Schuleigene Förderprogramme auf dem Prüfstand

Eine Evaluation der Förderkurse in Deutsch, Mathematik und Englisch am Helmholtz-Gymnasium in Bielefeld


Trabajo de Investigación, 2005

30 Páginas


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung und Problemaufriss

2 Perspektiven auf das Problem „Förderung und Forderung“ in der Literatur

3 Das Fallbeispiel: „Intensivkurse an einer gymnasialen orientierungsstufe“
3.1 Beschreibung des Intensivkurs-Konzepts an einer gymnasialen Orientierungsstufe
3.2 Exemplarische Vorstellung von vorliegenden empirischen Daten (Q-Schnitt)
3.3 Schlussfolgerungen aus den Daten

4 Evaluation als Aufgabe von Schulen – Grenzen und Möglichkeiten

5 Empfehlungen zur zukünftigen Gestaltung des Intensivkurs-Konzepts

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung und Problemaufriss

„Vierte Stunde, Englisch, 6b: Philipp kippelt. Immer und immer wieder wendet er sich von der Lösung seiner Aufgabe zum past tense im Englischbuch ab. Er nimmt den Stift in den Mund, legt ihn nach Ermahnung wieder auf den Tisch zurück und beginnt dann aus für den Beobachtenden nicht ersichtlichen Gründen in der Schultasche zu wühlen. Zwanzig Sekunden später ist auch das vorbei. Der Stift wandert in den Mund zurück, der Kopf wendet sich zum Nachbarn.“

Ein Fall von Hochbegabung oder ADS, eine inhaltliche Überforderung, Desinteresse, einfach ein demotivierender Unterricht oder ein unpräzise Aufgabenstellung, zu viele Kinder in einer Klasse? Die Liste möglicher Ursachen für das Verhalten von Philipp ist lang...

Bereits an diesem kurz beschriebenen Beispiel wird deutlich, wie eng das Aufgabenfeld des Förderns und Forderns im Unterricht, der Leistungsabforderung und die Bereitstellung von geeigneten Rahmenbedingungen zur Entfaltung des Potenzials von jedem einzelnen Kind mit Fragestellungen der Psychologie, der (Test-)Diagnostik, der Organisationsform von Schule und den offensichtlichen begrenzten Handlungsmöglichkeiten des einzelnen Lehrenden verbunden ist. Trotz der Notwendigkeit dieses begleitende Aufgabenfeld des Unterrichtens durchgehend sinnvoll und kohärent zu strukturieren und Lehrenden und Kindern (!) eine verlässliche Route zur Bewältigung zur Verfügung zu stellen, besteht im Schulalltag kaum eine Möglichkeit, diesem im Bewusstsein der in Schule Beschäftigten immer drängenderen Problem effektiv und mit Überzeugung zu begegnen.

Kinder wie Philipp sind in der heutigen Schulstruktur, in der unabhängig von parteipolitischen Entscheidungen darauf gesetzt wird, Kinder in einem System zu bilden, das segmentiert, Aspiranten für stützende und fördernde Maßnahmen. Zumeist wird die Entscheidung über die Notwendigkeit einer zusätzlichen Förderung auf der Ebene der Beobachtung der einzelnen Lehrkraft, einem ergänzenden Gespräch mit Kollegen und in seltenen und besonders frappierenden Fällen vielleicht auch mit dem Schulpsychologen erfolgen. Ausschlaggebend sind die beobachtbaren Verhaltensweisen des Kindes und sein Leistungsstand im Vergleich zur Lerngruppe. Erscheinen Leistungen unzureichend oder deuten Lehrende das Leistungsvermögen als potenziell kritisch, reicht häufig auch diese erfahrungsgestützte, prognostische Aussage, um Eltern und Kind die Teilnahme an einem zusätzlichen Lehrangebot zu empfehlen. Aber auch die Aufgabe des Forderns, der Bereitstellung von zusätzlichen Angeboten für Kinder, die dem eigentlichen Unterrichtsgeschehen problemlos folgen können (z.T. aber auch Symptome wie Philipp zeigen (vgl. Portmann 2003, 237ff)), fristet ein Schattendasein. Im Schullalltag wird dieser Bereich vorschnell mit dem Etikett der Hochbegabung versehen, was angesichts der sonstigen Aufgaben des Schulalltags in Regelschulen nur zu einem nachrangigen Platz auf der Agenda des schulischen Handelns führt. In beiden Fallen greifen dann aber überwiegend keine schulinternen Lösungen, sondern Drittanbieter oder private Lösungen nehmen sich des Problems von außen gerne an: Studienkreis®, Schülerhilfe®, Mega Kids® oder LOS® – der Markt von außerschulischen Bildungsanbieter, die zusätzliche Förderangebote bereitstellen, ist ein profitabler Wirtschaftzweig geworden. Fördern und Fordern, so schien es bis vor wenigen Jahren, sind zu Aufgaben geworden, die offenbar an den Rändern das originäre Aufgabenspektrum der Schule verlassen. Das ist auch in der Institution selbst bemerkt worden. Im Zuge des „erzwungenen Nachdenkens“ über die eigene Schularbeit (Schulprogrammerlass) hat hier eine Trendwende stattgefunden.

Schulinterne Lösungen wie Hausaufgabenhilfe, AG-Bereiche und Nachmittagsbetreuung dienen als viel versprechende Brückenköpfe für die Rückführung der Aufgaben des Förderns und Forderns in den Kernbereich schulischer Verantwortung. Das untersuchte Gymnasium hat neben der klassischen Hausaufgabenbetreuung noch ein so genanntes Intensivkurs-System eingerichtet. Hier werden in den Kernfächern Deutsch, Mathematik und Englisch in den Klassen 5 und 6 im Rahmen einer zusätzlichen Stunde Aspekte des Förderns und Forderns in den Vordergrund gestellt. Ausdrücklich soll sich dieses Angebot nicht nur an leistungsschwache Schülerinnen und Schüler richten.

Vor dem Hintergrund der Aufgabe einer erstmaligen Evaluation des Intensivkurs-Konzepts, die die Lehrerfunktionen Evaluieren und Innovieren der Dimension Weiterentwicklung von Schule berührt, stellen sich deshalb drei Fragen unterschiedlichen Zuschnitts und unterschiedlicher Reichweite.

- Konkrete Ebene: Wie werden die Intensivkurse in Deutsch, Mathematik und Englisch beurteilt ? Mit Bezug auf Autenrieth werden dabei bewusst Schülerinnen und Schüler zu Experten ihrer eigenen Sache gemacht (Autenrieth 1997. 81ff).
- Analysierende Ebene: Welche Effekte erbringen die Intensivkurse? Das impliziert eine Überprüfung der Effektivität und der Effizienz der entsprechenden Angebote des Intensivkurs-Konzepts.
- Interpretierende Ebene: Welche Schlussfolgerungen lassen sich aus einer entsprechenden Beurteilung ziehen und wie lassen sie sich vor dem Hintergrund der Rezeption entsprechender Literatur in tragfähige Empfehlungen für das untersuchte Gymnasium überführen?

Folgende Informationsquellen werden zur Beantwortung herangezogen: In einem ersten Schritt geht es um die Annäherung an das Wissen, das zur Konzeption von förderndem und forderndem Unterricht durch die aktuelle pädagogische Literatur bereitgestellt wird. Die Auswertung der relevanten Forschungsliteratur ist in zweifacher Hinsicht von Bedeutung: Zum einen erschließt sich eine abstrakte Vorstellung dessen, was unter den beiden Aufgabenfelder des Förderns und Forderns idealiter zu verstehen ist. Sie kann zum anderen als Korrektiv für die Formulierung von eigenen Ansprüchen genutzt werden.
In einem zweiten Schritt geht es um die Evaluation des Intensivkurs-Konzepts an einer gymnasialen Orientierungsstufe. Grundlage dafür sind bereits mittels Fragebogenbogen erhobene Einschätzungen von Schülerinnen und Schülern durch die Steuergruppe, die im Rahmen dieser Arbeit ausgewertet werden. Die Evaluation wird in einem dritten Schritt kritisch hinsichtlich ihrer Schwierigkeiten und Anlage reflektiert, Grundlage dafür ist ein Interview mit einem durchgängig an der Steuergruppe beteiligten Lehrer. Zum Abschluss werden die drei vorgestellten Zugriffe vernetzt und Empfehlungen für die zukünftige Konzeption ausgesprochen.

2 Perspektiven auf das Problem „Förderung und Forderung“ in der Literatur

Fördern und Fordern von Schülerinnen und Schülern zeigt sich in der Praxis als ein wenig verbundenes Phänomen. Selten wird über die Frage einer Binnendifferenzierung gesprochen, sondern zumeist über die Frage der Leistungsheterogenität. Dabei stellt sich, wenn man die Aufgabe des Förderns und Forderns als zwei Seiten einer Medaille wahrnimmt, erkundend die Frage, wie heterogen die Leistungen in einzelnen Klassen tatsächlich sind.
Überraschendes tritt an dieser Stelle zu Tage: Obwohl viele Lehrerinnen und Lehrer behaupten, dass die Leistungsunterschiede generell zunehmen, kann dies für den Zeitraum 1975-1995 nicht bestätigt werden (vgl. Brügelmann 2003, 60). Wohl unterscheiden sich aber die einzelnen Lerngruppen so stark voneinander, sodass die Beobachtungen der Lehrkräfte für den eigenen Handlungshorizont zutreffend sind.

Organisation von Unterricht

Bereits zur Einschulung lassen sich Entwicklungsunterschiede und Kompetenzdifferenzen bei einzelnen Kindern von drei bis vier Jahren ausmachen. Dieser Befund ermöglicht kaum einen Unterricht nach einem gemeinsamen Lehrgangsprinzip. Die im Schulalltag gängige Verfahrensweise, leistungsstärkere Kinder durch Überspringen von Klassen oder Früheinschulung zu fordern, sorgt auch im Verlauf der Sekundarstufe I für eine zusätzliche Altersstreuung, die dem Jahrgangsprinzip wiederum entgegenzuwirken scheint.

Interessant ist nun die Einsicht der jüngsten pädagogischen Forschungen, die deutlich macht, dass alle Kinder unabhängig von ihrem Leistungsvermögen dieselbe Entwicklung durchlaufen, sie erreichen entsprechende Leistungsstände nur zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Studien von Jansen und Preuss-Lausitz (vgl. Heyer/Preuss-Lausitz/Sack 2003, 56ff) zeigen, dass diese Heterogenität innerhalb einer Gruppe bessere Lernfortschritte für alle Mitglieder einer Lerngruppe erbringt als die Beschulung in Sondereinrichtungen (in Bezug auf körperliche und geistig behinderte Kinder) (vgl. Brügelmann 2003, 62). Ein gemeinsamer Unterricht ist also grundsätzlich möglich, ob dies allerdings auf breiter Basis gewünscht ist, ist davon unabhängig und normativ zu beantworten.

Die in Deutschland vorherrschende Form des Unterrichts ist der einer Bildung von jahrgangshomogenen Gruppen mit einem möglichst hohen Grad an Leistungshomogenität. Sie soll über eine äußere, schulformbezogene Differenzierung erreicht werden (Schulformdifferenzierung). Zusätzlich greifen die bereits genannten Verfahren zur Forderung leistungsstarker Schülerinnen und Schüle innerhalb dieser Gruppen. Der Unterricht in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik findet am untersuchten Gymnasium als einer Regelschule entsprechend statt. Nach Durchsicht der internationalen Studien zur Relevanz dieses Organisationsprinzips ergeben sich für diese Form des Unterrichts leichte Vorteile für leistungsstarke und leichte Nachteile für leistungsschwache Schülerinnen und Schüler (vgl. Roßbach/ Wellenreuther, 2002, 44-57). Betrachtet man nun die Organisation der Intensivkurse, so handelt es sich nach Anspruch und den äußeren Merkmalen um eine jahrgangsbezogene Binnendifferenzierung in leistungsheterogenen Gruppen innerhalb der Schulform Gymnasium, da mit den Intensivkursen der Anspruch auf Fördern und Fordern verknüpft sind. Hier zeigt die aktuelle Forschung, dass es unerheblich ist, ob in leistungsheterogene oder-homogene Gruppen differenziert werden. Allerdings muss eine allgemeine Erkenntnis an dieser Stelle berücksichtigt werden: Leistungsheterogene Gruppen ermöglichen durchaus ein lernförderliches Klima, weil gegenseitige Unterstützung von Schülerinnen und Schülern möglich wird. Insofern ist der Anspruch des untersuchten Konzepts diesem Vorteil aufgeschlossen. Das Profitieren von diesem Vorteil wird jedoch nur dann möglich, wenn sich auch der Unterrichtsstil des Lehrenden ändert. Das setzt eine „reflexive Differenzierung“ (Brügelmann 2003, 65) voraus. Unterschiede dürfen nicht negiert werden, eine räumliche Trennung ist abzulehnen, die Thematisierung der Unterschiede ist jedoch unerlässlich.

Die Veränderung des Unterrichtsstils findet ihre Ausprägung im zentralen Problem der Unterrichtsorganisation: Welche Sozialform ist angemessen? Welche Aufgaben eignen sich für welches Kind?

Der Umgang mit Aufgaben

Die Konzeption und der Umgang mit Aufgaben, seien es mündliche Arbeitsaufträge, gelenkte Fragen im Unterrichtsgespräch oder schriftliche Problemstellung gehören zu den Kernbereichen erfolgreichen Unterrichtens (vgl. von Ilsemann, 2003, 126f). Aufgaben können dazu anregen, Neues zu erfinden, Bekanntes abzuwandeln, zu spezifizieren, mit Neuem zu vergleichen, es zu beschreiben und zu interpretieren (vgl. Bruder 2003, 12). Damit ist das Spektrum der Möglichkeiten nur ansatzweise umrissen. Leider kommen im entsprechenden Schulalltag meist nur wenige Variationen zur Anwendung.
Eine Aufgabe besteht zumeist aus einer Ausgangssituation (‚Problem’), Anregungen zur Transformation (‚Bearbeitungswege’) und dem Endzustand (‚Lösung’) (vgl. Bruder 2003, 13). Je nach Anlage und Einsatzzeitpunkt erfüllen Aufgaben unterschiedliche Funktionen: Sie sind Mittel zum Ergänzen von Wissen, sie dienen der Lehrkraft als diagnostisches Instrumentarium für den Verlauf des Lernvorgangs und sorgen für die Ausprägung der Fähigkeit des Problemlösens (vgl. Bruder, 2003, 14). Immer aber sind Aufgaben ein wichtiger Mittler zwischen Sache und Person. Die Magdeburger Didaktikerin Renate Girmes hat sie als „Beziehungsstifter“ tituliert (Girmes 2003, 6) und betont damit ihren verbindenden Stellenwert. Damit Aufgaben ihren beziehungsstiftenden Charakter entfalten können, müssen sie eine Lücke enthalten, d.h. ein Problem eröffnen, an dem sich Interesse entzünden und entwickeln kann. Gleichzeitig müssen sie Hinweise auf das Pontenzial geben, mit dem die Lücke zu schließen ist. Das Erwecken von Interesse gelingt nur dann, wenn die Aufgabe sich aus dem lebensweltlichen Bezug herleiten lässt oder sich mit ihm verbindet. Das muss nicht zwangsläufig der direkte Horizont des Kindes sein, sondern kann auch durch die Hinleitung auf einen neuen Bereich gelingen. Aufgaben müssen dann die Möglichkeit bereithalten aktiv tätig zu werden, d.h., sie müssen dazu einladen, sich zu verständigen. Dies erfolgt zunächst vor dem Hintergrund der eigenen Erfahrungen und des bereits erworbenen Wissens, um sich dann mit anderen Menschen über den Charakter der Aufgabe und die Lücke zu verständigen. Im individualisierten Unterricht wird dieser Ansprechpartner der Lehrer sein. Beim Lernen in Gruppen kommen Mitschüler als Gesprächspartner in Frage. Bei leistungsheterogenen Gruppen bietet sich zusätzlich die Möglichkeit, unterschiedliches Vorwissen und unterschiedliche Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler systematisch produktiv nutzbar zu machen. Für das Intensivkurs-Konzept bedeutet das ein sorgfältiges Auswählen und Konzipieren von Aufgaben, die Interesse wecken, Kommunikation fordern und fördern und gleichzeitig die Vorteile leistungsheterogener Gruppen produktiv nutzen. Gleichzeitig müssen sie den entsprechenden Leistungsniveaus der Schülerinnen und Schüler einer leistungsheterogenen Gruppe Rechnung tragen Anregungen für alle (gestaffelt) bereithalten. Das Zusammenwirken von Lerngegenstand und Person muss deshalb durch die Lehrenden bei der Frage der Konzeption von Aufgaben und Steuerung von Lernprozessen nachhaltig entsprochen werden (vgl. weiterführend Döpp 1997, 21ff). Wie diese „Metakompetenz“ (Ruf 2003, 56) bei Lehrenden entwickelt werden kann, ist Gegenstand des nächsten Abschnitts.

Wie können Aufgaben zum Bindeglied von Person und Sache werden?

Der Zürcher Erziehungswissenschaftler Urs Ruf hat zutreffend festgestellt, dass eine intensive Auseinandersetzung des Lehrenden mit dem Verhältnis von Sache und Person notwendig ist, um Unterricht in heterogenen und homogenen Gruppen effektvoll zu organisieren. Am deutlichsten zeigt sich die Notwendigkeit zu dieser Reflexion in der bereits thematisierten Entwicklung von Aufgaben. Hier ist der Gedanke von Girmes über die beziehungsstiftende Funktion erneut aufzunehmen und zu präzisieren. Die Vermittlung von Fachwissen mag zwar ein vorrangiges Ziel von Schule sein. Es ist jedoch langfristig nur zu erreichen, wenn die personalen und sozialen Fähigkeiten der Lernenden ebenfalls berücksichtigt und in den Lernprozess eingebunden werden.

Die meisten Aufgabenformulierungen werden diesem Anspruch nicht gerecht. In Schulbüchern findet man zumeist geschlossene Aufgabenstellungen vor, in denen es darum geht, bereits erworbenes Wissen oder die Kenntnis von Begrifflichkeiten zu vertiefen und einzuüben. Sie fordern die Anwendung von „deklarative[m] und prozedurale[m] Wissen“ (Ruf 2003, 57) und schreiben den Lehrenden die Rolle des Abfordernden zu (‚Holschuld’), in der er zwar bestimmte Gestaltungsfreiräume besitzt (Beraten, Hilfestellungen gewähren), grundsätzlich aber nur einen Bereich des Leistungsspektrums seiner Schülerinnen und Schüler anfordert. Ruf plädiert auch vor dem Hintergrund der Leistungsheterogenität für die zunehmende Verwendung eines alternativen Aufgabentypus, den der offenen Aufgaben. Er geht von einem anderen Kerngedanken aus. Während bei geschlossenen Aufgaben die Fragestellung auch für den Lehrenden ein Sachgegenstand ist, den er zu behandeln hat, soll in den der offenen Aufgabe der Sachgegenstand mit einem biographischen Bezug durch den Lehrenden versehen sein. Dabei soll der Lehrende seinen persönlichen Bezug zum Lerngegenstand deutlich machen, indem er z.B. über eigene Erfahrungen und Probleme mit dem Gegenstand berichtet. Diese Verbindung soll Lernende in der Weise herausfordern, dass sie eine eigene Beziehung zum Lerngegenstand aufbauen. Sie sollten dies vor dem Hintergrund ihres eigenen Wissens und ihrer eigenen Hypothesen versuchen und so eine eigene Position entwickeln: „Ich mache das so.“ Diese Position kann und darf im Gegensatz zu der des Lehrenden und anderen Lernenden stehen. Sie ist somit Grundlage für einen Austausch und Dialog („Wie machst Du es? Ich mache es so.“) (Ruf, 2003, 59).

Dem produktiven Verhältnis von Person und Sache können offene Aufgaben aber nur gerecht werden, wenn sie weitere Bedingungen erfüllen:

- Sie müssen, wenn sie viele Schülerinnen und Schüler ansprechen wollen, „auf ganz unterschiedlichen Niveaus zu interessanten Lösungen“ (Ruf 2003, 58) führen.
- Die Arbeitsaufträge müssen in der Folge auch eine Entfaltungsmöglichkeit für begabtere Schülerinnen und Schüler beinhalten, d.h. auch diese müssen auf hohem Niveau neue Einsichten und Gedanken erwerben können (vgl. ebd.).
- Der Auftrag muss viele Lösungen und Lösungswege zulassen, d.h. der bearbeitende Schüler muss die Gelegenheit haben Überraschendes und Unerwartetes als Lösung zu präsentieren (vgl. ebd.).

Vor dem Hintergrund der Vorstellung, „Fördern und Fordern“ in einem Unterrichtkonzept zu verwirklichen, sind offene Aufgabentypen das Mittel der Wahl. Interessanterweise gelingt es auch der „exakten“ Schulmathematik, solche Aufgaben zu konstruieren. Abschließend soll das von Ruf gewählte Beispiel für Potenzrechung das berühmte Schachbrettbeispiel erläutert werden, das er im Sinne eines offenen Auftrags umformuliert und in die Gegenwart überträgt. Ein berühmter Mathematiker soll für einen Konzern in zwei Wochen (80 Arbeitsstunden) eine Problemlösung finden. Der Konzern bietet als Entlohnung 20.000 Rappen an. Der Mathematiker schlägt alternativ vor, dass er, wenn er die gesamte Zeit benötigt, nur einen Rappen erhält. Benötigt er eine Stunde weniger, erhält er drei Rappen, bei 78 Stunden erhöht sich die Lohnforderung um vier Rappen, beträgt also sieben Rappen. Offene Arbeitsaufträge könnten dazu wie folgt formuliert werden: Wie findest du die beiden Lohnregelungen? Würdest du [als Konzernchef] den Gegenvorschlag des Mathematikers akzeptieren? Begründe deine Antwort. Wie viel könnte er im Maximum verdienen? Inwiefern hat der Gegenvorschlag des Mathematikers etwas mit Potenzen zu tun?

Schlussfolgerungen

Aus der Durchsicht der Literatur ergeben sich folgende Einsichten, die maßgeblich für die Gestaltung von Konzepten sind, die sowohl den Anspruch des Förderns als auch des Forderns zu ihrer Maxime erhoben haben:

[...]

Final del extracto de 30 páginas

Detalles

Título
Schuleigene Förderprogramme auf dem Prüfstand
Subtítulo
Eine Evaluation der Förderkurse in Deutsch, Mathematik und Englisch am Helmholtz-Gymnasium in Bielefeld
Autor
Año
2005
Páginas
30
No. de catálogo
V86018
ISBN (Ebook)
9783638003551
ISBN (Libro)
9783638911849
Tamaño de fichero
1460 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Schuleigene, Förderprogramme, Prüfstand
Citar trabajo
Oliver Krueger (Autor), 2005, Schuleigene Förderprogramme auf dem Prüfstand, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86018

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Título: Schuleigene Förderprogramme auf dem Prüfstand



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