Interaktives Fernsehen - Benutzerorientierte Mehrwertgenerierung durch Konvergenz von TV und Internet


Diploma Thesis, 2002

82 Pages, Grade: 1,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Ausgangssituation
1.2 Ziel der Arbeit
1.3 Aufbau der Arbeit

2 Der Untersuchungsgegenstand: Interaktives Fernsehen
2.1 Interaktivität im Fernsehen
2.2 Interaktives Fernsehen als Multimedia-System
2.3 Definition des Interaktiven Fernsehens
2.4 Dienste im Interaktiven Fernsehen
2.5 Technische Voraussetzungen
2.5.1 Digitales Fernsehen
2.5.2 Distributionskanäle für Interaktives Fernsehen
2.5.3 Empfängertechnik
2.5.3.1 Die Set-Top-Box
2.5.3.2 Die Middleware
2.5.3.3 Navigationssoftware
2.6 Politik und die Rolle von Standards

3 Medienkonvergenz und Mediennutzung
3.1 Die konvergierenden Medien
3.1.1 Das Medium Fernsehen
3.1.2 Das Medium Internet
3.1.3 Kommunikationsmedien
3.2 Chancen und Hürden der Nutzungskonvergenz
3.3 Neue Wege der Konvergenz: Narrowcast
3.4 Betrachtungen zur Akzeptanz des Interaktiven Fernsehens

4 Systeme und Angebote für Interaktives Fernsehen
4.1 Anforderungen an Systeme für Interaktives Fernsehen
4.2 Technische Plattformen zur Darstellung Interaktiven Fernsehens
4.2.1 OpenTV
4.2.2 Liberate und ATVEF
4.2.3 Microsoft TV
4.2.4 MHP
4.3 „Interaktives Portal“: Ein Pilotprojekt der Kabel Deutschland GmbH
4.3.1 Das Endgerät
4.3.2 Die Benutzerschnittstelle des Portals
4.3.3 Medienkonvergenz und Zugriff auf Dienste
4.3.4 Personalisierungsmöglichkeiten

5 Benutzerorientierte Gestaltung von Schnittstellen und Inhalten
5.1 Usability - Bedienung des ITV-Angebots
5.1.1 Das „Abholen” des Nutzers
5.1.2 Die Eingabegeräte und Navigation
5.1.3 Alternative Benutzerschnittstellen
5.2 Erfolg durch attraktive Konzepte für ITV
5.3 Informationsarchitektur

6 Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Selbständigkeitserklärung

Danksagung

Thesen zur Diplomarbeit

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Freizeitbeschäftigung in der BRD 2001, Personen ab 14 Jahre

Abbildung 2: Entwicklung der täglichen Mediennutzungsdauer seit 1980

Abbildung 3: Sehdauer pro Tag in Deutschland West und Ost in 2001 nach Altersgruppen, Mo bis So

Abbildung 4: Genutzte Onlineeinsatzmöglichkeiten (Mindestens einmal pro Woche, Basis: Onlinenutzer ab 14 Jahren in Deutschland)

Abbildung 5: Relativer und absoluter Anteil der Onlinenutzer nach Altersgruppen

Abbildung 6: Das neue Kombinationskonzept

Abbildung 7: Die OpenTV Platform

Abbildung 8: Die Middleware Lösung von OpenTV

Abbildung 9: Liberates ITV Lösung für ausgebaute BBK-Netze

Abbildung 10: Middleware Architektur von Microsoft TV

Abbildung 11: Die Set-Top-Box ACTIVY 300 von Fujitsu Siemens Computers

Abbildung 12: Die aufklappbare Infrarotfernbedienung

Abbildung 13: Das Portal für Interaktives Fernsehen, EPG aktiv

Abbildung 14: Vorschaubild und Vollbild

Abbildung 15: Funktionstasten der Fernbedienung

Abbildung 16: Funktionalität der „i“-Taste und Audio-Menü

Abbildung 17: Senderliste und Vorschaubild

Abbildung 18: Demoportal mit Vorschaubild

Abbildung 19: Die Anwendung von Starzone

Abbildung 20: Navigation mittels Pfeiltastensteuerung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1 Ausgangssituation

Die Idee, das von passiver Mediennutzung geprägte Fernsehen um interaktive Inhalte erweitern zu können, ist nicht neu und scheint eine nachhaltige Faszination auf die Medienbranche auszuüben. Im Zuge der Digitalisierung der Fernseh- und Kommunikationstechnik ab Mitte der neunziger Jahre wurden in Deutschland und den USA zahlreiche Pilotprojekte zur Erprobung des Interaktiven Fernsehens (ITV) initiiert. Die Ergebnisse waren bezüglich eines wirtschaftlichen Durchbruchs entmutigend oder die Projekte scheiterten.1 Bis heute ist auf Seiten der zukünftigen Nutzer des „neuen Fernsehens“ Unwissenheit oder Ablehnung verbreitet. Dies ist nicht zuletzt auf die techniklastige Auslegung der Testprojekte zurückzuführen, bei denen die Bedürfnisse und Wünsche der Nutzer weitgehend außer Acht gelassen wurden. Dennoch ist zu erwarten, dass sich das Fernsehen in absehbarer Zukunft zu einem multimedialen und interaktiven Medium wandeln wird.

Die Voraussetzungen hierfür liegen einerseits in der schellen Ausbreitung computer- basierter Online-Medien und der damit einhergehenden Erfahrung der Menschen im Umgang mit interaktiven Medien. Andererseits ist es die fortschreitende Digitalisie- rung des Fernsehens, welche es ermöglicht, neben den herkömmlichen Fernseh- bildern auch nonlineare Inhalte auszuspielen. Ein Rückkanal ermöglicht dem Zuschauer die Zweiwegekommunikation mit dem Sender und anderen Nutzern. Die sich abzeichnende Konvergenz - die Annäherung zwischen Fernseh- und Computer- welt - könnte somit zu einem veränderten Selbstverständnis der Mediennutzung beim Fernsehen führen. Den letzten dafür notwendigen Schritt, vom passiven Zuschauer zum aktiven Anwender, muss jedoch der Nutzer selbst vollziehen.

Erfahrungen in Großbritannien, wo Interaktives Fernsehen teilweise schon Wirklich- keit geworden ist, zeigen, dass viele der interaktiven Zusatzdienste nur von einer Minderheit wahrgenommen werden.2 Die fehlende Akzeptanz deutet neben dem Mangel attraktiver Inhalte auf Probleme des Zugriffs und der Benutzerfreundlichkeit von interaktiven Inhalten am Fernseher hin. Es stellt sich die Frage, wie traditionelle Fernsehinhalte unter Beachtung bestehender Mediennutzungsgewohnheiten mit interaktiven Mehrwertdiensten verbunden werden können, um eine neue Medienkultur zu etablieren. Die Plattform, über die Interaktives Fernsehen angeboten wird, erhält hierbei eine zentrale Bedeutung, da sie die Schnittstelle zwischen dem Benutzer und den Diensten darstellt.

1.2 Ziel der Arbeit

Ziel der Diplomarbeit ist es, ausgehend von den aktuellen Entwicklungen, Gründe für Akzeptanzprobleme beim Interaktiven Fernsehen aufzuzeigen und Möglichkeiten zu entwickeln, wie Interaktives Fernsehen erfolgreicher gestaltet werden kann. Im Mittelpunkt der Betrachtung steht hierbei die benutzerorientierte Gestaltung der Portale, welche den Zugriff auf die verschiedenen Dienste ermöglichen, wobei auch Zusammenstellung und Konzeption der Inhalte berücksichtigt werden. Im Rahmen dieser Arbeit werden verschiedene bereits realisierte Angebote analysiert und unter Berücksichtigung der eingesetzten technischen Plattform verglichen.

1.3 Aufbau der Arbeit

Die Arbeit gliedert sich in sechs Kapitel. Das zweite Kapitel beginnt mit dem Untersuchungsgegenstand, Interaktives Fernsehen, und stellt alle für die Arbeit relevanten Aspekte dar. Das dritte Kapitel betrachtet die konvergierenden Medien sowie die potentiellen Nutzer und zieht Rückschlüsse auf die Nutzungspräferenzen. In Kapitel vier werden dann verschiedene technische Plattformen untersucht und das Portal für Interaktives Fernsehen analysiert, welches im Feldversuch von der Kabel Berlin/Brandenburg GmbH & Co.KG eingesetzt wird. In Kapitel fünf werden dann, unter Berücksichtigung der vorher gewonnenen Erkenntnisse, Möglichkeiten erarbeitet, wie Plattformen und Inhalte benutzer- und mediengerechter gestaltet werden können, sodass wahrnehmbarer Mehrwert für die Nutzer entsteht. Kapitel sechs gibt eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse.

2 Der Untersuchungsgegenstand: Interaktives Fernsehen

2.1 Interaktivität im Fernsehen

Ende der Sechziger Jahre legten Lou Van Burg und Vico Torriani mit ihrer Sendung „Der goldene Schuß“ den Grundstein für die Zuschauerbeteiligung im Fernsehen. Durch lautes Rufen über ein zugeschaltetes Telefon mussten Zuschauer versuchen, eine an der Fernsehkamera befestigte Armbrust für den finalen Zielschuss auszurich- ten.3 Mit der Sendung „Wetten daß...?“ wurde das heute als Televotum bezeichnete Teledialog-System (TED) populär, welches Abstimmungen per Telefon ermöglicht. Durch Wahl einer Telefonnummer, die einer bestimmten Antwortmöglichkeit zugeordnet ist, gibt der Zuschauer seine Stimme ab, beispielsweise für eine Wunsch- sendung. Auch wenn derartige Programmformate als „interaktive“ Sendungen vermarktet werden, ist hier die Interaktivitätsmöglichkeit für den einzelnen Zuschauer nicht gegeben.4 Ebenso wie beim herkömmlichen, linearen Fernsehen wird der Programmablauf von einer Person, wie beispielsweise dem „Armbrustschützen“, oder aber einer Gruppe von Personen, z.B. den Anrufern, die für den gezeigten Wunsch- film votiert haben, für alle anderen Zuschauer festgelegt. Inhaltliche Einflussnahme durch den einzelnen Zuschauer ist nur zeitlich begrenzt und in Ausnahmefällen möglich, worin ein grundlegender Unterschied zwischen Zuschauerbeteiligung im linearen Fernsehen und Interaktivität im Interaktiven Fernsehen besteht.

Interaktion kann als Kommunikation zwischen mindestens zwei Individuen betrachtet werden, bei der die einzelnen Mitteilungen aufeinander Bezug nehmen.5 Nach dieser Definition kann bereits von Interaktion gesprochen werden, sobald zwei Kommunikationspartner mindestens zwei Meldungen ausgetauscht haben, wobei die zweite Meldung eine Reaktion auf die erste Meldung sein muss. Dies setzt das Verstehen der Mitteilungen auf beiden Seiten voraus.

Die Beziehung zwischen Individuum und Medium bzw. Maschine wurde in der deutschsprachigen Fachliteratur inzwischen mit dem Begriff Interaktivität belegt.6 Da Interaktivität offensichtlich in unterschiedlichen Intensitäten auftreten kann, gibt es bei einigen Autoren Versuche, das Maß der Interaktivität zu messen.7 Erfasst werden hierfür beispielsweise die Menge der interaktiven Handlungen pro Zeiteinheit (interactions per minute) oder auch die Anzahl der bei der Mediennutzung involvier- ten Sinneskanäle.

Um die Entwicklung der Interaktivität im Fernsehen erfassen und die nutzungstypischen Eigenschaften der Anwendungen kategorisieren zu können, wurde erstmals von Höing8 eine fünfstufige Interaktivitätsskala vorgeschlagen. Tabelle 1 zeigt eine derartige Einteilung.

Tabelle 1: Interaktivitätsskala

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Höing 1993 S.1 und Schrape 1995 S. 28ff.

In der Literatur sind durchaus verschiedene Auffassungen darüber zu finden, auf welcher Stufe nun tatsächliche Interaktion beginnt. Ein elektronischer Programmführer (Level 2) kann beispielsweise bereits eine interaktive Anwendung darstellen und auch der Dienst True-Video-On-Demand (Level 3) weist ein Mindestmaß an Interaktivität im Sinne der Definition auf. Jedoch erst mit Erreichen von Level 4 handelt es sich um Interaktives Fernsehen nach neuerem Verständnis9, welches auch dieser Arbeit als Grundlage dient. In diesem Zusammenhang wird auf die Verwendung von Begriffen wie z.B. „Enhanced Television“ verzichtet, welche mögliche Zwischenstufen auf dem Weg zu Level 4 meinen.

Dennoch werden viele der zukünftigen Dienste sowohl von interaktiver als auch von passiver Mediennutzung geprägt sein, sodass das Interaktivitätskonzept zur Kategorisierung neuer Medienangebote an Bedeutung verliert. Vielmehr vereint das Interaktive Fernsehen Dienste und Medienangebote, die durch ein unterschiedliches Maß an Personalisierbarkeit und Individualisierbarkeit gekennzeichnet sind.10

2.2 Interaktives Fernsehen als Multimedia-System

Im Zuge des großen Erfolgs der Digitaltechnik in vielen Lebensbereichen war bald von einem Zusammenwachsen oder gar einer Verschmelzung der Unterhaltungs-, Kommunikations- und Informationstechnik die Rede. Es wurde die Integration von Telefon, Fernseher, Videorekorder und Personal Computer zu einem einzigen Multimediaterminal prognostiziert. Einen ersten Höhepunkt fand diese Konvergenz- Diskussion bei der Internationalen Funkausstellung ’95, die sich erstmals als „Multimedia-Messe Nr.1“ verstand, als Wilhelm Kahle Multimedia als den Wachs- tumsmarkt schlechthin deklarierte.11 In diesem Zusammenhang ist es sinnvoll, zunächst eine präzise Definition des inzwischen inflationär verwendeten Begriffs „Multimedia“ vorzunehmen: „Mit dem Begriff Multimedia werden allgemein rechner- gestützte Systeme und Anwendungen bezeichnet, die eine integrierte interaktive Bearbeitung von unabhängigen Informationen unter Einsatz von verschiedenen zeitunabhängigen und zeitabhängigen Mitteln zur Darstellung und Verbreitung dieser Informationen (=Medien) ermöglichen.“12

Gemäß dieser Definition stellt das Interaktive Fernsehen ein Multimedia-System dar. Die hier geforderte „integrierte interaktive Bearbeitung“ setzt einen systemeigenen Rückkanal voraus, welcher ein elementares Merkmal des Interaktiven Fernsehens darstellt. Bei den in Abschnitt 2.1 erwähnten Formaten mit Zuschauerbeteiligung kann der Zuschauer jedoch nur über einen medienfremden Kanal Kontakt zum Sender aufnehmen, da ein integrierter Rückkanal fehlt.

2.3 Definition des Interaktiven Fernsehens

Durch die Überlegungen zur Interaktivität und zu Multimedia konnte das Wesen des Interaktiven Fernsehens bereits eingegrenzt werden, dennoch ist es wünschenswert eine wissenschaftliche Definition des Begriffs zu erhalten. Eine homogene Definition bezüglich eines rezipientenorientierten Ansatzes leitet Garling her13. Zunächst charak- terisiert er das Fernsehen mit der Definition der Massenkommunikation als dem „Erzielen von Verständigung in einem indirekten und meist einseitigen Prozeß zwischen zumindest zwei Kommunikationspartnern“14. Weiterhin liegt nach Gerpott Interaktion vor, „wenn ein Kommunikator und ein Rezipient ihr jeweiliges kommuni- katives Handeln (Mitteilungs-Handlung bzw. Verstehens-Handlung) erfolgreich aufeinander gerichtet haben, also Verständigung zustande gekommen ist“15 Somit ist Interaktives Fernsehen die „indirekte Kommunikation mit einem anonymen oder personifizierten Kommunikator auf dialogischer Basis“.16

2.4 Dienste im Interaktiven Fernsehen

Aufbauend auf der obigen Definition des Interaktiven Fernsehens gibt Heinemann einen guten Überblick über das im Interaktiven Fernsehen mögliche Dienste-Spekt- rum.17 Er führt zunächst die vier Kategorien On-Demand-Services (Abrufdienste), Home-Services, Communication-Services und Home-Shopping ein. Die den Kategorien zugeordneten Dienste werden im Folgenden kurz dargestellt.

- On-Demand-Services

Die On-Demand-Services umfassen alle Dienste, bei denen der Nutzer Informationen beliebiger Art zu einem beliebigen Zeitpunkt abrufen kann.18 Die am meisten diskutierte Anwendung in dieser Rubrik ist das Video-On-Demand (VOD), das den individuellen Abruf von Spielfilmen, Reportagen, Dokumentationen und anderen Beiträgen ermöglicht. Auf ähnliche Weise funktioniert das Audio-On-Demand, bei dem nur akustische Signale auf Abruf übertragen werden. Wünschenswert erscheint bei diesen audiovisuellen Medien die über den reinen Abruf hinausgehende Medien- ablaufsteuerung mit Funktionen wie Pause, Zeitlupe, Zurückspulen oder direkte Szenenwahl.

Das Bildungsangebot bei Education-On-Demand kann Fernlehrgänge, Nachschlage- werke, kulturelle Angebote oder multimediale Lernanwendungen umfassen. News- On-Demand beschreibt den Abruf von Nachrichten jeglicher Art und Aufbereitung, wobei hier ein hoher Grad der Personalisierung gegeben sein kann. Games-On- Demand bezeichnet das Abrufen von Spielen, die mit dem Fernseher allein oder mit anderen Zuschauern über den Fernseher gespielt werden können. Ebenso in diese Rubrik einordnen lässt sich der Abruf von beliebigen auf digitalen Daten basierenden Produkten, wie beispielsweise Softwarepakete oder digitalisierte Musik.

- Home-Services

Die Home-Services umfassen alle Dienstleistungsangebote, die dem Zuschauer über Interaktives Fernsehen bereitgestellt werden. Zu den Financial Home-Services zählen neben dem klassischen Home-Banking alle denkbaren Finanzdienstleis- tungen inklusive einer persönlichen Beratung, die mittels Videokonferenzen erfolgen kann. Auch städtische und behördliche Vorgänge können so über den Fernseher vorbereitet oder abgewickelt werden, was dem Bürger Wartezeiten auf Ämtern ersparen kann . Das Home-Booking beinhaltet sämtliche Buchungsvorgänge wie z.B. Reisen, Flugtickets oder Karten für Veranstaltungen aller Art. In diese Rubrik fällt auch das Recherchieren und Bestellen von Dienstleistungen rund um den Haushalt, wie z.B. Leistungen von Handwerkern oder ein Mieterinfosystem.

- Communication-Services

Die Kommunikationsdienste ermöglichen dem Zuschauer mit anderen Personen oder Personengruppen in Interaktion zu treten. Denkbar sind hier synchrone Kommuni- kationsformen, für deren Zustandekommen mindestens zwei Menschen in Echtzeit Informationen austauschen müssen. Bei asynchroner Kommunikation hingegen erfolgt der Informationsaustausch zeitversetzt. Ein Beispiel hierfür ist ein um Bilder, Video und Audio erweiterter E-mail-Dienst. Bei der Bildtelefonie kommunizieren zwei oder mehrere Personen über einen audiovisuellen Kanal, wobei der Fernseher das Endgerät darstellt. Die Bildtelefonie in Verbindung mit dokumentenbasierter Daten- übertragung ermöglicht auch Telearbeit über das Interaktive Fernsehen. Weiterhin zu erwähnen sind Instant Messaging Services, die sich im Internet z.B. mit der Kommunikations-Software „ICQ“ oder beim Mobilfunk unter der Bezeichnung „SMS“ bereits großer Beliebtheit erfreuen.

- Home-Shopping

Im Interaktiven Fernsehen sind auch verschiedene Formen des Home-Shoppings denkbar. Produkte können hier auf vielfältige Weise präsentiert und multimedial erfahrbar gemacht werden. Der Zuschauer kann dann beispielsweise über seine Fernbedienung weitere Informationen abrufen oder direkt Bestellungen aufgeben.

Das in dieser Übersicht aufgeführte Spektrum an Diensten ist jedoch nicht gleichzusetzen mit dem Stand bereits realisierter Angebote. Weder in den USA noch in Europa ist das Interaktive Fernsehen in der Praxis so weit fortgeschritten. Zudem ist immer noch fraglich, ob viele dieser Dienste überhaupt von den Rezipienten akzeptiert werden und somit Aussichten auf Markterfolg haben.

2.5 Technische Voraussetzungen

2.5.1 Digitales Fernsehen

Digitales Fernsehen bedeutet zunächst nichts anderes, als dass die Fernsehsignale digital übertragen werden.19 Im Gegensatz zur analogen Fernsehübertragung, bei der die audiovisuellen Informationen in Form von Schwingungen vorliegen, werden hier die Videodaten vor dem Senden in binäre Zahlenfolgen übersetzt. Da die profession- elle Videotechnik auf Senderseite ohnehin schon weitgehend digital arbeitet, was verlustfreies Speichern und Kopieren sowie eine komfortable Bearbeitung ermöglicht, stellt die Digitalisierung der Übertragung lediglich einen weiteren Schritt im Moderni- sierungsprozess der Produktionskette dar. Dennoch ist zu erwarten, dass das digitale Fernsehen auch veränderte Medieninhalte mit sich bringt, da sich über die vollständig digitalisierte Kette vom Sender über das Distributionsnetz zum Empfänger digitale Daten beliebigen Inhalts übertragen lassen. Allein aus dieser Tatsache ergeben sich Impulse für die Mediennutzung, weg vom rein passiven und linearen Konsum. Direkte Auswirkungen des digitalen Fernsehens sind die Ausweitung des Kanalangebots und die Erweiterung der Informationsdienste.

Da die Digitalisierung von Videomaterial zunächst zu einer Vervielfachung des Daten- aufkommens führt, besteht die Notwendigkeit der Datenkompression. Die heute zur Verfügung stehenden Kompressionsverfahren für digitale Videodaten sind jedoch derart effektiv, dass neue Übertragungskapazitäten frei werden. Die Codierung und Komprimierung erfolgt mittels des für die Fernsehübertragung konzipierten MPEG 2 Standards der Motion Picture Expert Group. Die MPEG 2 Norm umfasst verschie- dene Auflösungen (Level) und Komplexitäten (Profile), die teilweise miteinander kombinierbar sind.20 Aus den zulässigen Kombinationen ergeben sich maximale Datenraten zwischen 4 Mbit/s für Low Level / Main Profile und 100 Mbit/s für High Level / High Profile. Für eine Fernsehübertragung in heutiger PAL-Qualität21 wird im Idealfall eine Bandbreite von 4 Mbit/s angenommen, was etwa einem Zehntel der für das analoge PAL-Signal benötigten Bandbreite entspricht.22 Somit können auf einem analogen Kanal im Kabel bzw. auf einem herkömmlichen Satellitentransponder bis zu zehn digitale Kanäle übertragen werden.

Die MPEG 2 Norm stellt einen integralen Bestandteil des „Digital Video Broad- casting“-Standards (DVB) dar. „DVB ist eine Gruppe von über 200 Organisationen aus über 20 Ländern“,23 deren gemeinsame Absicht es ist, den technischen Rahmen für die Einführung digitaler Rundfunksysteme zu schaffen. Der DVB-Standard wurde auf die technischen Eigenheiten der verschiedenen Übertragungswege optimiert und gliedert sich somit in

- DVB-T für terrestrische Übertragung,
- DVB-C für das Breitbandkabel (BBK) und
- DVB-S für Satellitenfernsehen.

Weiterhin definiert DVB auch Verschlüsselungsverfahren für Pay-TV Angebote, die möglichen Bildformate, das Einfügen von Service-Informationen (DVB-SI) sowie das Mitsenden beliebiger videofremder Daten im DVB-Datenstrom mit Hilfe von Multiplex- Verfahren.24 Letzteres ermöglicht auch multimediale Dienste auf Basis des DVB- Standards, der somit auch als Grundlage für interaktive Fernsehdienste gesehen werden kann.

Die Umstellung des Satellitennetzes auf das digitale Fernsehen ist unproblematisch und kann geschehen, indem man neue Satelliten positioniert, wie es bei „ASTRA 1E“ der Fall war. Aber auch die vorhandenen älteren Satelliten können genutzt werden, da es prinzipiell gleichgültig ist, ob dem Satellitentransponder ein analoges frequenz- moduliertes (FM) oder ein digitales, beispielsweise QPSK25 -moduliertes Signal zur Übertragung zugeführt wird.26 Die Digitalisierung des deutschen Breitbandkabelnetzes hat bereits begonnen, aber auch die Umstellung der terrestrischen Ausstrahlung soll nach der Initiative „Digitaler Rundfunk“ der Bundesregierung bis zum Jahr 2010 abgeschlossen sein.27 Ein wichtiger Schritt in diese Richtung war die Vereinbarung der Sender ARD, ORB, SFB, ZDF, ProSiebenSat.1 Media AG, RTL Television und der Medienanstalt Berlin-Brandenburg. Diese sieht die Einführung des digitalen Fernsehens nach dem DVB-T Standard in der Hauptstadtregion Berlin-Potsdam bis Mitte des Jahres 2003 vor.28

Tabelle 2: Empfangsituation in Deutschland im Januar 2001

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Arbeitsgemeinschaft der ARD-Werbegesellschaften 2001 S. 8.

Die Entwicklung der Empfangssituation in Deutschland zeigt, dass die Versorgung der Zuschauer mittels terrestrischer Fernsehsender und damit auch ihr Stellenwert insgesamt abnimmt. Im Zuge der Digitalisierung der terrestrischen Netze könnte dieser Trend zwar abgeschwächt werden, jedoch bleibt das Kanalangebot beschränkt, woraus sich ableiten lässt, dass Kabel und Satellit auch in Zukunft die wichtigsten Distributionskanäle für das digitale Fernsehen sein werden. Tabelle 2 zeigt die Empfangssituation im Jahr 2001.

Das digitale Fernsehen beschert dem deutschen Fernsehmarkt derzeit zum einen das von mäßigem Markterfolg begleitete Bezahlfernsehen Premiere29 und zum anderen einige Spartenkanäle der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten unter dem Namen „ZDF.Vision“ und „ARD Digital“. Die Media Services GmbH (MSG) vermarktet einige weitere Programmbouquets.

2.5.2 Distributionskanäle für Interaktives Fernsehen

Das Interaktive Fernsehen ist, wie oben gezeigt wurde, gekennzeichnet von Individu- alkommunikation und somit dem Senden und Empfangen von stark personalisierten Daten. Je nach Art des Dienstes müssen bidirektional, d.h. vom Sender zum Zu- schauer und vom Zuschauer zum Sender, große Datenmengen ausgetauscht werden, was aus heutiger Sicht hohe Anforderungen an die Telekommunikations- infrastruktur stellt. Keine der heute flächendeckend vorhandenen Netzplattformen wie Telefonnetz, Kabelnetz, Satellitennetz oder terrestrisches Netz bietet die technischen Voraussetzungen, die für das Interaktive Fernsehen notwendig sind.

Aus diesem Grund muss bei der Analyse der Übertragungskanäle für Interaktives Fernsehen heute zunächst zwischen zwei gleichermaßen notwendigen Kategorien von Netzen unterschieden werden. Auf der einen Seite sind dies die Broadcast- Netze, welche die Ausstrahlung des im vorigen Abschnitt beschriebenen digitalen Fernsehens ermöglichen, auf der anderen Seite flexible Datennetze mit Vermittlungs- dienst, wie z.B. dem Internet, welche der angeschlossenen Einheit eine bidirektionale Datenkommunikation ermöglichen. Bei den Broadcast-Netzen (Kabel, Satellit, Terrestrik) handelt es sich - derzeit noch - um reine Verteilnetze, was bedeutet, dass alle Teilnehmer die gleichen Inhalte empfangen. Diese sind ideal wenn es etwa um die Ausstrahlung digitaler Spartenkanäle geht, versagen jedoch zwangsläufig bei der Zustellung von personalisierten Daten, die nur für einen bestimmten Teilnehmer gedacht sind. Denn auch diese Datenpakete können, aufgrund des fehlenden Vermittlungsdienstes im Netz, nur an alle Teilnehmer gleichzeitig verteilt werden, was bei einer großen Teilnehmerzahl unweigerlich zu astronomischen Datenmengen und somit zum Kollaps führen würde.

Das Telefonnetz ist derzeit das einzige Vermittlungsnetz, das flächendeckend in deutschen Haushalten verfügbar ist und somit für die Zustellung der personalisierten Daten in Betracht gezogen werden muss. Das Telefonnetz ist jedoch nicht für die Übertragung größerer Datenmengen ausgelegt, welche bei vielen Diensten des Interaktiven Fernsehens anfallen. Es müssten daher sämtliche Komponenten des Telefonnetzes für höhere Übertragungsraten aufgerüstet werden. Da die Datenfern- netze bereits auf breitbandigen Lichtwellenleitern basieren, besteht der größte Engpass auf der sogenannten letzten Meile zu den Haushalten, welche auf Kupfer- doppelader basiert. Abhilfe kann der kostenintensive Ausbau der Glasfasertechnik bis in die Haushalte - auch bezeichnet als fibre-to-the-home (FTTH) - schaffen30, wie dies die Deutsche Telekom AG unter anderem in Leipzig praktiziert hat, als in den neunziger Jahren das Telekommunikationsnetz umstrukturiert wurde. Eine andere Möglichkeit, die von den deutschen Telekommunikationsunternehmen zur Zeit stark forciert wird, ist die Digitalisierung der Teilnehmeranschlussleitungen. Durch den Einsatz von Verstärkern und optimierten Modulations- und Kompressionsverfahren können so auf der Kupferleitung der letzten Meile, z.B. mittels der ADSL31 -Technik, Datenraten bis zu 9 Mbit/s erreicht werden.32

Bei dem erforderlichen Datenkanal muss zwischen dem Downstream und dem Upstream unterschieden werden, da sich hier unterschiedliche Anforderungen und Realisierungsmöglichkeiten ergeben können. Grundsätzlich werden für den Down- stream höhere Datenraten angenommen, um On-Demand-Dienste realisieren zu können, jedoch ist zu beachten, dass für die unter Abschnitt 2.4 beschriebenen vollwertigen Kommunikationsdienste auch für den Upstream angemessene Band- breiten bereitzustellen sind. Der Idealfall wäre somit ein symmetrischer Datenkanal, welcher in beiden Richtungen gleiche Bandbreiten bereitstellt. In der Literatur wird diese Problematik unter dem Begriff „Rückkanal“ diskutiert, wobei je nach Leistungs- fähigkeit häufig zwischen einem einfachen und einem vollwertigen Rückkanal unterschieden wird.33 Diese Betrachtungsweise ist zunächst einleuchtend, da die Rückkanalfähigkeit eine wesentliche Neuerung für das Medium Fernsehen darstellt, jedoch wird hierbei vernachlässigt, dass auch der „Hinkanal“ ganz neuen Anforderungen gerecht werden muss.

Aus der beschriebenen Situation wird deutlich, dass für die Distribution des Interaktiven Fernsehens keines der heute flächendeckend bestehenden Netze allein ausreicht. Auch in vielen Pilotprojekten werden deshalb Hybridlösungen eingesetzt. Inhalte mit niedrigem Individualisierungsgrad (digitale Kanäle und Spartenkanäle, Near-Video-on-Demand, etc.) werden über die bestehenden Broadcast-Netze Kabel und Satellit ausgestrahlt, wohingegen Kommunikationsdienste und individualisierte Inhalte über einen breitbandigen, im Idealfall symmetrischen Internetzugang abgewickelt werden, der beispielsweise auf dem Telefonnetz basiert.

Dem Breitbandkabel kommt als Distributionskanal für Interaktives Fernsehen eine besondere Rolle zu, denn es birgt das Potential, zu einem Full-Service-Network (FSN) aufgerüstet zu werden. „Ein Full-Service-Network ermöglicht nicht nur die Verteilung von Fernseh- und Radioprogrammen, sondern auch die Bereitstellung eines umfassenden Diensteangebots.“34 Hierzu ist einerseits die Erweiterung des Frequenzbandes - von meist 450 MHz auf ideale 862 MHz - notwendig, andererseits muss die Rückkanalfähigkeit hergestellt werden. Die Hauptaufgabe beim bidirektionalen Ausbau besteht darin, die Punkt-zu-Mehrpunkt-Verbindung durch den Einbau einer Vermittlungstechnik in eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung umzuwandeln. Ein derartig ausgebautes Breitbandkabelnetz mit vollwertigem Rückkanal bietet gute Möglichkeiten, die Dienste des Interaktiven Fernsehens zum Zuschauer zu bringen. In Netzebene 2 und Netzebene 3 (Region und Ort) kann es aber aufgrund des Shared-Medium-Konzeptes des Verteilnetzes zu Bandbreitenengpässen kommen. Das bedeutet, die Übertragungsgeschwindigkeiten für den einzelnen Nutzer variieren in Abhängigkeit von der Anzahl der angeschlossener Haushalte.35 Viele Anzeichen sprechen dafür, dass weite Teile des deutschen BBK-Netzes in den nächsten Jahren aufgerüstet werden und dann auch für Interaktives Fernsehen genutzt werden.36

Auch am Satelliten-Netz, dessen Stärken vor allem in der sehr großen Kanalkapazität liegen, geht der Trend zum Rückkanal nicht spurlos vorüber. So bietet z.B. die Betreibergesellschaft SES ASTRA mit dem Produkt ASTRA BROADBAND INTERACTIVE SYSTEM einen bidirektionalen Datenkanal über ASTRA 1H an.37

2.5.3 Empfängertechnik

Die Endgeräte des Interaktiven Fernsehens stellen die Schnittstelle der Technik zum Zuschauer dar. Da das Interaktive Fernsehen erst durch das technische Zusammen- spiel der Unterhaltungselektronik, der Telekommunikation und der Informationstech- nologie ermöglicht wird, sind bei der Konzeption eines „interaktiven Fernsehers“ auch die Endgeräte dieser Technologien zu berücksichtigen. Der interaktive Fernseher stellt somit ein Multimediaterminal dar, das Funktionen eines linearen Fernsehgerätes mit denen eines multimediafähigen Personal Computer (PC) und eines Telefons in sich vereint. Verschiedene Anbieter haben bereits interaktive Fernseher entwickelt und auf den Markt gebracht, allen voran die LOEWE-Opta GmbH mit dem „Multimedia Home-Terminal“.38 Dass derartige Geräte am Markt nur wenig beachtet wurden, liegt in erster Linie daran, dass bis heute unklar ist, welche Dienste wann angeboten werden und welche technischen Standards Anwendung finden werden. Frühe Entwicklungen, wie die der LOEWE-Opta GmbH waren deshalb darauf angewiesen eine möglichst große Anzahl an Normen und Standards zu unterstützen, in der Hoffnung, später auf kompatible Inhalte zu treffen.

2.5.3.1 Die Set-Top-Box

Um die herkömmlichen Fernsehgeräte als Anzeigemodule für Interaktives Fernsehen weiterverwenden zu können, wird die erforderliche Empfängertechnik in aller Regel in einem Zusatzgerät ausgelagert, das als „Set-Top-Box“ (STB) bezeichnet wird. Eine Set-Top-Box ist somit ein Beistell-Dekoder, welcher die ankommenden digitalen Signale des Interaktiven Fernsehens empfängt und verarbeitet, diese dann in ein analoges Signal umwandelt und so dem Fernseher zuführt. Die wesentlichen Auf- gaben einer Set-Top-Box, die Interaktives Fernsehen ermöglichen soll, sind im Fol- genden kurz zusammengefasst.

- Dekodierung digitaler Fernsehkanäle
- Zugriffsteuerung und Entschlüsselung von Inhalten mit Zugriffsbeschränkung (Conditional Access)
- ermöglichen der bidirektionalen Datenkommunikation über ein integriertes Modem
- ausführen von Navigationssoftware und Anwendungen und Generierung einer grafischen Benutzeroberfläche zur Darstellung auf dem Fernseher
- Ausgabe aller TV-Inhalte, Dateninhalte und der generierten Inhalte über ein analoges Videosignal für den Fernseher (PAL-Norm über FBAS, S-VHS, Scart)
- Bereitstellung einer Bedienschnittstelle meist in Form einer Fernbedienung
- Optional: Zwischenspeichern von Inhalten mittels integrierter Festplatte (Videorekorderfunktion) und Abspielmöglichkeit für handelsübliche Videodatenträger (integrierter DVD-Player)
- Bereitstellung von Anschlussmöglichkeiten für Hifi-Anlage, Videorekorder, Videokamera, DVD-Player, etc.

Die Komplexität und Vielfalt der Aufgaben erfordert den Einsatz eines leistungsfä- higen Rechners mit einer besonderen Hard- und Softwarekonfiguration. Für die Hersteller der Set-Top-Boxen bietet sich beispielsweise der Einsatz von IBM-PC kompatibler Hardware in Verbindung mit einem Linux- oder Windows-Betriebssystem an. Der modulare Aufbau eines PC ermöglicht eine flexible Anpassung an die lokalen Erfordernisse des Einsatzortes. So kann z.B. eine Set-Top-Box, die für Haushalte mit aufgerüstetem Breitbandkabelanschluss konzipiert ist, leicht mit DVB-C-Empfänger und Kabelmodem ausgestattet werden. Die Satellitenversion der gleichen Set-Top- Box kann hingegen mit DVB-S-Empfänger und einem DSL39 -Adapter bestückt sein.

2.5.3.2 Die Middleware

Bei der Realisierung der Set-Top-Box wird diskutiert, ob einer proprietären oder einer offenen Lösung der Vorzug zu geben ist. Über ein proprietäres System kann der Zuschauer nur Inhalte empfangen, die eben für dieses Gerät aufbereitet wurden. Der Anbieter der Set-Top-Box legt somit die empfangbaren Inhalte für die Zuschauer fest. Offene Lösungen hingegen erlauben dem Zuschauer im Idealfall den Empfang aller Inhalte des Interaktiven Fernsehens.

Die Schaffung der Schnittstelle zwischen der Set-Top-Box und den verschiedenen Diensten und Anwendungen des Interaktiven Fernsehens erfolgt durch die Middle- ware. Dies ist eine Systemsoftware für Set-Top-Boxen, welche zwischen den Grundfunktionen des Rechnerbetriebssystems, dem Kernel, und den eigentlichen Applikationen operiert. Die Middleware gehört somit zur Set-Top-Box und deren wichtigste Aufgabe ist es, eine genau definierte Software-Schnittstelle - das „Application Programming Interface“ (API) - zur Verfügung zu stellen. Dieses ermöglicht es den Anbietern von Inhalten und Diensten, lauffähige Anwendungen für eine bestimmte Set-Top-Box zu entwickeln. Multimediale Anwendungen, wie beispielsweise elektronische Programmführer (EPG), werden grundsätzlich für ein bestimmtes API erstellt und erfordern für ihre Darstellung auf dem Bildschirm die Verfügbarkeit des gleichen API in der Set-Top-Box. Ist dort jedoch ein anderes API vorhanden, wird die Anwendung von der Box nicht ausgeführt. Dieser Umstand führt dazu, dass gegenwärtig unverschlüsselt übertragene und somit frei zugängliche Anwendungen, wie z.B. der EPG von ARD und ZDF oder RTL World, nicht auf der „d-Box“ dargestellt werden können. Premiere verwendet in der d-Box das BetaNova- API, während die öffentlich-rechtlichen Sender sowie RTL ihre Inhalte für STB entwickeln, die auf der F.U.N.-Spezifikation des „Free Universe Network“ und somit auf dem API von OpenTV basieren.40 Um derartige Zugangsbeschränkungen zu verhindern und einen offenen horizontalen Markt zu ermöglichen, erarbeitete das DVB-Projekt bereits 1997 ein erstes Konzept für die „Multimedia Home Platform“ (MHP).41 DVB-MHP stellt eine Spezifikation für eine geräteunabhängige interoperable Middleware dar, welche auf offenen Standards basiert. Weitere wichtige Forderungen sind die Trennung von Applikationen und Daten und die Verwendung des Common Interface (CI) für die Realisierung von Conditional-Access-Systemen (CA). Der CI- Standard basiert auf dem PCMCIA42 Steckkartensystem, für welches die Anbieter von Pay-TV dann ihre Dekoderkarten im Scheckkartenformat auslegen müssten. Dies würde den Abnehmern von verschlüsselten Pay-TV Angeboten die freie Wahl einer Set-Top-Box ermöglichen. Die Zeiten, in denen Pay-TV Anbieter den Zuschauern eine bestimme Set-Top-Box aufdiktieren können, wie dies Premiere mit der d-Box praktiziert hat, wären dann vorbei.

2.5.3.3 Navigationssoftware

Die Navigationssoftware soll Zugriffsmöglichkeiten auf alle Angebote bereitstellen sowie die vollständige Information des Zuschauers ermöglichen. Bei der zu erwar- tenden Menge an Kanälen und multimedialen Angeboten wird die Aufgabe der Navigationssoftware immer wichtiger und komplexer. Um einer rundfunkrechtlichen Brisanz durch eine mögliche Zugriffsbeschränkung für einzelne Anbieter vorzubeu- gen, fordert der Medienrechtler Hege für ein übergreifendes Navigationssystem die folgenden Voraussetzungen:43

- Es muss über alle verfügbaren Angebote informieren und darf den Zugang für niemanden beschränken.
- Es muss regional differenzieren, um eine chancengleiche Information über regionale Angebote zu gewährleisten.
- Es muss kontinuierlich aktualisiert und weiterentwickelt werden.
- Es muss autark sein und nicht von Interessen Einzelner geleitet werden.

Die Schwierigkeit bei der Entwicklung einer offenen Navigationssoftware besteht darin, diese Forderungen zu berücksichtigen und dem Nutzer dennoch eine Orientie- rungshilfe in der Angebotsflut zu geben und eine sehr einfache Bedienung zu ermög- lichen. Hier könnte z.B. der Einsatz von „intelligenten“ Softwareagenten hilfreich sein, welche das Rezeptionsverhalten des Nutzers beobachten und so die Angebote individuell strukturieren.

Die Steuerung der Navigationssoftware stellt einen weiteren Problemkreis dar, denn diese erfolgt nicht - wie bei einem PC üblich - über Maus und Tastatur, sondern über eine Fernbedienung, die mit den dafür benötigten Zusatzfunktionen ausgestattet ist. Die Rahmenbedingungen für die Navigation durch die Angebote des Interaktiven Fernsehen werden also bereits von der Set-Top-Box und der verwendeten Middle- ware geschaffen.

2.6 Politik und die Rolle von Standards

Eng verknüpft mit der Einführung des Interaktiven Fernsehens ist die Diskussion um die Aufrüstung der deutschen Breitbandkabelnetze zu leistungsfähigen Full-Service- Networks. Die seit 1998 in Gang gekommene Restrukturierung des Kabel-TV- Marktes ist im Wesentlichen auf die als „Kabelrichtlinie“ bekannt gewordene Richtlinie 99/64/EG der EU-Kommission vom 23. Juni 1999 zurückzuführen.44 Diese fordert die rechtliche Trennung der von marktbeherrschenden Kommunikationsunternehmen gleichzeitig betriebenen Telefonnetzen und Kabel-TV-Netzen. Um einer etwaigen rechtlichen Verpflichtung zuvorzukommen, hat die Deutsche Telekom zum Jahres- ende 1998 das Kabelgeschäft in die eigenständige Kabel Deutschland GmbH ausgegliedert, um im nächsten Schritt daraus neun Regionalgesellschaften zu bilden. Der Verkauf der Mehrheitsanteile dieser Regionalgesellschaften zumeist an auslän- dische Investoren ist bereits vorangeschritten. Der US-amerikanische Konzern Callahan Associates hat bereits die Mehrheitsanteile der Regionalgesellschaften Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg übernommen und plant die Aufrüstung der Netze. Der Kaufvertrag mit Liberty Media über insgesamt sechs Regionalgesell- schaften und damit 60% der deutschen Kabelhaushalte, scheiterte jedoch am 26. Februar 2002 endgültig am Verbot des Bundeskartellamtes. In der Begründung heißt es, dass der geplante Zusammenschluss zu einer Verstärkung marktbeherrschender Stellungen im Endkundenmarkt Kabelfernsehen, im Einspeisemarkt und im Signallieferungsmarkt führen würde, was die Wettbewerbssituation im deutschen Kabelmarkt deutlich verschlechtern würde.45 Im Geschäftskonzept von Liberty Media sah das Bundeskartellamt den Versuch, die Netzebene 4 möglichst flächendeckend zu erwerben, um dann exklusiv eigene Inhalte vermarkten zu können.46 Darauf deutet auch die von Liberty geplante Verteilung einer proprietären Set-Top-Box an die Kabelhaushalte hin. Dies könnte zu einer vertikalen Marktkonzentration führen und die Chancen auf einen offenen, wettbewerblichen Kabelzugang verbauen.

[...]


1 Vgl. Beckert, B. u. Kubicek, H. 1999 S. 128ff.

2 Vgl. Roesch, A., 2002.

3 Vgl. Dahm, H. u. a. 1998 S. 21.

4 Vgl. Heinemann, C. 1997 S. 31.

5 Vgl. Köck, W. K. 1991 S. 359.

6 Vgl. Heinemann, C. 1997 S. 29.

7 Siehe z.B. Rötzer, F. 1994 S. 66.

8 Vgl. Höing, M. 1993 S. 1.

9 Vgl. z.B. Heinemann, C. 1997 S. 35.

10 Vgl. Beckert, B. und Kubicek, H. 2000 S. 13.

11 Vgl. Brockmeyer, D. u. Eichholz, E. 1999 S. 45.

12 Zitiert nach Gerpott, T. 1995 S. 535.

13 Vgl. Garling, J. 1997 S. 13 ff

14 Zitiert nach Garling, J. 1997 S. 20.

15 Zitiert nach Garling, J. 1997 S. 22.

16 Zitiert nach Garling, J. 1997 S. 24.

17 Siehe Heinemann, C. 1997 S. 35 ff.

18 Vgl. Goedhart,F u. Künstner, T. 1995 S. 54.

19 Vgl. Clement, M. 2000 S. 17.

20 Vgl. Ziemer, A. 1997 S. 116.

21 „Phase Alternating Line“ (PAL) ist ein Verfahren zur Übertragung von Fernsehsignalen.

22 Lenz, M. u. Reich. A. 1999 S. 33.

23 Vgl. Ziemer, A. 1997 S. 239.

24 Vgl. Ziemer, A. 1997 S. 239.

25 QPSK (Quadrature Phase Shift Keying) ist eine digitale Frequenzmodulationstechnik.

26 Siehe Ziemer, A. 1997 S. 254.

27 Siehe Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie 2001 S. 2.

28 Vgl. Poetsch, F. 2002.

29 Das bei der Fusion von Premiere und DF1 im Oktober 1999 entstandene Premiere World heißt seit März 2002 wieder Premiere.

30 Heinemann, C. 1997 S. 64.

31 ADSL steht für Asyncronous Digital Subscriber Line.

32 Vgl. PwC Deutsche Revision 2000 S. 63.

33 Vgl. z.B. Garling, J. 1997 S. 67f.

34 Vgl. PwC Deutsche Revision 2000 S. 50.

35 Vgl. PwC Deutsche Revision 2000 S. 54.

36 Siehe hierzu auch Abschnitt 2.6.1.

37 Vgl. SES ASTRA 2002.

38 Vgl. Heinemann, C. 1997 S. 71.

39 DSL steht für Digital Subscriber Line und bezeichnet digitale Teilnehmeranschlussleitungen.

40 Vgl. Deutsche TV-Plattform e.V. 1999 S 8.

41 Vgl. Deutsche TV-Plattform e.V. 1999 S. 3.

42 PCMCIA steht für “Personal Computer Memory Card International Association”.

43 Vgl. Hege, H. 1996 S. 40.

44 Vgl. PwC Deutsche Revision 2000 S. 19.

45 Vgl. Bundeskartellamt 2002, Pressemeldung vom 26.02.2002.

46 Vgl. Bundeskartellamt 2002, Pressemeldung vom 26.02.2002.

Excerpt out of 82 pages

Details

Title
Interaktives Fernsehen - Benutzerorientierte Mehrwertgenerierung durch Konvergenz von TV und Internet
College
Leipzig University of Applied Sciences  (Fachbereich Polygrafische Technik)
Grade
1,0
Author
Year
2002
Pages
82
Catalog Number
V8686
ISBN (eBook)
9783638155939
File size
3250 KB
Language
German
Keywords
itv, interaktives Fernsehen, Konvergenz, Medienkonvergenz, webtv, digitales Fernsehen, Multimedia, Fernsehen, Internet, Liberate, STB, Middleware, Settopbox, MHP, Usability, Benutzerschnittstelle, MH
Quote paper
Marcel Langlois (Author), 2002, Interaktives Fernsehen - Benutzerorientierte Mehrwertgenerierung durch Konvergenz von TV und Internet, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/8686

Comments

  • No comments yet.
Look inside the ebook
Title: Interaktives Fernsehen - Benutzerorientierte Mehrwertgenerierung durch Konvergenz von TV und Internet



Upload papers

Your term paper / thesis:

- Publication as eBook and book
- High royalties for the sales
- Completely free - with ISBN
- It only takes five minutes
- Every paper finds readers

Publish now - it's free