Das Modellprojekt zur heroingestützten Behandlung Opiatabhängiger - Ein gesellschaftspolitisch ethisch vertretbarer Behandlungsansatz


Dossier / Travail, 2002

22 Pages, Note: 1,6


Extrait


Gliederung:

1. Einleitung

2. Die Substanz Heroin
2.1 Herkunft und Geschichte
2.2 Wirkung, Chancen und Risiken
2.3 Bedeutungswandel des Stoffes

3. Vorstellung des Modellversuchs
3.1 Grundidee und Zielsetzung
3.2 Zugangsvoraussetzung und Rekrutierung
3.3 Praktische Durchführung und wissenschaftliche Begleitung

4. Ethisch relevante Überlegungen zur Begründung des Modellprojekts und seiner Bedeutung innerhalb der Gesellschaft
4.1 Exkurs: Was ist und „was macht“ Ethik
4.2 Ethisch-politische Legitimation des Modellprojektes
4.3 Integration in bzw. Wertstellung für das bestehende Drogenhilfesystem und die Gesellschaft

5. Resümee

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Diskussion um das Thema Drogen ist in unserer Gesellschaft allgegenwärtig. So sind in den Medien immer wieder Berichte zu hören, die vor dem Missbrauch dieser warnen und die angeblich daraus unvermeidbar resultierenden, verheerenden Folgen für den Menschen aufzeigen.

Zumindest bei den sogenannten illegalen Drogen, deren Erwerb, Handel sowie Besitz per Gesetz verboten ist, und somit politisch wie gesellschaftlich dementsprechend sanktioniert wird. Auf der anderen Seite gibt es ebenso groß initiierte Kampagnen, die auf die eventuell schädlichen Wirkungen der legalen Drogen hinweisen. Jedoch lebt ein Großteil der Gebraucher (und Missbraucher) dieser potenziellen Suchtstoffe in der Gesellschaft sozial eher unauffällig, der Konsum ihrer „Genussmittel“ ist für sie unproblematisch. Dieser Zustand liegt darin begründet, dass legale Drogen gesellschaftlich anerkannt sind und toleriert werden. Sogar Staat und Industrie – so z.B. im Falle des Tabaks – verdienen an dessen Verbreitung und Konsum kräftig mit.

Umso erstaunlicher erscheint es, dass jährlich „nur“ rund 2000 Todesfälle (Jahr 2000: 2.030 registriert) aus dem Konsum illegaler Drogen bzw. dessen Begleiterscheinung-

en und Folgen hervorgehen. Demgegenüber steht eine wesentlich höhere Mortalitätsrate bei den legalen Drogen: Durch Tabak sind so z.B. 111.000 Todesfälle verursacht (z.B. Krebs, Herz-Lunge) worden, und durch Alkohol sind immerhin auch 42.000 Menschen direkt oder indirekt gestorben – eine alarmierende Zahl an Opfern1 (bzgl. 2000). Ist nun deshalb die oben dargestellte Gefahrenverteilung der Drogen in der Öffentlichkeit nur verzerrt dargestellt? Nun, sicherlich hat die Warnung vor Drogen aufgrund ihres erwiesenen Abhängigkeitspotenzials bei Missbrauch ihre Berechtigung.

Aber was macht die Debatte um die Handhabung des „Drogenproblems“ in unserer Gesellschaft (Politik, Presse, Medien) denn nun so heikel?

Eine Antwort auf diese Frage kann nur sehr umfangreich und vielfältig ausfallen. Jedoch mag ein Grund sicherlich in der schon angesprochenen Grenze zwischen Legalität und Illegalität bzw. deren Folgen, Gefahren und Ursachen (insbesondere für die Konsumenten) liegen. Doch gab es seit Menschenzeiten in jeglichen Kulturen schon immer Drogen – und diese wurden ebenfalls schon damals konstant und zu bestimmten Zwecken konsumiert. So wurde der heute negativ besetzte Begriff Droge zu früheren Zeiten zunächst als Heilmittel von Krankheiten und als Schmerzmittel (z.B. Morphium im Krieg) verstanden. Sogar Heroin wurde lange Zeit als Medikament eingesetzt, entweder gegen Husten oder zur Behandlung einer Morphiumab- hängigkeit.

Seit 1971 ist es jedoch u.a. aufgrund seines erwiesenen Abhängigkeitspotenzials nach dem Kernstück bundesdeutscher (prohibitiver) Drogenpolitik – dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) – in Deutschland totalverboten. Man erhoffte sich auf diesem Weg, den Gebrauch und Missbrauch von illegalen Drogen einzudämmen bzw. zu verhindern. Wie Statistiken beweisen, ist jedoch trotz aller prohibitiven und suppressiven Maßnahmen ein stets konstanter Anstieg an Konsumenten von harten Drogen zu verzeichnen. Und diese werden, zugespitzt formuliert, in die Illegalität getrieben. Folgen davon können materielle und gesundheitliche Verelendung oder beschaffungsbedingte Kriminalität werden, die gerade die Abhängigen nur verstärkter in die (illegale) Szene der Drogensubkultur bringen. Und auch die Einrichtungen der Suchtkrankenhilfe stehen angesichts langer Wartelisten für zu begrenzte Therapieplätze und immensen Rückfallquoten dem Problem teils machtlos gegenüber.

Umso erstaunlicher und „kapitulativer“ erscheint nach all diesen dramatischen Schilderungen über die Auswirkungen des Drogenkonsums nun das Modellprojekt der Bundesregierung, nach dem Opiatabhängige – wohlgemerkt unter bestimmten Voraussetzungen – mit ihrem „Lieblingsstoff“ auch noch medizinisch behandelt werden sollen, um ihr Suchtproblem in den Griff zu bekommen. Und ebenso kontrovers wird es auch bei Für- und Gegensprechern, in den Medien und in der allgemeinen Bevölkerung diskutiert.

Nach der oben dargestellten Brisanz über die Erscheinungsformen des Drogenproblems und der entsprechenden Begegnungsmöglichkeiten in der Politik bzw. in der professionellen Drogenarbeit lässt nun dieses Projekt durchaus Kritik an allen bisherigen Wegen aufkommen – jedoch auch moralische Zweifel darüber, ob die Durchführung überhaupt zu vertreten sein kann.

Inspiriert durch mein Fremdpraktikum in einer ambulanten Drogenberatungs- und Behandlungsstelle, möchte ich nun in dieser Hausarbeit erörtern, inwiefern und unter welchen Umständen eine Heroingestützte Behandlung bei Opiatabhängigen als sinnvoll erscheint und ethisch sowie gesellschaftlich überhaupt legitimierbar ist.

2. Die Substanz Heroin

2.1 Herkunft und Geschichte

Die eigentliche Herkunftspflanze der harten Droge Heroin ist Mohn, dessen hauptsächliche Anbaugebiete sich von der Türkei über den Iran, Indien, Afghanistan, Pakistan bis hin zum Südosten Asiens erstrecken. Ebenfalls wird gegenwärtig in Mittel- und Südamerika Mohn angebaut.

Die Geschichte des sogenannten Schlafmohns als Rauschdroge (aus ihm wird Opium gewonnen) – ebenso aber auch als begehrtes Heilmittel – reicht wahrscheinlich über Jahrtausende in die Vergangenheit zurück. So sollen bereits 4000 v. Chr. Sumerer und Ägypter die heilsame und in Rausch setzende Wirkung für sich entdeckt haben. Und durch seine Kultivierung in China erhielt der Schlafmohn gar Einzug in die dortige traditionelle chinesische Medizin, die vor allem die öligen Samen als Schmerzmittel einsetzte.

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts kam in der Türkei, sowie in Persien das Opiumessen (!) auf, und im Laufe des darauffolgenden Jahrhunderts wurde insbesondere in China das Opiumrauchen zur Modeerscheinung – was sehr bald schon damals zu ersten Abhängigkeitsproblemen geführt hatte.

Der eigentliche und heute handelsübliche Suchtstoff Heroin wurde jedoch in seiner spezifischen Form auf anderem Wege entdeckt. Dem deutschen Apotheker Friedrich Wilhelm Sertürner war es nämlich 1806 erstmals gelungen, den Hauptwirkstoff des Opiums, das Alkaloid Morphin, isoliert herauszustellen. Danach wurde die Substanz 1828 von der Firma Merck als enorm wirksames Schmerzmedikament auf den Markt gebracht. Da dieses jedoch in großen Mengen eine bedeutsame Abhängigkeit erzeugte, wurde nach einem nicht minder wirksamen, jedoch nicht abhängig machenden Medikament geforscht. So wurde erstmals 1874 die heute unter der Bezeichnung Heroin bekannte Substanz Diamorphin (3,5-Diacetylmorphin) synthetisiert.

2.2 Wirkung, Chancen und Risiken

Heroin gehört zu der Stoffgruppe der Opiate und Opioide, wobei es sich – wie schon bereits erwähnt – um ein Derivat des Morphins, des wichtigsten Alkaloids des Opiums, handelt. Es wird in seiner letztendlichen Darreichungsform als weißliches bis bräunliches Pulver (häufig in Staniolbriefen, Plastiktütchen) durch verschiedene chemische Prozesse gewonnen.

Das auf dem illegalen Markt gehandelte Heroin wird in unterschiedlichsten Qualitäten angeboten, was nicht selten bedeutet, dass es mit Streckungsmitteln wie Strychnin oder anderen Wirkstoffen wie Codein verdünnt ist. Das Nichtwissen der Konsumenten über die Qualität des Stoffes macht einen wesentlichen Anteil des eigentlich nur der Droge Heroin an sich zugeschriebenen Gefahrenpotenzials aus. So können sich bei o.g. ersterem Streckmittel örtliche Infektionen (z.B. bei i.V. Konsum) oder Abszesse ausbilden. Bei dem zuletzt o.g. Wirkstoff Codein – oder bei Mischkonsum mit Kokain als sogenannter „Cocktail“ – kann zudem eine wechselseitige und mitunter sehr gefährliche Wirkung erzeugt werden. Der marktübliche, reine Wirkstoffgehalt beträgt zumeist nur etwa 5 bis 25% eigentliches Heroin.

Dieses wird als in Deutschland verbreitetste Konsumform intravenös injiziert, und genau hierbei liegt ein sehr großes Risiko für den Gebraucher. „Needle-Sharing“, verstopfte Spritzen oder verhärtete Venen bedeuten ein erhöhtes gesundheitliches Risiko (HIV, Hep C, Abszesse). Weniger populär ist das sogenannte „Sniefen“ durch die Nase, weil sich hierbei nur ein geminderter und verlangsamt eintretender Rausch einstellt – wohingegen er beim Spritzen mit dem so bezeichneten „Flash“ schlagartig und sehr stark einsetzt.

Heroin wirkt euphorisierend, aber gleichzeitig bewusstseinsdämpfend, beruhigend, entspannend und nicht zuletzt schmerzlindernd. Bei der nach einer gewissen Zeit (je nach Konsumform, -intensität und psychosozialen Faktoren) einsetzenden – erst psychischen, dann auch physischen Abhängigkeit – geht es dann nur noch darum, die schmerzhaften Entzugserscheinungen zu beseitigen. Dies geschieht häufig bei einer bereits enormen körperlichen Toleranzgrenze gegenüber der Substanz. Nicht selten besteht hierbei die Gefahr von Intoxikationen, also Überdosierungen, die tödlich enden können. Längerfristig betrachtet sind jedoch gerade die sozialen Folgeerscheinungen von chronischem Heroinkonsum zu nennen, die im folgenden Kapitel 2.3 noch näher behandelt werden.

Diesen doch sehr dramatisch beschriebenen möglichen Konsequenzen des Heroin- konsums stehen in jüngerer Zeit Forschungen und wissenschaftliche Erkenntnisse gegenüber, die besagen, dass der „richtige“ Gebrauch von Heroin nicht zwangsläufig eine persönliche Verelendung oder Abhängigkeit nach sich ziehen muss. So kann es durchaus sein, dass sich beim Gebraucher während einer jahrelangen, jedoch risikoärmeren Konsumform („Sniefen“ oder Rauchen) eine bestimmte Dosis von selbst einpendelt. Bei günstigen psychosozialen Gegebenheiten (z.B. fester Arbeitsplatz) ist dann ein gesichertes und sozial meist unauffälliges – jedoch auch verstecktes – Leben durchaus möglich.2 Verständlicherweise rücken jedoch diese „Heroin-User“ (=Konsumenten) nicht ins Licht der allgemeinen Öffentlichkeit, zumindest solange sie nicht strafrechtlich verfolgt und für ihren Konsum kriminalisiert werden.

[...]


1 Vgl. http://www.dhs.de

2 Vgl. Palette e.V., 1992, S. 14 ff.

Fin de l'extrait de 22 pages

Résumé des informations

Titre
Das Modellprojekt zur heroingestützten Behandlung Opiatabhängiger - Ein gesellschaftspolitisch ethisch vertretbarer Behandlungsansatz
Université
Baden-Wuerttemberg Cooperative State University (DHBW)  (Fachbereich SOZIALWESEN)
Cours
Ethik
Note
1,6
Auteur
Année
2002
Pages
22
N° de catalogue
V8529
ISBN (ebook)
9783638154796
ISBN (Livre)
9783638697460
Taille d'un fichier
543 KB
Langue
allemand
Mots clés
Modellprojekt, Opiatabhängiger, Behandlungsansatz, Ethik, Drogen, Heroin, Projekt, Behandlung, Opiate
Citation du texte
Benedikt Pohnke (Auteur), 2002, Das Modellprojekt zur heroingestützten Behandlung Opiatabhängiger - Ein gesellschaftspolitisch ethisch vertretbarer Behandlungsansatz , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/8529

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