Spanisch an berufsbildenden Schulen in Niedersachsen


Examensarbeit, 2006

102 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Fragestellung
1.2 Gliederung der Examensarbeit

2 Die spanische Sprache
2.1 Klassifikation
2.2 Verbreitung

3 Historische Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts
3.1 bis
3.2 1945 bis heute

4 Bildungspolitische Aspekte des Fremdsprachenlernens
4.1 Allgemeine staatliche Regelungen des Fremdsprachenunterrichts
4.2 Rahmenrichtlinien des Fremdsprachenunterrichts an berufsbildenden Schulen in Niedersachsen

5 Situation der Fremdsprachenausbildung an berufsbildenden Schulen
5.1 Stellenwert der Fremdsprachen und insbesondere des Spanischen an berufsbildenden Schulen (quantitative Aspekte)
5.1.1 Deutschland
5.1.2 Niedersachsen
5.2 Zertifizierung von Fremdsprachenkenntnissen

6 Fremdsprachen aus unternehmerischer Sicht
6.1 Fremdsprachenbedarf der Unternehmen
6.2 Interkulturelle Kompetenz als neue Schlüsselkompetenz
6.2.1 Schlüsselkompetenzen
6.2.2 Interkulturelle Kompetenz

7 Facetten des modernen Fremdsprachenunterrichts
7.1 Überblick
7.2 Handlungsorientierung
7.3 Ganzheitlichkeit
7.4 Sozialformen
7.4.1 Grundformen
7.4.2 Weitere Sozialformen
7.5 Neue Medien
7.6 Bilingualer Unterricht

8 Resümee

Literatur

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Die romanische Sprachfamilie

Abbildung 2: Fremdsprachen nach Schulformen

Abbildung 3: Französisch und Spanisch im Vergleich

Abbildung 4: Französisch und Spanisch an den Fachgymnasien

Abbildung 5: Dimensionen beruflicher Handlungskompetenz

Abbildung 6: Internationale Kompetenzen

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Spanisch als offizielle Landessprache

Tabelle 2: Schüler mit Fremdsprachenunterricht an berufsbildenden Schulen der

Jahre 1986 bis 2004 (Deutschland)

Tabelle 3: Fremdsprachen an berufsbildenden Schulen (Deutschland)

Tabelle 4: Fremdsprachenunterricht nach Schulformen

Tabelle 5: Schüler mit Fremdsprachenunterricht an berufsbildenden Schulen der

Jahre 1986 bis 2004 (Niedersachsen)

Tabelle 6: Fremdsprachen an berufsbildenden Schulen (Niedersachsen)

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1 Fragestellung

Am 30.12.2004 titelt die NWZ in ihrer Donnerstagsausgabe „Schüler-Ansturm auf Spanisch“ (vgl. Röhr 2004, S. 26). In dem Artikel wird das Fremdsprachen-Wahlverhalten der Oldenburger Schülerinnen und Schüler[1] an allgemein bildenden Schulen analysiert. Die Fremdsprache Spanisch sei dabei so beliebt, dass die Nachfrage nicht vollends befriedigt werden kann. Bei einem entsprechenden Angebot würden sich bedeutend mehr Schüler für diese Sprache entscheiden. Ob dieser Trend nur für die allgemein bildenden Schulen gilt oder auch an berufsbildenden Schulen zum Tragen kommt, ist eine der in dieser Examensarbeit untersuchten Fragen.

Globalisierung ist keine moderne Phrase, sondern vielmehr eine reine Tatsache, die sich auf politischer, kultureller und wirtschaftlicher Ebene vollzieht. Dies wird durch den nicht nur für Deutschland sehr hohen Export- und Importanteil am Bruttosozialprodukt belegt, sondern lässt sich ebenfalls anhand des wachsenden weltweiten Reiseverkehrs sowie der globalen Verflechtung durch Informations- und Kommunikationstechniken belegen (vgl. Weiß & Schöpper-Grabe 2001, S. 135). Mit dem Prozess der Globalisierung ist gleichzeitig ein sich verschärfender internationaler Wettbewerb der Standorte verbunden. Durch die in diesem Zusammenhang verstärkte internationale Ausrichtung der Geschäftsstrategien werden Fremdsprachenkenntnisse immer wichtiger. Sie gelten als strategischer Wettbewerbsfaktor, der nicht nur die international tätigen Konzerne betrifft, sondern auch die kleineren und mittleren Unternehmen berührt, da sich auch für diese vermehrt Marktchancen im Ausland ergeben. Gerade für Europa mit seinen relativ kleinen Staaten hat diese Thematik eine hohe Signifikanz. Denn durch den stetigen Ausbau der Europäischen Union verschwinden zwar die europäischen Handelsbarrieren – die verschiedenen Sprachen und Kulturen der europäischen Länder bleiben jedoch weitestgehend bestehen. In dieser vielschichtigen Sprach- und Kulturlandschaft Europas sind die Fremdsprachen der Schlüssel zur Verständigung. Nur mit dem Erlernen von Fremdsprachen lassen sich Sprachbarrieren überwinden. Bildungsforscher bestätigen, dass Fremdsprachen in der heutigen Zeit immer wichtiger werden. Dies gelte vor allem für den beruflichen Bereich. So sind die berufsbildenden Schulen, die ihre Schüler schließlich auf die berufliche Zukunft vorbereiten sollen, gefordert, auf diese Entwicklung zu reagieren. Hier stellt sich die Frage, ob die Fremdsprachen in einem ausreichendem Maße gelehrt werden? Ein weiterer interessanter Aspekt betrifft die Auswahl der Fremdsprachen. Reicht der Erwerb des Englischen als lingua franca[2] aus? Oder macht es Sinn, weitere Fremdsprachen neben dem Englischen zu erlernen, wenn doch in Kürze – wie von einigen prognostiziert – nahezu jeder Europäer die englische Sprache beherrscht? Auch auf diese Fragen soll in der vorliegenden Examensarbeit eingegangen werden.

Dass das Fremdsprachenlernen heutzutage auch außerhalb der öffentlichen Schulen boomt, lässt sich ebenfalls an der florierenden Fremdsprachenindustrie ablesen. Mit hohem Werbeaufwand versucht sie zu vermitteln, dass das Sprechen von Fremdsprachen zu einem festen Bestandteil einer ausgereiften Persönlichkeit gehört und ein sozialer wie beruflicher Aufstieg ohne das Beherrschen von zumindest einer Fremdsprache nicht möglich ist (vgl. Denjean 2000, S. 13). Dementsprechend breit ist auch das Angebot an Lernsoftware, Übersetzungscomputern, Nachschlagewerken und Lehrbüchern. Dabei verspricht die Fremdsprachenindustrie jedes Jahr Produkte, die besser, effektiver, moderner, schneller, spannender oder auch entspannender sind. Die Methoden sind vielfältig und gehen vom intensiven „Crash-Kurs“ bis hin zur meditativen Entspannung im bequemen Sessel. Auch an berufsbildenden Schulen versuchen die Verantwortlichen, einen optimalen Fremdsprachenunterricht anzubieten. Aufgrund immenser Fortschritte in der Spracherwerbsforschung verändern sich jedoch die Vermittlungsstrategien laufend. Die berufsbildenden Schulen müssen dabei die Tatsache berücksichtigen, dass die Schüler häufig äußerst heterogene Voraussetzungen mitbringen. Aus meiner eigenen Erfahrung an der Berufsschule kann ich bestätigen, dass die Gestaltung des Englischunterrichts für meine Lehrerin ein schwieriges Unterfangen gewesen ist. Denn je zur Hälfte bestand die Klasse der angehenden Bankkaufleute aus Absolventen der Realschule und des Gymnasiums. So kam es in unserem Englischunterricht zum Problem der Unter- oder Überforderung von Schülern, worunter wiederum die Lernmotivation der Schüler leiden musste. Es drängen sich also die Fragen auf: Wie muss ein Fremdsprachenunterricht gestaltet sein, dass er für die Schüler nicht langweilig, sondern interessant und abwechslungsreich ist? Welche grundsätzlichen Konzepte versprechen einen optimalen Lernerfolg? Diese Examensarbeit versucht zu zeigen, dass ein moderner Fremdsprachenunterricht nicht nur – wie so häufig der Fall – auf die Kognition, also das Denken ausgerichtet sein sollte. Dabei werden diese Herausforderungen des Fremdsprachenunterrichts stets aus der Sicht der Berufsbildung näher beleuchtet.

Neben der Fremdsprachenkompetenz wird zukünftig der interkulturellen Kompetenz ein erhöhter Stellenwert beigemessen. Nicht allein aufgrund der sich ständig ausweitenden Absatzmärkte und Verflechtungen international tätiger Unternehmen, sondern auch aufgrund der tagtäglichen Interaktion innerhalb der deutschen Grenzen. Denn ein Blick in die demographischen Daten verdeutlicht, dass über 7 Millionen Ausländer in Deutschland leben. Das entspricht fast 9 % der Gesamtbevölkerung. So kann zweifelsfrei behauptet werden, dass wir in einer multikulturellen Gesellschaft leben (vgl. Geißler 1990, S. 57 f.). Wie kann jedoch der Fremdsprachenunterricht zur Bildung einer interkulturellen Kompetenz beitragen? Auch auf diese Fragestellung soll der Leser in dieser Examensarbeit eine Antwort finden.

Dass das Fremdsprachenlernen immer wichtiger wird, ist allgemeiner Tenor der Berufsbildungstheoretiker. Keine so eindeutige Übereinstimmung herrscht dagegen unter den Fremdsprachenlehrern bezüglich der didaktischen Konzepte. In lebhaften Diskussionen werden Für und Wider bestimmter Methoden abgeschätzt. Insbesondere die Gestaltung eines berufsorientierten Fremdsprachenunterrichts wirft unzählige Fragen auf. In dieser Arbeit sollen grundlegende Konzepte der Fremdsprachenvermittlung aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Mit den gewonnen Erkenntnissen soll die Beantwortung der Frage, wie ein erfolgreicher Fremdsprachenunterricht an berufsbildenden Schulen auszusehen hat, versucht werden.

1.2 Gliederung der Examensarbeit

Das Ziel dieser Examensarbeit ist es, bezüglich der genannten Fragestellungen die jeweilige Problematik aufzuzeigen sowie neue Erkenntnisse zu gewinnen. Auch wenn vielleicht nicht auf alle Fragen eindeutige Antworten gegeben werden können, so kann eine differenzierte Darstellung der jeweiligen Thematik einen wertvollen Überblick liefern. Zu diesem Zweck werde ich zu Beginn der Examensarbeit die spanische Sprache vorstellen. Dabei wird sowohl die historische Entwicklung als auch das heutige Verbreitungsgebiet der spanischen Sprache beleuchtet. Daraufhin erfolgt ein kurzer geschichtlicher Rückblick auf die Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts in Deutschland. Im 4. Kapitel werden die bildungspolitischen Aspekte des Fremdsprachenlernens aufgezeigt. Zunächst erfolgt eine kurze Präsentation der staatlichen Regelungen für alle öffentlichen Bildungseinrichtungen. Anschließend werden die derzeit gültigen Rahmenrichtlinien für den Fremdsprachenunterricht in den niedersächsischen berufsbildenden Schulen dargestellt.

Somit wäre der Rahmen gegeben für eine ausführliche Analyse der derzeitigen Situation des Fremdsprachenunterrichts an den berufsbildenden Schulen. Mit dem Hintergrundwissen der historischen Entwicklung sowie der bildungspolitischen Aspekte des Fremdsprachenunterrichts wird im 5. Kapitel der momentane Stellenwert der verschiedenen unterrichteten Fremdsprachen und insbesondere des Spanischen diffizil beurteilt. Zunächst erfolgt diese Analyse für den gesamtdeutschen Raum und im weiteren Verlauf für das Bundesland Niedersachsen mit äußerst interessanten und so nicht zu erwartenden Ergebnissen. In diesem Zusammenhang erscheint eine Analyse der Fremdsprachen aus unternehmerischer Sicht sinnvoll. So wird im 6. Kapitel zunächst der Fremdsprachenbedarf der deutschen Unternehmen aufgedeckt. Weiterhin werden die charakteristischen Merkmale der interkulturellen Kompetenz als zukunftsträchtige Schlüsselkompetenz beleuchtet. Außerdem werden verschiedene Möglichkeiten des Fremdsprachenunterrichts aufgezeigt, die zur Bildung einer interkulturellen Kompetenz beitragen können.

Das 7. Kapitel versucht Facetten eines modernen Fremdsprachenunterrichts aufzuzeigen. Selbstverständlich können im Rahmen dieser Examensarbeit nicht alle Gebiete des Fremdsprachenlernens thematisiert werden. Bei der getroffenen Auswahl handelt es sich um grundlegende didaktische Prinzipien des Fremdsprachenunterrichts, die einer expliziten Analyse unterworfen werden. Zu diesen zählen neben einer ausgeprägten Handlungsorientierung auch die in diesem Zusammenhang oft genannte Ganzheitlichkeit. Des Weiteren existieren gerade für den Fremdsprachenunterricht interessante Anwendungsmöglichkeiten im Bereich der verschiedenen Sozialformen, der neuen Medien und des bilingualen Fremdsprachenunterrichts.

Zum Abschluss der vorliegenden Examensarbeit werden in einem Resümee die wichtigsten Erkenntnisse der einzelnen Kapitel zusammengefasst. Dazu werden insbesondere die Probleme der Fremdsprachenvermittlung an berufsbildenden Schulen aufgezeigt. Letztlich erfolgt der Versuch einer Betrachtung der zukünftigen Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts und insbesondere des Spanischen an den berufsbildenden Schulen.

2 Die spanische Sprache

2.1 Klassifikation

Dass unter romanischen Sprachen wie dem Französischen, dem Spanischen oder dem Italienischen große Ähnlichkeiten bestehen, ist schon seit vielen Jahrhunderten bekannt. Tausende Wörter haben einen gleichen Wortstamm und werden außerdem vielfach sehr ähnlich ausgesprochen. Im Zuge der Kolonialisierung wurde allerdings ebenfalls aufgedeckt, dass sogar Dialekte[3] aus weit entfernten Teilen der Welt – wie z.B. aus Indien – auffällige Gemeinsamkeiten mit europäischen Sprachen aufweisen. Es wurde offensichtlich, dass vor langer Zeit eine gemeinsame Muttersprache bestanden haben muss. Heute steht fest, dass vor ca. 6.000 Jahren eine indoeuropäische (oder auch indogermanische) Ursprache existierte. Aus den verschiedenen Dialekten dieser Ursprache entwickelten sich im Laufe der Zeit verschiedene Sprachen, die sich im weiteren Verlauf ihrerseits in mehrere Tochtersprachen zergliederten (vgl. Palmer 1990, S. 3 ff.). Einige dieser neu entwickelten Sprachen wie das Anatolische sind im Laufe der Zeit aus verschieden Gründen wieder ausgestorben. Die bekannteste heute nicht mehr als Muttersprache verwendete Sprache ist offenkundig das Latein, das noch vor weniger als 2.000 Jahren durch die starke Ausbreitung des “Imperium Romanum“ in großen Teilen Europas und Nordafrikas gesprochen wurde. Doch auch in dieser Zeit hat sich – bedingt durch die enormen räumlichen Distanzen – das Lateinische unterschiedlich weiterentwickelt. Das Latein in Italien hörte sich demnach anders an als in den Provinzen Spaniens (vgl. Mader 2000, S. 9).

Mit dem Untergang des Römischen Reiches im 5. Jahrhundert nach Christi fielen große Teile des Reiches an germanische Volksstämme, die natürlich auch ihre Sprachen mitbrachten. Trotzdem konnte sich das Lateinische gegenüber den neuen Sprachen behaupten. Jedoch beeinflussten die unterschiedlichen Kulturen der Sieger die lateinische Sprache in Form von neuen Wörtern, Satzstrukturen und in der Artikulation, so dass sich aus dem einheitlichen Latein verschiedene Tochtersprachen – die heutigen romanischen Sprachen – herausbildeten. Die romanischen Sprachen sind demzufolge die “modern descendants of Latin“ (vgl. Katzner 2003, S. 12), also Abkömmlinge des Lateinischen des Römischen Reiches. Insgesamt lässt sich folgende Entwicklung zusammenfassen: Zunächst entstand aus dem Romanischen das Südromanische und Festlandromanische, welches sich wiederum in das Balkanromanische, Zentralromanische und Westromanische aufgeteilt hat. Letzteres entwickelte sich einerseits zum Galloromanischen, aus dem sich später das heutige Französisch entfaltete und andererseits ins Iberoromanische, das einem Vorläufer des heutigen Spanischen oder auch Portugiesischen entspricht. Folgende Grafik verschafft einen detaillierten Überblick (vgl. Klose 2001, S. 53):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Tochtersprachen des Romanischen

Quelle: Albrecht Klose (2001): Sprachen der Welt, S. 53

Abbildung 1: Die romanische Sprachfamilie

Quelle: Klose 2001, S. 58.

Heute umfasst die gesamte romanischsprachige Bevölkerung der Erde ca. 700 Millionen Menschen, von denen aber mehr als die Hälfte zweisprachig ist (vgl. Glück 2005, S. 548).

2.2 Verbreitung

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt des beginnenden 21. Jahrhunderts leben etwa 6,5 Milliarden Menschen auf der Erde. Als Kommunikationsgrundlage dienen den Erdbewohnern über 6.400 verschiedene Sprachen. Vernachlässigt man die Zahl der Sprachen um die der kleinen Sprachen (1.000 bis 1 Million Sprecher) und der Zwergsprachen (1 bis 1.000 Sprecher) und berücksichtigt somit nur die Sprachen, die jeweils von mindestens 1 Million Menschen gesprochen werden, so verbleiben immer noch 273 Sprachen (vgl. Haarmann 2002, S. 12). Dies entspricht lediglich 4,2 % der Gesamtsprachen, jedoch bilden die Sprecher dieser Sprachen etwa 85 % der Weltbevölkerung.

Von dieser Vielzahl an Sprachen ist die spanische Sprache eine besonders verbreitete. Insgesamt 352 Mio. Menschen benennen Spanisch als ihre Muttersprache. Somit haben lediglich das Chinesische (1.210 Mio. Sprecher), das Englische (573 Mio. Sprecher) und das Hindi (418 Mio. Sprecher) eine höhere Sprecherzahl (vgl. Haarmann 2002, S. 13). Als Mittel der internationalen Verständigung liegt das Spanische hinter dem Englischen sogar auf dem zweiten Rang. Und auch in vielen internationalen Organisationen wie z.B. den Vereinten Nationen oder der Europäischen Union ist Spanisch Amtssprache. Im Vergleich mit dem Deutschen (101 Mio. Sprecher), das im Übrigen die zwölft meisten Sprecher hat, besitzt das Spanische etwa dreieinhalb mal so viele Sprecher. Die Ursache für die weite Verbreitung der spanischen Sprache liegt unter anderem in der spanischen Kolonialpolitik (vgl. Bolleé & Neumann-Holzschuh 2003, S. 7). Daraus resultierend verbreitete sich die spanische Sprache – mit Ausnahme des australischen Kontinents – auf allen Erdteilen und wird infolgedessen auch als Weltsprache bezeichnet.

Das heutige Verbreitungsgebiet der spanischen Sprache umfasst neben dem europäischen Mutterland (einschließlich der Balearen und Kanaren) sämtliche ehemalige Kolonien. In insgesamt 21 Staaten hat das Spanische den Status der Nationalsprache. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick dieser Länder mit der dazugehörigen Einwohnerzahl (vgl. Fischer Weltalmanach 2003, S. 27 ff.):

Tabelle 1: Spanisch als offizielle Landessprache

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: vgl. Fischer Weltalmanach 2003, S. 27 ff.

In den aufgeführten Ländern liegt die Zahl der Spanisch-Muttersprachler in der Regel bei über 95 %. Lediglich in Bolivien, Peru, Paraguay und Guatemala ist der Anteil der Indianersprachen (Maya, Guaraní, Quechua und andere) deutlich spürbar. Doch neben den einheimischen Indianersprachen spricht ein Großteil der indigenen Bevölkerung auch die spanische Sprache. Mexiko ist das Land mit den meisten Spanisch-Muttersprachlern. Hier wurden die ursprünglichen Sprachen fast völlig verdrängt.

In 16 der 21 mittel- und südamerikanischen Nationen gilt die spanische Sprache als Nationalsprache. Jedoch ist in Brasilien, dem größten und einwohnerstärksten Land Lateinamerikas, das Portugiesische die offizielle Landessprache. In den drei kleineren Ländern im nördlichen Südamerika (Surinam, Guyana, Französisch-Guayana) gelten Niederländisch, Englisch und Französisch als Amtssprachen. Im mittelamerikanischen Belize (ehemals Britisch-Honduras) ist die offizielle Amtssprache zwar Englisch, jedoch gilt Spanisch als Prestigesprache. Weiterhin gilt in folgenden karibischen Staaten Spanisch als offizielle Amtssprache: Kuba, Dominikanische Republik und Puerto Rico (US-Commonwealth). Gerade im zuletzt genannten Land gibt es eine Sprachenfrage, obwohl es mehr als 90 % Spanischsprecher gibt. Nach der Annexion 1898 zielte die US-Sprachpolitik auf eine rasche Anglisierung der spanischsprachigen Bevölkerung: Bereits 1903 wurde Englisch als Unterrichtssprache (nicht als Unterrichtsfach!) verbindlich. Jedoch scheiterte diese Anglisierungspolitik und führte dazu, dass die spanische Sprache zum nationalen Identitätsmerkmal der Puertoricaner wurde. In Puerto Rico wird allerdings Englisch im Prestige höher bewertet als das Spanische (vgl. Berschin, Felixberger & Fernández-Sevilla 1995, S. 27).

Die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) haben einen bedeutenden Anteil an spanischen Muttersprachlern. Und – "el español está cada día más presente en la vida americana“[4] – der Einfluss des Spanischen nimmt stetig zu (vgl. Perissinotto 2005, S. 130). Zum einen resultiert dies daraus, dass viele Bundesstaaten im Südwesten des Landes bis ins 19. Jahrhundert zum Spanischen Königreich gehörten. Zu diesen Staaten gehören Texas, New Mexiko, Arizona und zum Teil Colorado, Kansas, Kalifornien und Nevada (vgl. Fairclough 2005, S. 52). Insofern existiert hier eine Verwurzelung mit der spanischen Sprache. Zum anderen erhält die USA eine enorme Zuwanderung (vorwiegend aus Mexiko, Kuba und Puerto Rico), wodurch der Anteil der Spanisch-Muttersprachler inzwischen auf über 40 Millionen angestiegen ist (vgl. U.S. Census Bureau 2004). Das entspricht etwa knapp 15 % der US-amerikanischen Gesamtbevölkerung. Damit leben in den Vereinigten Staaten etwa so viele Spanisch-Muttersprachler wie im Ursprungsland Spanien selbst. Diese beeindruckende Zahl hat große Auswirkungen auf das amerikanische Leben. In einigen US-amerikanischen Bundesstaaten mit besonders hohen Zuwanderungsraten (z.B. Florida, New Mexiko, Kalifornien) hat sich eine bilinguale Infrastruktur in Presse, Rundfunk und Bildungswesen entwickelt. Und selbst der amerikanische Präsidentschaftswahlkampf kann sich dieser Hispanisierung nicht entziehen, wie folgendes Zitat verdeutlicht (Coffin 2003, S. 219):

„Wir sind jetzt eine der größten spanischsprachigen Nationen der Welt und eine wichtige Quelle für lateinamerikanische Musik, Kultur, und lateinamerikanischen Journalismus“ (George W. Bush auf einer Wahlkampfveranstaltung in Miami im Jahr 2000).

Einen im Bezug auf die Ausweitung der spanischen Sprache gegensätzlichen Verlauf als auf dem amerikanischen Doppelkontinent zeigen folgende Beispiele:

Das zentralafrikanische Äquatorialguinea bildet als ehemalige spanische Kolonie eine spanischsprachige Enklave auf dem afrikanischen Kontinent (vgl. Berschin, Felixberger & Fernández-Sevilla 1995, S. 20). Durch den starken Einfluss der umliegenden englischsprachigen Länder verwenden nur noch wenige Menschen die Sprache des ehemaligen Mutterlandes als Erstsprache. Monolinguale Spanischsprecher gibt es gar nicht mehr.

In der ehemaligen Kolonie Philippinen gilt Spanisch nach Taglog und Englisch immer noch als dritte Amtssprache. Jedoch war der Anteil der Spanischsprecher auf den Philippinen nie sehr hoch, da zwar Verwaltungs- und Rechtsformen der Spanier angenommen wurden, nicht aber deren Sprache. Bei einer Volkszählung von 1903, fünf Jahre nach Ende der mehr als dreihundertjährigen spanischen Herrschaft, betrug der Anteil der Spanischsprecher lediglich 10 %. Und durch die geringe spanische Einwanderung verringert sich diese Zahl kontinuierlich (vgl. Berschin, Felixberger & Fernández-Sevilla 1995, S. 22).

In Israel wird eine Varietät des Spanischen gesprochen, das Judenspanisch. Dies geht auf das Edikt des katholischen Königs Ferdinand vom 31. März 1492 zurück, demzufolge alle Juden, die nicht die katholische Religion annehmen wollten, Spanien verlassen mussten. Schätzungsweise 200.000 Juden emigrierten seinerzeit von Spanien hauptsächlich in das Osmanische Reich (vgl. Berschin, Felixberger & Fernández-Sevilla 1995, S. 20 f.). Das von den Nachfahren gesprochene Judenspanisch ist heute allerdings eine aussterbende Sprache.

3 Historische Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts

3.1 bis 1945

Die Betrachtung der Geschichte stellt nicht nur die Möglichkeit dar, sich die Wurzeln der Gegenwart zu verdeutlichen und sie dadurch besser zu verstehen, sondern beinhaltet ebenfalls einen Blick in die Zukunft. Denn so manche heutige Diskussion über Aspekte des Fremdsprachenunterrichts hat es so oder so ähnlich bereits gegeben und Forderungen nach “neuen“ Methoden oder Inhalten sind nicht neu. Schließlich darf nicht vergessen werden, dass der Fremdsprachenunterricht kein neuzeitliches Phänomen ist, sondern schon immer statt fand, wenn Menschen aus verschiedenen Sprachregionen aufeinander trafen und eine gewisse Zeit miteinander verbrachten. Im folgenden Verlauf soll die institutionelle Entwicklung der Fremdsprachenvermittlung chronologisch dargestellt werden.

Archäologische Funde der babylonisch-assyrischen Kultur belegen, dass im dritten Jahrtausend vor Christus eine Schicht von Experten nicht nur das Schreiben beherrschte, sondern auch in der Kunst des Übersetzens bewandert sein musste, was ein vorheriges Sprachenlernen voraussetzt (vgl. Hüllen 2005, S. 21). Ein ähnlicher Rückschluss kann auch für die griechische Sprache gezogen werden, die im ersten Jahrtausend vor Christus bei den Ägyptern, den Juden im Vorderen Orient und in den Völkern Kleinasiens gelehrt wurde (vgl. Law 2003, S. 14). Für den germanischen Raum sind vor der Einflussnahme durch griechisch-römische Mächte weder Schulen noch Bücher bekannt. Erst im frühen Mittelalter vollzieht sich im Zusammenhang mit der Christianisierung ein Wandel. Denn in den gegründeten Klosterschulen findet für die Klosterschüler eine systematische Unterweisung des in den Klosterschulen gängigen Lateins statt – der erste Fremdsprachenunterricht auf deutschsprachigen Boden. Von dem Zeitpunkt an bestimmen die kirchlichen Schulen für fast tausend Jahre das Bildungswesen und damit auch die Vermittlung von Fremdsprachen. Gegen Ende des 8. Jahrhunderts wird die lateinische Sprache und Grammatik zum wichtigsten Lehrfach und ist alleiniges Kommunikationsmittel in den Schulen (vgl. Lehberger 2003, S. 609). In den im Spätmittelalter entstehenden Stadtschulen und Universitäten gilt das Lateinische ebenfalls als Bildungssprache und kann zu diesem Zeitpunkt als lingua franca bezeichnet werden. Im Gegensatz dazu fehlt für die griechische Sprache eine praktische Anwendung, so dass die Bedeutung des Griechischen nachlässt (ebd.).

Im Zeitalter des Humanismus und der Reformation gewinnen die Landessprachen – bedingt durch die Entstehung von Nationalstaaten – an Bedeutung. Nach und nach setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Muttersprachen und lebenden Nachbarsprachen vor den alten Sprachen (Griechisch, Latein) unterricht werden sollen.

„Zu lernen sind deshalb nicht alle Sprachen, was unmöglich, auch nicht viele, was unnütz ist, da es für das Studium der Dinge so nötige Zeit rauben würde. Notwendig sind aber für das tägliche Leben die Muttersprache, für den Verkehr mit Nachbarn deren Sprachen.“ (Comenius (1592–1670), zit. nach Finkbeiner 1996, S. 162)

Dieses für die damalige Zeit zukunftsweisende Denken, das sich weniger an der Buchgelehrtheit, sondern verstärkt an der „Nützlichkeit“ als Kriterium orientiert, verhilft den neueren Sprachen zu einem Aufschwung. Aufgrund der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Bedeutung Frankreichs wird im 17. und 18. Jahrhundert die französische Sprache zur politischen wie auch kulturellen Verkehrssprache Europas. Am Ende des 18. Jahrhunderts ist Französisch an allen Gymnasien in Deutschland Unterrichtsfach, allerdings durchweg fakultativ (vgl. Lehberger 2003, S. 610). Den Lernern des Französischen ging es primär um den Eintritt in die vorbildliche Hofgesellschaft mit ihren modischen Ausprägungen. In Deutschland wurde der Unterricht vielfach von Hugenotten geleitet, die seit den 80er Jahren des 17. Jahrhundert in Frankreich verfolgt wurden (vgl. Hüllen 2005, S. 65f). Der Englischunterricht erfährt ab 1750 eine gewisse Bedeutung. Jedoch tritt die Unterrichtung in diesem Fach nur vereinzelt auf und gelangt erst im folgenden Jahrhundert zum Durchbruch.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erfahren die alten Sprachen im Zeichen des Neuhumanismus einen kurzfristigen Aufschwung. Doch rationalistische Erfordernisse des neuen Industriezeitalters wecken das Bedürfnis nach „realer Bildung“ – und damit nach den neueren Sprachen. Dabei erlangt der Englischunterricht, besonders im neuen Realschulwesen, immer mehr an Bedeutung. 1859 wird Englisch nach Latein und Französisch zur dritten Fremdsprache und seit 1892 kann Englisch in der lateinlosen Oberrealschule erstmalig als erste Fremdsprache gewählt werden (vgl. Lehberger 2003, S. 611). Die immer stärker einsetzende Verstaatlichung des Schulwesens führt im Hinblick auf den Fremdsprachenunterricht zu folgender Ordnung: Die alten Sprachen Griechisch und Latein werden als die Kernfächer des Gymnasiums implementiert, das als elitäre Ausbildungsschule zum Eintritt in die Berufe der traditionellen Wissenschaften und der staatlichen Verwaltung entworfen wurde. Die neueren Fremdsprachen Französisch und Englisch werden vermehrt an den Realschulen unterrichtet, die als Vorbereitung für die Berufe neu entstehender Wissenschaften und des international werdenden Handels geplant sind (vgl. Hüllen 2005, S. 76 f.). An den Volksschulen – die im Gegensatz zur heutigen Hauptschule von der großen Mehrheit der Schüler besucht wurde – gibt es seit 1870 Englisch als Pflichtfach. Gegen Ende des 19. Jahrhundert hat der Stellenwert der neueren Sprachen deutlich zugenommen; das Französische bleibt gegenüber dem Englisch jedoch weiter dominierend. Ebenfalls im 19. Jahrhundert wird wahrscheinlich im Zusammenhang mit den spanischen Kolonialerfolgen erstmals Spanisch an einzelnen Anstalten in Bremen (ab 1817) und Hamburg (ab 1851) unterrichtet (vgl. Lehberger 2003, S. 611 f.).

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts beginnt, im Zusammenhang mit der schnellen Ausbreitung der höheren Realschulen und der damit verbundenen Ausweitung des neusprachlichen Unterrichts, eine Auseinandersetzung um die neusprachliche Sprachfolge. Im Jahr 1923 wird Englisch in Bayern, Braunschweig und Hamburg zur ersten Fremdsprache. Weitere Länder schließen sich in den nächsten Jahren diesem Beispiel an (vgl. Lehberger 2003, S. 611 f.). Der so an Bedeutung verlierende Französischunterricht muss sich in dieser Zeit auch gegen Bestrebungen einer Ausweitung des Spanischunterrichts erwehren. Denn gerade in den Hansestädten, Groß-Berlin, Sachsen und der Rheinprovinz breitet sich der Spanischunterricht als Wahlpflichtfach aus, so dass Spanisch im gesamten Reich an 262 Schulen mit ca. 6.500 Schülern unterrichtet wird (vgl. Lehberger, S. 612). Um den “Sprachenwirrwarr“ an den höheren Schulen ein Ende zu setzen, entschließt sich 1931 Preußen, Französisch einheitlich als erste Fremdsprache festzulegen. Andere Länder der Weimarer Republik schließen sich an, jedoch werden mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten nur wenige Jahre darauf erneut andere Schwerpunkte in der Sprachfolge gewählt. In den Jahren 1937/38 wird die englische Sprache an allen Oberschulen zur Erst- und Hauptsprache festgelegt. Latein folgt als zweite Sprache und Französisch wird in den Wahlbereich abgedrängt (vgl. Hüllen 122 ff.). Der Grund dieser Prioritätensetzung war in erster Linie außenpolitischer Natur, da Deutschland ein Bündnis mit England anstrebte. Daneben bestanden wirtschaftlich-expansionistische Ziele des NS-Staates sowie dessen Rassenideologie. Die Höherbewertung des Lateinischen gegenüber dem Französischen folgt einem ähnlichen Muster (vgl. Fritsch 1989, S. 137). Spanisch wird an der Oberschule nur noch als wahlfreier Unterricht angeboten. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs am 1. September 1939 rückte die Diskussion der Sprachfolge und andere Fragen der Schulbildung in den Hintergrund, da schwerwiegendere Probleme gelöst werden mussten.

3.2 1945 bis heute

Nach dem verheerenden Weltkrieg mussten zunächst die im Vordergrund stehenden praktischen Probleme gelöst werden. Viele Schulgebäude waren zerstört und die meisten Unterrichtsmittel waren vernichtet worden. Zudem herrschte ein großer Lehrermangel (vgl. Hüllen 2005, S. 131). Das Ende des Zweiten Weltkrieges bedeutete ebenfalls eine Neuverteilung der weltpolitischen Gewichte, was sich zweifelsohne auch auf die Sprachfolge auswirken sollte. In Deutschland fällt die Neuordnung des Fremdsprachenunterrichts mit dem Neuaufbau des Schulwesens zusammen. Während der Fremdsprachenunterricht vor 1945 so gut wie ausschließlich in höheren Schulen und Hochschulen erteilt wurde, hielt er nach 1945 allmählich Einzug in alle Pflichtschulen (vgl. Christ & de Cillia 2003, S. 614). In der unmittelbaren Nachkriegszeit ordneten die vier Besatzungsmächte den Fremdsprachenunterricht in ihrer Besatzungszone nach ihren jeweiligen Vorstellungen. Dementsprechend förderten die vier Mächte insbesondere den Unterricht in ihrer Sprache. Trotz der regionalen Unterschiede ist insgesamt eine Ausweitung des Fremdsprachenunterrichts nach 1945 festzustellen (vgl. Christ & de Cillia 2003, S. 615). In der sowjetischen Besatzungszone mussten sogar alle Schüler eine Fremdsprache – in der Regel Russisch – lernen.

Nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland gibt es starke Bestrebungen, die unübersehbare Vielfalt in der Sprachenfolge zu vereinheitlichen. In einer Reihe von schulsprachenpolitischen Regelungen wird in den 50er Jahren festgelegt, dass an den Gymnasien Englisch ab der 5. Klasse und Französisch oder Latein ab der 7. Klasse unterricht wird. Damit wurde die dominante Rolle des Englischen als erste Fremdsprache begründet. Auch wenn 1971 diese Vorgabe der Sprachenfolge gelockert wurde und seitdem jede als Schulsprache zugelassene moderne Fremdsprache oder Latein als erste Fremdsprache gewählt werden durfte, ändert sich an der Vormachtstellung des Englischen wenig. Durch die Möglichkeit der Abwahl einer Fremdsprache ist jedoch insgesamt ein quantitativer Rückgang festzustellen. Die alten Sprachen verlieren aufgrund eines mangelnden Interesse der Schüler und deren Eltern ebenfalls an Einfluss (vgl. Hüllen 2005, S. 134).

In der Deutschen Demokratischen Republik wurden in Kurzlehrgängen so viele Russischlehrer ausgebildet, dass in der achtjährigen Grundschule ausschließlich Russisch unterricht werden konnte. Trotzdem kam es aufgrund dieser Konzentration auf die russische Sprache in den folgenden Jahrzehnten immer wieder zu erheblichen personellen Engpässen. Englisch- und Französischunterricht wurde erst ab Klasse 9 angeboten, seit 1957 ab Klasse 7. In einigen Schulen konnte ab den frühen 60er Jahren Polnisch, Tschechisch oder auch Spanisch als dritte Fremdsprache fakultativ dazugewählt werden (vgl. Christ & de Cillia 2003, S. 616).

Nach der Wiedervereinigung im Jahre 1990 wurde im Osten eine Angleichung an das westliche Schulsystem betrieben. Allerdings blieb das Abitur nach zwölf Schuljahren in einigen Ländern erhalten, wodurch einige Länder des Westens ebenfalls eine Verkürzung der Schulzeit versuchten. Grundsätzlich wird der Fremdsprachenunterricht der 90er Jahre von dem Ausbau der Europäischen Union, einer verstärkten Zuwanderung und den Folgen der Globalisierung beeinflusst. Gleichzeitig wird die Forderung nach einer mehrsprachigen Ausbildung möglichst vieler Bürger lauter. 1994 reagiert die Kultusministerkonferenz mit den „Überlegungen zu einem Grundkonzept für den Fremdsprachenunterricht“, die Vorschläge zur Weiterentwicklung des Fremdsprachenunterrichts enthalten. Weitere Beschlüsse der 90er Jahre dienen der Qualitätssicherung sowie einer Vereinheitlichung der Prüfungsanforderungen.

Der soeben aufgezeigte historische Überblick des Fremdsprachenunterrichts verdeutlicht, dass der Stellenwert der Fremdsprachen sich in einem stetigen Prozess verändert. Im Altertum ist es die hellenische Kultur und mit ihr verbunden die griechische Sprache, die zum Leitbild der europäischen Bildung und Erziehung werden. Durch den Eintritt des Christentums in Europa löst die lateinische Sprache im Mittelalter das Griechische als lingua franca ab. Ab dem Ende des 17. Jahrhunderts dominiert in Europa das Französische und gilt als „Hof- und Diplomatensprache“. Erst seit Beginn des 20. Jahrhunderts steigert sich der Stellenwert der englischen Sprache so weit, dass sie heute als erste zu erlernende Fremdsprache an deutschen Schulen verankert ist. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird nun die gegenwärtige Situation des Fremdsprachenlernens aufgegriffen. Zunächst erfolgt im folgenden Kapitel ein Überblick der bildungspolitischen Aspekte bezüglich des Fremdsprachenunterrichts an berufsbildenden Schulen.

4 Bildungspolitische Aspekte des Fremdsprachenlernens

4.1 Allgemeine staatliche Regelungen des Fremdsprachenunterrichts

Um für alle Schulfächer eine Kontinuität und Stabilität zu garantieren, ist der gesamte Unterricht an den Schulen staatlich geregelt. Dabei hat der Staat z.B. durch Gesetze, Verordnungen oder Erlasse die Möglichkeit, das Schulwesen zu ordnen. Selbstverständlich gilt dies auch für den Fremdsprachenunterricht an berufsbildenden Schulen. Mittels staatlicher Regelungen werden Ziele, Inhalte und Methoden für den Fremdsprachenunterricht festgelegt. Demzufolge üben die staatlichen Regelungen einen starken Einfluss auf den Fremdsprachenunterricht insgesamt, aber auch auf das Verhalten der Lehrer, die Konzeption von Lehrmaterialien, die Beurteilung der Schüler, Prüfungen und Zeugnisse aus (vgl. Bausch, Christ, Hüllen & Krumm 1985, S. 13). Aus diesem Grund werden eben diese politischen und institutionellen Aspekte des Lehrens und Lernens fremder Sprachen ausführlich in diesem Kapitel behandelt.

Staatliche Regelungen des Fremdsprachenunterrichts betreffen jedoch nicht nur den Bereich des Bildungswesens, sondern haben stets indirekte Auswirkungen auf die Wirtschaft, Wissenschaft, Arbeitswelt und auch das private Leben der Bürger. Bei der Gestaltung des Fremdsprachenunterrichts in den deutschen Schulen wirken verschiedene Faktoren zusammen (vgl. Christ & de Cillia 2003, S. 78):

- Orientierungsvorgaben und Regelungen im Rahmen der Kulturhoheit der Länder – die sogenannten (Rahmen-) Richtlinien und Lehrpläne
- Rahmenregelungen auf nationaler Ebene durch die „Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland“ (KMK)
- Internationale Empfehlungen (z.B. durch den Europarat) und Verträge

(Rahmen-) Richtlinien und Lehrpläne beschreiben qualitative Regelungen des Fremdsprachenunterrichts und werden von der Öffentlichkeit als die wichtigsten staatlichen Steuerungsinstrumente für den Unterricht überhaupt aufgefasst (vgl. Christ 2003, S. 73). Sie legen zwecks einer besseren Vergleichbarkeit obligatorische Lerngegenstände fest, gewähren aber gleichzeitig Freiräume, um die Mitgestaltung der Lehrkräfte, Schüler und Schulen anzuregen. Ein Vergleich der fachlichen Leistungsanforderungen und eine damit zusammenhängende einheitliche Bewertung der Leistungen soll durch einheitliche Maßstäbe gewährleistet werden.

Als Konsequenz der Kulturhoheit veröffentlicht jedes Bundesland in Deutschland seine Lehrpläne. Das Maß der Konkretheit der einzelnen Lehrpläne ist unterschiedlich und steht im Zusammenhang mit den Gesamtregelungen im jeweiligen Land. Sie entstehen auf der Grundlage von Empfehlungen und Beschlüssen der KMK und in Zusammenarbeit zwischen Schulbehörden, Schulpraxis, Landes- oder Staatsinstituten für Lehrplanentwicklung und in aller Regel mit wissenschaftlicher Beratung aus dem Hochschulbereich (vgl. Christ 2003, S. 75). Der Auftrag selbst und die Verantwortung zur Bildung eines Lehrplans liegt allerdings bei der jeweiligen obersten Landesbehörde. Vor der Veröffentlichung der Entwürfe durchlaufen die Lehrpläne Anhörungsverfahren bei Lehrer- und Elternverbänden, Gewerkschaften und Kirchen und werden des Weiteren den parlamentarischen Kräften vorgelegt. In der Regel entwickelt sich aus der entstehenden Diskussion ein Konsenspapier.

Rahmenregelungen (oder auch Empfehlungen) werden von übergeordneten Instanzen wie der KMK oder dem Europarat ausgegeben und sind für die Kultusministerien der Bundesländer nicht bindend. Diese Empfehlungen dienen zur Unterstützung neuer Entwicklungen und zur Lösung neuer Aufgaben im Fremdsprachenunterricht. Den Charakter einer Empfehlung hat auch der Beschluss der KMK „Überlegungen zu einem Grundkonzept für den Fremdsprachenunterricht“ (KMK 1994). Dieses Gutachten hat in den Ländern zu mehreren Modellversuchen mit dem Ziel der Förderung von Mehrsprachigkeit geführt. Überdies wird auch der interkulturelle Aspekt betont, indem versucht werden soll, die Schüler „durch einen veränderten Sprachenunterricht auf die vielfältige europäische Gesellschaft vorzubereiten“ (ebd.).

[...]


[1] Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden nur die männliche Form benutzt.

[2] Mit lingua franca bezeichnet man heute v.a. eine allgemein verständliche Verkehrs- oder Weltsprache.

[3] Dialekt: räumliche Variante einer Sprache

[4] Übersetzung: „Das Spanische ist mit jeden Tag im amerikanischen Leben präsenter“. Der Kontext des Zitates verdeutlicht, dass sich der Autor mit „amerikanisches Leben“ auf das der Vereinigten Staaten bezieht.

Ende der Leseprobe aus 102 Seiten

Details

Titel
Spanisch an berufsbildenden Schulen in Niedersachsen
Hochschule
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
102
Katalognummer
V84944
ISBN (eBook)
9783638896160
Dateigröße
945 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Spanisch, Schulen, Niedersachsen
Arbeit zitieren
Dipl-Hdl. Michael Weers (Autor:in), 2006, Spanisch an berufsbildenden Schulen in Niedersachsen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84944

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