Informationen sollten (besonders im politischen Bereich) eine wichtige Stellung einnehmen und zentral gesammelt werden, um Kosten zu senken. Das Gros der Kosten entsteht jedoch nicht in der Anschaffung eines entsprechenden Systems sondern in der kontinuierlichen Pflege.[10] Um aus diesen Kontakten auch Wähler zu machen, bietet das CRM-Konzept verschiedene Aktionsfelder wie beispielsweise Beratung und Hilfe, fortlaufende Information (Newsletter, Anschreiben, persönlicher Kontakt, exklusive Angebote) oder Beschwerdemanagement. Die Datenbanken können für das kommunikative CRM (auch: Multi-Channel-Management) genutzt werden. Dabei stehen verschiedene Kanäle zur Verfügung, welche auch für die politische Kommunikation interessant sind. So z.B. das Telefon via Call-Center (eingehend (inbound)/ausgehend (outbound)), IVR[11], VRU[12], Voice-over-IP[13]), das Web (E-Commerce, E-Business), Messaging (E-Mail, Voicemail, SMS, MMS), und zuletzt mit Briefpost/Schreiben, Fax und Face-to-Face-Kommunikation die klassischen Direkt-Marketing Instrumente.
Es gibt drei Arten von Vorteilen, die aus CRM entstehen (Homburg/Krohmer 2003: 423). Für die Volksparteien von besonderem Interesse dürften dabei die stabilitätsbezogenen Vorteile sein, dass heißt die Bindung der Wähler. Allerdings gibt es auch Nachteile. So bieten die Rahmenbedingungen politischer Parteien grundsätzlich nicht alle Voraussetzungen für erfolgreiches CRM.[14] Die externen und oft unabhängigen Institute erheben am Wahltag natürlich keine persönlichen Daten der Befragten. Dies verweist auf das Problem der Erlangung persönlicher Daten tatsächlicher Wähler ( Wahlgeheimnis). CRM Projekte können also durch die fehlende Zustimmung der Betroffenen gefährdet werden. Die Vorraussetzung des Aufbaus und Einsatzes von Datenbanken sollte in Anbetracht der für die Massenkommunikation eingesetzten Gelder finanzierbar sein. Probleme könnte eher die Tatsache bereiten, dass auch ein Belohnungsprogramm für treue Kunden zu den Voraussetzungen für erfolgreiches CRM zählt (Kotler 2002: 145). Dies ist umso relevanter, als vertragliche, technisch-funktionale und ökonomische Bindungsursachen nicht in Betracht kommen. So bleibt lediglich die Möglichkeit, „psychologische Bindungsursachen“ (Homburg/Krohmer 2003: 424) zu nutzen.
Zu den neuesten Entwicklungen im Marketing zählt auch das Netzwerk-Marketing, welches
die Vertriebsorganisation als Ansatzpunkt für die Optimierung des Absatzes bezeichnet. Es versucht dabei ein Netzwerk aufzubauen, welches aus einer Vielzahl von Vertriebspartnern besteht. Durch die Organisationsorientierung ist Netzwerk-Marketing eng verknüpft mit einem weiteren Trend: das interne Marketing. Hierbei steht das kundenorientierte Verhalten des Personals im Mittelpunkt. Es stellt verschiedene Instrumente zur Verfügung, durch welche einerseits die soziale Kompetenz und andererseits dyadische und mehrseitige Interaktionsprozesse verbessert werden sollen.
In allen Bereichen erfährt das Marketing heute eine Anpassung an aktuelle Entwicklungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien, die Meffert mit Schlagwörtern wie Database-Marketing[15], Netzwerk-Marketing, Multimedia Kommunikation und Interaktivem Marketing in Zusammenhang bringt (Meffert 2000: 6). Oft wird Database-Marketing als Teil und Voraussetzung für Customer Relationship Marketing bezeichnet.
In allen, insbesondere jedoch in den hier beschriebenen Marketing Bereichen, kommt der Multimedia-Kommunikation eine besondere Bedeutung zu. Diese gliedert sich in Offline Kommunikation (z.B. Werbe-Computerspiele, Terminals, CD-ROMs) und Online Kommunikation (z.B. E-Mail, Newsgroups, www), wobei Letztere schon längst nicht mehr nur bestimmte Zielgruppen erreicht.[16] Besondere Kennzeichen der Internet Kommunikation sind Interaktivität (Rezipient ist bei Informationsaufnahme/-suche aktiv) und Hypermedialität[17] (Meffert 2000: 759).
Bereits an dieser Stelle wird erkennbar, dass gewisse Teilbereiche der BWL durchaus Nutzen für politische Parteien bringen könnten. Während klassische Instrumente aus dem Marketing-Mix wie beispielsweise moderne Werbemaßnahmen auch im politischen Bereich bereits gang und gäbe sind, könnte zusätzlich versucht werden, insbesondere interessierte Wählergruppen durch CRM-Instrumente an die Partei zu binden. Das Netzwerkmarketing und das interne Marketing bedürften einer genauen Prüfung bezüglich ihrer Übertragungsmöglichkeiten auf die Parteimitglieder, sind jedoch eng mit dem CRM Ansatz verknüpft. Hier gilt es jedoch bereits die Besonderheiten wie die demokratische Struktur der Parteien zu berücksichtigen. Der Stellenwert des internen Marketings steigt parallel mit dem Interaktionsgrad des (Kontakt-)Personals mit den Konsumenten (Schulze 1991: 138), was es für Parteien besonders interessant werden lassen könnte. Außerdem könnten sich Techniken auf operativer Ebene wie z.B. Mitarbeiter-Trainings usw. auf die Anwendung auf Parteimitglieder übertragen lassen. Auch die Relevanz neuer Kommunikationstechnologien für Parteien liegt auf der Hand: so verfügen Parteien natürlich über Daten bezüglich ihrer Mitglieder. In den USA beispielsweise gilt die Mobilisierung von Sympathisanten als Multiplikatoren im Wahlkampf als elementar.
1.2. Theoretische Bezugspunkte aus der Politikwissenschaft
Nachdem nun die wichtigsten Entwicklungen aus der BWL skizziert wurden, soll in diesem Kapitel auf relevante theoretische Aspekte aus der Politikwissenschaft eingegangen werden. Dabei stehen zunächst die Motive der politischen Akteure im Mittelpunkt des Interesses. Denn um das Verhalten von Parteien und deren Akteuren zu erklären und zu verstehen, muss man sich zunächst über die Motivation der Akteure im Klaren sein.
Parteien definiert Max Weber (1976: 176) wie folgt: „Parteien sollen heißen auf (formal) freier Werbung beruhende Vergesellschaftungen mit dem Zweck, ihren Leitern innerhalb eines Verbandes Macht und ihren aktiven Teilnehmern dadurch (ideelle oder materielle) Chancen (der Durchsetzung von sachlichen Zielen oder der Erlangung von persönlichen Vorteilen oder beides) zuzuwenden. (…) Sie können alle Mittel zur Erlangung der Macht anwenden. Da wo die Leitung durch (formal) freie Wahl besetzt wird (…), sind sie primär Organisationen für die Werbung von Wahlstimmen.“ Max Weber (1919: 404) unterschied das Interesse von Politikern in zwei Kategorien: „‚Von’ der Politik als Beruf lebt, wer danach strebt, daraus eine dauernde Einnahmequelle zu machen, - ‚für’ die Politik der, bei dem dies nicht der Fall ist.“ Dabei müsse derjenige, der für die Politik lebt, vermögend sein und dadurch unabhängig; zusätzlich müsse dieser Politiker jedoch auch abkömmlich sein, d.h. „seine Einkünfte dürfen nicht davon abhängen, dass er ständig persönlich seine Arbeitskraft und sein Denken voll oder doch weit überwiegend in den Dienst ihres Erwerbes stellt.“ (Weber 1919:404). Schließlich bezeichnet Max Weber unter Berücksichtigung zeitgemäßer Entwicklungen Ämterpatronage als den hauptsächlichen Zweck aller Parteikämpfe: „Mit steigender Zahl der Ämter infolge der allgemeinen Bürokratisierung und steigendem Begehr nach ihnen als einer Form spezifisch gesicherter Versorgung steigt für alle Parteien diese Tendenz und werden sie für ihre Gefolgschaft immer mehr Mittel zum Zweck, derart versorgt zu werden.“ (Weber 1919: 407). Das Ziel des Wahlerfolgs dominiert also andere Ziele von politischen Eliten, welche die Rolle eines Homo Politicus annehmen (Ufert 2006: 14).[18]
Auch Joseph A. Schumpeter geht von einem Konkurrenzkampf der Parteien/Politiker um die Stimmen der Wähler aus. Für ihn ist „die demokratische Methode diejenige Ordnung der Institutionen zur Erreichung politischer Entscheidungen, bei welcher einzelne die Entscheidungsbefugnis vermittels eines Konkurrenzkampfs um die Stimmen des Volkes erwerben.“ (Schumpeter 1950: 428). Das Hauptmotiv politischer Eliten und somit das Hauptziel und gleichzeitig Motivation jeder Partei sei dabei das Machtstreben. Jedoch kann dieses Machtstreben, wenn es in gewisse Normen und Verfahren eingebunden ist, so genannte soziale Werte produzieren. Diese seien „für Dritte und die ganze Gesellschaft von großem Interesse (…)“ (Bartolini 1995: 60). In dieser prozessorientierten Sichtweise würden jedoch auch Willensäußerungen von einzelnen Gruppen berücksichtigt, die zwar durchaus über längere Zeit hinweg latent sein könnten, dann jedoch von „irgendeinem politischen Führer, der sie in politische Faktoren verwandelt, zum Leben erweckt werden.“(Schumpeter 1950: 429). Mit diesem Zitat sei im Übrigen eine Bemerkung Bartolinis angezweifelt, welcher anmerkt, Schumpeter gebe in seiner Theorie keinen Hinweis auf Responsivität (Bartolini 1995: 61). Der Kern Schumpeters Theorie liegt jedoch darin, dass die Regierung durch Wahlen des Volkes hervorgebracht und abgesetzt wird, was eine Art Responsivität impliziert. Schumpeter ist aber ebenfalls der Meinung, dass politische Eliten auch die Wünsche und Wahrnehmungen der Wähler beeinflussen oder gar manipulieren (Bartolini 1995: 61f.).
Anthony Downs geht in seiner „Ökonomischen Theorie der Demokratie“ weiter auf den eigentlichen politischen Konkurrenzkampf ein. Auch in seiner Theorie handeln die Politiker rational aus dem Interesse der Machtmaximierung heraus. So sei das Ziel der Politiker „die Erlangung der Regierungsposition, nicht die Verbesserung der Gesellschaft“ (1968: 108). Die Parteien streben dabei als Endziel „die Macht, die Einkünfte und das Prestige an, die mit dem Regierungsamt verbunden sind.“ (1968: 108). Die Politiker richten sich dabei also explizit nach den Präferenzen der Wähler. Weil der Wahlsieg das Hauptziel der Parteien sei, habe die Responsivität einen höheren Stellenwert im Kampf um Stimmen als die Ideologie einer Partei (1968: 107ff.). So sei der unbeabsichtigte soziale Wert der Konkurrenz Redlichkeit und Verantwortlichkeit (1968: 119) und die Konkurrenz verwandle die Macht- Motive der Parteien zu Responsivität gegenüber den Wünschen der Wähler (1968: 107ff.). Dabei geht Downs davon aus, dass die Wähler das Parteiangebot nach Vor- und Nachteilen abwägen. Sie spielen eine wichtigere Rolle als die Parteimitglieder. Während Schumpeter also lediglich feststellt, dass die Regierung durch Wähler hervorgebracht wird, erweitert Downs diese Aussage darum, dass die Regierung aus Wählerwünschen hervorgehe, was eine Annäherung an den Marketinggedanken darstellt (Bartolini 1995: 61).[19] Den entsprechenden Parteityp bezeichnet Downs als Patronagepartei.[20] Für Downs ist das Ziel der Stimmenmaximierung dabei unabhängig von dem Parteiensystem, denn auch in Mehrparteiensystemen, wenn also mehr als zwei Parteien um Stimmenmaximierung ringen, ist eine große Zahl an Stimmen vorteilig (so z.B. für Koalitionsverhandlungen).
Nachdem mit Weber, Schumpeter und Downs die konkurrenzparadigmatische Sichtweise von Parteien dargestellt wurde, wird im Folgenden mit dem Konzept der Responsivität ein ausgesuchter Aspekt dargestellt, den man der transaktionsparadigmatischen Perspektive nach Wiesendahl (1980) zuordnen könnte.[21] In der Literatur finden sich zahlreiche Definitionsversuche zu Responsivität, die insbesondere bezüglich des jeweiligen Untersuchungsgegenstandes und der Methodik variieren. Etzioni (1968: 541-547) definiert Responsivität als “that which takes into account the needs of the units involved.” (zitiert aus Brettschneider 2002). Etzioni nennt, wenn auch nur vage, Determinanten für den Grad der Responsivität: „The level of responsiveness of a guidance system is determined by the `appropriateness` of the responses issued to the messages received, and in that sense, by their appropriateness to the needs of the member units.” Der demokratische Wert eines Systems steige dabei nicht automatisch mit dem Grad der Responsivität, sondern es müssten langfristige Interessen, situative Bedingungen und aktive Forderungen aus der gesellschaftlichen Umwelt integriert werden (Brettschneider 2002: 18-20).
Eulau und Karps definieren Responsivität schließlich „as a complex, compositional phenomenon that entails a variety of possible targets in the relationship between representatives and represented.” (1977: 233-254, zitiert aus Brettschneider 2002: 18-20). Indem sie das komplexe Phänomen in vier Bereiche oder Formen unterteilten und es so messbar machten, beendeten sie das bisher vorherrschende Definitionsproblem: Policy Responsiveness (=der Abgeordnete verhält sich in Sachfragen den Einstellungen seiner Constituency entsprechend), Service Responsiveness (=der Abgeordnete erbringt spezifische Dienstleistungen für einzelne Personen oder Gruppen seiner Constituency), Allocation Responsiveness (=im Kampf um knappe Ressourcen versucht der Abgeordnete für seine Constituency möglichst viel zu erreichen) und Symbolic Responsiveness (=der Abgeordnete vermittelt den Wählern durch symbolische Handlungen das Gefühl, repräsentiert zu werden, unabhängig davon, ob dies tatsächlich der Fall ist). Es handelt sich bei diesen Kategorien gleichzeitig um Aufgaben(-bereiche), was sie auch für empirische Untersuchungen geeignet werden lässt. Bezüglich der Policy Responsiveness ist man sich in der Literatur jedoch uneinig über die Richtung der Responsivität. So geht es Eulau und Karps lediglich um die faktische Übereinstimmung der Einstellung von Politkern und Wählern in einem speziellen Politikbereich, während Andere eine aktive Beeinflussung der Politiker durch die Wähler voraussetzen. Für Letztere bedeutet eine zufällige Übereinstimmung also nicht Responsivität. Ein hohes Maß an Responsivität bedeute demnach ein hohes Maß an Steuerung der Regierenden durch die Regierten.[22] Eine Kernfrage zu der Marktorientierung, wie man sie aus Sicht der Politik darstellt, stellt Etzioni: In welchen Maßen ist ein System, also zum Beispiel eine Partei, befähigt, die sich ändernden Bedürfnisse der Constituency wahrzunehmen und zu verarbeiten, gleichzeitig aber die Steuerungskapazität gegenüber den wechselhaften Präferenzen der Wähler zu behaupten (1968: 511ff.)? Offen bleibt dabei also die Frage nach dem optimalen Grad an Responsivität.
Treffen in einem demokratischen Parteiensystem mehrere Parteien im oben begründeten Kampf um Wählerstimmen aufeinander, kommt es zu Parteienkonkurrenz. Diese entsteht daraus, dass jede Partei und jeder Politiker seinen Interessen folgt, also nach Macht strebt. Durch diese Konkurrenz entsteht jedoch auch ein sozialer Wert, der sich als Responsivität bezeichnen lässt. Denn die Konkurrenz sorgt dafür, dass politische Akteure sich den Wünschen ihrer Anspruchsgruppe öffnen, sich also responsiv verhalten. An dieser Stelle wird also eine theoretische Gemeinsamkeit zwischen den Annahmen politischer und ökonomischer Märkte deutlich: Eigennutz fördert Gemeinwohl (Ufert 2006: 16). Darum stellt sich die Frage nach notwendigen Bedingungen für das theoretische Konstrukt der Parteienkonkurrenz, welche der Responsivität förderlich ist. Stefano Bartolini führt diesbezüglich vier Dimensionen auf: Kampffähigkeit der konkurrierenden Parteien, Mobilitätsbereitschaft der Wähler, Entscheidbarkeit des Wahlangebots und Verwundbarkeit der Amtsinhaber durch Wahlen. Diese Dimensionen sind zwar untereinander interdependent, stehen jedoch nicht in einer additiven, sondern in einer hoch widersprüchlichen Beziehung zueinander (Bartolini 1995: 57).
In diesem Kapitel sollten die Zusammenhänge zwischen der Motivation von Politikern, Responsivität und Parteienkonkurrenz verdeutlicht werden. Ähnlich wie die drei Orientierungen des Marketings wird das Konzept der Responsivität (insbesondere die vier Formen der Responsivität nach Eulau/Karps) dazu beitragen, Ergebnisse des empirischen Teils dieser Arbeit besser einordnen zu können.
2. Parteienmarketing als Disziplin
Nachdem nun neben einigen theoretisch relevanten Aspekten aus politikwissenschaftlicher Perspektive auch Einblicke in die Thematik des Marketings gewährt wurden, soll dieses Kapitel den Forschungsstand zum Thema Parteienmarketing darlegen. Sowohl Politologen als auch Wirtschaftswissenschaftler beschäftigen sich mit Parteienmarketing. Wie sie dies tun und wie sich PM als Teildisziplin entwickelt hat, wird auf den folgenden Seiten dargestellt. Um Verständnis für diesen Forschungsbereich zu schaffen, soll zunächst eine Abgrenzung der zahlreichen in der einschlägigen Literatur verwendeten Begriffe[23] vorgenommen werden, um sie anschließend zueinander in Beziehung zu setzen. Dabei wird auch untersucht, wie und ob sich Begriffe wie PM und Politische Kommunikation unterscheiden und was der Kern dieser wissenschaftlichen Bereiche ist. Daraufhin gilt es, die wichtigsten Bereiche sowie Möglichkeiten und Grenzen von PM zu identifizieren. Aus diesen sollen geeignete Kategorien gebildet (Kap. 2.4.) werden, welche im empirischen Teil der Arbeit eine wesentliche Rolle spielen werden.
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht gibt es zwei Perspektiven, aus denen sich das Marketing ausgehend von seinem in Kapitel 1.1. beschriebenen kommerziellen Ursprung weiterentwickelt hat. So spricht man von Deepening des Marketing-Konzepts, wenn Unternehmen im Rahmen ihrer gewinnorientierten Ausrichtung verstärkt ökologische, humanistische und ethische Aspekte berücksichtigen (Meffert 2000: 1276 ff.).[24] Das Broadening kennzeichnet hingegen die Ausweitung des klassischen Marketinggedanken auf nichtkommerzielle Organisationen (Meffert 2000: 1277). Diese zwei Richtungen sollen in der späteren Darstellung die Achsen bilden, anhand welcher die verschiedenen Begriffe zueinander in Beziehung gesetzt werden sollen.
Am weitesten gefasst ist wohl der Begriff Generisches Marketing (= Generic Marketing). Dieses integriert sämtliche Formen sozialer Interaktionen und berücksichtigt dabei alle materiellen und ideellen Werttransaktionen oder Wertprozesse (Kotler 1972: 46ff.). Dabei abstrahiert man von dem konkreten Austausch zwischen Ware und Geld und betrachtet jede Art von Austauschprozessen zwischen Menschen.[25] Die neuesten Ansätze spielen bereits hier explizit auf eine politische Komponente an und berücksichtigen das Beziehungsmanagement einer Non-Profit-Organisation (z.B. einer Partei) zu deren wichtigen Bezugsgruppen (Stakeholder) (Ruckh/Noll/Bornholdt 2006), was auch in die Richtung des CRM-Konzepts weist.
Bei anderen im Zusammenhang stehenden Begriffen sind Abgrenzungen in der Literatur bisher eher vage. So bezeichnen manche Autoren das Sozio-Marketing (= Social Marketing, soziales Marketing) als das Marketing von erwerbswirtschaftlichen Organisationen, welche jedoch soziale Dienstleistungen erbringen (z.B. Privatschulen, private Seniorenheime). Seidel bezeichnet dies auch als Non-Profit-Marketing im weiteren Sinn (Seidel 2005: 47f.). Verbreiteter scheint jedoch der Ansatz, welcher Sozio-Marketing synonym mit Non-Profit- Marketing im engeren Sinn verwendet (= Non-Business-Marketing, Nicht-kommerzielles- Marketing). Bei diesem steht nicht primär die Gewinnmaximierung, sondern stattdessen generell die Lösung sozialer Probleme bzw. das Anstreben sozialer Ziele im Vordergrund (Meffert 2000: 1277). Meffert (2000: 1279) definiert Sozio-Marketing „als die Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle von Marketing-Strategien und -Aktivitäten nichtkommerzieller Organisationen, die direkt oder indirekt auf die Lösung sozialer Aufgaben ausgerichtet sind.“ Dies sei dann der Fall, wenn beispielsweise Kirchen, Behörden oder Parteien Marketing betreiben. Dabei sei es die primäre Aufgabe von Sozio-Marketing, die Interessen ihrer Zielmärkte oder der Gesellschaft allgemein zu fördern. Sozio-Marketing reagiert dabei jedoch nur auf bestehende Bedürfnisse (Müllerleile 1998: 1884).[26] Dies widerspricht nicht der Ansicht Kotlers (1978: 281), wonach Sozial-Marketing „den Entwurf, die Durchführung und die Kontrolle von Programmen, die darauf abzielen, das Urteil gewisser Zielgruppen über Ideen oder Praktiken im positiven Sinne zu beeinflussen“, umfasst. Es geht also auch hier um die Beeinflussung von Menschen einerseits und um die Reaktion auf Bedürfnisse andererseits.
Politisches Marketing (= Political Marketing, Polit-Marketing, Politikmarketing) wiederum ist eine Unterdisziplin des oben definierten Sozio-Marketings i.e.S. und des Non-Profit- Marketings. Ufert (2006) definiert Politisches Marketing schlicht als die wählerorientierte Entwicklung und Vermarktung der Politik einer politischen Partei. Ähnlich klingen die Definitionen von anderen Autoren, die ursprünglich aus dem wirtschaftswissenschaftlichen Bereich kommen. Besonders deutlich wird hierbei die Darstellung von PM als strategisches Konzept, welches Instrumente zur Erreichung der Ziele von politischen Parteien oder Kandidaten zur Verfügung stellt. So definiert Kreyher (2004: 14) PM als „Führungskonzept zur bewussten Gestaltung von Austauschprozessen und Interaktionen“, welches sich auf die „Planung, Koordination und Kontrolle aller Marktbezogenen Aktivitäten“ beziehe. Außerdem hebt Kreyher (2004: 14f.) zwei wesentliche Aspekte hervor: so bestehe PM, wie die kommerzielle „Mutterdisziplin“ auch, aus Marktanpassung einerseits und aus aktiver Marktgestaltung andererseits. Diese elementaren Dimensionen sollen im Folgenden schlicht als Anpassung und Beeinflussung bezeichnet werden. Forscher mit politikwissenschaftlichem Hintergrund definieren PM hingegen meist mit Bezug auf Techniken politischer Kommunikation, auf die wiederum oft im Zusammenhang mit Wahlkampagnen deskriptiv eingegangen wird (Scammell 1999).
Darst. 3: Marketing und Parteienmarketing:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung.
Die oben definierten Begriffe wurden bisher noch nicht zueinander in Relation gesetzt und abgegrenzt, was in diesem Kapitel versucht werden soll. Ein Teil des Sozio-Marketings ist dem kommerziellen Marketing zuzuordnen. Dies ist dann der Fall, wenn kommerzielle Organisationen Sozio-Marketing betreiben, um dadurch ihr primäres Ziel der Gewinnmaximierung indirekt zu unterstützen (vgl. Darstellung 3: Überschneidungsbereich zwischen Sozio-Marketing und Kommerziellem Marketing). Politisches Marketing ist ein Teil des Non-Profit-Marketings. Die generische Komponente wurde hier durch Einbringung der wichtigsten Bezugsgruppen nach Kotler (1978: 363) dargestellt. Dabei gilt es jedoch zu berücksichtigen, dass es wechselseitige Austauschbeziehungen zwischen allen Akteuren in der politischen Arena gibt.[27]
Eine anerkannte Definition für politisches Marketing gibt es nicht, im deutschsprachigen Raum wird jedoch wiederholt Öllerkings (1988: 16) funktionale Definition zitiert. Darin beschreibt er PM als „Führungskonzept politischer Akteure, das durch Analyse, Planung, Realisierung und Kontrolle den Zielen einer Gruppe durch den Gewinn von Wählerstimmen zum Erfolg verhilft. Dazu ist ein koordinierter Einsatz der Mittel im Hinblick auf die Zielerreichung erforderlich. Entweder wird das Produkt den KäuferInnen-Wünschen angepasst oder aber deren Präferenzen werden soweit modelliert, dass das fertige Produkt akzeptiert wird.“ Auch hier sind wieder die Dimensionen Beeinflussung und Anpassung berücksichtigt. Auch Dombrowski interpretiert Marketing als Austauschprozess, der eine Angleichung der Realitätswahrnehmung auf Anbieter- und Nachfragerseite erfordert. Das eigentlich Neue ist jedoch, dass sie diese Angleichung auf Anbieterseite nicht nur mit Kundenorientierung, sondern auch mit einer „der Konkurrenz überlegenen Interpretation gesellschaftlicher Trends“ in Zusammenhang bringt (Dombrowsky 1997: 242).
Auch von Politischer Kommunikation gibt es keine allgemeingültige Definition. Dies beruht einerseits auf der Komplexität dieses Untersuchungsgegenstandes und andererseits auf den unterschiedlichen Sichtweisen der verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen (Sarcinelli 2005: 16). So könnte man PM ebenso gut der politischen Kommunikation zuordnen wie man umgekehrt die politische Kommunikation als Teilbereich des PM betrachten könnte. Trotzdem sollen hier kurz die wichtigsten Prozesse der medienbezogenen politischen Kommunikation nach Karp (2004: 11) genannt werden. So werden zunächst bestimmte politische Medieninhalte durch Journalisten ausgewählt, während diese später durch das Publikum genutzt werden. Die Inhalte wirken dann auf die politischen Kenntnisse, Einstellungen und das Verhalten des Publikums. Ufert (2006: 103) trennt diese Prozesse dabei in zwei unterschiedliche „Wege“: so gebe es einen dialogisch orientierten Weg und den einseitigen Weg der Massenmedien.
Trotz des hier geleisteten Versuchs bleibt festzuhalten, dass allgemeingültige Abgrenzungen nicht existieren. Bei Einsicht der Literatur zerfließen die Grenzen zwischen politischer Kommunikation, Kampagnen- und Wahlkampfmanagement, PM, aber auch klassischen politikwissenschaftlichen Feldern wie der Wahlforschung. Dabei betont Sarcinelli (2006: 24) auch die Untrennbarkeit dieser Bereiche und bemängelt die Neigung der „medialen Logik“, „zentrale politikwissenschaftliche Problemstellungen aus den Augen zu verlieren und politisch-mediale Entwicklungen mehr oder weniger isoliert eben von politisch institutionellen und politisch-kulturellen Kontexten zu betrachten.“
Darst. 4: Austauschbeziehung im politischen Marketing Allgemeine Kommunikation
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: In Anlehnung an Kotler 1978: 361.
Einerseits wird politische Kommunikation also als ein Teilbereich des PM dargestellt (Karp/Zolleis 2004), andererseits stellt der Begriff Politische Kommunikation selbst ein kaum zu umfassendes Forschungsfeld dar, das sich „trotz des größer werdenden Interesses in den Disziplinen und einer steigenden Zahl an Studien noch nicht zufrieden stellend beschreiben“ lässt (Jarren/Sarcinelli 1998: 13). Dieser Tatsache wird diese Arbeit gerecht, indem die Möglichkeiten und Grenzen des PM in Kapitel 2.2. aus den Perspektiven verschiedener politikwissenschaftlicher Teilbereiche betrachtet werden, wobei der mediale Kontext in diesen Bereichen aufgeht. Allen betreffenden Forschungsfeldern gemein sind jedoch die politischen Akteure sowie der Kommunikationsfluss zwischen diesen, wie er in Kotlers Darstellung verdeutlicht wird (Darst. 4). Während die politische Forschung diese Informationsflüsse oft einzeln untersucht, scheinen in der Marketingwissenschaft die gegenseitigen Abhängigkeiten und deren bewusste Nutzung eine wichtige Rolle zu spielen. Dies haben alle Definitionen von PM gemeinsam.
Eine zentrale These des PM wird also in Darstellung 4 ersichtlich: dauerhafter Erfolg ist demnach nur durch ständige Abgleichung der Interessen und Bedürfnisse aller relevanten Zielgruppen auf Absatz und Beschaffungsmärkten möglich ( Anpassung) (Seidel 2005: 46). Ebenso gibt es Informationsströme von der Politik zu den Wählern ( Beeinflussung).[28]
2.1. Entwicklung
Verschiedene Aktivitäten von dem, was man heute dem PM zuordnen würde, gibt es so lange wie es Parteien gibt, wenn auch in völlig unterschiedlichen Ausprägungen. Aber es gibt mehr als nur vage Hinweise auf Marketing Aktivitäten in der früheren Geschichte, wofür hier ein Beispiel genannt werden soll. Ein Handbuch namens Commentariolum petitionis von Quintus Tullius Cicero, Bruder des berühmten Marcus Tullius Cicero, befasst sich bereits im Jahr 65 vor Christus intensiv mit dem Thema Wahlkampf. Es gibt dabei Hinweise und Anleitungen, die teilweise wohl noch heute für effektives Marketing im politischen Bereich genutzt werden könnten. Quintus hat in seiner politischen Laufbahn stets alle Faktoren abgewogen, die seiner beruflichen Entwicklung in der Politik förderlich oder abträglich waren.
Die Entwicklungen des PM relevanten Verhaltens der Parteien seit Ende des 18. Jahrhunderts werden am besten anhand der Entwicklung der Parteitypen deutlich. In den so genannten Honoratiorenparteien (spätes 18. Jahrhundert bis ca. 1920) waren die Parteien hauptsächlich ein Instrument der Reichen zur Machtsicherung (Weber 1919). Politisches Handeln orientierte sich dem eingeschränkten Wahlrecht entsprechend an der Wählerklientel. Ebenso beschränkte sich die Kommunikation auf diese Zielgruppe und ein loses Netzwerk der Honoratioren. Durch die Ausweitung des Wahlrechts entstand mit der Massenintegrationspartei ein neuer Parteientyp, der den neuen, bisher unterprivilegierten Wählerschichten Gehör verschaffte (Poguntke 2003: 4ff.). Insbesondere in der totalitären Ausprägung der Massenintegrationspartei (faschistisch oder kommunistisch) spielen die Mitglieder eine herausgehobene Rolle in der Kommunikation. Diese verläuft zweiseitig, d.h. der Input der Mitglieder fließt in die Policy ein, während sie von der nun entstandenen Parteispitze z.B. durch die eigene Parteipresse „erzogen“ werden (Katz/Mair 1998).
Der von Kirchheimer (1965) geprägte Typus der Catch-All-Party wird oft synonym mit Volkspartei benutzt und ist ein verbreiteter Erklärungsansatz für die Öffnung von Parteien gegenüber neuen Wählergruppen.[29] Die Catch-All-Party wird in der Literatur im Gegensatz zu anderen Parteitypen hinsichtlich ihrer repräsentativen Art als „Entrepreneur“, also als Unternehmen bezeichnet (Katz/Mair 1998). In diesem Parteientyp entwickeln sich Führerpersönlichkeiten und Politikersympathie zu wichtigeren Faktoren als Programme und soziale Gebundenheit. Aber auch die Funktionen der Parteien haben sich verändert, so fungierten die Parteien nicht mehr nur als Linkage zwischen Gesellschaft und Staat, sondern sie entwickelten sich zu einer Art „Broker“, der einerseits Forderungen in die Staatsphäre einbringt ( Responsivität), andererseits jedoch auch die Bürokratie gegenüber den Bürgern verteidigt. Dies macht die Catch-All-Party für diese Arbeit so interessant: sie richtet sich auf verschiedene Wählergruppen aus. Dadurch können diese Parteien an Profil verlieren, d.h. sie nähern sich der politischen Mitte ( Mediankonvergenz). Die kleineren Parteien hingegen können politische Nischen bearbeiten und sich so spezialisieren. Die Catch-All- These ist durch die Untersuchung zahlreicher internationaler Wahlkämpfe belegt, allerdings nicht für relativ kleine Länder und kleine Parteien (Bowler/Farell 1992: 233f.). Die folgende Tabelle zeigt, wie sich das Verhalten der Parteien, welches sich dem PM zurechnen lässt, in Abhängigkeit zu den zeitgemäßen Rahmenbedingungen verändert hat.
Darst. 5: Marketingrelevante Charakteristika nach Parteientypen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: In Anlehnung an Katz/Mair 1998: 110.
Sieht man von dem über Wahlkämpfe geschriebenen Werk von Quintus Tullius Cicero ab, so ist das so genannte Parteienmarketing oder auch das politische Marketing in der Wissenschaftstheorie noch in den Anfängen, während es die Elemente des Werbens um Stimmen schon so lange gibt wie die Demokratie selbst.[30]
Den eigentlichen Grundstein für PM in der Wissenschaft legten die amerikanischen Marketing-Forscher Kotler und Levy im Jahr 1969 mit „Broadening the Concept of Marketing“; sie versuchten dabei erstmals, das Marketing Konzept auf Non-Profit- Organisationen anzuwenden und nannten auch erstmals einen Zusammenhang mit politischen Parteien. Im Jahr 1975 nahmen Kotler und Shama dann eine erste deskriptive und prozessorientierte Analyse von ökonomischen und politischen Austauschprozessen vor. Im deutschsprachigen Raum war es zunächst Edgar Wangen, der 1983 das Marketing-Mix- Konzept auf die Politik zu übertragen versuchte. Weiterhin beschäftige sich Niffenegger 1989 mit der Übertragbarkeit der „vier Ps“. Es entstanden die ersten Beiträge zu Marktsegmentierung, Zielgruppen, Produktpolitik und politischer Kommunikation (Seidel 2000: 53).
Im Jahr 1992 gingen Bowler und Farell (233f.) auf PM als Instrumentarium ein, welches man kurzfristig einsetzt, um einen erfolgreichen Wahlkampf führen zu können (instrumentell, anbieterbezogen). Im Gegensatz dazu war es Lees-Marshment, die näher auf die Rolle der Bedürfnisbefriedigung der Wähler einging und den zeitlichen Rahmen vom Wahlkampf auf die gesamte Legislaturperiode ausweitete. Sie war es auch, die die in Kapitel 1.1. angesprochenen Marketing-Orientierungen (= Produkt-, Verkaufs- und Marktorientierung) auf den politischen Bereich übertrug. Analog dazu stellt Schneider diese Entwicklungsstufen des Politikmarketing im zeitlichen Verlauf dar, wie in der Darstellung 6 abgebildet (2004: 27). Hierzu ist jedoch kritisch anzumerken, dass neueste Studien zeigen, dass sich das politische Produkt keinesfalls mit dem Kandidaten gleichsetzen lässt (Brettschneider 2005: 101-112). Lees-Marshment ordnet diesen Entwicklungsstufen Parteitypen zu. Dabei stellt die produktorientierte Partei ihr Produkt in den Mittelpunkt des Marketings. Es geht darum, möglichst effizient das beste Produkt zu produzieren. So versucht dieser Parteityp darzustellen, wofür sie steht und an welche Werte sie glaubt (Lees-Marshment 2001: 696). Die verkaufsorientierte Partei versucht zusätzlich, dem Wähler durch den Einsatz der besten Verkaufstechniken (Werbe- und Kommunikationstechniken) das Produkt zu verkaufen. Auch diese Partei ist grundsätzlich nicht bereit, sich für den Wähler zu verändern (Lees- Marshment 2001: 694). Für sie besteht Marketing (dem eingangs genannten Vorurteil entsprechend) tatsächlich ausschließlich aus Kommunikationsmaßnahmen. Bei der marktorientierten Partei hingegen steht die Bedürfnisbefriedigung der Wähler im Mittelpunkt des Interesses (Lees-Marshment 2001: 692). Dadurch sollen die eigenen Ziele erreicht werden. Parteien können jedoch nicht einfach das versprechen, was die Marketingforschung oder Umfragen ergeben, denn sie müssen sich sicher sein, „liefern“ zu können. Auch hier verdeutlicht sich wieder die herausgehobene Bedeutung des Vertrauens, denn durch Enttäuschung riskiert eine Partei langfristig einen unter Umständen erheblichen Stimmenverlust.
Darst 6: Entwicklungsstufen des Politikmarketing
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: In Anlehnung an Helmut Schneider 2004: 27.
Während zahlreiche Übertragungsversuche des 4P-Konzepts als übersimplifiziert abgetan wurden, nahm Stephan C. M. Henneberg 2003 (6) eine funktionale Analyse des MarketingMixes vor, übertrug die 4 Ps und definierte vier weitere Funktionen. Das Ergebnis nannte er „kampagnenorientiertes Parteienmarketing-Management“ (Henneberg 2003: 3). Dabei setzt er die Distributionsfunktion oft mit der Parteibasis und deren Aktivitäten gleich.[31] Die Preispolitik wird hier als Kostenfunktion bezeichnet und auf die Opportunitätskosten[32] der Wähler bezogen. Diese sollten in Bezug auf den Entscheidungsprozess der Wähler so gering wie möglich gehalten werden. Die Kommunikationsfunktion wird oft als Essenz des PM bezeichnet und ist der Kern vieler Kampagnen.
Für politische Parteien geht es darum, politische Inhalte anzubieten, politische Images zu transportieren, diese aber auch zu interpretieren und in der komplexen politischen Welt einen Sinn zu vermitteln (Henneberg 2003: 16). Hierbei ist in der Praxis die Vereinfachung von Botschaften genauso wichtig wie die Betonung der richtigen Inhalte. Außerdem gewinnt auch nach Henneberg der Dialog zwischen den Transaktionspartnern an Bedeutung ( geteiltes Agenda Setting). Die News-Management-Function gehört im weitesten Sinn zu der Kommunikationspolitik, zielt aber speziell auf den Austauschpartner Massenmedien ab (Spin Doctoring, Public Relations). Diese sind nicht zuletzt wegen ihrer Unabhängigkeit und Präsens wichtig. Die Fund-Raising-Function bezieht sich auf die Beschaffung monetärer Ressourcen und ist entsprechend von dem jeweiligen System abhängig. Unter der Nutzung der Parallel-Campaign-Management Function versteht Henneberg die Nutzung von Synergiekräften durch Beteiligung an Kampagnen nahe stehender Organisationen. Als letzte instrumentale Funktion wird die Internal-Cohesion-Management-Function genannt, welche die Beziehungen zu Aktivisten, Parteimitgliedern und zur Basis pflegt (Henneberg 2003).
Auf diesen Ergebnissen aufbauend versuchte Maximilian Seidel 2005 alle relevanten Bezugsgruppen zu berücksichtigen und PM als systematische Gestaltung und Analyse aller relevanten Austauschprozesse darzustellen. Im Jahr 2006 schließlich beschäftigte sich Gero
H. Ufert mit PM und legte dabei den Schwerpunkt auf die Übertragung des MarketingManagement-Prozesses auf den politischen Bereich („Politikmarketingprozess“).
Die Marketingwissenschaft versucht also, die verschiedenen Konzepte auf den politischen Bereich zu übertragen um dadurch zu Handlungsempfehlungen für Politiker und Parteien zu gelangen und scheint dabei in der Schablone zwischen Marktanpassung und Marktbeeinflussung zu denken. Die Herangehensweise der Politikwissenschaft hingegen untersucht PM aus einer anderen Perspektive. So ließen sich grundlegende traditionelle Forschungszweige der Politikwissenschaft wie beispielsweise die Wählerforschung der PM Thematik zuordnen. Die noch junge Disziplin des Politischen Marketings jedoch ist darauf ausgerichtet, die Aktivitäten der politischen Akteure und deren Beziehungen und Prozesse untereinander deskriptiv darzustellen und zu analysieren.
2.2. Forschungsstand
Das Kernanliegen des PM lässt sich in folgender Fragestellung zusammenfassen:
Wie (z.B. Aufbau von Vertrauen, Anpassung oder Beeinflussung) kann eine politische Partei wo (Berücksichtigung politischer und sozialer Rahmenbedingungen) wen (Zielgruppen) mit welchen Mitteln (z.B. Dialog oder Massenkommunikation, eigene oder unabhängige Medien) durch was (Produkt Politik,) wann (kurz vor der Wahl oder immer) überzeugen und mobilisieren, das Kreuz zu setzen, und zwar an der „richtigen“ Stelle.
Aus dieser Fragestellung heraus sollen im Folgenden die wichtigsten Bereiche des PMs dargestellt werden, welche sich vorrangig auf die Beeinflussung von Bürgern beziehen, da sich die Politikwissenschaft hauptsächlich mit dieser Seite auseinandersetzt (Schneider 2004: 32). Hierbei spielt beispielsweise die Kampagnenforschung eine bedeutende Rolle. Auf die Dimension der Anpassung wird in der Politikwissenschaft eher in traditionellen Forschungsbereichen und nicht innerhalb des PM eingegangen (z.B. Responsivität oder das Efficacy Konzept). Möchte eine Partei Marketing betreiben, muss sie sich zunächst darüber im Klaren sein, wen sie als Wähler gewinnen möchte (Zielgruppen) und warum diese Zielgruppen eine bestimmte Partei wählen (Wahlverhalten). Darauf aufbauend, jedoch eng verknüpft mit der politischen Strategie, entsteht die PM-Strategie, in welcher vor allem die Medien, aber auch andere PM- und Kommunikationsinstrumente eine wichtige Rolle spielen. Abschließend sollen in diesem Kapitel Besonderheiten und Entwicklungen bezüglich der Wahlkampfphase aufgezeigt werden.
Zunächst ist also relevant, wer von der Partei oder dem politischen Akteur primär angesprochen werden soll. Diese Zielgruppen werden in der Literatur unterschiedlich abgegrenzt. Henneberg (2003: 20) teilt den relevanten Markt in seiner Darstellung in drei Teilmärkte: den Wahlmarkt, den Regierungsmarkt und den Markt für politischen Aktionismus (vgl. hierzu Anhang 1). Für die Parteien als Hauptakteure sind neben den Medien und Interessengruppen dabei insbesondere parteiinterne Gruppen relevant (beispielsweise Kandidaten oder Mitglieder). Weitere Akteure sind die Legislative und die Exekutive, aber auch externe Dienstleister (Agenturen, Berater). Dabei ist es denkbar, dass beispielsweise Dienstleister ein anderes Verständnis der Beziehung von Marketing und Politik haben als Parteipolitiker. Sinnig erscheint auch die Zielgruppenunterteilung von Manuel Merz in Journalisten, Meinungsführer, Freiwillige, Spender und die Wahlberechtigten. Die Wahlberechtigten unterteilt Merz wiederum in eigene Sympathisanten, unentschiedene Wahlberechtigte und fremde Sympathisanten sowie Nichtwähler (Merz 2006: 33). Interessant ist auch der Zeitpunkt der Entscheidung. So scheint mit dem Anteil der Wechselwähler auch der Anteil an so genannten Spätentscheidern zu wachsen (Eisel 2006: 24). Hierbei geht es bereits um das Verhalten von Wählern, auf welches im folgenden Abschnitt eingegangen werden soll.
In Kapitel eins wurde davon ausgegangen, dass für Parteien und Politiker die Stimmenmaximierung das übergeordnete Ziel ist. Demnach sind die Wähler die direkte Bezugsgruppe und rücken somit als Hauptzielgruppe in den Mittelpunkt des Interesses von Politikern. Wähler lassen sich nach ihrem Wahlverhalten genauer klassifizieren. An dieser Stelle soll es zunächst um das Wahlverhalten selbst gehen, denn um Wähler anzusprechen, ist es hilfreich, die Motivation für deren Verhalten kennen. So sucht die Wahlforschung als politikwissenschaftliches Feld nach Erklärungsmustern des Wählerverhaltens (Schneider 2004: 46). Dabei versuchen verschiedene soziologische Ansätze, der sozialpsychologische Ansatz und das Rational-Choice-Modell das Wahlverhalten zu begründen.
Der soziologische Ansatz betrachtet Menschen als soziales Wesen, das sich in unterschiedlichen sozialen Kreisen bewegt (Mikrosoziologischer Ansatz) und durch den Einfluss sozialhistorischer und politikgeschichtlicher Elemente, den so genannten Cleavages (Makrosoziologischer Ansatz) beeinflusst wird. Entsprechend sei das Verhalten mit dem jeweiligen sozialen Kontext verknüpft (ökonomischer Status, Religion, Alter, Wohnort, Beruf). Der sozialpsychologische Ansatz hingegen unterscheidet zwischen langfristigen Determinanten (Parteiidentifikation als psychologische Parteimitgliedschaft) und kurzfristigen Determinanten (Themen, Kandidaten) der Wahlentscheidung. Der Homo Oeconomicus der Rational-Choice-Theorie fasst seinen Wahlentschluss hingegen nach einer individuellen und rationalen Kosten-Nutzen Kalkulation (Downs 1968). Diese Konzepte schließen sich jedoch gegenseitig nicht aus, sondern ergänzen sich im so genannten „Kausaltrichter der Wahlforschung“ (vgl. Anhang 2).
Darst. 7: Zustandekommen der Wahlentscheidung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: In Anlehnung an Andersen/Gehne 2005: 57.
In der politischen Soziologie unterscheidet man die Wähler nach verschiedenen Kriterien und gelangt so zu Wählertypen, die man im PM-Kontext auch als Zielgruppen bezeichnen könnte. So unterscheidet man Stammwähler (beständiges Abstimmungsverhalten zu Gunsten einer Partei), Wechselwähler (Wähler, die bei mindestens zwei aufeinander folgenden Wahlen einer Ebene ihre Stimme verschiedenen Parteien gegeben haben), Nichtwähler, und weiterführend in Erst- und Jungwähler (Woyke 2002: 46 ff.). Die ersten beiden Gruppen werden bei dieser Einteilung oft als die wichtigsten Zielgruppen bezeichnet (Öllerking 1988: 288), wobei sich die Wahlforschung darüber einig zu sein scheint, dass die Bedeutung der Stammwähler abnimmt, während die der Wechselwähler zunimmt (Andersen/Gehne 2005: 54). Diese Typen lassen sich beispielsweise wiederum in Untergruppen unterteilen: affektueller oder zweckrationaler Wechselwähler und traditionaler oder wertrationaler Stammwähler.[33] Die Gruppe der Nichtwähler lässt sich wiederum unterteilen in unfreiwillige Nichtwähler (Hinderung durch z.B. unvorhersehbare Ereignisse), regelmäßige Nichtwähler (freiwilliger Verzicht auf die Nutzung des Wahlrechts, oft junge, politisch uninteressierte Menschen), gelegentliche Nichtwähler (Wahlentscheidung in Abhängigkeit von der Knappheit des Wahlergebnisses oder von der Zufriedenheit mit der aktuellen Politik der „eigenen“ Partei), verdrossene Nichtwähler (dieser auch als „neuer Typ“ bezeichnete Nichtwähler bezeichnet Motive wie mangelndes Vertrauen zu Politikern, Unzufriedenheit mit Politikergebnissen aber auch wie beim regelmäßigen Nichtwähler fehlendes Interesse) und gleichgültige Nichtwähler (der zwar politisch interessiert ist, entscheidet sich aber wegen nachteiligem Kosten-Nutzen Kalkül und mangelnder Unterscheidbarkeit der Politikangebote gegen die Wahl) (Andersen/Gehne 2005: 53).
Die Wahlforschung geht davon aus, dass die langfristigen Determinanten an Einfluss auf die Entscheidung verlieren, was die Themen- und Kandidatenorientierung an Bedeutung gewinnen lässt (vgl. Darst. 7). Um zunehmende Wechselwählerschaft anzusprechen, muss der Bürger in seiner Interessenlage betroffen sein, die Person muss das Thema mit der entsprechenden Partei verknüpfen, und die Aufmerksamkeit des potentiellen Wechselwählers muss geweckt werden.
Politische Parteien sind traditionell verankerte Institutionen, deren PM-Strategie wohl kaum von der politischen Strategie zu entkoppeln ist. In Anlehnung an Sarcinellis (2003) Definition einer Wahlkampfstrategie lässt sich eine PM-Strategie definieren als „alle politischen Planungen sowie die den Verlauf der Wahlkampagne bestimmenden personellen, programmatischen und organisatorischen Maßnahmen (…), mit denen bestimmte politische Ziele unter Berücksichtigung der eigenen Möglichkeiten, der sich verändernden politisch- situativen Gegebenheiten und des Potentials des politischen Gegners erreicht werden sollen.“ Determinanten für die Umsetzung einer Strategie sind Ausgangslage, Organisation, Budget und Zielgruppen. Insbesondere die Organisation einer Partei ist dabei bedeutsam. Diese steuert die Wahlkampfführung zentral und koordiniert die Einbeziehung der regionalen Parteibasis.
Es geht darum, einerseits die wesentlichen Themen (hierbei kann Marktforschung eine wesentliche Rolle spielen (Hoogvliet/Stettner 2004: 89-101)) zu finden und zu vermitteln und sich damit gleichzeitig von der politischen Konkurrenz abzugrenzen. Dies wird angesichts der inhaltlichen Angleichung der Volksparteien immer wichtiger, aber für eben jene auch immer schwieriger. Aus diesem Grund dürfte für Volksparteien generell eine Emotionsstrategie Erfolg versprechender sein als eine Kognitionsstrategie. Dies ist erreichbar durch die richtige Auswahl wählerwirksamer Themen einerseits und durch überzeugende Vermittlung andererseits. Für Auswahl und Vermittlung von Themen zur Mobilisierung und Emotionalisierung der Bürger sind folgende Kriterien (strategischer Natur) zu berücksichtigen: Betroffenheit, Bedeutung, Kompetenz, Glaubwürdigkeit, Transparenz, Personalisierung, Exklusivität, Mobilisierung und Wiederholbarkeit (Zollaus/Weilmann 2004:
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