Der Buddhismus gilt heute neben dem Islam, dem Judentum, dem Christentum und dem Hinduismus als eine der großen Weltreligionen. Als sein Begründer wird der im 6. Jahrhundert v. Chr. lebende historische Buddha, Siddharta Gautama, gesehen. Auf seine Lehre berief sich zunächst nur der elitäre Mönchsorden der Theravada, bis um die Zeitenwende eine dem breiten Volke zugänglichere Form, der Mahayana-Buddhismus bzw. das „große Fahrzeug“ entstand.
Erst in deren Folge entwickelte sich die tibetische Sonderform des „Diamant-Fahrzeugs“, der sogenannte Lamaismus, deren derzeitiges Oberhaupt Tenzin Gyatso, XIV. Dalai Lama, ist.
Im Folgenden soll nun in Anlehnung an die tibetische Sonderform, vornehmlich die Rolle der Ethik im Gesamtkontext des tibetischen Buddhismus, ihr dortiges Verständnis und Ihre Darstellung untersucht werden. Der Grund, warum hier der tibetische Ableger Gegenstand der Untersuchung ist und nicht eine der beiden anderen Formen, liegt einerseits an seiner Übersichtlichkeit und klaren Gliederung, andererseits an seinem mittlerweile hohen Bekanntheitsgrad und „Beliebtheit“.
In diesem Sinne soll anfangs ein allgemeiner Überblick über den historischen Buddha, Siddharta Gautama, und seine erste Lehrrede in Benares gegeben werden, um danach zu den Vorbetrachtungen zur Ethik und damit zum Menschen, seinen Taten sowie den ethischen Grundlagen überzugehen. Anschließend werden die drei Arten der Ethik im tibetischen Buddhismus dargelegt und zum Schluß noch eine ihrer individuellen Ausübungsformen beschrieben.
Um das Jahr 563 v. Chr. wurde im südlichen Nepal der spätere Begründer des Buddhismus, Siddharta Gautama, in das fürstliche Geschlecht der Shakaya geboren.
In jungen Jahren heiratete er die aus einer Nachbarprovinz...
Inhalt
1. Prolog
2. Der Buddhismus – Ein Überblick
2.1 Der historische Buddha
2.2 Buddhas Lehre
3. Vorbetrachtungen zur buddhistischen Ethik
3.1 Der Mensch und seine Taten
3.2 Ethische Grundlagen
4. Über die drei Arten der Ethik
5. Die Ethik der persönlichen Befreiung als Übung
6. Epilog
7. Bibliographie:
1. Prolog
Der Buddhismus gilt heute neben dem Islam, dem Judentum, dem Christentum und dem Hinduismus als eine der großen Weltreligionen. Als sein Begründer wird der im 6. Jahrhundert v. Chr. lebende historische Buddha, Siddharta Gautama, gesehen. Auf seine Lehre berief sich zunächst nur der elitäre Mönchsorden der Theravada, bis um die Zeitenwende eine dem breiten Volke zugänglichere Form, der Mahayana-Buddhismus bzw. das „große Fahrzeug“ entstand.
Erst in deren Folge entwickelte sich die tibetische Sonderform des „Diamant-Fahrzeugs“, der sogenannte Lamaismus, deren derzeitiges Oberhaupt Tenzin Gyatso, XIV. Dalai Lama, ist.[1]
Im Folgenden soll nun in Anlehnung an die tibetische Sonderform, vornehmlich die Rolle der Ethik im Gesamtkontext des tibetischen Buddhismus, ihr dortiges Verständnis und Ihre Darstellung untersucht werden. Der Grund, warum hier der tibetische Ableger Gegenstand der Untersuchung ist und nicht eine der beiden anderen Formen, liegt einerseits an seiner Übersichtlichkeit und klaren Gliederung, andererseits an seinem mittlerweile hohen Bekanntheitsgrad und „Beliebtheit“.
In diesem Sinne soll anfangs ein allgemeiner Überblick über den historischen Buddha, Siddharta Gautama, und seine erste Lehrrede in Benares gegeben werden, um danach zu den Vorbetrachtungen zur Ethik und damit zum Menschen, seinen Taten sowie den ethischen Grundlagen überzugehen. Anschließend werden die drei Arten der Ethik im tibetischen Buddhismus dargelegt und zum Schluß noch eine ihrer individuellen Ausübungsformen beschrieben.
2. Der Buddhismus – Ein Überblick
2.1 Der historische Buddha
Um das Jahr 563 v. Chr. wurde im südlichen Nepal der spätere Begründer des Buddhismus, Siddharta Gautama, in das fürstliche Geschlecht der Shakaya geboren. In jungen Jahren heiratete er die aus einer Nachbarprovinz stammende Prinzessin Yashodara mit der er einen Sohn namens Rahula hatte. Bis zu seinem neunundzwanzigsten Lebensjahr führte Gautama als der Sohn eines Hindu Rajhas, ein seiner Kaste entsprechendes luxuriöses, ausschweifendes und sorgloses Leben in den drei Palästen seines Vaters.[2]
Des ewigen Müßiggangs und der isolierten Lebensweise überdrüssig, wollte er eines Tages die Welt außerhalb des Palastes erkunden und traf dabei auf Alter, Krankheit und Tod.[3] Mit dem Leiden in der Welt konfrontiert, gab Siddharta, tief berührt von diesem prägenden Erlebnis, seinen königlichen Status auf, schnitt sich das standesgemäße, üppige Haar und verließ, mitten in der Nacht, seine Familie, nicht ohne noch einen letzten Blick auf seine schlafende Frau und seinen Sohn zu wagen.[4]
Er wählte bewußt das Leben eines Bettelasketen und nahm einen „ethischen Verhaltenskodex“ an.[5] Aber sein Versuch, mit Hilfe brahamanischer Weiser den Sinn des Lebens durch Yoga und Askese zu ergründen, endete nach sechs Jahren abrupt, als er – obwohl er eine kleine Schar von Anhängern um sich sammeln konnte – keinen Fortschritt mehr bei sich selbst erkannte und daraufhin gegen die von seinen Lehrern übermittelten Regeln zu verstoßen begann.
Nach dem Ausschluß aus der Gemeinschaft der Sinnsuchenden begann Siddharta Gautama auf sich selbst gestellt mit konzentrierter Meditation und speziellen Weisheitsübungen unter einem Feigenbaum im kleinen Dorf Gaya, östlich von Benares, wo er nach alter Überlieferung innerhalb von 49 Tagen der Versenkung schließlich und endlich die Erleuchtung erlangte.
Durch dieses weit über eine intellektuelle Wandlung hinausgehende innere Erlebnis zu einem Buddha[6] geworden, frei von Verblendung und Leidenschaft, zutiefst erfüllt vom Mitgefühl gegenüber allen Lebewesen, schuf Siddharta auf der Grundlage seines Wissens um die vier Grundwahrheiten, die zum Achtfachen Pfad[7] führen, das Fundament für seine spätere, praktische Lehre. Zum Zwecke ihrer Verbreitung ging Buddha auf Jahrzehnte währende Wanderschaft, wobei er zunächst nach Benares zurückkehrte und seine ehemaligen Anhänger erneut zu unterweisen begann.[8] Im Laufe der Zeit vergrößerte sich die Zahl der Gläubigen und Buddha widmete sein restliches Leben der Organisation seiner Schülergruppen, die später die Grundlage der buddhistischen Gemeinschaft bilden sollten, bis ihn dann im Alter von 81 Jahren etwa um 483 v. Chr. der Tod ereilte.
Obwohl es bis heute Kontroversen über verschiedene Auslegungen des Lebens Buddhas gibt, herrscht gleichwohl eine Übereinstimmung darin, daß seine Lehre mit der gegenüber seinen ehemaligen Anhängern gehaltene Predigt, ihren Anfang nahm, die von allen Strömungen des Buddhismus gleichermaßen als richtungsweisend akzeptiert wird.
2.2 Buddhas Lehre
In der Predigt von Benares, dem „Fahrzeug der reinen Lehre“, konzentriert sich seit Alters her die Essenz des Buddhismus. Dort verheißt Buddha den Menschen die Erlösung, wenn sie bereit sind den „mittleren Weg“ zwischen
Überfluß und Askese zu beschreiten und verkündet seine Erkenntnisse über „Karma“, das Weltgesetz, ein Prozeß des ewigen Wandels.
Mit dem „Ingangsetzen des Rades des Gesetzes“, dem eigentlichen religiösen Programm, werden hier die vier Grundwahrheiten[9] vom Leiden[10], dessen Entstehung und Aufhebung zum Fundament erklärt und damit Vorbedingung zum Beschreiten des Achtfachen Pfades bzw. „mittleren Weges“.
Diese Grundwahrheiten gliedern sich in, erstens, die Erkenntnis des wahren Leidens, zweitens die Feststellung der wahren Ursprünge des Leidens, drittens das Erkennen der Möglichkeit einer wahren Beendigung des Leidens und, viertens, die Durchführung des wahren Weges zur Beendigung des Leidens.[11]
Darauf aufbauend gibt der Achtfache Pfad im Sinne Buddhas eine praktische Umsetzung[12] des wahren Weges zur Beendigung des Leidens, acht Gebote und fünf Verbote.
Zu den Geboten gehören am Anfang die rechte Sichtweise, die auch mit dem Erkennen der vier Grundwahrheiten assoziiert wird. An zweiter Stelle steht die rechte Gesinnung als bewußte Entscheidung für das Ziel der Erleuchtung, was „eine Orientierung an der buddhistischen Ethik impliziert“[13]. Danach folgt die rechte Rede, eine ethische Ausrichtung des Sprachverhaltens und, mit ihr verbunden als viertes Glied, das rechte Handeln bzw. die Abkehr von schädigendem Tun anderen gegenüber. Schließlich steht an fünfter Stelle der oft als „Resultat der ersten vier Glieder“ gedeutete rechte Lebenswandel.
Das rechte Bemühen, die rechte Achtsamkeit und die rechte Sammlung sind die letzten drei Glieder das Achtfachen Pfades und bezeichnen die korrekte Einhaltung des „mittleren Weges“, die kritische Beobachtung des eigenen Wesens, wie die Konzentration bei allen Handlungen.[14]
Die fünf Verbote umfassen das Auslöschen jeglichen Lebens, das Stehlen, den Ehebruch, das Lügen, und den Genuß von Rauschgift.
Komprimiert ergeben die acht Gebote eine Art von Dreiklang, wonach das erste und zweite Gebot unter dem Begriff „Weisheit“ zusammengefaßt werden. Vom dritten bis zum fünften Gebot spricht man von Zucht oder „Ethik“. Schließlich werden das sechste, siebente und achte Gebot unter dem Begriff der „Meditation“ subsummiert.[15]
Derjenige, der die acht Gebote einhält, so lehrte Buddha, wird als Mensch wiedergeboren und sein oberstes erreichbartes Ziel bleibt das „Nirvana“[16].
Wenn der Mensch es schafft, den Kreislauf der Wiedergeburten zu durchbrechen, hat er seine Seelenruhe erreicht. Wie aber soll nun der Mensch diesen Schritt überhaupt vollbringen und welche Auffassung hat der Buddhist von ihm?
[...]
[1] Greschat, H.J., Die Religion der Buddhisten, München 1980, S.44.
[2] Hackett, S.C., Oriental Philosophy. A Westerner`s Guide to Eastern Thought, London 1979, S. 75.
[3] Gäng, P., Was ist Buddhismus?, Frankfurt/Main 1996, S.26,27.
[4] Hackett, S. 76.
[5] Gyatso, T., Der Weg zum Glück. Sinn im Leben finden, Freiburg 2002, S.24.
[6] Von „budh“ (Sanskrit), zu deutsch „erwachen“. Jemand, der, „aus der Nacht des Irrtums zum Lichte der Erkenntnis gelangt ist“. Buddha stellt ursprünglich keinen Gott dar, sondern das im Menschen befindliche geistige Potential und religiöse Ideal.
[7] Im Buddhismus gilt dieser Pfad, auch „mittlerer Weg“ genannt, als Wahrzeichen.
[8] Hackett, S.77.
[9] Der Begriff „Wahrheit“ impliziert im buddhistischen Kontext, da er als „Seiendheit“ gedeutet wird, kein eigentliches Wahrheitspostulat, sondern vielmehr eine Erscheinbungserklärung, Siehe Gäng, S.65.
[10] Als „duhka“, Leiden, bezeichnet der Buddhist nicht nur Traurigkeit, Todesangst etc., sondern vor allem die lasterhafte Gebundenheit an eine sich ständig verändernde Welt. Ebd., S.66. Der Urgrund des Leidens als Axiom: siehe Lehmann, J., Buddha, München 1980, S.84.
[11] Gyatso, S.32.
[12] Nach Gäng wäre der Achtfache Pfad ohne diesen Praxisbezug nicht einmal „graue Theorie“. Gäng, S.70ff.
[13] Ebd., S.72.
[14] Gäng, S.70-74.
[15] Diese Aufteilung deckt sich mit der Triologie der Reden Buddhas, die von seinen Jüngern nach dessen Tod verfaßt wurden.
[16] „Nirvana“ (Sanskrit), zu deutsch „Verwehen“, ist einer der Verknüpfungspunkte des Buddhismus mit der altindischen Metaphysik und als Endziel des Lebensweges, das Erlöschen des Daseinsdranges, dem Grund für die Wiedergeburt. Es steht im Widerspruch zur westlichen Auffassung eines sinnvollen Lebens, da es genau das Gegenteil von dem darstellt, was der westlich orientierte Mensch zu erreichen bemüht ist. Denn das „Sein“ ist für den Buddhisten wichtiger und erstrebenswerter als das „Haben“.
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