Praxis betrieblicher Gesundheitsförderung an Hochschulen


Mémoire de Maîtrise, 2007

175 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problembereich und Fragestellungen
1.2 Public-Health Relevanz des Themas
1.3 Aufbau

2 Betriebliche Gesundheitsförderung an Hochschulen: Gründe, Konzepte und gesetzliche Rahmenbedingungen
2.1 Warum Gesundheitsförderung an Hochschulen?
2.1.1 Strukturen der Hochschulen in Deutschland – Statistische Daten
2.1.2 Aktuelle Herausforderungen an die Hochschulen
2.1.3 Bedeutung und Ziele der Gesundheitsförderung für die Hochschule
2.2 Konzepte der betrieblichen und hochschulbezogenen Gesundheitsförderung
2.2.1 Begrifflichkeiten: Gesundheitsförderung, Salutogenese und Prävention
2.2.2 Setting-Ansatz und Organisationsentwicklung
2.2.2.1 Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF)
2.2.2.2 Konzept: Health Promoting Universities
2.2.3 Managementbezogener Ansatz
2.2.3.1 Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM)
2.2.3.2 Hochschulinternes Gesundheitsmanagement (HiG)
2.2.4 Hochschulbezogene Gesundheitsförderung nach Faller
2.3 Rechtliche Rahmenbedingungen
2.3.1 Arbeits- und Gesundheitsschutz an Hochschulen
2.3.1.1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und Gefährdungsbeurteilung
2.3.1.2 Arbeitssicherheitsgesetz
2.3.2 Sozialgesetzbuch (SGB)

3 Strukturelle und organisatorische Aspekte hochschulbezogener Gesundheitsförderung
3.1 Besonderheiten der Hochschule als Organisation
3.1.1 Organisationsstrukturen der Hochschulen
3.1.2 Organisationstheoretische Ansätze
3.1.2.1 Hochschulen als Prototyp der „Organized Anarchy“
3.1.2.2 Hochschulen als Expertenorganisationen
3.2 Hochschuladäquate Strukturen betrieblicher Gesundheitsförderung
3.2.1 Strukturen einer hochschulbezogenen Gesundheitsförderung
3.2.2 Hochschulbezogene Projektstruktur der Gesundheitsförderung
3.2.2.1 Grundmodell einer gesundheitsfördernden Projektstruktur an Hochschulen
3.2.2.2 Kommunikations- und Schnittstellengestaltung
3.2.2.3 Gesundheitszirkel bzw. Focusgruppen und Arbeitsgruppen als Instrumente der Betroffenenbeteiligung an Hochschulen
3.2.3 Hochschulbezogene Bestandsanalyse und Gesundheitsberichterstattung
3.2.4 Integration von Gesundheitsförderung in das Hochschulmanagement

4 Akteure und Anspruchsgruppen betrieblicher Gesundheitsförderung an Hochschulen
4.1 Interessenslagen und Perspektiven der Akteure
4.1.1 Integration der unterschiedlichen Perspektiven
4.1.2 Perspektive der strategisch und wirtschaftlich Verantwortlichen
4.1.3 Perspektive der Anspruchsgruppen
4.1.4 Experten-Perspektive
4.2 Gesundheitsbezogene Bedarfslagen der verschiedenen Anspruchsgruppen der Hochschule
4.2.1 Einleitende Bemerkungen zum Verhältnis der Statusgruppen
4.2.2 Beschäftige in Hochschulverwaltung und –technik
4.2.3 Wissenschaftlich Beschäftigte
4.2.3.1 Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter
4.2.3.2 Lehrbeauftragte und studentische und wissenschaftliche Hilfskräfte
4.2.4 Studierende

5 Themenbezogener Forschungsstand

6 Forschungsdesign
6.1 Untersuchungsziel und –ansatz
6.2 Untersuchungsmethodik
6.2.1 Einsatz kombinierter Datenerhebungsmethoden
6.2.2 Dokumentenanalyse
6.2.3 Fragebogen
6.2.4 Experteninterview
6.3 Auswahl der Stichprobe

7 Darstellung der Ergebnisse und Diskussion
7.1 Vergleichende Darstellung
7.1.1 Darstellung der teilnehmenden Hochschulen
7.1.2 Zentrale Strukturen der betrieblichen Gesundheitsförderung
7.1.2.1 Gründung und Initiative der betrieblichen Gesundheitsförderung
7.1.2.2 Zusammensetzung des zentralen Gremiums (z. B. Arbeitskreis)
7.1.2.3 Operative Infrastruktur
7.1.3 Entscheidungsträger und Entscheidungsstrukturen
7.1.4 Einbindung in die Hochschulstrukturen
7.2 Zusammenfassende Beschreibung der Strukturen der betrieblichen Gesundheitsförderung je Hochschule
7.2.1 RWTH Aachen
7.2.2 Universität Augsburg
7.2.3 Universität Bremen
7.2.4 Technische Universität Darmstadt (TUD)
7.2.5 Leibnitz Universität Hannover (LUH)
7.2.6 Medizinische Hochschule Hannover (MHH)
7.2.7 Universität Kaiserslautern
7.2.8 Universität Karlsruhe
7.2.9 Universität Konstanz
7.2.10 Hochschule Magdeburg
7.2.11 Philipps-Universität Marburg
7.2.12 Technische Universität München (TUM)
7.2.13 Universität Paderborn
7.3 Diskussion
7.3.1 Initiativen der betrieblichen Gesundheitsförderung im Verhältnis zu
weiteren Strukturbildung
7.3.2 Hochschulbezogene Struktur der Gesundheitsförderung – Grundmodell
und Praxis
7.3.3 Identifizierung der Anspruchsgruppen der betrieblichen Gesundheits-
förderung

8 Zusammenfassung und Ausblick 136

Literaturverzeichnis

Internetverzeichnis: Hochschulen (Webseiten zur Gesundheitsförderung)

Anhangsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Anzahl der Hochschulen und Studierenden in Deutschland

Tabelle 2: Personalgruppen an Hochschulen in Deutschland

Tabelle 3: Weibliches Personal an Hochschulen in Deutschland

Tabelle 4: Einteilung der Hochschulen nach Studierendenanzahl

Tabelle 5: Einteilung der Unternehmen nach Anzahl der Beschäftigten

Tabelle 6: Spezifische HGBE-Berichtsstruktur

Tabelle 7. Rahmendaten und Inhaltsbereiche von Gesundheitsberichten
an Hochschulen

Tabelle 8: Ressourcen und Belastungen von Beschäftigten in Hochschulverwaltung
und –technik

Tabelle 9: Hauptberufliches wissenschaftliches und künstlerisches Personal (Dienstbezeichnung und Besoldungs- und Vergütungsgruppe)

Tabelle 10: Nebenberufliches wissenschaftliches und künstlerisches Personal

Tabelle 11: Auswahl der Hochschulen mit gesundheitsfördernden Aktivitäten und Strukturen (sortiert nach Städtenamen)

Tabelle 12: Darstellung der teilnehmenden Hochschulen mit Strukturen der betrieblichen Gesundheitsförderung

Tabelle 13: Gründung des zentralen Gremiums der betrieblichen Gesundheitsförderung (Hochschule/Jahr)

Tabelle 14: Zusammensetzung des zentralen Gremiums der betrieblichen Gesundheitsförderung

Tabelle 15: Legende zur Tabelle 14: Zusammensetzung des zentralen Gremiums der betrieblichen Gesundheitsförderung

Tabelle 16: Leiter der Arbeitskreise (bzw. Steuerkreise etc.) und deren hauptberuflichen Funktion

Tabelle 17: Leitungs- und Koordinatorenfunktion jeweils in getrennten Bereichen

Tabelle 18: Entscheidungsträger der betrieblichen Gesundheitsförderung an
Hochschulen

Tabelle 19: Darstellung der Entscheidungsgremien

Tabelle 20: In welche der bestehenden Strukturen ist die Gesundheitsförderung am ehesten eingebunden?

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Einteilung der Hochschulen nach der Anzahl der Studierenden

Abbildung 2: Enteilung der Hochschulen nach Anzahl der Beschäftigten (n=383)

Abbildung 3: Aktuelle Herausforderungen an die Hochschulen

Abbildung 4: Beispiel für die Erstellung eines kennzahlengestützten Ziel- und Steuerungsinstruments zur hochschulbezogenen Gesundheitsförderung

Abbildung 5: Garbage Can Modell

Abbildung 6: Grundmodell einer gesundheitsfördernden Projektstruktur
an Hochschulen

Abbildung 7: Zusammensetzung des Gesundheitszirkels nach dem Berliner und dem Düsseldorfer Modell

Abbildung 8: Integration der unterschiedlicher Perspektiven von Hochschulakteuren
in die hochschulbezogene Gesundheitsförderung

Abbildung 9: Grundmodell einer gesundheitsfördernden Projektstruktur an Hochschulen als Untersuchungsziel

Abbildung 10: Darstellung der eingesetzten Datenerhebungsmethoden

Abbildung 11: Fragebogenrücklauf

Abbildung 12: Anzahl der Hochschulen mit Strukturen der Gesundheitsförderung
bezogen je Bundesland (Stichprobe n= 23)

Abbildung 13: Darstellung der teilnehmenden Hochschulen nach Anzahl der Studierenden und des Personals

Abbildung 14: Jahr der Gründung des zentralen Gremiums der betrieblichen Gesundheitsförderung (n=13)

Abbildung 15: Initiatoren der Gründung der betrieblichen Gesundheitsförderung

Abbildung 16: Zusammensetzung des zentralen Gremiums der betrieblichen Gesundheitsförderung nach Bereichen

Abbildung 17: Wieviel ständige Mitglieder sind im Arbeitskreis (bzw. Steuerkreis etc.) vertreten?

Abbildung 18: Wie oft trifft sich der Arbeitskreis (bzw. Steuerkreis) im Jahr?

Abbildung 19: Koordinatorenstelle – Arbeitszeit, Freistellung und Befristung

Abbildung 20: Einbindung der Koordinatorenstelle bzw. –funktion in die Hochschulorganisation

Abbildung 21: Einbindung der Leitung in die Hochschulstrukturen

Abbildung 22: Verhältnis von Leitung und Koordination

Abbildung 23: Wer übernimmt die Moderation? (n=10)

Abbildung 24: Entscheidungsträger der betrieblichen Gesundheitsförderung

Abbildung 25: Struktur des Gesundheitsmanagement der Leibniz Universität Hannover

Abbildung 26: Integriertes Gesundheitsmanagement der Universität Hannover

1 Einleitung

1.1 Problembereich und Fragestellungen

Das Thema „Gesundheitsförderung“ hat an Hochschulen seit einigen Jahren an Bedeutung gewonnen. Hochschulen stehen vor gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen wie Globalisierung und demographischer Wandel etc. Der Wettbewerb zwischen den Hochschulen, die Notwendigkeit zur Profilbildung, neue Steuerungsmodelle und Globalhaushalte, Umstellung der Studiengänge auf Bachelor- und Masterabschlüsse und nicht zuletzt die Einführung von Studiengebühren und die damit zu erwartenden höheren Ansprüche der Studierenden stellen massive Herausforderungen für die Hochschulen dar und zeigen Auswirkungen auf Forschung, Lehre, Studium und Verwaltung.

Auf Seiten der Entscheidungsträger an den Hochschulen setzt sich - gerade im Kontext der aktuellen Strukturveränderungen – immer mehr die Erkenntnis durch, dass es darum gehen muss, das vorhandene Potential bei den Beschäftigten zu erschließen und so zu fördern, dass es allen Beteiligten insgesamt dient. In diesem Zusammenhang ist betriebliche Gesundheitsförderung der Prozess, der die gesundheitsadäquate Gestaltung von Arbeit und Organisation sowie die Unterstützung bei gesundheitsbezogenen Verhaltensweisen zum Ziel hat.

In Deutschland gab es im WS 2006/2007 insgesamt 383 Hochschulen. Die Hochschulen stellen dabei für fast 2,5 Millionen Menschen einen zentralen Arbeits-, Lern- und Lebensort dar. Anfang 2007 waren ca. 2 Millionen Studierende[1] in deutschen Hochschulen eingeschrieben. Ende 2005 waren an deutschen Hochschulen nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes fast 498.000 Menschen beschäftigt. 257.018 Personen (52%) nahmen Aufgaben in Verwaltung, Bibliothek, technischen Dienst und Pflegedienst wahr; 240.186 oder 48% des Personals waren wissenschaftlich oder künstlerisch tätig. Hochschulen haben demnach eine deutliche Größe und Einfluss in ihrer Doppelfunktion als Arbeitgeber und Bildungseinrichtung.

Dennoch finden sich nur in ca. 60[2] von 383 Hochschulen gesundheitsfördernde Aktivitäten. Hartmann et al (2003) kommen angesichts dieser Größenordnung zu dem Schluss, dass die bisherigen Ansätze der Gesundheitsförderung an Hochschulen als marginal zu bezeichnen sind. Allerdings ist betriebliche Gesundheitsförderung in den meisten Hochschulen seit frühestens Mitte der 90er Jahre bis Anfang 2000 ein Thema. Es ist von daher anzunehmen, dass sich dieser Prozess noch in der Entwicklung befindet.

Dazu kommt, dass die Einführung und Etablierung von betrieblicher Gesundheitsförderung an Hochschulen bestimmten Besonderheiten unterliegt. Eine Hochschule unterscheidet sich in Organisation und Struktur zum Teil erheblich von Wirtschaftsunternehmen, aber auch von anderen Einrichtungen des öffentlichen Dienstes. Aufgrund der Komplexität und Größe der Hochschulen, der Vielzahl von Einheiten, zentralen und dezentralen Einrichtungen, der Trennung von Forschung/Lehre und Verwaltung, der Heterogenität der Statusgruppen, der unterschiedlichen Hierarchieebenen und des Selbstverwaltungsprinzips ist eine nachhaltige Etablierung von gesundheitsfördernden Strukturen und Prozessen viel schwieriger zu gestalten als in der Privatwirtschaft (Faller 2007, S. 126).

Vielerorts wird die betriebliche Gesundheitsförderung der Hochschulinfrastruktur und damit der Hochschulverwaltung zugeordnet, und der Kernprozess einer Hochschule – Forschung und Lehre, bleibt außen vor (Stratmann 2005). Andererseits ist betriebliche Gesundheitsförderung an deutschen Hochschulen da ein Thema, wo von wissenschaftlicher Seite (z.B. Gesundheitswissenschaften, Psychologie) Anregungen und Begleitungen erfolgen (Stratmann 2005).

Das Interesse dieser Abschlussarbeit „Praxis der betrieblichen Gesundheitsförderung an Hochschulen“ bezieht sich deshalb im wesentlichen auf die Strukturen und Infrastrukturen der Gesundheitsförderung an Hochschulen. Folgende Fragestellungen ergeben sich für die Magisterarbeit:

Wie sind die Strukturen der betrieblichen Gesundheitsförderung an Hochschulen aufgebaut?

Wie ist die betriebliche Gesundheitsförderung in die Struktur und Organisation der Hochschule eingebunden?

1.2 Public-Health Relevanz des Themas

Das Erkenntnisinteresse der Gesundheitswissenschaften liegt daher zum einen in der Analyse der körperlichen, psychischen und sozialen Ausgangsbedingungen und Ursachen für Gesundheit und Krankheit in verschiedenen Bevölkerungsgruppen und zum anderen in der Analyse der daraus erwachsenden Konsequenzen für Versorgungssysteme, Gesundheitspolitik und - management, Gesundheitssystemgestaltung und nachhaltiges Umweltmanagement. Public Health ist somit die Wissenschaft und Praxis der Gesundheitsförderung und der Systemgestaltung im Gesundheitswesen (Badura 2000). Gesundheitssystemgestaltung im Sinne von Gesundheitsmanagement auf institutioneller Ebene wird als ein Praxisfeld der Gesundheitswissenschaften verstanden (Waller 2002, S. 124). In diesem Sinne konzentriert sich diese Abschlussarbeit auf den Bereich Gesundheitssystemgestaltung und Gesundheitsmanagement mit dem Schwerpunkt Betriebliche Gesundheitsförderung an Hochschulen.

Public Health integriert eine Vielzahl wissenschaftlicher Disziplinen und Methoden und ist charakterisiert durch einen multidisziplinären Zugang (Schwartz 2003, S. 5). „Ein Gesundheitswissenschaftler[3] muss verschiedene fachfremde Denkweisen - soziologische, psychologische, ökonomische, politologische und medizinische - nachvollziehen können und mit kommunikativem Feingefühl auf einen Nenner bringen können“ (Wahlers 1996). Im Rahmen dieser Abschlussarbeit kommt zusätzlich die rechtliche Perspektive hinzu, weil Hochschulen staatliche Einrichtungen sind, die der Steuerung durch gesetzliche Vorgaben wie z.B. Rahmengesetze, Dienst- und Haushaltsrecht etc. unterliegen. Weiterhin sind auch die Bereiche des Hochschulmanagements und der Hochschulentwicklung mit dem Thema eng verwandt.

Der Public Health-Bezug des Themas zeigt sich auch in der Orientierung am Setting-Ansatz. Viele von der WHO initiierte Gesundheitsförderungsprojekte orientieren sich am Settingansatz. Der Setting-Ansatz avancierte zur Schlüsselstrategie für Umsetzungsprojekte der Ottawa-Charta (1986) zur Gesundheitsförderung (s. Kap. 2.2.2, S. 15). Seit 1997 ist das Projekt "Health Promoting Universities" offiziell in das Arbeitsprogramm des Projektes "Gesunde Städte" der WHO mit einbezogen. Das Wissen um Aufbau und Ablauf von Settings wie Hochschulen, Betriebe, Kindergärten etc. ist Grundlage für erfolgreiche Gesundheitsförderung. Die Infrastrukturentwicklung für eine betriebliche Gesundheitsförderung ist auch Thema der Jakarta-Erklärung zur Gesundheitsförderung des 21. Jahrhunderts (Jacarta Declaration 1997, 5: Sicherstellung einer Infrastruktur der Gesundheitsförderung). Der Bezug zur vorliegenden Abschlussarbeit liegt darin, dass diese nach der Infrastruktur bzw. Infrastrukturentwicklung der betrieblichen Gesundheitsförderung im Setting Hochschule fragt.

Insgesamt handelt es sich beim Setting Hochschule um eine Zielgruppe von fast 2,5 Millionen Menschen, die Studierende, Beschäftigte in Verwaltung, Technik, Pflegedienst und das wissenschaftliche Personal umfast. Gesundheitsförderung in Hochschulen hat auch deswegen eine ausgeprägte Public Health-Relevanz, weil Hochschulen für ca. 3-6 Jahre als Lern- und Arbeitsumfeld und als Lebensmittelpunkt einen großen Einfluss auf ca.

2 Millionen (junge) Menschen an deutschen Hochschulen haben. Hochschulen verfügen deshalb über ein herausragendes Potential, gesundheitsbezogenes Verhalten und Bewusstsein von Studierenden herauszubilden, die später als Entscheidungsträger, Multiplikatoren, Führungskräfte und in weiteren verantwortlichen Positionen arbeiten werden (Stock/Krämer 2001, S. 181). Daneben sind Hochschulen ein von der Größenordnung her nicht zu unterschätzender Arbeitgeber für bundesweit ca. 500.000 Beschäftigte im wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Bereich. Auch aus diesem Grund wird die Hochschule als gesundheitsfördernder Betrieb in dieser Abschlussarbeit in den Blick genommen, um vorhandene Strukturen der Gesundheitsförderung kennenzulernen, damit letztendlich wirksame und nachhaltige Strukturen den Prozess der Gesundheitsförderung vorantreiben.

1.3 Aufbau

Die vorliegende Arbeit ist folgendermaßen aufgebaut:

Im ersten Kapitel wird in das Thema eingeführt. Die Einführung erfolgt durch einen Problemaufriss und der Darstellung der daraus resultierenden zentralen Fragestellungen. Die Relevanz des Themas und der Fragestellungen für die Gesundheitswissenschaften wird erörtert, und der Aufbau der Arbeit wird skizziert.

Das zweite Kapitel skizziert den Bezugsrahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung für die Hochschulen. Es wird dargestellt, warum Gesundheitsförderung ein Thema für die Hochschulen ist. Es stellt weiterhin die relevanten Begrifflichkeiten, Definitionen und Konzepte der betrieblichen Gesundheitsförderung und speziell der für Hochschulen dar, d.h. Spezifika der Organisation Hochschule werden für die Begriffsdefinition mit berücksichtigt. Gesundheitsförderung an einer Hochschule bewegt sich auch immer innerhalb bestimmter rechtlicher Vorgaben, Regelungen und Vorschriften. Diese werden abschließend im Kapitel 2 skizziert.

Kapitel 3 widmet sich den strukturellen und organisatorischen Aspekten, die für die betriebliche Gesundheitsförderung an der Hochschule relevant sind. Es beschreibt die Besonderheiten der Hochschule als Organisation und skizziert insbesondere hochschuladäquate Strukturen der Gesundheitsförderung und deren Etablierung in die Hochschulorganisation.

Da Hochschulen u. a. nach dem Selbstverwaltungs- und Konsensprinzip funktionieren, muss geklärt werden, wie die Interessenslagen und Perspektiven der Akteure der Gesundheitsförderung zu verorten sind. Dieses wird im Kapitel 4 besprochen. Im Folgenden werden die Anspruchsgruppen und deren möglicher Bedarf an Gesundheitsförderung dargestellt. Daraus können Rückschlüsse auf den Einbezug dieser Gruppen in die Gremien der Gesundheitsförderung resultieren.

In Kapitel 5 und Kapitel 6 wird der aktuelle Forschungsstand und das Forschungsdesign dargestellt. Das siebente Kapitel widmet sich der Darstellung der Ergebnisse sowie der vergleichenden Diskussion. Im achten Kapitel werden die zentralen Bereiche dieser Arbeit zusammengefasst und eine Ausblick auf eine mögliche Weiterentwicklung gegeben.

2 Betriebliche Gesundheitsförderung an Hochschulen: Gründe, Konzepte und gesetzliche Rahmenbedingungen

2.1 Warum Gesundheitsförderung an Hochschulen?

2.1.1 Strukturen der Hochschulen in Deutschland – Statistische Daten

Insgesamt handelt es sich bei den Hochschulen um eine Zielgruppe von fast 2,5 Millionen Menschen, die Studierende, Beschäftigte in Verwaltung, Technik, Pflegedienst etc. und das wissenschaftliche Personal umfasst. Um die gesellschaftliche Bedeutung der Hochschule als Bildungsinstitution und als Arbeitgeber zu unterstreichen, sollen im folgenden einige statistische Daten dargestellt werden.

Im WS 2006/2007 gab es in Deutschland insgesamt 383 Hochschulen, darunter 177 (46%) wissenschaftliche Hochschulen und 206 (54%) Fach- und Verwaltungshochschulen. Zu den wissenschaftlichen Hochschulen zählen die Universitäten, die pädagogischen und theologischen Hochschulen und die Kunsthochschulen (vgl. Tab. 1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Anzahl der Hochschulen und Studierenden in Deutschland; aktualisiert am 08.03.2007 (Quelle: Statistisches Bundesamt http://www.destatis.de, Zugriff: 21.06.2007)

Insgesamt studierten im WS 2006/2007 ca. 2 Millionen Studierende an deutschen Hochschulen, davon 1.404.220 (71%) an wissenschaftlichen Hochschulen und 570.712 (29%) an Fach- und Verwaltungshochschulen.

Ende 2005 waren an deutschen Hochschulen und Hochschulkliniken nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes fast 498.000 Menschen beschäftigt[4]. 257.018 Personen (52%) nahmen Aufgaben in nichtwissenschaftlichen Bereichen (Verwaltung, Bibliothek, technischer Dienst und Pflegedienst) wahr; 240.186 oder 48% des Personals waren wissenschaftlich oder künstlerisch tätig (s. Tabelle 2).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Personalgruppen an Hochschulen in Deutschland; aktualisiert am 18.10.06 (Statistisches Bundesamt, www.destatis.de, Zugriff: 21.06.07)

Von dem Gesamtpersonal von 497.204 Beschäftigten waren ca. 51% (255.000) Frauen. Die Frauenanteile unterscheiden sich allerdings in Abhängigkeit von der ausgeübten Tätigkeit: Einem Frauenanteil von ca.70% beim nichtwissenschaftlichen Personal stand eine Quote von ca. 31% beim wissenschaftlichen und künstlerischen Personal gegenüber.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 3: Weibliches Personal an Hochschulen in Deutschland, aktualisiert am 18.10.06 (Statistisches Bundesamt, www.destatis.de, Zugriff: 21.06.07)

37.865 Professoren und Professorinnen lehrten und forschten Ende 2005 an deutschen Hochschulen. Ihre Gesamtzahl ist seit Mitte der 90er Jahre nahezu unverändert. Stetig gewachsen ist allerdings seit 1995 der Frauenanteil innerhalb der Professorenschaft: Der Anteil der Lehrstuhlinhaberinnen stieg in diesem Zeitraum von 8% auf über 14% an. Die Zahl der Professorinnen erreichte nach vorläufigen Ergebnissen 2005 mit rund 5.400 einen neuen Höchststand (Statistisches Bundesamt 2006).

Trotz intensiver Literaturrecherche konnten kaum Klassifizierungsraster für die Bestimmung der Größe einer Hochschule gefunden werden. Winter (2004) definiert die Größe einer Hochschule über die Anzahl der Studierenden wie folgt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 4: Einteilung der Hochschulen nach Studierendenanzahl[5], (Winter S. 106)

Nach dieser Einteilung gab es im WS 2006/2007 324 (85%) kleine Hochschulen, 47 (12%) mittlere Hochschulen und 12 (3%) große Universitäten. Es gab keine Fachhochschule, die nach dieser Klassifikation als Großorganisation anzusehen wäre. 98% der Fach- und Verwaltungshochschulen gelten als klein, und 2% als mittlere Hochschulen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Einteilung der Hochschulen nach der Anzahl der Studierenden

Um die Hochschulen nach der Anzahl der Beschäftigten einzuteilen, wurde die Klassifikation vom Institut für Mittelstandsforschung übernommen, die sich an der KMU-Definition der Europäischen Union orientiert. Vom Institut für Mittelstandsforschung werden die Unternehmen in folgenden Kategorien nach der Anzahl der Beschäftigten eingeteilt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 5: Einteilung der Unternehmen nach Anzahl der Beschäftigten, Institut für Mittelstandsforschung, URL: http://www.ifm-bonn.org/ (Zugriff: 30.06.2007)

Im Jahre 2004 gab es in Deutschland 4.764 Unternehmen, die mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigten. Insgesamt wurden 3.426.612 Unternehmen registriert[6].

Im Vergleich dazu gab es 2005 137 (36%) Hochschulen, die nach dieser Einteilung (Tabelle 5) als Großorganisation klassifiziert werden. Allein 12 Universitäten beschäftigten mehr als 10.000 Mitarbeiter. Die ersten drei sind: Universität München 16.459 Beschäftigte, Universitätsklinikum Charite Berlin 14.666 Beschäftigte und die Universität Heidelberg 13.747 Beschäftigte. 63% der Hochschulen werden als mittel eingestuft und nur 1% als kleine Hochschulen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Enteilung der Hochschulen nach Anzahl der Beschäftigten (n=383)

Es ergeben sich somit deutliche Unterschiede in der Einschätzung der Größenordnung deutscher Hochschulen nach diesen beiden Klassifikationsrastern.

Betrachtet man die aktuellen Herausforderungen an die Hochschulen und die Bedeutung der Gesundheitsförderung in diesem Kontext, so muss auch berücksichtigt werden, dass die betriebliche Gesundheitsförderung eine zahlenmäßig große Zielgruppe haben kann wie z.B. von bis zu 60.000 Personen (Beschäftigte und Studierende) an einer einzigen Universität, z. B. Universität München = 60.633; Universität Münster = 50.874 und
RWTH Aachen = 42.670.

2.1.2 Aktuelle Herausforderungen an die Hochschulen

Arbeiten und Studieren im Jahre 2007 findet im Kontext einer sich schnell wandelnden und zunehmend international ausgerichteten Gesellschaft statt. Gesamtgesellschaftliche Veränderungen wie Globalisierung, wirtschaftlicher Strukturwandel, Kostendruck und Einsparungen, fehlende Ressourcen und Infrastrukturen bei gleichzeitig erhöhtem Modernisierungsdruck und (internationalem) Wettbewerb zeigen im Zusammenhang mit dem demographischen Wandel ihre Wirkungen auch in den Hochschulen. Die Hochschulen befinden sich mittlerweile mitten im Altersumbruch (Unnold & Wagner 2007, S. 147).

Betrachtet man die aktuellen Herausforderungen für die Hochschulen, so steht an erster Stelle der (politisch gewollte) stärkere Wettbewerb zwischen den Hochschulen (z. B. Exzellenzinitiative[7] ). In diesem Zusammenhang sind auch die im Rahmen der Profilbildung der Hochschulen notwendigen Veränderungen in der Schwerpunktsetzung von Forschung und Lehre zu nennen. Erhebliche Auswirkungen hat zudem die Umstellung auf Bachelor- und Master-Studienprogramme im Rahmen des Bologna-Prozesses[8]. Auch bedeutet die Einführung des Globalhaushalts[9] eine einschneidende Veränderung (s. Abbildung 3). Nicht zuletzt werden Fusionen von Hochschulen schon durchgeführt (z. B. Universität Lüneburg und Fachhochschule Nordostniedersachsen) und als Zukunftsmodell gehandhabt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Aktuelle Herausforderungen an die Hochschulen (Faller 2005a)

Die genannten Veränderungen wirken sich auf alle Mitglieder der Hochschule aus: Flexibilisierung, Arbeitszeitverlängerung, Arbeitsverdichtung, Zeit- und Leistungsdruck, Zunahme von Verantwortung und geänderten Anforderungsprofile für Beschäftigte aller Statusgruppen und Studierende sind die zentralen Aspekte in diesem Zusammenhang. Hinzu kommt eine hohe Anzahl befristeter Beschäftigungsverhältnisse und die Verkürzung der Befristungsdauer mit der Folge eines zunehmenden Leistungsdrucks und wachsender Existenz-ängste bei den Betroffenen (Faller 2005, S. 81).

2.1.3 Bedeutung und Ziele der Gesundheitsförderung für die Hochschule

Die Hochschulen von heute sind in einem Prozess grundlegender Veränderungen eingebunden, von dessen erfolgreicher Bewältigung letztendlich auch das wirtschaftliche Überleben der Hochschule abhängt.

Der Stellenwert der betrieblichen Gesundheitsförderung an Hochschulen bemisst sich deshalb daran, inwieweit mit der betrieblichen Gesundheitsförderung die primären Hochschulziele (Lehre und Forschung) erreicht und die aktuellen Herausforderungen bewältigt werden können. Betriebliche Gesundheitsförderung mag auch als Marketinginstrument oder im Rahmen von Profilbildung eingeführt werden; eine nachhaltige Bedeutung erlangt sie, wenn sie sich an diesen Zielen bewährt (Faller 2006, S. 61 f.).

Im Sinne eines umfassenden Zielsystems soll betriebliche Gesundheitsförderung daher positive Auswirkungen auf die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten zeigen, weil ausgebrannte und demotivierte Beschäftigte aus wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Bereichen der Hochschule eher schaden. Betriebliche Gesundheitsförderung soll weiterhin positive Auswirkungen auf die Qualität der Zusammenarbeit und auf die Arbeitsabläufe und –prozesse, auf die Zufriedenheit der Studierenden, aber auch auf die Kunden von Forschung (z. B. Aufraggeber, Publikationsorgane, Gesellschaft) zeigen (s. Abbildung 4).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4 : Beispiel für die Erstellung eines kennzahlengestützten Ziel- und Steuerungsinstruments zur hochschulbezogenen Gesundheitsförderung (Faller 2006, S. 62)

Bezogen auf die Ziele der Gesundheitsförderung an Hochschulen lassen sich die aus der Versorgungsforschung abgeleiteten Begriffe Outcome und Output unterscheiden. Während Outcome die gesundheitsbezogenen Gewinne der Gesundheitsförderung (z. B. gesundheitsbezogene Verhaltenkompetenzen; gesundheitsfördernde Hochschulorganisation) beschreibt, bezeichnet der Begriff Output die leistungsbezogenen Gewinne der Hochschule (z. B. Beschäftigtenmotivation, Steigerung des Hochschulimages).

Das in Abbildung 4 vorgeschlagene Ziel- und Steuerungsinstrument ermöglicht, die gesundheitsbezogenen Outcome- und Outputwirkungen von Gesundheitsförderung zu evaluieren. Faller schlägt dazu vor, ein wirtschaftswissenschaftliches Steuerungs- und Evaluationsmodell, die Balanced Scorecard[10] (BSC), auf den Anwendungsbereich der Gesundheitsförderung zu übertragen. Dazu müssen geeignete Kennzahlen entwickelt werden, die neben ökonomischen Parametern vor allem die hochschulspezifischen Ziele identifizieren und operationalisieren. Die Beschäftigung mit diesem Steuerungs- und Kennzahlensystem kann dazu beitragen, dass sich Hochschulentscheidungsträger mit den in der Gesundheitsförderung liegenden Potentialen für den Leistungsoutput der Hochschule auseinandersetzen (Faller 2006, S. 62; Faller 2005, S. 163).

Wenn es damit gelingt, den Gesundheitsgewinn der betrieblichen Gesundheitsförderung für die Gesamtorganisation Hochschule zu belegen, kann das Vorurteil widerlegt werden, es handele sich bei den Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung allenfalls um Aktivitäten, die im besten Fall geeignet seien, den Krankenstand der Mitarbeiterinnen zu senken. Für das Kerngeschäft der Hochschule oder eines Unternehmens sei die Gesundheitsförderung jedoch ohne Belang. Aus diesem Grund stoßen Ansätze betrieblicher Gesundheitsförderung gerade in kleinen und mittleren Unternehmen, aber auch in Settings wie Hochschulen, Schulen, oder Krankenhäusern häufig auf Zurückhaltung im Management bzw. in der Verwaltung. Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung werden aus Sicht vieler Betriebs- und Hochschulleitungen eher als zusätzliche Kostenfaktoren mit unsicherem Effekt angesehen (Hartmann 2002).

2.2 Konzepte der betrieblichen und hochschulbezogenen Gesundheitsförderung

2.2.1 Begrifflichkeiten: Gesundheitsförderung, Salutogenese und Prävention

Der Leitbegriff Gesundheitsförderung basiert vor allem auf den 1986 in der Ottawa-Charta [11] der WHO [12] zusammengefassten Zielen und Prinzipien. Gesundheitsförderung bedeutet nach dem Verständnis der WHO, Gesundheitsressourcen und –potentiale auf allen gesellschaftlichen Ebenen, also auch der betrieblichen, zu stärken.

Kennzeichnend für die Gesundheitsförderung ist die salutogenetische Fragestellung nach Aaron Antonowsky[13]. Der Salutogenese-Begriff[14] wurde von ihm in den 1970er Jahren als Gegenbegriff zur Pathogenese[15] entwickelt. Von daher bedeutet diese Perspektive die Abkehr von einer nur an Risiken und Risikofaktoren orientierten Gesundheitserziehung und Prävention (Kaba-Schönstein 2003, S. 73).

Gesundheitsförderung hebt sich von dem Begriff der Prävention dadurch ab, dass sie nicht auf die Verhütung spezifischer Erkrankungen gerichtet ist, sondern die Frage in den Vordergrund stellt, welche Faktoren Gesundheit und Wohlbefinden herstellen können. Die Abgrenzung zwischen Prävention und Gesundheitsförderung ist ein theoretisch kontrovers diskutiertes Thema. Eine Auffassung – neben anderen - ist, dass sich beide Bereiche überschneiden und sich nicht eindeutig trennen lassen. In Bezug auf diese Abschlussarbeit kann diese Auffassung geteilt werden, da die betriebliche Gesundheitsförderung z. B. zwischen Maßnahmen der Verhältnis- und Verhaltensprävention unterscheidet (Faller 2005, S. 129).

2.2.2 Setting-Ansatz und Organisationsentwicklung

Der Settingansatz avancierte zur Schlüsselstrategie für Umsetzungsprojekte der Ottawa-Charta (1986) zur Gesundheitsförderung. In der Ottawa-Charta heißt es: Die Art und Weise, wie eine Gesellschaft die Arbeit, die Arbeitsbedingungen und die Freizeit organisiert, sollte eine Quelle der Gesundheit und nicht der Krankheit sein. Gesundheitsförderung schafft sichere, anregende, befriedigende und angenehme Arbeits- und Lebensbedingungen (WHO 1986). Settings sind Orte, an denen Menschen leben, lernen und arbeiten, also einen Großteil ihrer Zeit verbringen (wie z.B. Kindertagesstätten, Schulen, Hochschulen, Betriebe, Städte oder Gemeinden und auch Familien oder der Freizeitbereich, etc.) und die mit ihrer Organisationsstruktur und ihrem sozialen Gefüge die Gesundheit von Einzelnen und Gruppen entscheidend beeinflussen (Kaba-Schönstein 2003a). Gesundheitsfördernde Settings kann man in regionale/übergreifende Settings (z.B. Regionen, Städte, Gemeinden) und einzelne Settings (z.B. Schule, Krankenhaus, Betrieb) unterscheiden (Siebert 2005). Viele von der WHO initiierte Gesundheitsförderungsprojekte orientieren sich am Settingansatz: Gesunde Städte, Gesundheitsförderliche Schulen, Gesundheitsfördernde Betriebe etc. Seit 1997 ist das Projekt "Health Promoting Universities" offiziell in das Arbeitsprogramm des Projektes "Gesunde Städte" der WHO mit einbezogen (s. Kap. 2.2.2.1).

Der Settingansatz nimmt Einfluss auf Systeme und Rahmenbedingungen und nicht auf einzelne Menschen. Das Wissen um Aufbau und Ablauf von Settings, wie Betriebe, Hochschulen etc. ist Grundlage für erfolgreiche Gesundheitsförderung. Die Infrastrukturentwicklung für eine betriebliche Gesundheitsförderung war auch Thema der Jakarta-Erklärung zur Gesundheitsförderung des 21. Jahrhunderts (Jacarta Declaration 1997, 5: Sicherstellung einer Infrastruktur der Gesundheitsförderung).

Der Settingbegriff kann in zweierlei Hinsicht interpretiert werden: „Ein Setting wird einerseits als ein soziales System verstanden, das eine Vielzahl relevanter Umwelteinflüsse auf eine bestimmte Personengruppe umfasst, und andererseits als ein System, in dem diese Bedingungen von Gesundheit und Krankheit auch gestaltet werden können" (Grossmann & Scala 1999, S.100). Damit zeigt der Settingansatz eine deutliche Verbindung zur systemischen Organisationsentwicklung auf, die einen Prozess geplanter organisatorischer Veränderung der Settings und Systeme anregt und unterstützt (Kaba-Schönstein 2003, S. 75). Während Individuen der primäre Ansatz von Personalentwicklung sind, ist die Organisationsentwicklung (OE) ein geplanter, systematischer Prozess, mit dem eine bestehende Organisation als soziales System verbessert werden soll (Pellert 2001, S. 342). Interventionen setzen am sozialen System selbst an und Kommunikationsstrukturen, Entscheidungen und Regeln werden im Sinne einer systemischen Organisationsentwicklung verändert (Faller 2005, S. 133). Um dies zu realisieren, muss betriebliche Gesundheitsförderung in die Konzepte der Organisations- und Personalentwicklung integriert werden (Nieder 1998, S. 17).

[...]


[1] 1.974.932 Studierende; Stand: 26.03.2007 (Quelle: http://www.statistik-portal.de/Statistik-Portal/de_jb04_jahrtab50.asp; Zugriff: 17.06.2007)

[2] Mitglieder und Interessenten des Arbeitskreises Gesundheitsfördernde Hochschule (Hartmann 2005)

[3] Liebe Leserin: Aus Gründen der Lesbarkeit wird in dieser Abschlussarbeit überwiegend die männliche Sprachform verwendet. Bitte fühlen Sie sich gleichermaßen angesprochen.

[4] Die Zahl der gesamten Arbeitnehmer in Deutschland betrug im 1. Quartal 2007 rund 34,6 Millionen Personen (Quelle: Statistisches Bundesamt http://www.destatis.de, Zugriff: 21.06.2007

[5] Weitere Indikatoren wären: finanzielle Ressourcen und Umfang des Lehrveranstaltungsangebots (Winter 2004, S. 105)

[6] Statistisches Bundesamt, Sonderauswertung des Unternehmensregister-Systems1995 i Auftrag des IfM Bon, Wiesbaden 2007; Berechnungen des IfM Bonn; URL http://www.ifm-bonn.org/ (Zugriff: 30.06.2007)

[7] Exzellenzinitiative: Mit der Förderung der universitären Spitzenforschung im Rahmen der Exzellenzinitiative sollen „Leuchttürme“ der Wissenschaft in Deutschland etabliert werden. Die Hochschulen werden durch eine unabhängige Jury (sog. gemeinsame Kommission aus DFG und Wissenschaftsrat) ausgewählt, die zum überwiegenden Teil aus ausländischen Wissenschaftlern besteht. Bis zum Jahr 2011 werden insgesamt 1,9 Mrd. Euro zur Verfügung stehen. Der Bund wird hiervon 75% übernehmen. Die Auswahl erfolgt federführend durch die Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), die dabei durch den Wissenschaftsrats unterstützt wird. Zwei Förderrunden sind für den Zeitraum 2005-2011 vorgesehen (http://www.bmbf.de/de/; Zugriff: 03.03.2007)

[8] Bologna-Prozess: Ende der 1990er Jahre wurde eine Initiative gestartet, das Hochschulwesen in Europa vergleichbar zu machen. Am 19. Juni 1999 unterzeichneten 29 europäische Nationen die sog. Bologna-Deklaration und bekannten sich zu dem Ziel, bis zum Jahr 2010 einen gemeinsamen europäischen Hochschulraum zu schaffen. Für Deutschland haben Bund und Länder gemeinsam unterzeichnet und sich damit klar zu dem Ziel bekannt, die Reform des deutschen Hochschulwesens im europäischen Kontext voranzutreiben. Die Vorbereitung und Umsetzung dieser Erklärung wird als Bologna-Prozess bezeichnet. Das augenfälligste Ergebnis der Bologna-Reform ist die Umstellung der Studiengänge auf das zweistufige Bachelor-/Master-Studiensystem (http://www.bmbf.de/de/; Zugriff: 03.03.2007).

[9] Globalhaushalt: Mit der Einführung des Globalhaushaltes ist ein grundlegender Paradigmenwechsel in der Hochschulfinanzierung verbunden. Im Rahmen eines Globalhaushaltes erhält die Universität (globale) Mittel zugewiesen, bei denen von vornherein auf eine Differenzierung kameralistischer Haushaltansätze nach dem üblichen System verzichtet wird, also keine vorgegebene Aufteilung der Mittel nach Sach- und Personalkosten. Mit den zur Verfügung gestellten Mitteln arbeitet sie eigenverantwortlich auf der Grundlage eines nach Erfolgs- und Finanzplan gegliederten Wirtschaftsplanes und stellt eine Kosten- und Leistungsrechnung auf. Das Steuerungsinstrument Globalhaushalt bietet den Hochschulen im Vergleich zum klassischen Hochschulhaushalt ein erheblich höheres Maß an Gestaltungsspielraum und Flexibilität. Die Autonomie der Hochschulen wird gestärkt. Mit ihnen gewinnen die Leitungsebenen in den Hochschulen ein neues, effektiveres Instrument zur Steuerung der Hochschulen.

[10] Die BSC geht auf Arbeiten von Robert S. Kaplan und David P. Norton Anfang der 1990er Jahre an der Harvard-Universität zurück. Ausgehend von einer Strategie, die neben den Shareholdern auch andere Stakeholder (z.B. Mitarbeiter, Lieferanten) berücksichtigt, wird ein Kennzahlensystem (scorecard) erstellt. Die Messgrößen repräsentieren die Erreichung der strategischen Ziele. In einem kontinuierlichen Prozess werden Ziele und Zielerreichung überprüft und durch korrigierende Maßnahmen gesteuert. Die Balanced Scorecard dient als Führungsinstrument zur Ausrichtung der Organisation an strategischen Zielen in den unterschiedlichen Perspektiven (Finanzen, Kunden, Prozesse, Mitarbeiter). Im Gegensatz zu Leitbildern und anderen unscharfen Formulierungen versucht die Balanced Scorecard die Erreichung von strategischen Zielen messbar und über die Ableitung von Maßnahmen umsetzbar zu machen. Im Gegensatz zu klassischen Kennzahlensystemen lenkt die BSC den Blick über die unterstellten Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge aber auch auf nicht-finanzielle Indikatoren. Mit den Methoden der BSC soll das Blickfeld des Managements von einer traditionellen, durch finanzielle Aspekte gekennzeichneten Unternehmenssicht, auf alle relevanten Teile gelenkt werden und so zu einem ausgewogenen („balanced“) Bild führen. Die umfassendere Sicht ermöglicht dann konkretere Maßnahmen zur Ausrichtung der Organisation an den vorgegebenen Zielen. In der BSC werden die Ziele ausgewogen verfolgt, d. h. es werden ständig die Auswirkungen der Maßnahmen auf alle Ziele bewertet. Aus psychologischer Sicht erfordert diese eine geringe Anzahl von gleichzeitig zu betrachtenden Kennzahlen, typischerweise ein bis zwei pro Perspektive. Insgesamt sollte eine BSC nicht mehr als 20 Kennzahlen haben. An der konsequenten Auswahl und Reduzierung auf wenige Kennzahlen scheitern viele BSCs (Quelle: Wikipedia, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Balanced_Scorecard, Zugriff: 01.07.2007)

[11] Die erste Internationale Konferenz zur Gesundheitsförderung verabschiedete am 21. November 1986 in Ottawa (Kanada) die Ottawa-Charta. Die Ottawa-Charta ist ein Aktionsprogramm zur Verwirklichung der Ziele „Gesundheit für alle“ bis zum Jahr 2000 und darüber hinaus.

[12] Die Weltgesundheitsorganisation (engl. World Health Organization, WHO) ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen mit Sitz in Genf (Schweiz). Sie wurde am 7. April 1948 gegründet und zählt 193 Mitgliedstaaten. Sie ist die Koordinationsbehörde der Vereinten Nationen für das internationale öffentliche Gesundheitswesen

[13] Aaron Antonovsky (* 1923 in Brooklyn, New York, USA; † 7. Juli 1994 in Beerscheba, Israel) war Professor der Soziologie und wird als der Vater der Salutogenese betrachtet.

[14] Salus = Heil, griech. Genesis = Entstehung

[15] Die Pathogenese (aus griechisch πάθος, páthos „Leiden(schaft), Sucht, Pathos“ und γένεσις, génesis „Entstehung, Schöpfung, Geburt“) beschreibt Entstehung und Entwicklung einer Krankheit mit allen daran beteiligten Faktoren.

Fin de l'extrait de 175 pages

Résumé des informations

Titre
Praxis betrieblicher Gesundheitsförderung an Hochschulen
Université
University of Bremen
Note
1,3
Auteur
Année
2007
Pages
175
N° de catalogue
V87286
ISBN (ebook)
9783638022385
ISBN (Livre)
9783638923675
Taille d'un fichier
1501 KB
Langue
allemand
Mots clés
Praxis, Gesundheitsförderung, Hochschulen
Citation du texte
M.A., Diplom-Kauffrau (FH) Mechthild Gerdes (Auteur), 2007, Praxis betrieblicher Gesundheitsförderung an Hochschulen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87286

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