Über das im Grundgesetz verankerte Prinzip der Streitbarkeit ist viel diskutiert worden. Immer wieder steht man vor der Frage, ob es nicht ein Widerspruch in sich selbst ist, wenn man zum Schutz einer Verfassung unveräußerliche Grundsätze der Verfassung preisgibt. Die Weimarer Reichsverfassung entschied sich gegen das Prinzip der Streitbarkeit. Vielleicht lag es am „liberaldemokratischen Optimismus des 19. Jahrhunderts“ , dass die WRV es mit ihrer weitreichenden Konzeption von Freiheit gewährleistete, dass die von ihr gewährten Freiheitsrechte gegen die Verfassung selbst zu missbraucht werden konnten. Es dauerte nicht lange, bis der Weg direkt in die nationalsozialistische Katastrophe führte. Dass dies den Schöpfern des GG bei dessen Ausarbeitung stets vor Augen schwebte, möchte ich in dieser Arbeit anhand der einzelnen Bausteine des Streitbarkeitsprinzips im GG darstellen. Ich möchte zeigen, dass der Parlamentarische Rat stets darauf bedacht war, die missbräuchliche Anwendung von Grundrechten einzuschränken, bzw. dies ganz zu verhindern. Vor allem sollte verhindert werden, dass sich Verfassungsfeinde in ihrer Absicht die Verfassung zu beseitigen, auf die Verfassung selbst berufen können. Friedrich Karl Fromme formuliert diesen Gedanken sehr treffend:
„Weder ,legale’ Bewerbung um die Macht, noch ,legales’ Ergreifen der Macht, noch ,legale’ Ausübung der Macht soll für antidemokratische Kräfte möglich sein.“
Um zu zeigen dass die einzelnen Bestimmungen und Elemente der „Streitbaren Demokratie“ im GG direkte Reaktionen des Parlamentarischen Rates auf die nationalsozialistische Herrschaft sind, werde ich zunächst die Begriffe der „Streitbaren Demokratie“ und der, von ihr geschützten „Freiheitlich Demokratischen Grundordnung“, genau erläutern. Anschließend werde ich die einzelnen Elemente des Streitbarkeitsprinzips im GG darstellen. Dabei werde ich in 3.1. und 3.2. auf die Problematik von Verboten von verfassungswidrigen Parteien und Vereinigungen, sowie auf die Möglichkeit der Verwirkung einzelner Grundrechten eingehen. Dann werde ich in 3.4. den Schutz des GG vor antidemokratischen Verfassungsänderungen durch die „Ewigkeitsklausel“ darstellen und in 3.5. ab-schließend das Widerstandsrecht diskutieren.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der Begriff der „Streitbaren Demokratie“
- Streitbare Demokratie im GG
- Die freiheitlich demokratische Grundordnung nach Art. 21 II GG
- Verbot von verfassungswidrigen Vereinigungen (Art. 9 II GG) und Parteien (Art. 21 II GG)
- Verwirkung von Grundrechten (Art. 18 GG)
- Die Ewigkeitsklausel (Art. 79 III GG)
- Das Widerstandsrecht (Art. 20 IV GG)
- Das Widerstandsrecht als Gegenstand der Beratungen des Parlamentarischen Rates
- Das Widerstandsrecht im GG (Art. 20 IV GG)
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht das Streitbarkeitsprinzip im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Es wird gezeigt, dass dieses Prinzip eine direkte Antwort des Parlamentarischen Rates auf die nationalsozialistische Katastrophe ist, die sich aus den Schwächen der Weimarer Reichsverfassung ergaben.
- Die Entstehung und Bedeutung des Begriffs „Streitbare Demokratie“
- Die einzelnen Elemente des Streitbarkeitsprinzips im Grundgesetz
- Die Rolle des Parlamentarischen Rates bei der Formulierung des Grundgesetzes
- Der Vergleich des Verfassungsschutzes des Grundgesetzes mit der Weimarer Reichsverfassung
- Die Bedeutung des Streitbarkeitsprinzips für die Sicherung der freiheitlich demokratischen Grundordnung
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Arbeit stellt das Streitbarkeitsprinzip im Grundgesetz vor und erläutert seine Relevanz als Antwort auf die nationalsozialistische Katastrophe. Es wird hervorgehoben, dass die Weimarer Reichsverfassung in ihrer Konzeption von Freiheit und Toleranz die missbräuchliche Anwendung von Grundrechten ermöglichte.
- Der Begriff der „Streitbaren Demokratie“: Dieses Kapitel beleuchtet die Entstehung und Entwicklung des Begriffs „Streitbare Demokratie“, der erstmals im KPD-Urteil von 1956 verwendet wurde. Es wird betont, dass das Prinzip die Beschränkung von Freiheitsrechten durch die Verfassung selbst zum Schutz dieser beinhaltet. Der historische Hintergrund des Verfassungsschutzes wird im Kontext des Aufkommens kodifizierter Verfassungen im 19. Jahrhundert dargestellt.
- Streitbare Demokratie im GG: Dieses Kapitel betrachtet die einzelnen Elemente des Streitbarkeitsprinzips im Grundgesetz. Dazu gehören die freiheitlich demokratische Grundordnung nach Art. 21 II GG, das Verbot von verfassungswidrigen Vereinigungen und Parteien (Art. 9 II GG und Art. 21 II GG), die Verwirkung von Grundrechten (Art. 18 GG), die Ewigkeitsklausel (Art. 79 III GG) und das Widerstandsrecht (Art. 20 IV GG). Die Kapitel gehen auf die Problematik von Verboten von verfassungswidrigen Parteien und Vereinigungen, sowie auf die Möglichkeit der Verwirkung einzelner Grundrechten ein. Die Ewigkeitsklausel wird als Schutz des GG vor antidemokratischen Verfassungsänderungen vorgestellt. Darüber hinaus wird das Widerstandsrecht diskutiert, das als Reaktion auf die nationalsozialistische Herrschaft betrachtet wird.
Schlüsselwörter
Schlüsselwörter dieser Arbeit sind: Streitbare Demokratie, Grundgesetz, Parlamentarischer Rat, Weimarer Reichsverfassung, Freiheitlich Demokratische Grundordnung, Verfassungsrecht, Verfassungsschutz, Nationalsozialismus, Grundrechte, Verbot, Verwirkung, Ewigkeitsklausel, Widerstandsrecht, Demokratie.
- Citation du texte
- Bachelor of Arts Johannes Schumm (Auteur), 2006, Streitbare Demokratie - Das Streitbarkeitsprinzip des Grundgesetzes als Antwort des Parlamentarischen Rates auf die nationalsozialistische Katastrophe, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87979